11.12.2020 Aufrufe

ST:A:R_10

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Städteplanung / Architektur / Religion<br />

<strong>ST</strong>/A/R<br />

Nr. <strong>10</strong>/2006<br />

pierre solages<br />

du<br />

04Z035665M – P.b.b. Verlagspostamt <strong>10</strong>60 Wien • Adresse: <strong>10</strong>60 Wien Capistrangasse 2/8 • office@star-wien.at • Europa € 3,00<br />

Interview Pierre Soulages<br />

AUTO <strong>ST</strong>/A/R<br />

Literatur<br />

Design<br />

Aktuelle Architektur<br />

Bildende Kunst<br />

Art/Brut Center Gugging<br />

economy class<br />

<br />

<strong>ST</strong>/A/R PRINTMEDIUM WIEN 3,– Euro


2 Nr. <strong>10</strong>/2006<br />

Buch I – Sommer<br />

<strong>ST</strong>/A/R<br />

Prof. Klaus Weibel<br />

Rede zum 3 Jahres Jubiläum von <strong>ST</strong>/A/R,<br />

der Zeitung für Städteplanung Architektur Religion<br />

am 8. April 2006 in der Kunsthalle am Karlsplatz, Wien<br />

(Transkription)<br />

_________<br />

Sehr geehrter Staatssekretär Morak,<br />

hochverehrte Exzellenzen,<br />

lieber Heidulf Gerngross, lieber Thomas Redl<br />

und das gesamte Herausgeberagglomerat<br />

sehr verehrte Gäste,<br />

liebe Freundinnen und Freunde:<br />

HERAUSGEBERAGGLOMERAT<br />

Thomas Redl – Künstler<br />

David Staretz - AUTO<strong>ST</strong>/A/R<br />

Rudolf Gerngras - Waran<br />

Dieter Sperl - Literatur<br />

Wladimir Jaremenko Tolstoi - Generalsekretär der apostolischen Kirche<br />

Valie Airport - Flugbegleiterin<br />

Andreas Lindermayr - <strong>ST</strong>/A/R Tagebuch<br />

Werkstatt Wien - immer dabei<br />

Herbert Wulz - Datenkoordinator<br />

Elisabeth Penker - EP positions<br />

Angelo Roventa - PriesterArchitekt<br />

heidulf gerngross - kleingeschrieben<br />

gesegnet von Arsenik, Bischof von Wien<br />

7 8 9<br />

Vodoo Archiquant Hocker<br />

Wie könnte man eine<br />

Jubiläumsveranstaltung besser eröffnen<br />

als mit dem mir nachhaltig in Erinnerung<br />

gebliebenen Hörbucherlebnis von<br />

Umberto Ecos »Das Foucaultsche Pendel«?<br />

Umberto Eco lässt in seinem Roman seinen<br />

Protagonisten mit einiger Emphase über<br />

die Gedächtniskunst des Mittelalters<br />

und der Renaissance sprechen. Es heißt<br />

dort: »Das hier ist besser als das wahre<br />

Gedächtnis, denn das wahre Gedächtnis<br />

kann bestenfalls lernen, sich zu erinnern,<br />

nicht aber zu vergessen.« Der Protagonist,<br />

der in seiner ironischen Emphase die<br />

Techniken der Gedächtniskunst, wie wir<br />

sie seit Ciceros »De oratore II«, Quintilians<br />

»Institutio oratoria, XI« und der Schrift<br />

»Ad Herennium libri IV« kennen, in<br />

»schnelle Bilder« kleidet, beendet seine<br />

Rede auf die Gedächtniskunst mit einer<br />

sehr sophistischen Bemerkung: »Es gibt<br />

keine Technik des Vergessens, wir sind<br />

immer noch bei den zufallsbestimmten<br />

Naturprozessen: Gehirnverletzungen,<br />

Amnesien, manuelle Improvisationen,<br />

was weiß ich, eine Reise, der Alkohol, die<br />

Schlafkur, der Selbstmord.«<br />

Also wie könnten wir dich vergessen,<br />

Heidulf, wie könnten wir deine<br />

kompilierten Bücher, deine rhizomatischen<br />

Zugangscodes, deine tausend Plateaus je<br />

vergessen?<br />

Wir wollen also die Frage Friedrich<br />

Nietzsches »Wer spricht« aufgreifen und<br />

auf <strong>ST</strong>/A/R anwenden. Michel Foucault<br />

drückt es folgendermaßen aus: »Für<br />

Nietzsche handelt es sich nicht darum,<br />

was Gut oder Böse in sich seien, sondern<br />

wer bezeichnet wurde oder vielmehr<br />

wer sprach, als man, um sich selbst zu<br />

bezeichnen, agathos sagte, und deilos,<br />

um die anderen zu bezeichnen. Nämlich<br />

in dem, der den Diskurs hält und noch<br />

tiefer das Sprechen besitzt, versammelt<br />

sich die ganze Sprache. Auf jene Frage<br />

Nietzsches: Wer spricht? antwortet<br />

Mallarmé und nimmt seine Antwort<br />

immer wieder auf, indem er sagt, dass das,<br />

was spricht, in seiner Einsamkeit, seiner<br />

zerbrechlichen Vibration, in seinem Nichts<br />

das Wort selbst ist, nicht die Bedeutung<br />

des Wortes, sondern sein rätselhaftes und<br />

prekäres Sein.« Genau dieses rätselhafte<br />

und prekäre Sein des Phänomens, das<br />

wir <strong>ST</strong>/A/R nennen, interessiert uns, das<br />

unbezeichnete und unvoreingenommene<br />

Sein in den deliriumsartigen Schleifen<br />

und rhizomartigen Wachstumsschüben.<br />

Herzlichen Glückwunsch hierzu.<br />

In seinem berühmten Artikel »Avant-<br />

Garde and Kitsch« aus dem Jahre 1939<br />

vertritt Clement Greenberg die These – und<br />

diese Haltung bringt <strong>ST</strong>/A/R nachhaltig<br />

zum Ausdruck – , dass Kunst sich dem<br />

Niedergang der Kultur durch Konsumismus<br />

verweigern müsse. Greenberg sah Kitsch<br />

und Konsumismus als Synonym und<br />

Kunst und Kitsch als unvereinbar an. Er<br />

holte gleichfalls zum Angriff auf den<br />

Akademischen Kunstbetrieb aus, wenn er<br />

davon sprach, dass Kitsch grundsätzlich<br />

akademisch sei: »All kitsch is academic,<br />

and conversely, all that is academic is<br />

kitsch.« Während dieser Satz aus dem<br />

Zusammenhang gegriffen, selbst für unsere<br />

an allerlei Polemik gewöhnten Ohren,<br />

problematisch zu sein scheint, wird er dann<br />

einleuchtender, wenn wir erkennen, dass<br />

Greenberg den akademischen Kunstbetrieb<br />

des 19. Jahrhunderts im Auge hat und<br />

dieser polemische Angriff dem ewigen<br />

Konventionalismus und Lehrbetrieb mit<br />

seinen Vorstellungen vom Erlernen der<br />

Kunst galt. Man möchte Agnes Husslein –<br />

»Musée d‘Orsay, Wien« – diesen Essay noch<br />

einmal schenken und sich mit Greenberg<br />

seufzend zurücklehnen: ein Museum für<br />

Kitsch in Wien, endlich! Greenberg glaubte<br />

daran, dass moderne Kunst einen kritischen<br />

Kommentar zur Erfahrung mit und von<br />

Welt beisteuern kann und sollte.<br />

Dies verbindet ihn mit der negativen<br />

Dialektik Theodor Adornos, der zu gleichem<br />

Thema Ähnliches forderte. Nämlich: »Nach<br />

Auschwitz könne man keine Gedichte mehr<br />

schreiben.« Was beide meinen, ist, dass<br />

Kunst immer eine aufgeklärte, kritische,<br />

konstruktive wie dekonstruktive Haltung<br />

gegenüber Gesellschaft spielen sollte.<br />

Der alte Satz der Linken »Wo stehst, du<br />

Kollege?« bekommt Bedeutung. Heidulf:<br />

Unser Herz schlägt links!<br />

Ich könnte Ihnen jetzt weiterhin<br />

stundenlang launische Textversatzstücke<br />

aus anderen Texten aneinander reihen,<br />

indem ich die Namen austausche und sie<br />

leicht umstelle. Das, was ich bisher erzählt<br />

habe, stammt aus einem Aufsatz für eine<br />

Ausstellung in der Kunsthalle Mannheim<br />

und gilt der Einführung eines befreundeten<br />

Künstlers. Aber ich dachte, es passt ganz<br />

schön. Doch ist zynisch, diese gängige<br />

Methode auf jemanden wie Heidulf<br />

Gerngross anzuwenden. Sie passt nicht, sie<br />

ist nicht angemessen, sie ist unehrenhaft<br />

und linkisch.<br />

Als mich Frau Dr. Millner per e-Mail in<br />

Shanghai erreichte und mir dann zwei<br />

Tage später die Zeitung per FED-EX ins<br />

Hotel schickte, stimmte ich umgehend<br />

zu. Ich mag es, von China nach Europa<br />

einzufliegen und entweder in Rom, Paris<br />

oder Wien zu landen. Ich kenne Heidulf<br />

Gerngross schon seit einigen Jahren vom<br />

Sehen, wie man sich halt so kennt. Er war<br />

mir nie unsympathisch, ich mochte ihn für<br />

sein Chaos und seine Konfusion, aber so<br />

richtig ernst habe ich ihn nie genommen<br />

– zu deliriumsartig, zu chaotisch und zu<br />

genial, zu schwierig für Bobos wie mich.<br />

Manche von Ihnen werden sich an das<br />

Buch von David Brooks erinnern. Wir sind<br />

liberal, kreativ und reich. Wir haben eine<br />

erstklassige Ausbildung, Erfolg im Beruf<br />

und tragen den Luxus des Understatements<br />

zur Schau. Wir verbinden den Wohlstand<br />

und Karrierismus der Bourgeoisie mit der<br />

Unkonventionalität und dem Idealismus des<br />

Bohemians.<br />

Ich stand also in meinem Zimmer des Peace<br />

Hotels, über dem pulsierenden Bund, der<br />

spektakulären Uferpromenade Pushis,<br />

Shanghai, und blickte auf Pudong. Ich<br />

rauchte einer der kubanischen Zigarren,<br />

die mir Chris, ein Mädchen, ins Zimmer<br />

gebracht hatte. Kurz bevor sie sich<br />

verabschiedete, steckte ich mir eine dieser<br />

Zigarren an. Ich dachte, ich lese nicht<br />

richtig: Guantanamorino. Ich fragte Chris,<br />

ob sie wisse, was Guantanamo sei? Sie<br />

war bestürzt, fragte, ob sie etwa nicht<br />

schmeckten, es wären kubanische, sehr<br />

gute kubanische, sie hätte mir eine Freude<br />

machen wollen. Ich ließ es – nicht ohne<br />

mich lächelnd bei ihr zu bedanken und<br />

meine Schuld zu begleichen. Jetzt stand ich<br />

also vor dem Fenster, paffte eine Zigarre<br />

aus Guantanamo und dachte an Alexandra<br />

Millner, an Heidulf Gerngross und an <strong>ST</strong>/A/<br />

R. If you can trust a stranger, follow me!<br />

Lou Reed besingt es einmal für New<br />

York: »You can‘t see any stars in the New<br />

York sky, they are all on the ground.« In<br />

Shanghai sieht man keine Sterne, selbst<br />

wenn nach ein Uhr nachts die Lichter<br />

Pudongs ausgehen. Ich beobachte, wie ein<br />

beleuchtetes Kreuzfahrtschiff am Bund<br />

anlegt. Ich sehe, wie die Passagiere der<br />

»Silver Shadow« das Schiff verlassen – wie<br />

sie den Bund überqueren und in die Lichter<br />

der Nanjing Lu, Shanghais kilometerlange<br />

Shopping-Meile, eintauchen und sich dann<br />

abrupt in der Menschenmenge verlieren.<br />

Schon vor hundert Jahren, als Franzosen,<br />

Briten und Amerikaner im kolonialen<br />

Shanghai das Sagen hatten, galt die<br />

Nanjing Lu als Mischung aus Broadway und<br />

Oxford Street. In den Straßen flaniert eine<br />

gestylte Schickeria, neureiche Chinesinnen<br />

führen tagsüber beim Shopping ihre edle<br />

Designergaderobe aus. Die Kleidung ist<br />

europäisch, das Essen ist chinesisch. Wenn<br />

Sie so lange in China sind, suchen Sie die<br />

Enklaven der Amerikaner im Ritz oder im<br />

Restaurant Element Fresh.<br />

Wenn ich meine China-Eindrücke vor dem<br />

Hintergrund meiner aktuellen Erfahrungen<br />

bedenke, was könnte es für hier und jetzt<br />

bedeuten? Städtebau, in einer Form,<br />

die selbst die kühnen Studien eines Rem<br />

Kohlhaas konservativ erscheinen lassen.<br />

Ich denke an die endlosen Taxifahrten auf<br />

den Autobahnen durch die Stadtlandschaft.<br />

Hier hat man augenscheinlich »Blade<br />

Runner« in der Realität verbaut, mit den<br />

farbig unterstrahlten Autobahntrassen.<br />

»Blade Runner«, erinnerte ich mich,<br />

gilt in vielfacher Weise als Blaupause<br />

für zentrale Aspekte des Großstadt-,<br />

Moderne- beziehungsweise Postmoderne-<br />

Diskurses der letzten zwanzig Jahre. Die<br />

Intimität der Straße, die sich einstellt, wenn<br />

Harrison Ford seinen rituellen Asien-Snack<br />

einnimmt, trifft auf kühne Entwürfe der<br />

Stadtarchitektur. Das Thema »Erinnern«<br />

trifft auf die Frage nach dem künstlichen<br />

Menschen. Vermüllung und Labyrinthisches<br />

treffen auf Erlösungsphantasien und<br />

Gefühlsirritationen. Das Zeichenhafte<br />

der Stadt trifft auf organische Formen<br />

der Architektur. Ich sehe auf den Jin Mao<br />

Tower, wie er – trotz der Fluglichter im<br />

Nebel – seine Spitze in den Wolken verbirgt.<br />

– Religion? Mit großem Erstaunen hatte ich<br />

mit einem Journalisten gesprochen, der mir<br />

unaufgefordert mitteilte, er sei Katholik.<br />

Was bedeutet dies, er sei gläubig und ginge<br />

zur Kirche und die Menschen in Shanghai<br />

würden eben nicht, wie westliche Medien<br />

dies schilderten, zum Gott des Reichtums<br />

beten. Seltsam. »Just be rich« hieß eine<br />

Ausstellung von Kristian Hornsleth.<br />

Seltsame Koinzidenz, manche von Ihnen<br />

werden wissen, was ich meine.<br />

Ich hatte vor einigen Tagen in Beijing mit<br />

einer bezaubernden Sängerin mittags<br />

Nudeln gegessen, zu denen sie mich<br />

einlud, weil ich mal wieder kein Geld<br />

in den Taschen hatte. Wir hatten uns<br />

über ihre Reisen durch Afrika und ihre<br />

anstehende Reise von Tibet bis Pakistan<br />

unterhalten. Wir unterhielten uns auch<br />

über Zhou Xuan, eine legendäre Sängerin<br />

und Schauspielerin, die 1957 mit 37 Jahren<br />

starb und bis heute zu den Kultstars Chinas<br />

gehört. Der Film »Street Angel« von 1937<br />

war einer ihrer frühen großen Erfolge. In<br />

diesem Film singt sie die beiden bis heute<br />

sehr populären Songs »Wandering Singing<br />

Girl« and »Song of the Four Seasons«. Bis<br />

1949 hatte sie bereits über 200 Platten<br />

aufgenommen. Viele von Ihnen werden<br />

sich an den Soundtrack von »In the Mood<br />

for Love« erinnern, dort gibt es ein Lied<br />

von ihr, das durch den Film noch einmal die<br />

Herzen der internationalen Kulturliebhaber<br />

erreichte.<br />

Meine Zigarre glomm ihrem Ende entgegen<br />

und ich hatte an vieles gedacht, aber<br />

nicht an die eigentliche Rede. Vielleicht,<br />

weil Shanghai so überwältigend war,<br />

dass man sich ständig lost in time and<br />

space fühlte, und weil ich beschlossen<br />

hatte, mich diesem ständigen Energiefluss<br />

vollständig auszuliefern. In China besagt<br />

ein Sprichwort: Du musst immer in acht<br />

Richtungen gleichzeitig gehen. Ich dachte<br />

an Heidulf Gerngross, machte mir eine<br />

Notiz und zog mich an. Ich verließ das<br />

Hotelzimmer und ordnete meine Gedanken<br />

– neu, hoffnungslos, planlos, grenzenlos.<br />

Jetzt bekomme ich das Zeichen zum<br />

Aufhören, das ich eigentlich vorhin<br />

erwartet hatte. Ich hoffe, ich habe Sie nicht<br />

allzu sehr gelangweilt. Vielleicht noch ein<br />

letztes akademisches Bonmot:<br />

»Erinnern und Speichern kann nicht<br />

grenzenlos funktionieren. Ist die Kapazität<br />

erreicht, der Speicher des Gehirns oder des<br />

Rechners überfüllt, befreit sich bekanntlich<br />

das Gedächtnis von Mensch und Maschine<br />

von Überflüssigem. Erinnern ohne<br />

Vergessen macht das Leben unmöglich, so<br />

Nietzsche in seiner Frühschrift ›Vom Nutzen<br />

und Nachteil der Historie für das Leben‹,<br />

aber er wusste auch, dass das Gedächtnis<br />

sich dem Willen zu vergessen nicht beugt,<br />

denn gerade, was nicht aufhört weh zu<br />

tun, bleibt in Erinnerung. Im griechischen<br />

Mythos fanden die Menschen Erlösung von<br />

quälenden Erinnerungen in der Lethe, dem<br />

Fluss des Vergessens, und im bedeutendsten<br />

Tempel des antiken Athen stand ein Altar<br />

des Vergessens. Die Erleichterung des<br />

Gedächtnisses galt als göttliche Kunst, wie<br />

sie noch im Aphorismus Nietzsches fortlebt:<br />

Wirf dein Schweres in die Tiefe! Mensch<br />

vergiss, Mensch vergiss! Göttlich ist des<br />

Vergessens Kunst!«<br />

Bevor ich es vergesse, meine Damen und<br />

Herren, der Archiquant! Ob Dreieck,<br />

Würfel, Archiquant oder Kreis, ob eckig,<br />

rund oder oval: Formen erkennen und<br />

