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Die Funktion des Orgasmus

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Damit war nur gemeint, dass die einzelnen neurotischen Symptome unmittelbar<br />

durch Verdrängung irgendeines Partialtriebes entstehen und seiner larvierten Befriedigung<br />

dienen. So wirkt zum Beispiel verdrängte Analität unmittelbar bei der nervösen<br />

Obstipation, die Oralerotik beim hysterischen Erbrechen, die Genitalität beim arc<br />

de cercle 9 , der Sadismus bei manchen Zwangshandlungen und zwangsneurotischen<br />

Vermeidungsmassregeln. Ein aktueller Konflikt kann bei entsprechender Disposition<br />

auf jedem beliebigen Gebiete eine Neurose auslösen. Wir wollen nun nachweisen,<br />

dass sexuelle Konflikte im engeren Sinne, Hemmungen, Verdrängungen und Zersplitterungen<br />

der genitalen Tendenzen zwar nicht immer unmittelbar das neurotische<br />

Symptom und den neurotischen Konflikt verursachen, aber doch regelmässig eine<br />

wichtige dynamische Rolle bei der Herstellung der neurotischen Reaktionsbasis<br />

spielen, auf der sich der neurotische Konflikt aufbaut. Ferner, dass ihre Beseitigung<br />

zufolge ihrer Beziehungen zum kontinuierlichen neurotischen Prozess bei der psychoanalytischen<br />

Therapie der Neurosen, worunter wir in erster Linie Beeinflussung<br />

der neurotischen Reaktionsbasis verstehen, eine entscheidende Rolle spielt.<br />

Als ersten Beweis für die Richtigkeit dieser Ansicht bringen wir die Tatsache vor,<br />

dass es keine Neurose ohne Störungen der Genitalfunktion gibt. <strong>Die</strong> zwei folgenden<br />

Statistiken zeigen, dass diese Störungen in den allermeisten Fällen nicht etwa subtiler<br />

Natur sind, wie sie auch beim relativ gesün<strong>des</strong>ten Menschen vorkommen, sondern<br />

elementare <strong>Funktion</strong>en der Kohabitation und die psychogenitale Einstellung im<br />

allgemeinen betreffen. Am häufigsten findet man Sexualscheu und neurotische Abstinenz,<br />

ferner alle in der sexualogischen Literatur bekannten Formen der erektiven<br />

Impotenz (vollkommene, partielle und fakultative Erektionsunfähigkeit), der Störungen<br />

der Ejakulation (ejaculatio praecox oder ante portas und impotentia ejaculandi)<br />

und der Frigidität (totale Sexualkälte, vaginale An- und Hypästhesie, Vaginismus<br />

usw.). Dabei zeigt es sich, dass die Schwere der Potenz Störung der Schwere der<br />

Neurose analog ist und dass auch monosymptomatische Neurosen mit schweren<br />

Störungen der Genitalfunktion einhergehen. Das gleiche gilt für symptomlose Charakterneurosen.<br />

Es ist bezeichnend, dass man unter Kranken, die unter den Erscheinungen<br />

<strong>des</strong> Klimakteriums schwer zu leiden haben, keinen findet, der über ein geordnetes<br />

Sexualleben aus der Zeit vor dem Klimakterium zu berichten wüsste. Am<br />

Schlüsse dieser Übersicht seien noch die Fälle von Süchtigkeit und allen anderen<br />

Arten von Triebhaftigkeit genannt, deren Genitalität stets grob gestört ist.<br />

<strong>Die</strong> erste Statistik umfasst 338 Fälle, die das Wiener Psychoanalytische Ambulatorium<br />

im Verlaufe eines Jahres (November 1923 bis November 1924) aufgesucht hatten<br />

10 .<br />

...<br />

9 Der Arc de cercle (franz.:Kreisbogen) oder große Bogen ist ein von Jean Martin Charcot (1825-1893) beschriebenes<br />

Phänomen, welches im Zusammenhang mit dem großen hysterischenAnfall (Hysterie grande) auftritt.<br />

Der Körper wird dabei kreisbogenartig nach hinten überstreckt. Der Kopf wird in den Nacken gelegt und auf<br />

die Unterlage gepresst, während der Rücken durch die Überstreckung angehoben wird.<br />

10 Herrn Dr. E. Hitschmann, dem Leiter de» Ambulatoriums, bin ich für das Material, das er mir in liebenswürdiger<br />

Weise zur Verfügung gestellt hat, zu großem Dank verpflichtet.<br />

6

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