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stinkt und die Übertreibung ihrer Äusserungen ist die abwehrende Antwort auf verdrängte<br />
sexuelle Wünsche. In allen Fällen spielen die psychischen Faktoren eine<br />
wichtige Rolle, in manchen sogar die einzige. <strong>Die</strong> physischen Faktoren wirken oft mit,<br />
aber sie allein genügen nie, einen Angstzustand hervorzurufen; übrigens enthalten<br />
diese Faktoren eine wichtige psychische Seite. <strong>Die</strong> physischen Faktoren treten allerdings<br />
viel mehr hervor in der Angst- neurose als in der Angsthysterie. <strong>Die</strong> Angstneurose<br />
darf als einzelnes Symptom der Angsthysterie betrachtet werden, die der weitere<br />
Begriff ist.“ Auch SEIF „fasste seine Ansicht dahin zusammen, dass die Angst von<br />
gestauter Libido herrührt, aber ebenso eine „Schutzmassregel gegen die verdrängte<br />
Sexuallibido wie eine Surrogatsbefriedigung darstellt" und dass die Fähigkeit zur<br />
Angst und ihr Mechanismus mit Sexualität nichts zu tun hat.<br />
Fassen wir diese Ansichten zusammen, so lassen sich zwei Anschauungsweisen<br />
feststellen: Angst kann Ausdruck verdrängter Libido (Aktualneurose) oder<br />
Zeichen ihrer Abwehr (Phobie) oder bei<strong>des</strong> zugleich sein. Das Problem ist<br />
nicht einfach und wir werden viele Tatsachen neu sichten und ordnen müssen, um<br />
ihm nähertreten zu können. Eine kurze methodische Betrachtung vermag uns in medias<br />
res 35 zu führen.<br />
<strong>Die</strong> Methode der Psychoanalyse, aus den Zusammenhängen zwischen Symptom<br />
und Persönlichkeitserleben auf den latenten Sinn und den geheimen Zweck <strong>des</strong> bei<br />
oberflächlicher Betrachtung sinnlos erscheinenden Symptoms zu schliessen, erlaubt<br />
es noch nicht, daraus Schlüsse auf die Quelle zu ziehen, aus der das Symptom seine<br />
Energie bezieht. Ein Symptom kann, muss aber nicht schwinden, wenn sein geheimer<br />
Sinn und Zweck bewusst wurde; es kann erst dann endgültig aufgehoben werden,<br />
wenn ihm die Energiequelle entzogen wurde. Nur das kann kausale Therapie<br />
genannt werden. An jedem neurotischen Symptom sind demnach zu unterscheiden:<br />
a) sein psychischer Sinn:<br />
Darunter verstehen wir — auf die einfachste Formel gebracht — diejenigen verdrängten<br />
Vorstellungen, Erlebnisse, "Wünsche, Befriedigungen, selbstbestrafenden Handlungen<br />
usw., die in ihm zu verstellter Darstellung gelangen. <strong>Die</strong>se psychischen Inhalte<br />
wären aber nicht imstande, das Symptom herzustellen, wenn sie nicht „affektbesetzt"<br />
wären, d.h. mit gestauten Triebenergien in Verbindung stünden. Unter den<br />
verdrängten Vorstellungen, die man bei der Analyse eines Symptoms als sinnvolle<br />
Bestandteile vorfindet, sind die meisten sekundär hinzugekommen, nachdem das<br />
Symptom bereits hergestellt war. Das zeigt sich nur beim Vergleich <strong>des</strong> Querschnittes<br />
mit der Entwicklung <strong>des</strong> Symptoms. Da STEKEL und seine Anhänger weder die<br />
Libidotheorie akzeptieren, noch sich um die infantile Wurzel <strong>des</strong> Symptoms kümmern,<br />
ist es begreiflich, dass sie in ihren Arbeiten ständig Sinn und Ätiologie (Quelle)<br />
<strong>des</strong> Symptoms verwechseln und daher auch keine spezifischen Mechanismen aufzuzeigen<br />
vermögen, bei allen seelischen Erkrankungen immer wieder nur die bereits<br />
35 Bedeutungen:<br />
[1] Literatur: plötzlicher Einstieg in die Handlung<br />
[2] bildungssprachlich: unmittelbar und ohne Umschweife zur Sache<br />
Herkunft:<br />
lateinisch in medias res → la „mitten in die Dinge“, nach Horaz: „Semper ad eventum festinat et<br />
in medias res.“ „Stets kommt er [Homer] schnell zur Sache und zu den zentralen Dingen.“ (Ars<br />
Poetica, Vers 148)<br />
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