unterscheiden für Kinder ab einem Jahr.<br />

Heidulf wird Sie im Anschluss darüber<br />

ausführlich informieren. Nur so viel: Was<br />

Umberto Eco über das Kunstwerk sagt,<br />

würde ich gerne auf den Archiquanten<br />

übertragen: »In diesem Sinne also ist<br />

das Kunstwerk [der Archiquant], eine<br />

in ihrer Perfektion eines vollkommen<br />

ausgewogenen Organismus vollendete und<br />

geschlossene Form, doch auch offen,<br />

kann auf tausend verschiedene Arten<br />

interpretiert werden, ohne dass eine<br />

irreproduzible Einmaligkeit des Phänomens<br />

davon angetastet würde. Jede Rezeption ist<br />

so eine Interpretation und eine Realisation,<br />

da bei jeder Rezeption das Werk in einer<br />

originellen Perspektive neu auflebt.«<br />

Verwendete Literatur:<br />

Umberto Eco. Das Foucaultsche Pendel.<br />

München: Hanser 1989.<br />

Michel Foucault. Die Ordnung der Dinge.<br />

Frankfurt am Main: Suhrkamp 1971.<br />

Barbara Straka: Auf der Suche nach der<br />

verlorenen Zeit oder:Blick zurück nach<br />

vorn? Art of Memory in der finnischen<br />

Kunst Ende der 90er Jahre. http://www.<br />

artists.fi/triennial2/straka2.htm


<strong>ST</strong>/A/R<br />

Buch I – Sommer<br />

Nr. <strong>10</strong>/2006 3<br />

<strong>ST</strong>/A/R <strong>10</strong><br />

Sommer 2006<br />

Sommerloch<br />

Städteplanung / Hitze / Realität<br />

Die Erde trauert unter dem Asphalt<br />

35 Grad Durchschnittstemperatur / Ozonbelastung in Europas Städten / in Dresden trocknet die Elbe aus /<br />

an der italienischen Adriaküste misst das Wasser 28 Grad / in New York brennt der Asphalt / Hitzestau / Wien<br />

hat zu wenig Bäume / das Kapital pflanzt keine Bäume, baut keine Brunnen / die Politik macht Sommerfrische<br />

und/oder sitzt in klimatisierten Räumen / manch einer aus der Politelite begibt sich zur zwanglosen<br />

Unterhaltung auf Jachten und lächelt permanent / in den Büros, in denen aufgrund des wirtschaftlichen<br />

Druckes durchgearbeitet wird, leiden die arbeitenden Menschen / und der Transit wird nicht reduziert,<br />

die CO 2-Emission nicht verringert //<br />

Wann reagiert man auf die akute Situation? / Wenn Spanien zur Wüstenlandschaft wird und das Mittelmeer<br />

konstant Badewannentemperatur hat? / Der Umgang mit der Erde und die Einstellung zu ihr wird wesentlich<br />

werden für die Möglichkeiten und Gestaltung unserer Zukunft. ///<br />

Gerade wird in einer Werbekampagne Österreich neu erfunden, und dieses Österreich gehört den Frauen oder<br />

genauer formuliert einem Medienkonzern / eine neue Zeitung, die im Titel impliziert, dass sie Österreich<br />

repräsentiert und verkörpert, trifft damit die Aussage, dass alle bisherigen Printmedien Österreich nicht<br />

darstellen / <strong>ST</strong>/A/R existiert unbeirrt weiter und ist ein medialer Raum des kulturellen Energiefeldes Österreich /<br />

denn nicht alles, was auf Werbeplakaten postuliert wird, hat einen Bezug zur Realität /<br />

<strong>ST</strong>/A/R wünscht Österreich alles Gute. ////<br />

Diese Nummer ist wie gewohnt ein Gang durch Kunst, Kultur, Architektur, Stadtleben, Betrachtungen<br />

zur Mobilität, Literatur, Jugendkultur, Landleben – ein besonderer Moment war die Begegnung und das<br />

Interview mit Pierre Soulages, einem der wesentlichen Vertreter der klassischen abstrakten Malerei aus<br />

Frankreich, hier in Wien – während des Interviews entstand auch das Coverfoto.<br />

In naher Zukunft wird es eine Kooperation von <strong>ST</strong>/A/R mit fritz-kola (Hamburg), dem europäischen<br />

Gegenstück zu CocaCola, geben. <strong>ST</strong>/A/R wird zukünftig in allen Lokalen, in denen fritz-kola serviert wird,<br />

als Lektüre zur Verfügung stehen. Wir starten ab Oktober in Berlin und Hamburg.<br />

Dieser Nummer ist eine Sonderausgabe über die Vorarlberger Architekturszene beigelegt (48 Seiten in<br />

S/W), entstanden in Kooperation mit dem Vorarlberger Architektur Institut.<br />

Thomas Redl, Wien, 07/08/2006<br />

„Die Wunder sind da, in den Momenten, wo wir nicht verschüttet sind.“<br />

Thomas Redl 2005<br />

Andrea Baczynski Bund Shanghai, 2006


<strong>ST</strong>/A/R Buch I – Sommer Nr. <strong>10</strong>/2006 5<br />

<strong>ST</strong>/A/R HUMAN Architekturpreisverleihung auf der Strosiz im Juni 2006<br />

H<br />

Die <strong>ST</strong>/A/R HUMAN Skulpturen wurden von<br />

Atelier Kerbler Modellbau in der berühmten<br />

Kerblerpräzison hergestellt.<br />

www.arch-model.at<br />

U<br />

M<br />

AN<br />

I´m not a women<br />

I´m not a man<br />

I´m a human<br />

EP positions<br />

Konrad Frey, 2005 Robert Pretsch, 2004<br />

Solardusche, Strosiz<br />

Kapelle Anna und Jakob<br />

Langenwang, Steiermark<br />

Die das Fest betreuenden Förster:<br />

Max Hochreiter und<br />

Harald Angerer, mit ihren Familien<br />

Fotos © 2006, Gerry Kofler


6 Nr. <strong>10</strong>/2006<br />

Buch I – Sommer<br />

<strong>ST</strong>/A/R


<strong>ST</strong>/A/R<br />

Buch I – Sommer<br />

Nr. <strong>10</strong>/2006 7<br />

LEOPOLD MUSEUM mit 350.000 Jahresbesuchern weiterhin Nr. 1<br />

im Wiener MuseumsQuartier<br />

ein entwurf der st/A/R Art Direktionn


Buch I – Sommer<br />

<strong>ST</strong>/A/R<br />

8 Nr. <strong>10</strong>/2006<br />

Inhaltsangabe<br />

Buch 01 -<br />

Sommer,<br />

Seite 1–8<br />

<strong>ST</strong>/A/R<br />

Städteplanung / Architektur / Religion<br />

Interview Pierre Soulages<br />

AUTO S/T/A/R<br />

Literatur<br />

Design<br />

Aktuelle Architektur<br />

Bildende Kunst<br />

Art/Brut Center Gugging<br />

economy class<br />

04Z035665M – P.b.b. Verlagspostamt <strong>10</strong>60 Wien • Adresse: <strong>10</strong>60 Wien Capistrangasse 2/8 • office@star-wien.at • Europa € 3,00<br />

3,– Euro<br />

<strong>ST</strong>/A/R PRINTMEDIUM WIEN<br />

<br />

pierre solages<br />

Nr. <strong>10</strong>/2006<br />

du<br />

Buch 02 -<br />

Leben,<br />

Seite 9–16<br />

17<br />

Buch II – Leben<br />

<strong>ST</strong>/A/R Nr. <strong>10</strong>/2006<br />

T homas Redl: Zu Beginn etwas aus<br />

ihrer Biographie, Herr Soulages.<br />

Sie haben 1948 am Salon des Réalités<br />

Nouvelles teilgenommen und an der<br />

Wanderausstellung Große Ausstellung<br />

französischer abstrakter Malerei in<br />

Deutschland ...<br />

Pierre Soulages: Im Salon des Réalités<br />

Nouvelles wollte ich anfangs nicht<br />

ausstellen, weil es vor allem ein Salon<br />

der Geometrischen Abstraktion war. Ich<br />

habe mich aber dann trotzdem beteiligt,<br />

weil es sehr sympathische Leute waren,<br />

die mich darum gebeten haben. Und<br />

bei diesem Salon hat Dr. Domnick aus<br />

Stuttgart 7 oder 8 Maler für die Große<br />

Ausstellung französischer abstrakter<br />

Malerei eingeladen. Für das Plakat<br />

der Ausstellung wurde eines meiner<br />

Bilder ausgewählt. Von den geladenen<br />

Künstlern war ich der Jüngste, da waren<br />

noch Kupka, Doméla, Herbin, Hartung,<br />

Schneider, Francis Bott - Kupka wäre<br />

heute 140 Jahre alt. Meine Kamaraden<br />

aus der Galerie waren Hartung und<br />

Schneider - Schneider wäre jetzt 1<strong>10</strong><br />

Jahre alt. Ich erinnere mich, dass<br />

mehrere Künstler, darunter Francis Bott<br />

zum Beispiel, zu Domnick gesagt haben:<br />

„Du kannst doch nicht einen so jungen<br />

Künstler nehmen.“ Ich war 27, und nach<br />

dem Krieg war 27 nicht viel, weil dieser<br />

uns ja einige Jahre gekostet hat.<br />

T. R.: Wie war die Stimmung zu dieser<br />

Zeit, welche Strömungen gab es?<br />

P. S.: Zu dieser Zeit gab es alle<br />

möglichen, verschiedenen Strömungen<br />

in Paris. Es gab die figurativen Maler,<br />

die engagierten Maler, wobei ich jene<br />

meine, die von der kommunistischen<br />

Partei unterstützt wurden, eben sehr<br />

politisierte Maler. Dann gab es die<br />

Surrealisten, die in ganz Amerika<br />

bekannt waren, und auch die Abstrakten<br />

Geometrischen. Man sprach nicht viel<br />

von den Abstrakten Geometrischen,<br />

sie waren ein bisschen im Schatten zu<br />

diesem Zeitpunkt. Und da gab es auch<br />

noch die Ecole de Paris. Man erfand den<br />

Begriff ‚Ecole de Paris‘, um ausländischen<br />

Künstlern zu ermöglichen, mit<br />

französischen gemeinsam auszustellen,<br />

mit französischen Malern wie Chagall,<br />

Soutine, Modigliani, Picasso, Juan Gris,<br />

Matisse, Fernand Léger, Bonnard. Man<br />

wollte ja nicht ‚französische Malerei‘ oder<br />

‚Pariser Maler‘ sagen. Und außerdem<br />

denken die Franzosen nicht so, in<br />

Frankreich sind die Museen prinzipiell<br />

für jeden offen, egal ob Ausländer oder<br />

Franzose. Nur in Amerika ist es so, dass<br />

Museen für Inländer reserviert sind, in<br />

Washington wie auch in New York. In<br />

Frankreich waren sie glücklicherweise<br />

immer offen. Also entwarf man das<br />

Konzept der Ecole de Paris. Und mit der<br />

Zeit entwickelten Maler wie Bazaine,<br />

Manessier, Pignon einen Stil, der<br />

aus einer kubistischen, fauvistischen<br />

Tradition erwuchs. Die Maler in der<br />

von Dr. Domnick ausgesuchten Gruppe<br />

kamen nicht aus der Tradition der<br />

Ecole de Paris. Wir waren anders, wir<br />

kamen auch nicht aus der Tradition der<br />

Geometrischen Abstraktion, aus der Zeit<br />

Kreis/Viereck oder Abstraktion/Kreation,<br />

die große Bewegungen vor dem Krieg<br />

waren. Wir waren anders und wurden<br />

ziemlich ignoriert, zu diesem Zeitpunkt<br />

noch nicht sichtbar, aber wir waren Teil<br />

der Abstraktion. Und diese Ausstellung,<br />

die durch Deutschland gewandert ist,<br />

war wichtig für die Deutschen und auch<br />

für uns, weil wir gezeigt haben, was<br />

in der ganzen Periode passiert ist, die<br />

durch den Nationalsozialismus verdeckt<br />

worden war. Kurze Zeit nach dieser<br />

Ausstellung war ich dann Mitglied einer<br />

Gruppe, die ZEN49 hieß.<br />

T. R.: Es hat ja zu Beginn der 50er Jahre<br />

dann auch Kontakte zur Österreichischen<br />

Avantgarde gegeben, also zu Markus<br />

Prachensky, Arnulf Rainer, Monsignore<br />

Otto Mauer.<br />

P. S.: 1953, also 5 Jahre nach der<br />

Wanderausstellung in Deutschland,<br />

bekam ich einen Telefonanruf eines<br />

Herrn Monsignore Otto Mauer, der<br />

mich fragte, ob er mit 3 jungen Künstlern<br />

mein Atelier besuchen könnte, und<br />

das waren Rainer, Prachensky und<br />

Hundertwasser. Ich glaube, sie sind ein<br />

Jahr später, 1954, wiedergekommen,<br />

wieder mit dem Bischof oder Erzbischof<br />

von Wien oder so.<br />

T. R.: In weiterer Folge gelangte ihre<br />

Kunst auch nach Amerika, und sie<br />

lernten die Künstler Kline, Motherwell,<br />

de Kooning, Rothko kennen. Sie hatten<br />

auch 1954 ihre erste Einzelausstellung<br />

in Amerika.<br />

P. S.: Ja, aber ich stellte schon 1949 in<br />

Amerika aus, in der Galerie Betty Parson,<br />

und die Ausstellung hieß Painted in<br />

49. Kline war zu diesem Zeitpunkt<br />

ein figurativer Maler, ganz und gar<br />

nicht abstrakt. Die amerikanischen<br />

Künstler haben alle diese Ausstellung<br />

gesehen, an der 5 französische Maler<br />

beteiligt waren, unter anderem Vasarely,<br />

Hartung, Schneider. Von diesem<br />

Augenblick an hatte ich Kontakte zu<br />

amerikanischen Händlern, und es<br />

folgten auch weitere Ausstellungen,<br />

die in Amerika zirkulierten. In Paris<br />

kannte man damals die amerikanischen<br />

Maler nicht, erst später. Ab 1953/54<br />

hatte ich eine Galerie in New York,<br />

die Galerie Kootz, die sich sehr aktiv<br />

um mich gekümmert hat. Ich habe in<br />

dieser Galerie 12 Jahre lang ausgestellt.<br />

1957 war ich das erste Mal in Amerika<br />

und habe de Kooning, Motherwell und<br />

die meisten der amerikanischen Maler<br />

persönlich kennen gelernt, nur Pollock<br />

nicht, der war schon tot, den konnte<br />

ich nicht treffen. Einmal war ich sehr<br />

erstaunt. Ich sprach mit de Kooning<br />

und sagte zu ihm: „Du musst eine Reise<br />

nach Paris machen.“ Und der sagte<br />

zu mir: „Ich kann nicht. Ich bin kein<br />

Amerikaner, ich habe keine Papiere, ich<br />

bin staatenlos.“<br />

T. R.: Zu Rothko hatten sie lange<br />

Kontakt, und es entwickelte sich auch<br />

eine Freundschaft.<br />

P. S. Ich kann ihnen erzählen, wie ich<br />

Rothko kennen gelernt habe, nämlich<br />

auf einer Party, die der damalige<br />

Konservator des Museum of Modern<br />

Art, für mich gegeben hat. Die meisten<br />

amerikanischen Maler waren anwesend,<br />

und sie waren sehr erstaunt, dass ich<br />

eher groß und kräftig bin. Franzosen<br />

sind ja Zwerge. Wir hatten uns zuerst<br />

nichts zu sagen, und nach <strong>10</strong> Minuten<br />

oder einer viertel Stunde haben wir zu<br />

reden begonnen, und sie haben zu mir<br />

gesagt: „Sie könnten American Football<br />

spielen.“ Daraufhin habe ich geantwortet:<br />

„Nein, ich bin Rugbyspieler.“ Zu dieser<br />

Zeit war ich auch Rugbyspieler. Auch<br />

das verblüffte sie, weil Europa für sie<br />

ein Ort der kultivierten, verfeinerten<br />

Menschen war. Und sie selbst sahen<br />

sich im Gegensatz dazu als stark und<br />

kräftig, sie praktizierten den Kult der<br />

Virilität. Diese Unsinnigkeiten dauerten<br />

ungefähr eine viertel Stunde. Und dann,<br />

Rothko, er saß in einem Sofasessel und<br />

fing mit sonorer Stimme zu sprechen<br />

an, und er sagte: „Ah, Europa. Europa,<br />

das ist ein Alptraum. Ich habe eure<br />

Museen gesehen, wo Männer mit<br />

Nägeln in blutenden Händen gezeigt<br />

werden. Ich habe blutende Männer<br />

gesehen mit Dornenkronen. Ich habe<br />

Männer gesehen mit Pfeilen überall<br />

und Blut. Ich habe Frauen gesehen,<br />

die abgeschnittene Köpfe auf Tabletts<br />

tragen, und überall Blut, das fließt.<br />

Europa, was für ein Alptraum, die<br />

Konzentrationslager, die Gaskammern,<br />

die Krematorien. Europa, das ist ein<br />

Alptraum.“ Und ich, ich fühlte mich als<br />

Europäer angegriffen. Dann hat er etwas<br />

hinzugefügt, was mir gefallen hat: „Was<br />

ich mag, ist das Vogelgezwitscher.“ Und<br />

ich habe geantwortet: „Ich war noch<br />

nicht in allen amerikanischen Museen,<br />

aber ich habe in euren Museen, im<br />

Metropolitan zum Beispiel, Männer mit<br />

Licht, das vom Bild<br />

zu dir kommt<br />

Also was ist ein<br />

Kunstwerk? Es ist ein<br />

Objekt, geschaffen von<br />

einem Menschen, das<br />

fähig ist zu zeigen, was<br />

investiert wurde<br />

Interview mit Pierre Soulages<br />

Buch 03 -<br />

Europa,<br />

Seite 17–24<br />

17<br />

Buch III – Europa<br />

<strong>ST</strong>/A/R Nr. <strong>10</strong>/2006<br />

+ die architektur des würfels<br />

Vortrag, anlässlich der Vernissage des f.e.a.-Würfels<br />

(f.e.a. = forum experimentelle architektur)<br />

Als einfachste Form der dritten Gegenstandsdimension entsteht aus dem<br />

zweidimensionalen Quadrat der dreidimensionale Würfel, lateinisch<br />

Kubus.<br />

Das Verhältnis Oberfläche zu Volumen ist umso besser, je größer der<br />

Würfel ist.<br />

Bei <strong>10</strong>-facher Kantenlänge ergibt sich ein <strong>10</strong>-fach besseres<br />

