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Ejakulation wird im Kapitel über „die soziale Bedeutung der genitalen Strebungen"<br />
einiges vorgebracht werden.<br />
Sieht man davon ab, so bleiben genug Motive übrig, die die Verspätung <strong>des</strong> <strong>Orgasmus</strong><br />
bei sonst gesunden Frauen bedingen und nur der Frau zukommen: die doppelte<br />
Geschlechtsmoral, die der Frau weit mehr Verpflichtung zur Sexualablehnung auferlegt<br />
als dem Manne, und der Wunsch ein Mann zu sein, der das Zustandekommen<br />
der Befriedigung zwar nicht vollständig zu verhindern braucht, wohl aber den glatten<br />
Ablauf der Erregung störend beeinflussen kann. Fallen auch diese Hemmungen weg,<br />
so unterscheidet sich der Ablauf der weiblichen Erregung nicht von dem der männlichen<br />
14 .<br />
Der <strong>Orgasmus</strong> fällt bei beiden Geschlechtern intensiver aus, wenn die Höhepunkte<br />
der genitalen Erregung zusammen fallen. Das kommt bei Menschen, die die zärtliche<br />
und sinnliche Strebung auf ein Objekt konzentrieren können und entsprechenden<br />
Widerhall finden, sehr häufig vor und ist die Regel, wenn die Liebesbeziehung weder<br />
innerlich noch äußerlich gestört ist. In solchen Fällen ist zumin<strong>des</strong>t die bewusste<br />
Phantasietätigkeit restlos ausgeschaltet; das Ich erfasst bloß die Lustempfindungen,<br />
auf die es ungeteilt eingestellt ist. <strong>Die</strong> Fähigkeit, sich trotz mancher Widersprüche mit<br />
der gesandten affektiven Persönlichkeit zeitweise auf das genitale Erleben einzustellen,<br />
wäre die phänomenologische Definition der orgastischen Potenz.<br />
Ob auch die unbewusste Phantasietätigkeit ruht, lässt sich nicht ohne weiteres entscheiden.<br />
Gewisse Anzeichen sprechen dafür, Phantasien, die nicht bewusstwerden<br />
dürfen, können nur stören. Unter den Phantasien, die den Geschlechtsakt begleiten<br />
können, muss mein diejenigen unterscheiden, die im Einklang stehen mit dem realen<br />
Sexualobjekt und dem Sexualerleben, und die, die ihnen widersprechen. War das<br />
reale Sexualobjekt imstande, alle libidinösen Interessen wenigstens momentan an<br />
sich zu ziehen, so erübrigt sich auch die unbewusste Phantasie; diese steht wesensgemäß<br />
im Gegensatz zum realen Erleben, weil man nur das phantasiert, was man<br />
real nicht haben kann. Es gibt eine echte Übertragung vom Urobjekt auf das Ersatzobjekt.<br />
Das reale Objekt konnte das Objekt der Phantasie ersetzen, weil es sich in<br />
den Grundzügen mit ihm deckt. Erfolgt hingegen die Übertragung der sexuellen Interessen,<br />
obgleich sich das reale Objekt mit dem phantasierten in den Gnin deigen<br />
Schäften nicht deckt, bloß auf Grund neurotischen Suchens nach dem Urobjekt ohne<br />
die Innere Fähigkeit zur echten Übertragung, so vermag keine Illusion das leise Gefühl<br />
der Unechtheit in der Beziehung zu übertönen. Dort fehlt die Enttäuschung nach<br />
dem Akte, hier ist sie unausweichlich; hier hat, so dürfen wir annehmen, die Phantasietätigkeit<br />
während <strong>des</strong> Aktes nicht geruht, sondern vielmehr der Erhaltung der Illusion<br />
gedient, dort verlor das Urobjekt an Interesse und damit auch die Phantasie erzeugende<br />
Kraft; erstand es doch neu im realen Objekt. Bei der echten Übertragung<br />
bleibt die Überschätzung <strong>des</strong> realen Objektes weg; die Eigenschaften, die dem Urobjekt<br />
widersprechen, werden richtig eingeschätzt und toleriert; bei der unechten ist die<br />
Idealisierung übermäßig groß und die Illusionen herrschen vor; die negativen Eigenschaften<br />
werden nicht wahrgenommen (verdrängt) und die Phantasietätigkeit darf<br />
nicht aussetzen, sonst ginge die Illusion verloren.<br />
14 <strong>Die</strong> Frage, ob es neben der sicher vorhandenen rein somatischen Erregbarkeit der Scheide eine<br />
ursprüngliche psychische Tendenz beim Kinde gibt, die der späteren yog-inalen Einstellung dem<br />
Mann entspricht, gehört ins Kapitel über die Genitaltheorie.<br />
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