Verhältnis.<br />

Bei Gebäuden heisst dies, eine wesentlich bessere<br />

Energieeffizienz.<br />

Seine Ungerichtetheit lässt den Kubus stabil wirken, er ruht<br />

sicher und erhaben auf dem Boden.<br />

Aus diesem Grund wurden immer wieder<br />

Befestigungsanlagen aber auch Grabmäler mit kubischer<br />

Form errichtet.<br />

Wie etwa in Buchara, Usbekistan, das Tor zur Zitadelle<br />

und das Samaniden-Mausoleum.<br />

Aus dem Lösboden gegraben, bestimmen Innenhöfe<br />

eine Bauern-Siedlung in der Nähe von Tonguan in<br />

China.<br />

L-förmige Treppen führen entlang der Hofwände nach<br />

unten, in die Atrium-Wohnungen.<br />

Oben sind Äcker und Wiesen.<br />

Vom Flugzeug aus gesehen wirken die leeren<br />

Volumen in der ebenen Landschaft als kubische<br />

Negativform.<br />

Erhabenheit sugerierende Atribute passen<br />

natürlich auch gut für Kunstbehältnisse, wie hier<br />

im Museumsquartier das Leopold Museum oder<br />

während der Schweizer Expo.02 der Monolith von<br />

Jean Nouvel.<br />

Dieser befand sich während der Landesausstellung auf dem Murtensee, 200m vom Hafen Murten entfernt.<br />

Mit seiner idealen, rostigen Würfelform von 34m Seitenlänge, stand er für die<br />

ausserhalb der Zeit liegende Welt der<br />

Ideen.<br />

Vom Ufer abgesondert und rostig, zeugte er gleichzeitig von der Vergänglichkeit und dem Zerfall der materiellen Welt.<br />

In seinem Inneren wurden drei Panoramen kombiniert:<br />

Hier wurde mit dem bewegten, computergesteuerten Rundbild der Gegenwart, dem historischen Schlachtenbild und dem<br />

inszenierten Rundblick auf die Stadt Geschichte und Fiktion, Zeit und Wahrnehmung in Frage gestellt.<br />

[Martin Tschanz,<br />

Neue Zürcher Zeitung, 13.05.2002<br />

Der Kubus war auch ein wesentlicher Teil der Formensprache von Louis Kahn.<br />

Die freistehende Bibliothek von Exeter in New Hampshire<br />

wirkt durch ihre gewollte Elementarhaftigkeit, die eine zeitlose Gültigkeit verkörpert.<br />

Der Ziegel-Kubus, von einem gleichmäßigen Fensterraster durchbrochen, betont die Massivität des Bauwerkes.<br />

Die zentrale Halle wird von den mit eingeschriebenen Kreisöffnungen durchbrochenen Beton-Seitenflächen eines Würfels<br />

gebildet.<br />

Durch diese riesigen Kreisöffnungen fällt der Blick auf die Holzbrüstungen der Geschoße.<br />

Das Bauwerk kommt in seiner Erscheinung als Volumen zur Geltung.<br />

Zwei leicht zueinander gedrehte Holzkuben, auf unverrückbar im Hang verankerten Sockeln aus Bruchstein, bilden Kahns Haus für<br />

die Familie Norman Fisher, in Hatboro, Pennsylvania.<br />

Sicherheit gebend und keinem Stil verpflichtet, stehen sie als Artefakt der Landschaft gegenüber, zu der über große Eckfenster<br />

der Bezug hergestellt wird. In Rotterdam schaffte Piet Bloom mit seinen auf die Spitzen gestellten, als Pfahlbauten errichteten<br />

Wohnwürfeln eine Touristenattraktion.<br />

Diese Art den Würfeltypus zu verwenden fand jedoch keine Nachahmer.<br />

Sol LeWitt<br />

gestaltete Kunstwerke durch die mehrmalige Verwendung gleicher Einheiten mit standardisierten Dimensionen in absoluter<br />

Symmetrie. Als Pionier der konzeptionellen Kunst, fertigte er würfelförmige Leerräume, die durch schlanke Aluminiumkonturen<br />

definiert werden.<br />

Ein würfelförmige Leerraum<br />

ist auch der den Innenraum erweiternde f.e.a.-Würfel:<br />

eine filigrane, kubische Konstruktion, flexibel mit wechselnder Erscheinungsform und spannenden Schattenwurf<br />

soll durch wechselnde Bespielung von Künstlerinnen und Künstlern, Architektinnen und Architekten, mit Bedeutung gefüllt werden.<br />

<strong>ST</strong>/A/R zu Besuch im f.e.a. – forum experimenteller architektur<br />

Buch 04 -<br />

Kunst,<br />

Seite 25–32<br />

Buch IV – Kunst<br />

<strong>ST</strong>/A/R Nr. <strong>10</strong>/2006<br />

Am 28. Juni wurde das Museum Gugging als weltweit<br />

einzigartiges Art / Brut Center eröffnet. Das Museum ist als Ort<br />

konzipiert, an dem sich die Art Brut mit anderen Kunstrichtungen<br />

treffen, ergänzen und auch messen wird können, ein Treffpunkt<br />

für Diskussion und Diskurs. Schwerpunkt bleibt dabei die<br />

Präsentation der Werke der Gugginger Künstler. Dem Museum<br />

steht eine Ausstellungsfläche von rund 1.300 m2 zur Verfügung.<br />

Darüber hinaus gibt es eine Bibliothek, ein Bildarchiv, Lager- und<br />

Arbeitsräume für Kuratoren sowie einen Multimediaraum.<br />

Dem Museum wird noch ein Museumsshop angeschlossen sein,<br />

ein Café-Restaurant soll 2007 in Betrieb gehen. Das Museum<br />

ist in das Art / Brut Center Gugging integriert, zu dem noch die<br />

Galerie der Künstler aus Gugging, das Offene Atelier Gugging,<br />

Arbeitsräume sowie eine Veranstaltungshalle, die „Villa“, für<br />

Symposien, Konzerte und Ähnliches zählen.<br />

Die Eröffnungsausstellung<br />

„Blug - vier Jahrzehnte Kunst aus Gugging“<br />

präsentiert rund 650 Arbeiten, Zeichnungen, Malereien, Objekte<br />

und auch Radierungen der international bekannten Art Brut<br />

Künstler August Walla, Oswald Tschirtner und Johann Hauser,<br />

sowie auch jener gegenwärtig im Haus der Künstler lebenden, zu<br />

nennen sind da: Johann Fischer, Johann Garber, Franz Kernbeis,<br />

Johann Korec, Heinrich Reisenbauer, Arnold Schmidt, Günther<br />

Schützenhofer und Karl Vondal. Sowie jene aus den 70er Jahren,<br />

wie Josef Bachler, Josef Blahaut, Anton Dobay, Franz Gableck,<br />

Rudolf Horacek, Franz Kamlander, Fritz Koller, Rudolf Limberger,<br />

Otto Prinz, Philipp Schöpke und Erich Zittra.<br />

„Blug“, der Titel dieser ersten Ausstellung, ist einer Arbeit von<br />

Franz Kernbeis entnommen und bedeutet „Pflug“ - Der Acker<br />

ist bestellt!<br />

Die Ausstellung dauert vom 30. Juni - 14. Jänner 2007.<br />

Anschließend soll sie auf Welttournee gehen.<br />

Zur Schau ist das Buch „Blug. Gugging - ein Ort der Kunst“ im<br />

Brandstätter-Verlag erschienen.<br />

Informationen<br />

Museum Gugging - Art / Brut Center, 3400 Maria Gugging /<br />

Klosterneuburg, Hauptstraße 2,<br />

Ausstellung „Blug“: 30. Juni - 14. Jänner 2007.<br />

Das Museum ist Dienstag bis Sonntag von <strong>10</strong>.00 bis 18.00 Uhr (im<br />

Winter bis 17.00 Uhr) geöffnet, die Galerie Dienstag bis Samstag.<br />

Normalität ist der Ausgangspunkt<br />

Art / Brut Center in Gugging eröffnet<br />

Interview mit Johannes Feilacher,<br />

dem Leiter des Museums Gugging<br />

<strong>ST</strong>/A/R: Seit den 70er Jahren hat sich<br />

unter der Leitung von Dr. Navratil<br />

hier in Gugging ein Künstlerzentrum<br />

entwickelt, das Sie übernommen und<br />

weitergeführt haben. Wie war die<br />

Entwicklung seit dem Beginn und auch<br />

während der letzten fünfzehn Jahre?<br />

Johannes Feilacher: Navratil hat in<br />

den 60er Jahren über Testzeichnungen<br />

zufällig Talente entdeckt, die er Jean<br />

Dubuffet vorgestellt hat, der die<br />

Werke zur Art Brut gezählt und damit<br />

gleichzeitig anerkannt hat. Navratil hat<br />

dann in Richtung Kunst weitergearbeitet,<br />

wobei er stets Psychiatrie und Kunst<br />

verbunden hat. 1965 hat er ein erstes<br />

Buch herausgegeben, das vorwiegend<br />

auf zeitgenössische Künstler gewirkt<br />

hat (Arnulf Rainer, Franz Ringel,<br />

Peter Pongratz, ...), nicht jedoch auf<br />

die Psychiater. 1970 fand die erste<br />

Ausstellung in Wien statt. Danach gab<br />

es einzelne, verstreute Ausstellungen<br />

und ab dem Jahr 1979 auch Tourneen.<br />

Es folgte die erste Präsentation im<br />

Museum des 20. Jahrhunderts.<br />

Schließlich kam es 1971 zur Gründung<br />

des damals so genannten Zentrums<br />

für Kunstpsychotherapie. Navratil<br />

hatte einen alten, kleinen Pavillon<br />

umwidmen können und hat dort jene<br />

Leute angesiedelt, die sich schon vorher<br />

als Talente bewiesen haben und noch<br />

einige andere dazu. Dieser kleine<br />

Pavillon wurde im Jahre 1981 eröffnet.<br />

1983 hat mich Navratil hierher geholt,<br />

weil er einen Nachfolger gesucht hat.<br />

Drei Jahre später ist er in Pension<br />

gegangen. Das erste, was ich getan habe,<br />

war, das Zentrum umzubenennen, in<br />

Haus der Künstler. Mich interessierte<br />

immer das Talent des Einzelnen<br />

und nicht seine private oder sonstige<br />

Krankengeschichte. Wenn jemand eine<br />

Behinderung oder Erkrankung hat,<br />

ist das etwas Privates und hat in der<br />

Öffentlichkeit nichts zu suchen. Das<br />

Haus der Künstler ist eine Institution,<br />

die einzelne Künstler fördert, die<br />

das selber nicht können, einzelne<br />

Talente, die aufgrund irgendwelcher<br />

Schwierigkeiten nicht fähig sind, ihre<br />

eigene Arbeit zu vermarkten oder<br />

sie herzuzeigen. Ich bin im Prinzip<br />

immer ein Helfer der Künstler<br />

gewesen und habe im Laufe der<br />

Zeit verschiedene Institutionen<br />

gegründet. Eine der wesentlichen<br />

war ein Förderverein, um auch<br />

Leute anstellen zu können. Das<br />

zweite war, dass ich einen privaten<br />

Vertrag ausgearbeitet habe, in dem<br />

die Künstler zu Besitzern einer<br />

Kommanditerwerbsgesellschaft<br />

werden konnten. Ich wollte eine<br />

Galerie gründen im Sinne einer<br />

Produzentengalerie, wo die Künstler<br />

selber die Besitzer sind. Das war damals<br />

einmalig und ist es auch heute noch,<br />

dass eine Gesellschaft im Besitz von voll<br />

besachwalteten Personen ist, die alle<br />

nur durch ihre Rechtsanwälte vertreten<br />

sind. Das allein hat drei Jahre gedauert,<br />

bis alles hieb- und stichfest war. Der<br />

nächste Schritt war die Befreiung aus<br />

der Psychiatrie, das Haus war ja noch<br />

ein Pavillon der Klinik. Im Jahre 2000<br />

wurde es völlig unabhängig.<br />

<strong>ST</strong>/A/R: Mit der Eröffnung des<br />

Museums ist ein bestimmter<br />

Höhepunkt erreicht, und ein einmaliges<br />

europäisches Zentrum für Art Brut<br />

entstanden.<br />

J. F.: Europäisch ist richtig. Es gibt zwar<br />

eine klassische museale Sammlung, die<br />

kleine Ausstellungen zeigt, nicht sehr viel<br />

Platz hat und sehr monoklonal arbeitet,<br />

das heißt, primär klare klassische Art<br />

Brut zeigt und sonst nichts. Dann gibt es<br />

einige Museen zeitgenössischer Art, die<br />

auch kleine Departments dabei haben,<br />

wie in Dublin oder in Lille, dann gibt es<br />

ein Visionary Art Museum in Baltimore,<br />

das war’s. Aber dieses Museum wird das<br />

erste für Art Brut sein, das aber nicht<br />

nur für Art Brut da sein soll, sondern<br />

es soll den Weg, den wir seit 20 Jahren<br />

verfolgen, nämlich die Art Brut mit<br />

Mainstream Art zu mischen und zu<br />

zeigen, dass Art Brut eine Richtung der<br />

Kunst ist, wie viele andere auch, dass sie<br />

weder besser noch schlechter ist, aber<br />

mindestens gleich gut. Das können wir<br />

hier in diesem Haus zeigen. Natürlich<br />

ist der Schwerpunkt Gugging, eine<br />

Hälfte von 1300 - 1400 Quadratmetern<br />

Ausstellungsfläche wird immer<br />

Gugging sein, aber nicht immer die<br />

selben Künstler zeigen, sondern auch<br />

verschiedene Sammlungen und Arbeiten<br />

aus verschiedenen Zeiten. Parallel dazu<br />

kommen z. B. Themenausstellungen,<br />

25<br />

Buch IV – Kunst<br />

<strong>ST</strong>/A/R Nr. <strong>10</strong>/2006<br />

Normalität<br />

Buch 05 -<br />

Design,<br />

Seite 33–40<br />

33<br />

Buch V – Design<br />

<strong>ST</strong>/A/R Nr. <strong>10</strong>/2006<br />

T homas Redl: Für den ‚Twista’, der<br />

von der Firma Eternit produziert<br />

wird, hast du vor kurzer Zeit den ‚red<br />

dot-Designpreis’ bekommen. Wie war<br />

deine Entwicklung als Designer?<br />

Martin Mostböck: Schon während<br />

meines Studiums Mitte der 80er Jahre<br />

habe ich versucht, kleinere Projekte, d.<br />

h. Möbel, gleich selbst umzusetzen. Ein<br />

Möbel zu bauen, kann sehr schnell gehen.<br />

Die Umsetzung - vom Entwurf über die<br />

Skizzen bis zum fertigen Produkt - kann<br />

in wenigen Tagen geschehen. Das war<br />

der Ansatz, so habe ich<br />

begonnen. Dann gab<br />

es eine kontinuierliche<br />

Entwicklung bis zum<br />

Entwurf<br />

serienmäßiger<br />

Möbel.<br />

T. R.: Du hast eigentlich Architektur<br />

studiert. Siehst du deinen<br />

Aufgabenbereich in dem Sinne, wie die<br />

Architekten es früher wahrgenommen<br />

haben, d. h. ein Haus zu bauen und<br />

auch die Möbel dafür zu entwerfen?<br />

Wie siehst du die Verbindung zwischen<br />

Architektur und Design?<br />

M. M.: Architektur und Design ist<br />

im Wesentlichen das selbe. Es wird<br />

nur ein zusätzlicher Begriff benützt,<br />

um das Entwerfen von Möbeln oder<br />

Gebrauchsgegenständen zu definieren.<br />

Wenn man Italien betrachtet, dann<br />

sieht man, dass Designer oder Gestalter,<br />

wie z. B. Sottsass oder Castiglioni,<br />

aus der Architektur kommen. Sie<br />

sind aus unterschiedlichen Gründen<br />

in das Design gegangen. Ich habe<br />

zwischen der Gestaltung eines Hauses<br />

und der Gestaltung eines Sessels nie<br />

sehr viel Unterschied gesehen. Das<br />

Anforderungsprofil bzw. -programm ist<br />

ein anderes. Im Wesentlichen ist es aber<br />

ähnlich.<br />

T. R.: Du hast nach deinem Studium<br />

an der TU-Wien mehrere Jahre bei<br />

COOP-Himmelblau<br />

mitgearbeitet.<br />

Was waren deine Aufgabengebiete<br />

und welche Erfahrungen hast du in<br />

diesem international renommierten<br />

Architekturbüro gemacht?<br />

M. M.: Die Aufgabengebiete waren<br />

vielfältig: Hochbau, Konstruktion,<br />

Städtebau und Design. Ich habe dort<br />

diverse Wohnbauten mitentwickelt: in<br />

Wien ein Hochhaus, den<br />

Gasometer und die<br />

Remise im zweiten Bezirk. Gleichzeitig<br />

habe ich Projekte, wie z. B. ein<br />

Milchglas oder eine Uhr, für einen<br />

amerikanischen Produzenten gemacht.<br />

Von der Großform bis zur Kleinform,<br />

Mikro- und Makrostrukturen.<br />

T. R.: Neben dem ‚Twista’ gibt es<br />

auch andere Sessel, die mit Preisen<br />

ausgezeichnet wurden oder in die<br />

MAK-Designsammlung aufgenommen<br />

worden sind. Wenn man deine<br />

Biographie liest, so erkennt man, dass<br />

es viele glückliche und langfristige<br />

Kooperationen mit Produktionsfirmen<br />

gibt. Das ist ja sehr wesentlich, wenn<br />

man Design realisieren will. Wie<br />

gestaltet sich deine Zusammenarbeit<br />

mit den Produktionsfirmen?<br />

M. M.: In der Biographie stehen aber<br />

nur die gelungenen Kooperationen, es<br />

gibt auch unglückliche. Das Wichtigste<br />

im Umsetzungsprozess eines Produktes<br />

ist der Dialog mit der Firma. Am<br />

besten ist es, wenn man einen direkten<br />

Ansprechpartner im Unternehmen hat,<br />

eine Person, mit der man das Projekt<br />

konkret umsetzen kann, nicht nur in<br />

Bezug auf das Produkt selbst, es muss<br />

darüber hinausgehen. Es sind Gespräche<br />

mit dem Produzenten zu führen, die<br />

außerhalb des Entwurfsprozesses liegen,<br />

eine Auseinandersetzung mit den<br />

beteiligten Personen selbst und vor allem<br />

mit der Philosophie des Unternehmens<br />

ist notwendig. Nur<br />

so kann man Design<br />

erfolgreich umsetzen.<br />

Ich suche die lang-<br />

fristige<br />

Kooperation.<br />

Nicht der schnelle<br />

S c h u s s , s o n d e r n<br />

die<br />

langfristige<br />

Auseinandersetzung<br />

mit einem Unter-<br />

nehmen<br />

interessiert<br />

mich. Der Dialog<br />

ist das Wichtigste<br />

dabei. Wenn man<br />

zum<br />

Beispiel<br />

terminlich<br />

schwer<br />

zusammenkommt,<br />

wird es auch beim Entwerfen schwierig,<br />

man entwirft ja meist in Schüben. Diese<br />

Schübe müssen dann, wenn sie passiert<br />

sind, auch umgesetzt werden. Es geht<br />

um eine Annäherung an das Gegenüber,<br />

weil immer beide Seiten Fragen haben.<br />

Wenn das Produkt beim Start nicht direkt<br />

Interview mit Martin Mostböck<br />

Vom Möbel zum gebauten Haus<br />

Twista, variables Gestaltungselement, produziert von<br />

Eternit, reddot design award winner 2006<br />

Buch 6 -<br />

Literatur,<br />

Seite 41–48<br />

41<br />

Buch VI – Literatur<br />

<strong>ST</strong>/A/R Nr. <strong>10</strong>/2006<br />

Vorwort<br />

Schrift wechSel<br />

D. Sperl<br />

S<br />

prache konstruiert und organisiert das Verhältnis<br />

zu der von uns bewusst wahrgenommenen und<br />

ausserhalb von uns gedachten Wirklichkeit. Dabei<br />

ist und erzeugt Sprache selbst eine eigene Wirklichkeit,<br />

eine selbständige energetische Entität, ein Wesen, mit<br />

Milliarden von Armen, allen Möglichkeiten laufender<br />

Selbst-Setzungen und –überschreitungen, Erweiterungen,<br />

Umformungen. Sprache geht in ihrer allgemeinen<br />

Form als auch in ihren individuellen Ausprägungen<br />

Kooperationen mit anderen ein, sie verliebt sich<br />

gewissermassen oder verweigert sich,<br />

setzt Preferenzen, Machtansprüche und<br />

Grenzen, ist in einem ständigen Fluss<br />

und Austausch mit allem Lebendigen.<br />

Sprache erzeugt bewegliche, fragile<br />

Landschaften, in denen wir uns<br />

durch das Leben bewegen und sie ist<br />

gleichzeitig das Werkzeug, mit dem<br />

wir navigieren. Sprache trennt also<br />

scheinbar, was nicht zu trennen ist, um<br />

funktionale Felder zu erzeugen. Sie<br />

ist ein Teil von uns, sie ist gleichzeitig<br />

vollständig unabhängig von uns.<br />

Denn sämtliche gesprochenen oder<br />

geschriebenen oder auch nur gedachten<br />

Äusserungen leben auch ein von uns<br />

unabhängiges Leben. Wer weiss schon,<br />

wohin sie gehen? Und wer weiss schon,<br />

woher sie gekommen sind? Produziert<br />

ein situatives Umfeld notwendigerweise<br />

die zu sprechenden Sätze und Worte? Inwiefern sind<br />

wir also selbstbestimmt oder benützt uns die Sprache als<br />

Wirt, um zu reisen und sich zu erweitern? Sind Gedanken<br />

Besatzungsmächte?<br />

Wir bestehen aus vielerlei offensichtlichen<br />

Verhaltensaufführungen und Verhaltensverführungen, aus<br />

Programmschwerpunkten, die uns gewohnheitsmässig<br />

durch die Gegend steuern. Von denen wir jedoch kaum<br />

bewusst wissen, nach welchen Gesetzmässigkeiten sie<br />

auftreten, in welchen Wirkungszusammenhängen sie<br />

in der Tat zu uns stehen. Wir fragen uns selten, welche<br />

Programme wir verwenden möchten, in welcher Intensität,<br />

wie folglich unsere Sprache aussehen, aufblühen und<br />

wo sie enden oder hinreichen soll, um was zu erreichen?<br />

Welches sind beispielsweise die von uns selbst am<br />

meisten gestellten Fragen, und wie genau sehen diese<br />

aus? Und wie lauten unsere bevorzugten Antworten<br />

darauf? Fragen und Antworten ergeben gemeinsam die<br />

gegenwärtigen Koordinaten unserer Biografie (= die unter<br />

dem Namen der jeweilen Person gewöhnlich auftretenden<br />

Handlungsmuster, Orientierungspunkte, Verkehrstafeln,<br />

für Funktionszusammenhänge herausgeschnittene<br />

Weg- und Weltzusammenfassungen). Die Grenzen der<br />

Sprache sind die Grenzen unserer Welt, hat Wittgenstein<br />

gesagt, es sind jedoch bloss die Grenzen der von uns<br />

bewusst wahrgenommenen Verhältnisses zu der von<br />

uns (und anderen) selbst erzeugten ausserhalb von uns<br />

gedachten Wirklichkeit. Manchmal weiss die Sprache und<br />

artikuliert sie mehr als der Benützer bewusst weiss, ist<br />

permanent an grössere Felder angeschlossen als an unsere<br />

Wie-bekomme-<br />

ich-einen-<br />

Espresso-aus-dem-<br />

Automaten-Ego-<br />

Cockpit-Fragestellung. Sämtliche sprachlichen<br />

(energetischen) Ausdrücke erzeugen ununterbrochen<br />

ein uns persönlich übersteigendes Gesamtbewusstsein,<br />

eine Art Superorganismus, eine ständige fluktuierende<br />

Bewegung. Um unsere Grenzen zu verstehen, müssen wir<br />

uns unsere Sprachverwendungen genauer ansehen, die<br />

Fensterscheiben, die wir kreieren und alsann benützen.<br />

Operiere ich nun in einem Coaching Diskurs, spreche<br />

ich einem NLP-Practioner ähnlich? Wir sollten eine<br />

Auswahl so bewusst wir nur irgend möglich treffen,<br />

unsere Verhaltens-Programme verstehen, ihre Kräfte,<br />

die ja auch unsere Kräfte sind, sie, wenn notwendig und<br />

möglich, upzudaten, zu vergrössern, sie mit anderen<br />

kurzzuschliessen, um eine grössere Beweglichkeit<br />

unseres Bewusstseins zu erlangen. Die Beweglichkeit des<br />

Bewusstseins erzeugt unsere lebbaren Freiheitsgrade. Die<br />

Literaturseiten im <strong>ST</strong>/A/R - Schriftwechsel - sind diesem<br />

Wunsch und dieser Vision nach Beweglichkeit und<br />

Erweiterung zugeneigt.<br />

Feel the taste of diversity & celebrate it.<br />

literatur<br />

Von Fragen und<br />

Erinnerungslücken<br />

Gerhard Jaschke<br />

Seneca<br />

Seneca hat recht, nur allzuleicht läßt man sich von einem Wort<br />

verführen, etwas anderes zu schreiben, was man eigentlich wollte.<br />

Manche Wörter sind ja wie Stopschilder, insgesamt handelt es sich<br />

bei ihnen um Verkehrszeichen, Warn- und Gebotstafeln, diesen<br />

oder jenen Weg nicht zu gehen, dieses oder jenes Feld zu meiden.<br />

Wird doch zu leicht aus dem Gras ein Sarg! Stelle Spiegel auf<br />

und neue Wörter fallen wie automatisch aus dem vorhin noch so<br />

scheinbar Ganzen. Leben taucht im Nebel unter, Roma läßt sich<br />

behände gegen den Amor tauschen. Jeder möge es sich richten,<br />

wie er glaubt.<br />

Das Verbotene reizt, das war schon immer so.<br />

Was sagt Montaigne? „Mein Lehrer war so klug, mir Virgil, Lukrez<br />

und Plautus zu verbieten; das steigerte mein Interesse an ihnen<br />

beträchtlich.“<br />

Die fremden Gedanken munden wie Kirschen aus Nachbars<br />

Garten. Laßt uns von diesen Früchten viele mit nach Hause<br />

nehmen.<br />

Ich schloß mit ihm Freundschaft. Er wurde mir zu einem guten<br />

Freund. Auf ihn kann ich mich verlassen. Er ist mir eine Stütze.<br />

Er ist mir stets hilfreich. Auf diese Freundschaft bin ich stolz. Und<br />

was sagt er?<br />

„Der Grund unserer Freundschaft? Weil gerade er es war – weil<br />

gerade ich es war. Alles Übrige geht über meinen Verstand.“<br />

Der Verstand als Horizont unseres Daseins. Das im Unendlichen<br />

auslaufende Meer an Einfällen. Der Schlußstrich unter unsere<br />

Existenz. Ein Ende am Anfang über uns wie der Horizont, der<br />

darüber hinausgeht. Es weht Gesichte herbei. Zu ergründen gibt es<br />

nichts. Was meint Ihr, Montaigne? „Wir suchten uns, ohne uns zu<br />

kennen.“<br />

Von anderen Fragen<br />

Habe ich etwa zu danken, daß ich auf der Welt bin?<br />

Habe ich den Damen Vortritt zu lassen?<br />

Habe ich auf meine Uhr zu schauen, fragt mich irgendjemand<br />

nach der Zeit?<br />

Gewiß, ich stelle mir Fragen.<br />

Gewiß, ich halte Wort.<br />

Gewiß, ich schnüre mir die Schuhe.<br />

Aber sonst?<br />

Bin ich vielleicht ein Hellseher wie Sie?<br />

Oder bin ich gar schon im Bild, um etwas sagen zu müssen?<br />

Bin ich gar so schön wie Sie?<br />

Stehe ich demnach ebenfalls unter Kostümierungszwang?<br />

Hält die Pappnase noch? Sehe ich einigermaßen intelligent aus?<br />

Verkörpere ich also das, was Sie sich vorstellen?<br />

Haben Sie Übung im Beisammensein, im Mitmenscheln?<br />

Tun Sie sich nur keinen Zwang an.<br />

Berühren Sie nur ruhig jede Menge Peinlichkeiten, reden Sie<br />

schlichtweg bloß so vor sich hin.<br />

Kann denn das die Möglichkeit sein?<br />

Wollen Sie um jeden Preis als erster das Ziel erreichen?<br />

Schämen Sie sich nicht? Wer will denn heute schon Sieger sein?<br />

Sie vielleicht?<br />

Von den Erinnerungslücken<br />

Eines Nachts erwachte Kraut und wollte von alldem nichts wissen,<br />

nichts gewußt haben, wollte mit alldem nichts zu tun haben, gar<br />

nichts mehr zu schaffen haben. Ja, war es das? Tatsächlich dachte<br />

er dies und nichts anderes. Aber wann will es schon gelingen?<br />

Wann? Wann denn nur? Er blickte um sich, als hätte er hier etwas<br />

verloren. Aber was hatte er schon hier, hier schon!, verloren? Was<br />

könnte er bloß hier verloren haben? Er wußte es nicht. Absolut<br />

nicht. Irgendwann einmal war hier etwas. An das dachte er. So<br />

eine Art Ausgangspunkt vielleicht? Ein Knotenpunkt für diverse<br />

Grenzüberschreitungen?<br />

Er überlegte. Das muß es gewesen sein! Nichts anderes. An dies<br />

dachte er, als er eines Nachts, mitten in der Nacht, plötzlich<br />

erwachte und von alldem nichts wissen wollte.<br />

Ein Stöckelschuh wanderte über die Leinwand.<br />

Passanten winkten ihm zu.<br />

Gerhard Jaschke, 1949 in Wien geboren. Freischaffende literarischkünstlerische<br />

Tätigkeit seit Beginn der 70er Jahre. Einzelveröffentlichungen<br />

(z.B.: VON MIR AUS, Illusionsgebiet Nervenruh, Schlenzer), Beiträge in<br />

Anthologien u. Zeitschriften. Ausstellungen. Gemeinschaftsarbeiten mit Ingrid<br />

Wald. Mitbegründer und Herausgeber der Zeitschrift für Literatur und Kunst<br />

Freibord. Lehrbeauftragter an der Akademie der bildenden Künste. Duettduelle<br />

mit Werner Herbst.<br />

Buch 07 -<br />

Waran,<br />

Seite 49–56<br />

49<br />

Buch VII – Waran<br />

<strong>ST</strong>/A/R Nr. <strong>10</strong>/2006<br />

Arbogast is worried about the Rove‘s powers.<br />

Hillary will get caught fucking chipmunks, or Kennedy will be seen meeting with<br />

Osama in Vienna. Check the Drudge honey wagon to see whether it hasn‘t started<br />

already. Boston will be nuked by Iranoterrorists. We‘ve won the pennant and won<br />

the Superbowl a few times so it‘s time to go to heaven. All nine members of the<br />

Supreme Court will be gassed by Islamic fundamentalists, and Romney will have<br />

to declare martial law until Congress with an armed martial standing at the end<br />

of each row can approve a new court in an up or down vote. There‘s a lot of time<br />

between now and November 2006. Yes, I understand Arbo‘s point but wish it isn‘t<br />

that bad.<br />

Ihr Lederschwuchteln, ihr<br />

Weissgänger, ihr B-free Teelefonierer, ihr Götter auf<br />

weiss, ihr Dünnbäuchigen, gebt uns euer Geld oder<br />

wenigstens eure Fitnesskarte.<br />

Joe Harris: ok, be purple my friend, and feelgood, arab<br />

is watching you with pizza and kebab<br />

--------------------------------------------------------------------------------<br />

die gefälschten<br />

tagebücher des adolf H.<br />

es spricht der waheliche drogenkoordinator wiens:<br />

hannes weibl<br />

ich habe truppen. ich habe kämpfer. ich habe dünschiß<br />

mit SS.<br />

ich habe leute die ohne mit der wimper zu zücken,<br />

töten.( auch massen)<br />

ihr seit beschränkt in eurer legislative, exekutive,<br />

judikatur...ihr könmnt es lesen, ihr lest es! eure augen<br />

lügen nicht, aber die hornhaut könnte jeden moment<br />

schmelzen, s....<br />

wir können sie ersetzten, aber nur wir. auch eure<br />

nierenprobleme gehen mir am arsch vorbei: i have<br />

kidneys, more than dead bones. that means much, if<br />

you are a noncheker, i can kill you in one secund, you<br />

dont recognize it. even you are finished right now. i tell<br />

you brother , your existenz is nothining, zero, you are<br />

an agent now, when you read this. so follow the line.<br />

and keep it as real, otherwise you are dead, finished,<br />

broken.<br />

vienna is a kapitalistik city of love and rosetten. i<br />

love them. i kss them and take some licks. if your<br />

dick now gets stiff, or your pussi gets wetten das?<br />

its no problem if you have male and female<br />

attribution. than you are normal. i give yo..you the<br />

hormons you need.<br />

ihr wisst doch alle die indianer stammen von den<br />

russen ab. oder kennt ihr vera russwurm nicht?<br />

...gloria hat den archequanten mitentwickelt...<br />

alfred busenbauer,... usola stenzl( pseudonüm)ursula<br />

stengel<br />

sc ottenring, fc ottakring- ottagringo.-civilisation heals<br />

the nation.<br />

save the planet. kill yourself...<br />

Buch 08 -<br />

China,<br />

Seite 57–64<br />

57<br />

Buch VIII – China<br />

<strong>ST</strong>/A/R Nr. <strong>10</strong>/2006<br />

Der Zeit - und Licht Künstler Hofstetter Kurt mit seiner<br />

Miniatur “nature is cool” die er aus seinen Entdeckungen zur<br />

einfachsten Konstruktion des Goldenen Schnittes entwickelte.<br />

siehe wissenschaftliche Publikationen in Forum Geometricorum<br />

ISSN 1534-1178 und <strong>ST</strong>/A/R 05/Buch 14 Anleitung zur<br />

Konstruktion des Archiquant nach Hofstetter Kurt.<br />

nature is cool Hofstetter Kurt<br />

Unser Cafe Kafka, Juli 2006 Foto © Heidulf Gerngross<br />

Buch 09 -<br />

AUTO<strong>ST</strong>/A/R,<br />

Seite 65–72<br />

65<br />

Buch IX – Auto S/T/A/R<br />

<strong>ST</strong>/A/R Nr. <strong>10</strong>/2006<br />

FERTIGT FÜR SEINE FRAU VIKTORIYA SITOCHINA EINE KRONE,<br />

<strong>ST</strong>/A/R Nr. 09/2006<br />

REdIGIERT, SCHREIbT UNd FOTOGRAFIERT<br />

autost/a/r<br />

dAVId <strong>ST</strong>ARETz<br />

MaZDa DEsIGNWorKsHoP<br />

VoLKsWaGEN CraFtEr<br />

FIat GraNDE PuNto<br />

LaNDroVEr BJ. 74<br />

st/a/r-GaME FÜr arCHItEKtEN uND sCHrEIBtIsCH-raCEr<br />

autost/a/r<br />

Buch <strong>10</strong> -<br />

Werkstatt Wien,<br />

Seite 73–80<br />

73<br />

Buch X – Werkstatt Wien<br />

<strong>ST</strong>/A/R Nr. <strong>10</strong>/2006<br />

Sozialer Wohnbau Sturzgasse Johnstrasse 75 Wohnungen, ein Supermarkt,<br />

Grün- und Spielflächen im Hof In den Obergeschossen freie Sicht zur Gloriette<br />

alle Wohnungen haben schon Mieter und Käufer gefunden<br />

<strong>ST</strong>/A/R gratuliert allen Beteiligten ...<br />

Erstes Archiquantfenster im Sozialen Wohnbau<br />

Buch 11 -<br />

EP positons,<br />

Seite 81–88<br />

81<br />

Buch XI – EP positions<br />

<strong>ST</strong>/A/R Nr. <strong>10</strong>/2006<br />

Zlatan Vukosavljevic<br />

Fortsetzung Seite 88<br />

Z latan selected by Elisabeth Penker<br />

Buch 12 -<br />

Economyclass,<br />

Seite 89–96<br />

89<br />

Buch XII – Economy Class<br />

<strong>ST</strong>/A/R Nr. <strong>10</strong>/2006<br />

economy class<br />

I m April dieses Jahres ging die partizipative Kunstschau ECONOMY<br />

CLASS mit <strong>10</strong>0 Positionen zeitgenössischer Kunst auf eine ad-hoc<br />

organisierte Reise nach Nairobi. Im Handgepäck und sozusagen<br />

im last minute – Angebot verschifften Barbara Husar, Michael<br />

Lampert, Alexander Nikolic und Lukas Pusch Kunst und<br />

KünstlerInnen nach Afrika, um österreichische<br />

Positionen des Kunstbetriebs in der Ferne zu<br />

inszenieren. In gleicher Weise wie die<br />

ECONOMY CLASS bestimmt war durch die<br />

Begrenzung von Mitteln, Vorlaufzeit und<br />

Transportmöglichkeiten, so gab sie auch<br />

den Blick frei auf die angeblich festgelegten<br />

Mechanismen des internationalen Kunst-<br />

und Ausstellungsaustausches. Gezeigt<br />

wurden u. a. die Ortstafel-Dokumentation<br />

“Artikel 7” sowie bildnerische Arbeiten von<br />

Tanja Ostojic (25 peaces / EU-Unterhose),<br />

Otto Zitko, Deborah Sengl, Christian<br />

Eisenberger, Karin Frank, Siggi Hofer,<br />

Simon Haefele und monochrom.<br />

http://economyclass.sonance.net/<br />

neuer Ort / neue Ausstellung <strong>ST</strong>RANGE CARGO<br />

economy class zu Gast im neuen 0>port im mq<br />

Von 7. bis 16. September findet im neuen Transaktionsraum 0>port<br />

die Ausstellung <strong>ST</strong>RANGE CARGO statt.<br />

Auch bei der Schau <strong>ST</strong>RANGE CARGO treten Produktion, Prozess,<br />

Kommunikation und Community in den Vordergrund und lassen zu<br />

erwartende museale Reproduktion ebenso zurück wie die Physis<br />

des einzelnen Kunstwerks.<br />

Eine seltsame Ladung also, die im neu strukturierten<br />

QUARTIER FÜR DIGITALE KULTUR aus,- ver- und umgeladen wird.<br />

Eingechecked werden und wurden Proben österreichischer Positionen,<br />

Konfrontationen afrikanischer Kunst, Netzkunst- und Kultur (Grischinka Teufl,<br />

Sonance Network, ubermorgen.com, equaleyes.org, olfactory, Ella Esque,<br />

Judith Fegerl... ) sowie Mitgebrachtes und Eingeschmuggeltes.<br />

Eröffnet wird <strong>ST</strong>RANGE CARGO mit Moh Hamdaouis Telekitchen<br />

`what you see is what you eat´ und Barbara Husars drink `kill me quick´<br />

am 7. September.<br />

Vorläufigen Schlusspunkt findet <strong>ST</strong>RANGE CARGO am 16. September in der<br />

Ovalhalle gemeinsam mit dem Festival der Netzkulturen „paraflows“.<br />

Opening<br />

7. September 19:00, 0>port, Quartier für Digitale Kultur, MQW<br />

Visuals weltweit erstmals vom neu entwickelten VJ-Pult (designed<br />

von Equaleyes und Red Bull)<br />

16. September 20:00, Finnisage Ovalhalle, MQW<br />

Im Rahmen von Paraflows<br />

www.0port.at<br />

economyclass.sonance.net<br />

www.paraflows.at<br />

economy class<br />

Impressum<br />

<strong>ST</strong>/A/R Printmedium Wien<br />

Europäische Zeitung für den direkten kulturellen Diskurs<br />

Erscheint 4 x jährlich, Nr. <strong>10</strong>/2006, <strong>10</strong>. August 2006,<br />

Erscheinungsort Wien.<br />

In dieser Ausgabe ist ein 48-seitiges Sonderheft über Vorarlberger Architektur beigelegt.<br />

Medieninhaber:<br />

<strong>ST</strong>/A/R, Verein für Städteplanung/Architektur/Religion<br />

A–<strong>10</strong>60 Wien, Capistrangasse 2/8<br />

Herausgeber: Heidulf Gerngross, Thomas Redl, Angelo Roventa, Dieter Sperl, Herbert Wulz<br />

Gesamtredaktion: Heidulf Gerngross, Thomas Redl<br />

Redaktion: Heidulf Gerngross (Architektur, Kunst, Überleben), Thomas Redl (Kunst,<br />

Architektur, Kultur, Philosophie), Angelo Roventa (Architektur), Dieter Sperl (Literatur),<br />

Herbert Wulz (Medien, Kultur), Michaela Mair (Kultur), Jan Tabor (Architektur), Gabriele<br />

Petricek, Rudolf Gerngross, Herbert ‚Horacio’ Oberascher (Landleben), David Staretz<br />

(Auto), Andreas Lindermayr (Stadtleben), Elisabeth Penker (Kunst)<br />

Auslandskorrespondenz: Angelo Roventa (Rumänien), Valie Airport (Russland), Wladimir<br />

Jaremenko Tolstoj (Russland)<br />

Organisation & Produktion: Michaela Mair, Thomas Redl<br />

Artdirektion & Grafik: Michael Lampert<br />

Grafische Mitarbeit: Mathias Hentz, Thomas Redl<br />

Druckvorbereitung: Michael Rosenkranz<br />

Interviewlektorat: Michaela Mair<br />

Worldwide Foto: Andrea Baczynski, 2006<br />

Cover Foto: Thomas Redl, 2006, Portrait Pierre Soulages<br />

Druck: Herold Druck und Verlags AG, Wien<br />

Vertrieb: <strong>ST</strong>/A/R, Morawa GmbH.<br />

Aboservice: starabo@morawa.com<br />

Bezugspreis: 3,- Euro (inkl. Mwst.)<br />

Kontakt: office@star-wien.at<br />

<strong>ST</strong>/A/R ist ein Gesamtkunstwerk und unterliegt dem Urheberrecht.<br />

<strong>ST</strong>/A/R wird gefördert von: Bundeskanzleramt und Stadt Wien.<br />

<strong>ST</strong>/A/R dankt allen BeitragslieferantInnen, MitarbeiterInnen, KünstlerInnen,<br />

UnterstützerInnen und FreundInnen.<br />

Impressum<br />

Sonderausgabe VAI<br />

04Z035665M – P.b.b. Verlagspostamt <strong>10</strong>60 Wien • Adresse: <strong>10</strong>60 Wien Capistrangasse 2/8 • office@star-wien.at<br />

Sonderheft/2006<br />

<strong>ST</strong>/A/R PRINTMEDIUM WIEN<br />

<strong>ST</strong>/A/R<br />

Städteplanung / Architektur / Religion<br />

V-A-I<br />

<br />

Foto: Ignacio Martínez, Montagesituation<br />

Andreas F. Lindermayr Stadtphilosoph<br />

Aus meinem Tage- und Nachtbuch<br />

28. 5. 06 So 17 Uhr 15<br />

jetzt wieder etwas Sonne, vorhin regnete es leicht - Aprilwetter irgendwie. 18°<br />

Der Da Vinci Code ist auch als Film ein Mega-Seller. Das Buch verkaufte sich bereits 40 Millionen mal.<br />

Gestern Nacht endlich sah ich den Film im für dieses Sujet artgerechten Kino-Center in der Lugner City.<br />

Eine dümmliche, aber für Durchschnittsverbraucher recht unterhaltsam aufbereitete Unterhaltung.<br />

Zum Thema: Jesus hat gevögelt und Maria Magdalena war seine Frau. Zu diesem eigentlich alten<br />

Thema, das schon lange unter dem Ladentisch kolportiert wird, kommt die Gralsgeschichte, die sich<br />

im Zusammenhang mit der vorliegenden Erzählung recht populär erhellt. Das Böse ist das Opus Dei,<br />

vor allem jene verstiegenen Repräsentanten dieser Organisation, die in strenger asketischer Zucht<br />

ihr Lebensideal sehen, um dadurch und mithilfe althergebrachter Rituale, wie sie seit Konstantin<br />

festgelegt sind, ihre eigene, männlich-sadomasochistische Macht, als die Macht Gottes auf Erden zu<br />

festigen und auszubauen. Die Aufdeckung des Gralsgeheimnisses würde ihre dunklen Machenschaften ans Licht bringen, würde<br />

zeigen, daß Jesus - Nachfahren hat. Und so fängt das Abenteuer damit an, daß Sophie, die Enkelin jenes alten Mannes, dessen<br />

entstellte Leiche im Louvre aufgefunden wurde, Tom Hanks, den amerikanischen Semiologen, der nach Paris gerufen wird, um an<br />

der Aufklärung des Ritual-Mordes mitzuhelfen, vor der Verfolgung durch einen Opus-Dei-Kommissar schützt. Zuletzt, nach vielen<br />

glücklich überstandenen Gefahren, bei dem Versuch den Da Vinci Code zu entziffern, stellt sich heraus, daß Sophie die direkte<br />

Nachfahrin von Jesus Christus ist. Und das ist wohl der springende Punkt.<br />

Das Buch sei wesentlich interessanter als der Film, wurde mir von mehreren Seiten versichert. Trotzdem dürfte es nicht mit dem zu<br />

vergleichen sein, was Umberto Eco ab seinem ersten Bestseller “Der Name der Rose” geglückt ist.<br />

Aber Dan Browns Bestseller erhebt keine derart hohen Ansprüche und dürfte schon deswegen viel leichter zu lesen sein. Leichte,<br />

unterhaltsame Lektüre für jeden also, der es schon immer gewußt hat, daß Jesus eigentlich auch nur ein Mensch war wie du und ich.


<strong>ST</strong>/A/R Buch II – Leben<br />

Nr. <strong>10</strong>/2006<br />

9<br />

Licht, das vom Bild<br />

zu dir kommt<br />

Interview mit Pierre Soulages<br />

Thomas Redl: Zu Beginn etwas aus<br />

ihrer Biographie, Herr Soulages.<br />

Sie haben 1948 am Salon des Réalités<br />

Nouvelles teilgenommen und an der<br />

Wanderausstellung Große Ausstellung<br />

französischer abstrakter Malerei in<br />

Deutschland ...<br />

Pierre Soulages: Im Salon des Réalités<br />

Nouvelles wollte ich anfangs nicht<br />

ausstellen, weil es vor allem ein Salon<br />

der Geometrischen Abstraktion war. Ich<br />

habe mich aber dann trotzdem beteiligt,<br />

weil es sehr sympathische Leute waren,<br />

die mich darum gebeten haben. Und<br />

bei diesem Salon hat Dr. Domnick aus<br />

Stuttgart 7 oder 8 Maler für die Große<br />

Ausstellung französischer abstrakter<br />

Malerei eingeladen. Für das Plakat<br />

der Ausstellung wurde eines meiner<br />

Bilder ausgewählt. Von den geladenen<br />

Künstlern war ich der Jüngste, da waren<br />

noch Kupka, Doméla, Herbin, Hartung,<br />

Schneider, Francis Bott - Kupka wäre<br />

heute 140 Jahre alt. Meine Kamaraden<br />

aus der Galerie waren Hartung und<br />

Schneider - Schneider wäre jetzt 1<strong>10</strong><br />

Jahre alt. Ich erinnere mich, dass<br />

mehrere Künstler, darunter Francis Bott<br />

zum Beispiel, zu Domnick gesagt haben:<br />

„Du kannst doch nicht einen so jungen<br />

Künstler nehmen.“ Ich war 27, und nach<br />

dem Krieg war 27 nicht viel, weil dieser<br />

uns ja einige Jahre gekostet hat.<br />

T. R.: Wie war die Stimmung zu dieser<br />

Zeit, welche Strömungen gab es?<br />

P. S.: Zu dieser Zeit gab es alle<br />

möglichen, verschiedenen Strömungen<br />

in Paris. Es gab die figurativen Maler,<br />

die engagierten Maler, wobei ich jene<br />

meine, die von der kommunistischen<br />

Partei unterstützt wurden, eben sehr<br />

politisierte Maler. Dann gab es die<br />

Surrealisten, die in ganz Amerika<br />

bekannt waren, und auch die Abstrakten<br />

Geometrischen. Man sprach nicht viel<br />

von den Abstrakten Geometrischen,<br />

sie waren ein bisschen im Schatten zu<br />

diesem Zeitpunkt. Und da gab es auch<br />

noch die Ecole de Paris. Man erfand den<br />

Begriff ‚Ecole de Paris‘, um ausländischen<br />

Künstlern zu ermöglichen, mit<br />

französischen gemeinsam auszustellen,<br />

mit französischen Malern wie Chagall,<br />

Soutine, Modigliani, Picasso, Juan Gris,<br />

Matisse, Fernand Léger, Bonnard. Man<br />

wollte ja nicht ‚französische Malerei‘ oder<br />

‚Pariser Maler‘ sagen. Und außerdem<br />

denken die Franzosen nicht so, in<br />

Frankreich sind die Museen prinzipiell<br />

für jeden offen, egal ob Ausländer oder<br />

Franzose. Nur in Amerika ist es so, dass<br />

Museen für Inländer reserviert sind, in<br />

Washington wie auch in New York. In<br />

Frankreich waren sie glücklicherweise<br />

immer offen. Also entwarf man das<br />

Konzept der Ecole de Paris. Und mit der<br />

Zeit entwickelten Maler wie Bazaine,<br />

Manessier, Pignon einen Stil, der<br />

aus einer kubistischen, fauvistischen<br />

Tradition erwuchs. Die Maler in der<br />

von Dr. Domnick ausgesuchten Gruppe<br />

kamen nicht aus der Tradition der<br />

Ecole de Paris. Wir waren anders, wir<br />

kamen auch nicht aus der Tradition der<br />

Also was ist ein<br />

Kunstwerk? Es ist ein<br />

Objekt, geschaffen von<br />

einem Menschen, das<br />

fähig ist zu zeigen, was<br />

investiert wurde<br />

Geometrischen Abstraktion, aus der Zeit<br />

Kreis/Viereck oder Abstraktion/Kreation,<br />

die große Bewegungen vor dem Krieg<br />

waren. Wir waren anders und wurden<br />

ziemlich ignoriert, zu diesem Zeitpunkt<br />

noch nicht sichtbar, aber wir waren Teil<br />

der Abstraktion. Und diese Ausstellung,<br />

die durch Deutschland gewandert ist,<br />

war wichtig für die Deutschen und auch<br />

für uns, weil wir gezeigt haben, was<br />

in der ganzen Periode passiert ist, die<br />

durch den Nationalsozialismus verdeckt<br />

worden war. Kurze Zeit nach dieser<br />

Ausstellung war ich dann Mitglied einer<br />

Gruppe, die ZEN49 hieß.<br />

T. R.: Es hat ja zu Beginn der 50er Jahre<br />

dann auch Kontakte zur Österreichischen<br />

Avantgarde gegeben, also zu Markus<br />

Prachensky, Arnulf Rainer, Monsignore<br />

Otto Mauer.<br />

P. S.: 1953, also 5 Jahre nach der<br />

Wanderausstellung in Deutschland,<br />

bekam ich einen Telefonanruf eines<br />

Herrn Monsignore Otto Mauer, der<br />

mich fragte, ob er mit 3 jungen Künstlern<br />

mein Atelier besuchen könnte, und<br />

das waren Rainer, Prachensky und<br />

Hundertwasser. Ich glaube, sie sind ein<br />

Jahr später, 1954, wiedergekommen,<br />

wieder mit dem Bischof oder Erzbischof<br />

von Wien oder so.<br />

T. R.: In weiterer Folge gelangte ihre<br />

Kunst auch nach Amerika, und sie<br />

lernten die Künstler Kline, Motherwell,<br />

de Kooning, Rothko kennen. Sie hatten<br />

auch 1954 ihre erste Einzelausstellung<br />

in Amerika.<br />

P. S.: Ja, aber ich stellte schon 1949 in<br />

Amerika aus, in der Galerie Betty Parson,<br />

und die Ausstellung hieß Painted in<br />

49. Kline war zu diesem Zeitpunkt<br />

ein figurativer Maler, ganz und gar<br />

nicht abstrakt. Die amerikanischen<br />

Künstler haben alle diese Ausstellung<br />

gesehen, an der 5 französische Maler<br />

beteiligt waren, unter anderem Vasarely,<br />

Hartung, Schneider. Von diesem<br />

Augenblick an hatte ich Kontakte zu<br />

amerikanischen Händlern, und es<br />

folgten auch weitere Ausstellungen,<br />

die in Amerika zirkulierten. In Paris<br />

kannte man damals die amerikanischen<br />

Maler nicht, erst später. Ab 1953/54<br />

hatte ich eine Galerie in New York,<br />

die Galerie Kootz, die sich sehr aktiv<br />

um mich gekümmert hat. Ich habe in<br />

dieser Galerie 12 Jahre lang ausgestellt.<br />

1957 war ich das erste Mal in Amerika<br />

und habe de Kooning, Motherwell und<br />

die meisten der amerikanischen Maler<br />

persönlich kennen gelernt, nur Pollock<br />

nicht, der war schon tot, den konnte<br />

ich nicht treffen. Einmal war ich sehr<br />

erstaunt. Ich sprach mit de Kooning<br />

und sagte zu ihm: „Du musst eine Reise<br />

nach Paris machen.“ Und der sagte<br />

zu mir: „Ich kann nicht. Ich bin kein<br />

Amerikaner, ich habe keine Papiere, ich<br />

bin staatenlos.“<br />

T. R.: Zu Rothko hatten sie lange<br />

Kontakt, und es entwickelte sich auch<br />

eine Freundschaft.<br />

P. S. Ich kann ihnen erzählen, wie ich<br />

Rothko kennen gelernt habe, nämlich<br />

auf einer Party, die der damalige<br />

Konservator des Museum of Modern<br />

Art, für mich gegeben hat. Die meisten<br />

amerikanischen Maler waren anwesend,<br />

und sie waren sehr erstaunt, dass ich<br />

eher groß und kräftig bin. Franzosen<br />

sind ja Zwerge. Wir hatten uns zuerst<br />

nichts zu sagen, und nach <strong>10</strong> Minuten<br />

oder einer viertel Stunde haben wir zu<br />

reden begonnen, und sie haben zu mir<br />

gesagt: „Sie könnten American Football<br />

spielen.“ Daraufhin habe ich geantwortet:<br />

„Nein, ich bin Rugbyspieler.“ Zu dieser<br />

Zeit war ich auch Rugbyspieler. Auch<br />

das verblüffte sie, weil Europa für sie<br />

ein Ort der kultivierten, verfeinerten<br />

Menschen war. Und sie selbst sahen<br />

sich im Gegensatz dazu als stark und<br />

kräftig, sie praktizierten den Kult der<br />

Virilität. Diese Unsinnigkeiten dauerten<br />

ungefähr eine viertel Stunde. Und dann,<br />

Rothko, er saß in einem Sofasessel und<br />

fing mit sonorer Stimme zu sprechen<br />

an, und er sagte: „Ah, Europa. Europa,<br />

das ist ein Alptraum. Ich habe eure<br />

Museen gesehen, wo Männer mit<br />

Nägeln in blutenden Händen gezeigt<br />

werden. Ich habe blutende Männer<br />

gesehen mit Dornenkronen. Ich habe<br />

Männer gesehen mit Pfeilen überall<br />

und Blut. Ich habe Frauen gesehen,<br />

die abgeschnittene Köpfe auf Tabletts<br />

tragen, und überall Blut, das fließt.<br />

Europa, was für ein Alptraum, die<br />

Konzentrationslager, die Gaskammern,<br />

die Krematorien. Europa, das ist ein<br />

Alptraum.“ Und ich, ich fühlte mich als<br />

Europäer angegriffen. Dann hat er etwas<br />

hinzugefügt, was mir gefallen hat: „Was<br />

ich mag, ist das Vogelgezwitscher.“ Und<br />

ich habe geantwortet: „Ich war noch<br />

nicht in allen amerikanischen Museen,<br />

aber ich habe in euren Museen, im<br />

Metropolitan zum Beispiel, Männer mit


<strong>10</strong> Nr. <strong>10</strong>/2006<br />

Buch II – Leben<br />

<strong>ST</strong>/A/R<br />

Nägeln in blutenden Händen gesehen.<br />

Ich habe blutende Männer gesehen mit<br />

Dornenkronen, die an den Wänden<br />

hängen.“ Ich habe genau wiederholt, was<br />

er vorher gesagt hatte, denn ich hatte im<br />

Metropolitan die selben Eindrücke. Also,<br />

da war dann schon ein kleines Lächeln.<br />

Und ich habe hinzugefügt: „Aber ich<br />

habe noch nicht die indianischen Museen<br />

gesehen.“ Das hat dann jeder verstanden.<br />

Danach ist Rothko aus seinem tiefen<br />

Sessel aufgestanden, vorher hatte er ja<br />

mit der Stimme eines Rabbiners oder<br />

Priesters gesprochen, und hat mir die<br />

Hand gegeben und gesagt: „Du kommst<br />

morgen zum Lunch zu mir.“ So habe<br />

ich Rothko kennen gelernt. Ich habe<br />

auch die meisten der amerikanischen<br />

Maler kennen gelernt, Motherwell zum<br />

Beispiel hat mich in Paris in meinem<br />

Atelier besucht. Er wollte sogar, dass<br />

ich mit ihm in sein Atlelier, das er in<br />

St. Jean de Luz gemietet hatte, zum<br />

Malen komme. Ich bin jedoch nicht<br />

hingegangen. Also, das waren meine<br />

Verbindungen zu den amerikanischen<br />

Malern, sympathische und gute. Die<br />

amerikanische Kritik war gegen Europa<br />

gerichtet: Alles was europäisch war,<br />

wurde als negativ angesehen.<br />

T. R.: Es gibt Begriffe, die im<br />

Zusammenhang mit ihrer Malerei<br />

auftauchen, mit denen man sie<br />

einzuteilen versuchte: beispielsweise<br />

‚abstrakter Expressionismus‘, ‚informelle<br />

Malerei’ oder ‚gestische Malerei‘ ...<br />

P. S.: All das sind Etiketten, und Etiketten<br />

sind dazu da, zerrissen zu werden. Ich<br />

wollte nie Expressionist sein. Ich habe<br />

1948 in dem Katalog zu der Domnick-<br />

Ausstellung etwas geschrieben, und es<br />

gibt dazu eine These einer deutschen<br />

Kunsthistorikerin - Marie Amélie<br />

Kaufmann, die hat geheiratet und heißt<br />

jetzt Marie Amélie Kaufmann zu Salm-<br />

Salm - über die Beziehungen, die es<br />

zwischen Frankreich und Deutschland<br />

gleich nach dem Krieg gegeben hat.<br />

Und da zitiert sie zum Expressionismus,<br />

was sie in den Archiven von Domnick<br />

gefunden hat, einen Brief, den ich<br />

Domnick geschickt habe, und wo ich<br />

schreibe: „Das Wesen meiner Malerei<br />

ist die Relation zwischen dem Gesamten<br />

und den Farben,“ - das ist nicht neu, das<br />

haben viele bereits vorher gesagt, aber ich<br />

habe hinzugefügt: - „woraus sich der Sinn<br />

bildet und auflöst, den man ihm<br />

verleiht.“ Und das ist überhaupt<br />

nicht expressionistisch, weil<br />

es das expressionistische<br />

Projekt der Kommunikation<br />

ausschließt. Und ich sagte auch,<br />

dass die Realität eines Werkes<br />

durch eine dreifache Beziehung<br />

besteht: zwischen dem Werk<br />

selbst, den Zeichen des<br />

Schaffenden und dem, der es<br />

betrachtet. Der, der es anschaut,<br />

ist nicht immer der selbe. Und<br />

natürlich verändert sich das<br />

auch über die Jahrhunderte.<br />

Außerdem ist das die einzige<br />

Erklärung, warum man zum<br />

Beispiel mesopotamische Kunst<br />

liebt. Diese Ideen sind mir<br />

gekommen, als ich im Louvre<br />

war. Ich mochte den Rücken<br />

einer mesopotamischen Figur<br />

aus schwarzem Basalt. Das hat<br />

mich tief berührt. Ich sagte<br />

mir: „Ich habe nicht die gleiche<br />

Religion wie dieser Mensch,<br />

der diese Skulptur geschaffen<br />

hat, ich weiß nicht, warum er<br />

diese Skulptur gemacht hat; vielleicht<br />

war es, um einem Gott oder König zu<br />

würdigen, den ich nicht kenne. Er lebte<br />

in anderen sozialen Strukturen als ich.<br />

Also was ist jetzt ein Kunstwerk? Es<br />

ist ein Objekt, geschaffen von einem<br />

Menschen, das fähig ist zu zeigen, was<br />

investiert wurde.“<br />

T. R.: Nun gibt es bei diesen 3 Elementen<br />

auch den Faktor Zeit. Und es gibt den<br />

Begriff, den sie formulierten: ‚in der<br />

Materie gefangene Zeit‘. Also spielt<br />

Zeit eine wesentliche Rolle in Bezug<br />

auf das Werk, den Schaffenden und den<br />

Rezipienten, wie zum Beispiel auch im<br />

Gesamtwerk von Rothko und Newman.<br />

P. S.: Um sich nicht in der Philosophie<br />

zu verlieren, ist man besser konkret. Am<br />

besten gehen wir von einem aktuellen<br />

Schwarz ist die Farbe<br />

vor dem Licht, es ist<br />

das, was vor dem<br />

Licht kommt. Es ist<br />

eine Ursprungsfarbe,<br />

kommt vor den Farben.<br />

Ich glaube, Schwarz ist<br />

eine Farbe, die uns sehr<br />

tief berührt.<br />

Werk aus. Mein Werk mit Schwarz<br />

zum Beispiel: da ist nicht das Schwarz<br />

wichtig, sondern die Reflektion des<br />

Lichtes auf dem Schwarz, und das Licht<br />

verändert sich durch das Schwarz. Und<br />

wenn man so ein Bild anschaut, dann<br />

sieht man, dass man nicht das Schwarz<br />

sieht, man sieht das Licht des Bildes<br />

auf sich zukommen, und der Raum des<br />

Bildes entsteht vor dem Bild neu. Der<br />

Peinture 81 x 65 cm, 1949 Öl auf Leinwand 81 x 65 cm<br />

Fotonachweis: Photoatelier Laut, Wien © VBK, Wien, 2006<br />

Sammlung Essl, Inv. Nr. 2813<br />

Platz des Bildes an sich ist an der Wand,<br />

in der Wand, aber nicht davor. Und du,<br />

wenn du schaust, dann bist du im Raum<br />

des Bildes. Das ist eine neue Weise,<br />

Malerei zu verstehen. Und jetzt fangen<br />

die Leute an, das zu verstehen; aber ich<br />

mache das schon lange, ich habe damit<br />

1979 begonnen. Und wenn man den<br />

Ort der Betrachtung wechselt, kann man<br />

dieses Bild neu sehen, und was man<br />

dann sieht, ist in dieser Form, in diesem<br />

Moment wieder die exakte Realität. Die<br />

Relation zur Zeit besonders bei dieser<br />

Art von Bildern ist wichtig.<br />

In der aktuellen Ausstellung, die bei der<br />

Sammlung Essl zu sehen ist, sind viele<br />

Sachen vermischt, eine Essl-Kollektion.<br />

Der wichtigste Teil der Ausstellung<br />

ist die Essl-Sammlung meiner Bilder.<br />

Im Gesamten aber habe ich über 1400<br />

Bilder gemalt.<br />

T. R.: Gestern bei der Eröffnung der<br />

Ausstellung war ich sehr beeindruckt<br />

vom größten Bild, eine Monochromie in<br />

Schwarz. Es hat für mich eine sehr starke<br />

Körperlichkeit und auch ein Gewicht<br />

und eine Räumlichkeit. Und der zweite<br />

Aspekt - die Distanz: wenn man näher<br />

ist oder weiter weg, das Bild ermöglicht<br />

jedes Mal eine andere Wahrnehmung.<br />

P. S.: Ich höre das gerne. Von weitem<br />

sieht es aus wie ein schwarzes Viereck.<br />

Wenn man näher kommt, fängt man<br />

an, Formen und Licht zu sehen, Licht,<br />

das vom Bild zu dir kommt. Das ist der<br />

Moment, den ich mag, weil in diesem<br />

Augenblick ist der Raum des Bildes vor<br />

dem Bild, und was du siehst ist Licht,<br />

das vom Bild zu dir kommt.<br />

T. R.: Ich habe empfunden, auch von<br />

weiter weg, von 20 oder 30 Meter<br />

Entfernung, dass die schwarze Fläche<br />

lebt.<br />

P. S.: Das ist sehr gut. Das schmeichelt.<br />

Es gefällt mir, das zu hören.<br />

T. R.: Zu dieser Art von Malerei ist ja ein<br />

neuer Begriff entstanden: ‚Outrenoir‘.<br />

P. S.: Ja, ich habe diesen Begriff<br />

entwickelt. Also wir sagen zum Beispiel<br />

manchmal ‚jenseits des Rheines/outre-<br />

Rhin‘ oder ‚outre-Manche/jenseits<br />

des Ärmelkanals‘, um über England<br />

zu sprechen. Und wenn ich<br />

schreibe ‚outrenoir‘, dann<br />

ist gemeint, was sie vorher<br />

beschrieben haben. Wenn wir<br />

sagen ‚Ultraschwarz‘, meinen<br />

wir schwärzer als schwarz,<br />

‚outre‘ meint etwas anderes.<br />

T. R.: Jetzt spielt ja nicht nur<br />

die Reflektion des Lichtes<br />

eine Rolle, sondern auch<br />

ein mögliches geheimes,<br />

verborgenes Licht.<br />

P. S.: Es ist das Licht, das<br />

mich interessiert. Ich bin noch<br />

immer auf diesem Weg. Und<br />

das Schwarz war für mich<br />

schon immer wichtig, sogar als<br />

ich noch Kind war, malte ich<br />

schwarz. Ich tauchte meinen<br />

Pinsel in das Tintenfass, um<br />

Bilder zu malen. Man gab mir<br />

Farben, ich bevorzugte aber<br />

Schwarz. Und ich glaube, dass<br />

das Schwarz eine sehr wichtige<br />

Farbe ist. Bevor wir geboren<br />

werden, bevor wir das Licht erblicken,<br />

sind wir im alle im Schwarzen. Schwarz<br />

ist die Farbe vor dem Licht, es ist das,<br />

was vor dem Licht kommt. Vor dem Licht<br />

war die Erde im Dunkeln. Es ist eine<br />

Ursprungsfarbe, kommt vor den Farben.<br />

Wenn man die ersten Zeichnungen<br />

der Menschen betrachtet, das ist 320<br />

Jahrhunderte her, das Christentum<br />

und ebenso die monotheistischen<br />

Religionen sind vielleicht 20 oder 26<br />

Jahrhunderte alt. Die Bilder, von denen<br />

ich spreche, sind 320 Jahrhunderte alt.<br />

Die Menschen sind für Jahrhunderte<br />

immer wieder zu den dunkelsten Orten<br />

der Erde hinuntergegangen, in tiefe,<br />

dunkle Höhlen. Und womit haben sie<br />

dort gemalt? Mit Schwarz, nicht mit<br />

Weiß, obwohl Weiß überall zu finden<br />

ist. Man muss nur einen Stein nehmen,<br />

und es geht schon. Ich glaube, Schwarz<br />

ist eine Farbe, die uns sehr tief berührt.<br />

T. R.: Es ist ja auch der Nachthimmel<br />

schwarz, und wenn man die Erde<br />

verlässt, ist der Kosmos, der universelle<br />

Raum, schwarz.<br />

P. S.: Ja, und die Welt endet im<br />

Schwarzen, die schwarzen Löcher sind<br />

das Ende unseres Sterns. Das ist das,<br />

was ich im Kopf habe. Bevor wir geboren<br />

werden, sind wir im Schwarzen; man<br />

sagt ja oft statt ‚Er ist am soundsovielten<br />

geboren‘,‚Er erblickte das Licht der<br />

Welt am soundsovielten‘. Und dass die<br />

Menschen an diese dunklen, schwarzen,<br />

tiefen Orte der Erde gegangen sind, um<br />

mit Schwarz zu malen, darüber sollte<br />

man nachdenken.<br />

T. R.: Schwarz steht ja auch für das<br />

Unbewusste, im freudschen Sinne die<br />

‚Black Box’, für die unergründlichen<br />

Dinge in der menschlichen Seele.<br />

P. S.: Bestimmt.<br />

T. R.: Für unser Bewusstsein brauchen<br />

wir Licht, auch um das Schwarz in<br />

unserer dualen Welt wahrzunehmen.<br />

P. S.: Wenn das Licht aber vom Schwarz<br />

selber kommt, dann ist das auch sehr<br />

interessant. Wie sie vorher gesagt<br />

haben.<br />

T. R.: Belegt man das Licht mit dem Weiß<br />

und die feste Materie mit dem Schwarz,<br />

dann sind das die Pole, zwischen denen<br />

wir leben und hinein geboren werden.<br />

P. S.: Aber das Licht aus dem Schwarz<br />

ist nicht irgend ein Licht.<br />

T. R.: Das ist ein wundervolles<br />

Interview.<br />

P. S.: Was sie über ihre Erfahrung mit<br />

meinem großen, schwarzen Bild bei der<br />

Sammlung Essl gesagt haben, hat mich<br />

sehr gefreut. Das war ein guter Moment<br />

für mich.<br />

T. R.: Ich wünsche ihnen eine gute<br />

Ausstellung und noch viel Gesundheit<br />

und Glück für die Zukunft, für sie und<br />

ihre Frau.<br />

P. S.: Danke.


<strong>ST</strong>/A/R<br />

Buch II – Leben<br />

Nr. <strong>10</strong>/2006 11<br />

Biographie<br />

Pierre Soulages wurde am 24. 12. 1919<br />

in Rodez, Südfrankreich, geboren.<br />

Im Jahre 1939 wird er an der Ecole<br />

Nationale Supérieure des Beaux-Arts<br />

aufgenommen. 1942 heiratet er Colette<br />

und zieht 1946 mit ihr nach Courbevoie<br />

bei Paris. 1948 nimmt er am Salon<br />

des Réalités Nouvelles und an der<br />

Wanderausstellung Große Ausstellung<br />

französischer abstrakter Malerei in<br />

Deutschland teil. 1953 besuchen ihn<br />

österreichische Maler wie Arnulf Rainer<br />

und Markus Prachensky, begleitet von<br />

Monsignore Otto Mauer. 1954 findet<br />

die erste Einzelausstellung in den USA<br />

bei Samuel Kootz statt. 1960-61 wird<br />

in der Kestnergesellschaft (Hannover),<br />

im Museum Folkwang (Essen), im<br />

Gemeentemuseum Den Haag und im<br />

Kunsthaus Zürich eine erste retrospektive<br />

Wanderausstellung gezeigt. 1967 findet<br />

die erste Retrospektive in Frankreich<br />

statt, im Pariser Musée National<br />

d’Art Moderne. Es folgen zahlreiche<br />

Ausstellungen in den führenden Museen<br />

der Welt. Anfang 2007 wird im neu<br />

renovierten Musée Fabre in Montpellier<br />

eine Dauerausstellung von Soulages’<br />

Hauptwerken eröffnet.<br />

In Österreich wurden seine Werke<br />

bereits in 4 Einzelausstellungen<br />

gezeigt: 1962 Radierungen in der<br />

Galerie im Griechenbeisl, Wien.;<br />

1978 Arbeiten auf Papier in der<br />

Galerie Ulysses, Wien; 1980 die<br />

selbe Ausstellung im Salzburger<br />

Künstlerhaus; und 1991 Soulages,<br />

neue Werke im Museum<br />

Moderner Kunst Stiftung Ludwig<br />

Wien. Soulages hat auch an<br />

etlichen Gruppenausstellungen in<br />

Österreich teilgenommen. 2006<br />

bekommt er das Österreichische<br />

Ehrenzeichen für Wissenschaft<br />

und Kunst verliehen.<br />

Fotos: Thomas Redl<br />

Derzeit sind Soulages’ Arbeiten bis 03. 09. 2006 bei der Einzelausstellung<br />

Painting the Light in der Sammlung Essl zu sehen.<br />

Peinture 223 x 223 cm, 20 mai 2000, Öl auf Leinwand 223 x 223 cm ,<br />

Fotonachweis: Archiv des Künstlers © VBK, Wien, 2006 Sammlung Essl, Inv. Nr. 48<strong>10</strong>


<strong>ST</strong>/A/R Buch II – Leben Nr. <strong>10</strong>/2006 13<br />

Andrea Baczynski – Time of the East, Shanghai, 2006


14 Nr. <strong>10</strong>/2006<br />

Buch II – Leben<br />

<strong>ST</strong>/A/R<br />

Thomas Strobl – Malerei<br />

Die ganze Idiotie dessen<br />

– sich zu formulieren –<br />

die ganze geistige Konstellation<br />

zu verarbeiten<br />

(irgendwie), wäre ja<br />

ohne die Reflexion nicht<br />

möglich.<br />

Und wenn sich alles so<br />

einfach durch sich selbst<br />

teilen lassen würde, wäre<br />

ich ja schon fertig mit<br />

diesem Auftrag oder dieser<br />

Aufgabe, mir so lange<br />

den Kopf zu zerbrechen<br />

bis etwas zerbricht ohne<br />

wirklich zu zerbrechen<br />

daran.<br />

Thomas Strobl 2006<br />

Schwester Maria # 1, Öl auf Leinwand, <strong>10</strong>0 x <strong>10</strong>0 cm, 2005<br />

Den Blick der anderen sich aus den Augen malen<br />

Man könnte versuchen, verschiedene Arten gegenständlicher Malerei danach zu unterscheiden,<br />

welche Absicht sie mit ihrem Gegenstand verfolgen. Es gibt Malerei, die sensibel reagieren will<br />

auf den Gegenstand, die beschreibend einer gesehenen Wirklichkeit gerecht werden möchte.<br />

Andererseits gibt es Malerei, die agieren will, die etwas kreieren möchte, herbeischaffen, vielleicht<br />

sogar möglichst schnell. Ferner gibt es beispielsweise Malerei, die den Gegenstand behandelt,<br />

um die Grenzen der Malerei zu erforschen, oder um zu spielen etc.<br />

Es gibt aber auch eine Art von Malerei, deren Hauptabsicht darin besteht, einen bestimmten<br />

Gegenstand zu bewältigen: ihn in eine Form zu bringen, um ihn zu überwinden, mit ihm<br />

fertigzuwerden (so, wie man versucht, mit einem Schock fertigzuwerden oder mit einem<br />

schmerzlichen Erlebnis): eine Anstrengung der Gegenwehr, Geste der Renitenz, des Ankämpfens,<br />

getragen von der Sehnsucht des Schlußmachens.<br />

Auszug aus dem Katalogtext “Werkschau” Herbert Lachmayer/ Robert Pfaller 1995<br />

Thomas Strobl: geboren 1967 in Linz; studierte<br />

Malerei an der Hochschule für künstlerische und<br />

industrielle Gestaltung Linz; seit 1996 als Freischaffender<br />

Maler und Grafiker tätig; lebt seit<br />

2004 in Wien;<br />

zahlreiche Ausstellungen, Ausstellungsbeteiligungen,<br />

Filmvorführungen, Performances;<br />

Mitglied bei Sixpackfilm Wien.<br />

www.8ung.at/strobl<br />

Atelier: 1170 Wien, Sautergasse 3<br />

Blur, Öl auf Alumium, 50 x 50 cm, 2005<br />

Portraitreihe “Selbstportrait”, Fotografie, 1973 - 2005


<strong>ST</strong>/A/R<br />

Buch II – Leben<br />

Nr. <strong>10</strong>/2006 15<br />

Ein archaisch-architektonisches Meisterwerk<br />

Die Seebühne vom Bildhauer Hans Kupelwieser in Lunz am See,<br />

ausgezeichnet mit dem Österreichischen Baupreis 2005<br />

Kupelwieser<br />

Visualisierung: Günther Dreger<br />

Bei Kupelwiesers Meisterwerk „Seebühne“ wird<br />

der ganze See Resonanzraum für den Ton, für den<br />

auftretenden Künstler, und die Landschaft rund um den<br />

See wird die malerische Kulisse, die sich unmerklich im<br />

Laufe der Dämmerung ändert und damit seine eigene<br />

Dramaturgie zeichnet. Die Verbindung von Kultur und<br />

Natur ist in diesem Fall in einer genialen Weise gelungen.<br />

„Eingetaucht im See, in der Spiegelung des Berges,<br />

breitet sich jeder Ton aus wie eine unsichtbare Welle am<br />

Wasserhorizont und findet dort seinen Raum, wie er ihn<br />

auch in uns sucht, und findet er ihn dort, so gehen der<br />

Innen- und Außenraum in Vibration zueinander, und es<br />

verschwinden die Grenzen – jene Distanz zwischen Akteur<br />

und Zuhörer, Mensch und Natur, und es spielt kein Rolle<br />

mehr, wo und was man ist, diesseits oder jenseits, feste<br />

Materie oder Äther, denn letztlich ist alles eins.“<br />

Daten zur Seebühne:<br />

Wettbewerb: September 2002, ausgeschrieben von<br />

Kulturabteilung NÖ, kunst im öffentlichen raum<br />

Thomas Redl<br />

Planungsbeginn: Dezember 2002; Fertigstellung: Juni 2004<br />

Künstlerisch skulpturales Konzept: Hans Kupelwieser, Wien,<br />

Lunz; Mitarbeit Günther Dreger<br />

Tragwerksplanung, Statik: Peter Resch, Werkraum Wien<br />

Architektonische Umsetzung: Monika Trimmel, Werkraum Wien<br />

Bauherr: Gemeinde Lunz<br />

Jan Tabor über das Werk:<br />

Hans Kupelwieser, der aus Lunz am See stammt und mit<br />

diesem Ort eng verbunden ist, ist ein Bildhauer, der wie<br />

ein Architekt denkt. Die wirklich guten Bildhauer denken<br />

heutzutage so. So, wie gute Architekten heutzutage wie<br />

Bildhauer denken. Von Kupelwieser ist die Seebühne und ihre<br />

futuristische Ästhetik und ihre praktische Doppelbedeutung:<br />

wenn nicht gespielt wird, kann gebadet werden: klassisches<br />

freies Gewässerbaden mit sitzen, liegen, wasserspringen,<br />

schwimmen – Seebühnebad.<br />

Kupelwiesers Doppelmeisterwerk, dem die hochästhetische<br />

Bau- und Kunstwerksidee zugrunde liegt, wurde vom<br />

„Werkraum Wien“, einer Gruppe von Statikern und<br />

Konstrukteuren, die wie Künstler denken, in die konstruktive<br />

und funktionelle Wirklichkeit kongenial umgesetzt. Die<br />

Form und die Ästhetik: weniger Hightech, mehr Apparat.<br />

Artefactum sollte man es vielleicht nennen – wegen der<br />

Archaik der Stiege im Hang, Typus Amphitheater und des<br />

Floßes, Typus Ponton. Pontonus wie Nautillus: versenkbar im<br />

Seewasser, wenn der Herbst kommt und die Badegäste gehen,<br />

und auftauchbar, wenn der Frühling zurückkehrt und mit ihm<br />

das Festival – Wellenklänge – und seine Musiker.<br />

Vor der Vorstellung wird eine kleine Wasserpumpe<br />

eingeschaltet, sie pumpt das Seewasser in eine große Wanne,<br />

und diese hebt das Flugdach, das bis dahin so über die Stiege<br />

gelegt war als wäre es kein Dach, sondern die Haut der<br />

Stiege, in die luftige Höhe. Dann sitzen sie alle, Musiker und<br />

Musikliebhaber, im Trockenen und erwarten das Konzert.<br />

Alljährlich findet im Sommer auf der Seebühne das Festival<br />

Wellenklänge statt. Intendantin: Suzie Heger<br />

www.wellenklaenge.at<br />

www.derbaupreis.at<br />

Hans Kupelwieser auf der Seebühne<br />

Endlich in Lunz am See!<br />

Neben der Seebühne bietet Lunz am See jenen<br />

Charme, den die Tourismusvermittler immer mit<br />

„sanften Tourismus“ kommunizieren möchten<br />

– keine Bausünden und geringe Bebauung generell,<br />

traumhafte Wasserqualität des Sees, eine weitgehend<br />

unberührte Natur und unweit im Ötscherland Wanderund<br />

Bergsteigmöglichkeiten. Sommerfrische war, bevor<br />

Tourismus ins Allgemeinbewusstsein schlüpfte, einmal<br />

ein schönes Wort und mit einer Qualität verbunden<br />

die heute rar ist. Lunz am See bietet diese Qualität<br />

noch. Der Bootsverleih am See ist ein lebendiges<br />

Beispiel dafür, um 2 Euro pro Stunde kann man ein<br />

buntes Holzruderboot aus den 70er Jahren mieten und<br />

mit der Seele baumelnd über das Tiefgrün<br />

des Sees gleiten.<br />

Sympathische Übernachtungsmöglichkeiten gibt es<br />

mehrere: Privatpensionen und Urlaub am Bauernhof.<br />

Sonntagsvormittag waren wir frühstücken am<br />

Bauernhof „Glockriegl“ bei Peter und Herta<br />

Grasberger: auf der Hausbank im Grünen bekamen<br />

wir frisch geernteten Pfefferminztee, selbstgemachtes<br />

Joghurt, weiche Eier, Bauernspeck, Bauernbrot und<br />

wunderbaren Schafkäse – welch ein Glück. Die Familie<br />

Grasberger vermietet auch Zimmer, bis jetzt war das<br />

Haus immer voll, vielleicht haben wir beim nächsten<br />

Mal Glück.<br />

„Glockriegl“, Peter & Herta Grasberger,<br />

Weissenbach 7, A-3293 Lunz am See<br />

weitere Informationen unter www.lunz.at<br />

Fotos: Heinz Kupelwieser


16 Nr. <strong>10</strong>/2006<br />

Buch II – Leben<br />

<strong>ST</strong>/A/R<br />

Nicht in Mörbisch, nicht in Salzburg sondern in Unter-Oberndorf im Wienerwald trafen sich<br />

15 Künstler im Rahmen des “72 Stunden Joanelli Festes” - organisiert von Thomas Krösbacher<br />

(Joanelli, <strong>10</strong>60 Wien) - um die von ihnen in der Landschaft verteilten Kunstwerke gebührend zu<br />

feiern. Die Veranstaltung fiel vor allem durch eine in sich ruhende Selbstgenügsamkeit angenehm<br />

auf. Die Gäste, vorwiegend aus der “inneren Szene Wien”, assimilierten sich mit der Landschaft,<br />

den Arbeiten und den Leuten vor Ort - angestrengtes Quotendenken wurde in der Hitze des<br />

Sommers in Wien zurückgelassen. Freiwillige Feuerwehr und ortsansässige Gastronomie (Gasthaus<br />

Familie Spanseiler) rundete das Bild zu einer seltenen Idylle ab.<br />

Teilnehmer: Georg “Gogo” Bernhard / Thomas Draschan / Sofia Goscinski / Harald Grünauer<br />

/ Mona Hahn / Philipp Haselwanter / Martin Kitzler / Wolfgang Obermair / Georgi Piralishvili /<br />

Thomas Redl & Martin Vlk / Karin Sulimma / Stefan Waibel / Mounty R. P. Zentara / Christian Zillner.<br />

Organisiert und kuratiert wurde das bis 15. August laufende Projekt von der Gallery AREA 53<br />

(Mounty R. P. Zentara, Karin Sulimma).<br />

Auf der Westautobahn in Preßbaum abfahren und westwärts weiter bis nach Unter-Oberndorf, dort folgt<br />

man der Beschilderung Gasthaus Spanseiler.<br />

Weitere Informationen bei: Gallery AREA 53 (phone. +43 676 621 56 60) und<br />

JOANELLI bar cafe (Gumpendorferstr. / Ecke Joanellig., <strong>10</strong>60 Wien)<br />

Künstler auf Landpartie ist eine jährliche Initiative der Galerie AREA 53.<br />

n Riccione Sommer 1939, Thomas Redl & Martin Vlk<br />

Fotos: © Martin Vlk 2006<br />

Verspannung, Martin Kitzler<br />

Salzsee, Karin Sulimma<br />

Zeppelin, Thomas Draschan<br />

Foto © Mounty R. P. Zentara<br />

Ring, Harald Grünauer<br />

Wiese mit Objekten, Blickrichtung Westen<br />

Eisenkäfig, Mounty R. P. Zentara<br />

Fotofachlabor Kadmon GmbH<br />

unsere Leistungen: Dia und Colornegativentwicklung, Duplikate,<br />

Scans und Vergrößerungen<br />

Telefon / Fax: 01/523 51 82<br />

e-mail:offi ce@kadmon.at<br />

<strong>10</strong>70 Wien, Lindengasse 7<br />

www.kadmon.at


<strong>ST</strong>/A/R Buch III – Europa<br />

Nr. <strong>10</strong>/2006<br />

17<br />

<strong>ST</strong>/A/R zu Besuch im f.e.a. – forum experimenteller architektur<br />

+ die architektur des würfels<br />

Vortrag, anlässlich der Vernissage des f.e.a.-Würfels<br />

(f.e.a. = forum experimentelle architektur)<br />

Als einfachste Form der dritten Gegenstandsdimension entsteht aus dem<br />

zweidimensionalen Quadrat der dreidimensionale Würfel, lateinisch<br />

Kubus.<br />

Das Verhältnis Oberfläche zu Volumen ist umso besser, je größer der<br />

Würfel ist.<br />

Bei <strong>10</strong>-facher Kantenlänge ergibt sich ein <strong>10</strong>-fach besseres<br />

Verhältnis.<br />

Bei Gebäuden heisst dies, eine wesentlich bessere<br />

Energieeffizienz.<br />

Seine Ungerichtetheit lässt den Kubus stabil wirken, er ruht<br />

sicher und erhaben auf dem Boden.<br />

Aus diesem Grund wurden immer wieder<br />

Befestigungsanlagen aber auch Grabmäler mit kubischer<br />

Form errichtet.<br />

Wie etwa in Buchara, Usbekistan, das Tor zur Zitadelle<br />

und das Samaniden-Mausoleum.<br />

Aus dem Lösboden gegraben, bestimmen Innenhöfe<br />

eine Bauern-Siedlung in der Nähe von Tonguan in<br />

China.<br />

L-förmige Treppen führen entlang der Hofwände nach<br />

unten, in die Atrium-Wohnungen.<br />

Oben sind Äcker und Wiesen.<br />

Vom Flugzeug aus gesehen wirken die leeren<br />

Volumen in der ebenen Landschaft als kubische<br />

Negativform.<br />

Erhabenheit sugerierende Atribute passen<br />

natürlich auch gut für Kunstbehältnisse, wie hier<br />

im Museumsquartier das Leopold Museum oder<br />

während der Schweizer Expo.02 der Monolith von<br />

Jean Nouvel.<br />

Fenster des f.e.a. im MQ<br />

Dieser befand sich während der Landesausstellung auf dem Murtensee, 200m vom Hafen Murten entfernt.<br />

Mit seiner idealen, rostigen Würfelform von 34m Seitenlänge, stand er für die ausserhalb der Zeit liegende Welt der<br />

Ideen.<br />

Vom Ufer abgesondert und rostig, zeugte er gleichzeitig von der Vergänglichkeit und dem Zerfall der materiellen Welt.<br />

In seinem Inneren wurden drei Panoramen kombiniert:<br />

Hier wurde mit dem bewegten, computergesteuerten Rundbild der Gegenwart, dem historischen Schlachtenbild und dem<br />

inszenierten Rundblick auf die Stadt Geschichte und Fiktion, Zeit und Wahrnehmung in Frage gestellt.<br />

[Martin Tschanz,<br />

Neue Zürcher Zeitung, 13.05.2002<br />

Der Kubus war auch ein wesentlicher Teil der Formensprache von Louis Kahn.<br />

Die freistehende Bibliothek von Exeter in New Hampshire<br />

wirkt durch ihre gewollte Elementarhaftigkeit, die eine zeitlose Gültigkeit verkörpert.<br />

Der Ziegel-Kubus, von einem gleichmäßigen Fensterraster durchbrochen, betont die Massivität des Bauwerkes.<br />

Die zentrale Halle wird von den mit eingeschriebenen Kreisöffnungen durchbrochenen Beton-Seitenflächen eines Würfels<br />

gebildet.<br />

Durch diese riesigen Kreisöffnungen fällt der Blick auf die Holzbrüstungen der Geschoße.<br />

Das Bauwerk kommt in seiner Erscheinung als Volumen zur Geltung.<br />

Zwei leicht zueinander gedrehte Holzkuben, auf unverrückbar im Hang verankerten Sockeln aus Bruchstein, bilden Kahns Haus für<br />

die Familie Norman Fisher, in Hatboro, Pennsylvania.<br />

Sicherheit gebend und keinem Stil verpflichtet, stehen sie als Artefakt der Landschaft gegenüber, zu der über große Eckfenster<br />

der Bezug hergestellt wird.<br />

In Rotterdam schaffte Piet Bloom mit seinen auf die Spitzen gestellten, als Pfahlbauten errichteten<br />

Wohnwürfeln eine Touristenattraktion.<br />

Diese Art den Würfeltypus zu verwenden fand jedoch keine Nachahmer.<br />

Sol LeWitt<br />

gestaltete Kunstwerke durch die mehrmalige Verwendung gleicher Einheiten mit standardisierten Dimensionen in absoluter<br />

Symmetrie. Als Pionier der konzeptionellen Kunst, fertigte er würfelförmige Leerräume, die durch schlanke Aluminiumkonturen<br />

definiert werden.<br />

Ein würfelförmige Leerraum<br />

ist auch der den Innenraum erweiternde f.e.a.-Würfel:<br />

eine filigrane, kubische Konstruktion, flexibel mit wechselnder Erscheinungsform und spannenden Schattenwurf<br />

soll durch wechselnde Bespielung von Künstlerinnen und Künstlern, Architektinnen und Architekten, mit Bedeutung gefüllt werden.<br />

Nicole Sabella : Das Rohe und das Schöne


18 Nr. <strong>10</strong>/2006<br />

Buch III – Europa<br />

<strong>ST</strong>/A/R<br />

ATLANTEN<br />

Meisterwerk des Slowakischen Künstlers Jan Fekete


<strong>ST</strong>/A/R<br />

Buch III – Europa<br />

Nr. <strong>10</strong>/2006 19<br />

KARIATYDEN<br />

Träger der Architektur<br />

Karin Grausam Foto © Heidulf Gerngross


<strong>ST</strong>/A/R Buch III – Europa Nr. <strong>10</strong>/2006 21<br />

<strong>ST</strong>AR Architekten – driendl*architects<br />

Atlanten und Schnecken im Stift Klosterneuburg


22 Nr. <strong>10</strong>/2006<br />

Buch III – Europa<br />

<strong>ST</strong>/A/R<br />

LOD 2006 – Landscapes of desire – 16. Int.<br />

Schloss Fertörákos, Ungarn 14. – 29. Juli 2006<br />

Foto ©2006 Szymon Olszowski<br />

The incredible Caro Fekete-Kaiser, initator of the wonderful<br />

transnational LOD symposium in front of the first archiquant<br />

house – ADAM&EVA – made in Fertörákos fertörákos<br />

powered by IVF, Bratislava*IMFUNDISO, South Africa*NDU, St.Pölten*BKAKunst, Wien*Gemeinde Fertörákos


<strong>ST</strong>/A/R<br />

Buch III – Europa<br />

Nr. <strong>10</strong>/2006 23<br />

Kunstsymposium – KulturAXE<br />

www.kulturaxe.com<br />

Jan Fekete


24 Nr. <strong>10</strong>/2006<br />

Buch III – Europa<br />

<strong>ST</strong>/A/R<br />

Schnackansax<br />

für Jan Tabor<br />

von Gabriele Petricek<br />

dia zwai Schnackankörpar varschmiagt zum allain<br />

Ainzig Saum an Saum aufgabäumt Fuß in Fuß varschlaimt<br />

dia Häusar statischa Ankarung Körpar in Varwindung<br />

allarlangsamst innigst ain parsonifiziartar Kuß<br />

gablähtas Harmoniaflaisch im Rausch Vulvan und Panissa<br />

zarglaicht das Schnackanganza im Schnackanglanza<br />

viskos langsam langsam immar waitar kain Untarlass<br />

Gaduld ain Wonnig Langsam varzwait zuzwait im Vargass<br />

das Schlaims im Zärtlich das Fühlartanzas so innig<br />

varlaibt übarwölbt gaschaukalt gatriaban varschwört<br />

so fain ain Schnirkalfast<br />

dia zwai Schnirkalschnackan varschmust im<br />

Glaichschmirgal Rand an Rand varfugt gänzlich Mund<br />

in Mund varschlungan dia Molluskanandan hintanaus<br />

gaardat Laibar varschnackt varzückt allarlangsamst<br />

zaitgalupt ain wohltampariartas Körpargafüga gadahnta<br />

Anmut im Glaichmaß Gliad und Vagina varwandt das<br />

Schnirkalschnack im Schnackanschlaim klabrig langsam<br />

langsam mahr noch kain Abrupt Hingaba ain Himmlisch<br />

Langsam varzwaigt awig im Aifar dar Glitschatüda so haiß<br />

varliabt übarbordat baschwingt gabohrt varzwittart so<br />

alagant ain Schnacksalfast im Schnackantampo,<br />

Schnirkelschneckenpaar in Velika Polana, Slowenien<br />

von <strong>10</strong>.06.2006 16:45:08 – 11.06.2006 12:23:25<br />

johannka


<strong>ST</strong>/A/R Nr. <strong>10</strong>/2006<br />

Buch IV – Kunst<br />

25<br />

Normalität ist der Ausgangspunkt<br />

Art / Brut Center in Gugging eröffnet<br />

Normalität<br />

Interview mit Johannes Feilacher,<br />

dem Leiter des Museums Gugging<br />

<strong>ST</strong>/A/R: Seit den 70er Jahren hat sich<br />

unter der Leitung von Dr. Navratil<br />

hier in Gugging ein Künstlerzentrum<br />

entwickelt, das Sie übernommen und<br />

weitergeführt haben. Wie war die<br />

Entwicklung seit dem Beginn und auch<br />

während der letzten fünfzehn Jahre?<br />

Johannes Feilacher: Navratil hat in<br />

den 60er Jahren über Testzeichnungen<br />

zufällig Talente entdeckt, die er Jean<br />

Dubuffet vorgestellt hat, der die<br />

Werke zur Art Brut gezählt und damit<br />

gleichzeitig anerkannt hat. Navratil hat<br />

dann in Richtung Kunst weitergearbeitet,<br />

wobei er stets Psychiatrie und Kunst<br />

verbunden hat. 1965 hat er ein erstes<br />

Buch herausgegeben, das vorwiegend<br />

auf zeitgenössische Künstler gewirkt<br />

hat (Arnulf Rainer, Franz Ringel,<br />

Peter Pongratz, ...), nicht jedoch auf<br />

die Psychiater. 1970 fand die erste<br />

Ausstellung in Wien statt. Danach gab<br />

es einzelne, verstreute Ausstellungen<br />

und ab dem Jahr 1979 auch Tourneen.<br />

Es folgte die erste Präsentation im<br />

Museum des 20. Jahrhunderts.<br />

Schließlich kam es 1971 zur Gründung<br />

des damals so genannten Zentrums<br />

für Kunstpsychotherapie. Navratil<br />

hatte einen alten, kleinen Pavillon<br />

umwidmen können und hat dort jene<br />

Leute angesiedelt, die sich schon vorher<br />

als Talente bewiesen haben und noch<br />

einige andere dazu. Dieser kleine<br />

Pavillon wurde im Jahre 1981 eröffnet.<br />

1983 hat mich Navratil hierher geholt,<br />

weil er einen Nachfolger gesucht hat.<br />

Drei Jahre später ist er in Pension<br />

gegangen. Das erste, was ich getan habe,<br />

war, das Zentrum umzubenennen, in<br />

Haus der Künstler. Mich interessierte<br />

immer das Talent des Einzelnen<br />

und nicht seine private oder sonstige<br />

Krankengeschichte. Wenn jemand eine<br />

Behinderung oder Erkrankung hat,<br />

ist das etwas Privates und hat in der<br />

Öffentlichkeit nichts zu suchen. Das<br />

Haus der Künstler ist eine Institution,<br />

die einzelne Künstler fördert, die<br />

das selber nicht können, einzelne<br />

Talente, die aufgrund irgendwelcher<br />

Schwierigkeiten nicht fähig sind, ihre<br />

eigene Arbeit zu vermarkten oder sie<br />

herzuzeigen. Ich bin im Prinzip<br />

immer ein Helfer der Künstler<br />

gewesen und habe im Laufe der<br />

Zeit verschiedene Institutionen<br />

gegründet. Eine der wesentlichen<br />

war ein Förderverein, um auch<br />

Leute anstellen zu können. Das<br />

zweite war, dass ich einen privaten<br />

Vertrag ausgearbeitet habe, in dem<br />

die Künstler zu Besitzern einer<br />

Kommanditerwerbsgesellschaft werden<br />

konnten. Ich wollte eine Galerie gründen<br />

im Sinne einer Produzentengalerie, wo<br />

die Künstler selber die Besitzer sind.<br />

Das war damals einmalig und ist es<br />

auch heute noch, dass eine Gesellschaft<br />

im Besitz von voll besachwalteten<br />

Personen ist, die alle nur durch ihre<br />

Rechtsanwälte vertreten sind. Das allein<br />

hat drei Jahre gedauert, bis alles hiebund<br />

stichfest war. Der nächste Schritt<br />

war die Befreiung aus der Psychiatrie,<br />

das Haus war ja noch ein Pavillon der<br />

Klinik. Im Jahre 2000 wurde es völlig<br />

unabhängig.<br />

<strong>ST</strong>/A/R: Mit der Eröffnung des<br />

Museums ist ein bestimmter Höhepunkt<br />

erreicht, und ein einmaliges<br />

europäisches Zentrum für Art Brut<br />

entstanden.<br />

J. F.: Europäisch ist richtig. Es gibt zwar<br />

eine klassische museale Sammlung, die<br />

Collection de l’art brut in Lausanne/<br />

Ch, die kleine Ausstellungen zeigt,<br />

nicht sehr viel Platz hat und sehr<br />

monoklonal arbeitet, das heißt, primär<br />

klare klassische Art Brut zeigt und<br />

sonst nichts. Dann gibt es einige<br />

Museen zeitgenössischer Art, die auch<br />

kleine Departments dabei haben, wie<br />

in Dublin oder in Lille, dann gibt es ein<br />

Visionary Art Museum in Baltimore,<br />

das war’s. Aber dieses Museum wird das<br />

erste für Art Brut sein, das aber nicht<br />

nur für Art Brut da sein soll, sondern<br />

es soll den Weg, den wir seit 20 Jahren<br />

verfolgen, nämlich die Art Brut mit<br />

Mainstream Art zu mischen und zu<br />

zeigen, dass Art Brut eine Richtung<br />

der Kunst ist, wie viele andere auch,<br />

dass sie weder besser noch schlechter<br />

ist, aber mindestens gleich gut. Das<br />

können wir hier in diesem Haus<br />

zeigen. Natürlich ist der Schwerpunkt<br />

Gugging, eine Hälfte von 1300 - 1400<br />

Am 28. Juni wurde das Museum Gugging als weltweit<br />

einzigartiges Art / Brut Center eröffnet. Das Museum ist als Ort<br />

konzipiert, an dem sich die Art Brut mit anderen Kunstrichtungen<br />

treffen, ergänzen und auch messen wird können, ein Treffpunkt<br />

für Diskussion und Diskurs. Schwerpunkt bleibt dabei die<br />

Präsentation der Werke der Gugginger Künstler. Dem Museum<br />

steht eine Ausstellungsfläche von rund 1.300 m2 zur Verfügung.<br />

Darüber hinaus gibt es eine Bibliothek, ein Bildarchiv, Lager- und<br />

Arbeitsräume für Kuratoren sowie einen Multimediaraum.<br />

Dem Museum wird noch ein Museumsshop angeschlossen sein,<br />

ein Café-Restaurant soll 2007 in Betrieb gehen. Das Museum<br />

ist in das Art / Brut Center Gugging integriert, zu dem noch die<br />

Galerie der Künstler aus Gugging, das Offene Atelier Gugging,<br />

Arbeitsräume sowie eine Veranstaltungshalle, die „Villa“, für<br />

Symposien, Konzerte und Ähnliches zählen.<br />

Die Eröffnungsausstellung<br />

„Blug - vier Jahrzehnte Kunst aus Gugging“<br />

präsentiert rund 650 Arbeiten, Zeichnungen, Malereien, Objekte<br />

und auch Radierungen der international bekannten Art Brut<br />

Künstler August Walla, Oswald Tschirtner und Johann Hauser,<br />

sowie auch jener gegenwärtig im Haus der Künstler lebenden, zu<br />

nennen sind da: Johann Fischer, Johann Garber, Franz Kernbeis,<br />

Johann Korec, Heinrich Reisenbauer, Arnold Schmidt, Günther<br />

Schützenhofer und Karl Vondal. Sowie jene aus den 70er Jahren,<br />

wie Josef Bachler, Josef Blahaut, Anton Dobay, Franz Gableck,<br />

Rudolf Horacek, Franz Kamlander, Fritz Koller, Rudolf Limberger,<br />

Otto Prinz, Philipp Schöpke und Erich Zittra.<br />

„Blug“, der Titel dieser ersten Ausstellung, ist einer Arbeit von<br />

Franz Kernbeis entnommen und bedeutet „Pflug“ - Der Acker<br />

ist bestellt!<br />

Die Ausstellung dauert vom 30. Juni - 14. Jänner 2007.<br />

Anschließend soll sie auf Welttournee gehen.<br />

Zur Schau ist das Buch „Blug. Gugging - ein Ort der Kunst“ im<br />

Brandstätter-Verlag erschienen.<br />

Informationen<br />

Museum Gugging - Art / Brut Center, 3400 Maria Gugging /<br />

Klosterneuburg, Hauptstraße 2,<br />

Ausstellung „Blug“: 30. Juni - 14. Jänner 2007.<br />

Das Museum ist Dienstag bis Sonntag von <strong>10</strong>.00 bis 18.00 Uhr (im<br />

Winter bis 17.00 Uhr) geöffnet, die Galerie Dienstag bis Samstag.<br />

Tel.: +43 (0) 664 8490695<br />

Web: http://www.gugging.org


26 Nr. <strong>10</strong>/2006<br />

Buch IV – Kunst<br />

<strong>ST</strong>/A/R<br />

Quadratmetern Ausstellungsfläche wird<br />

immer Gugging sein, aber nicht immer<br />

die selben Künstler zeigen, sondern auch<br />

verschiedene Sammlungen und Arbeiten<br />

aus verschiedenen Zeiten. Parallel dazu<br />

kommen z. B. Themenausstellungen,<br />

die blindest bestückt werden können,<br />

mit zeitgenössischer Kunst, Tribal Art<br />

oder was auch immer. Diese Vernetzung<br />

ist eine ganz wichtige Sache, die wir bis<br />

jetzt in New York praktiziert haben, in<br />

der St. Etienne oder im Palazzo Ducale<br />

in Mailand, aber hier in einem Zentrum,<br />

Von den Künstlern gestalteter Eingang, Haus der Künstler<br />

wo das auch permanent stattfinden<br />

kann, das ist weltweit einmalig.<br />

<strong>ST</strong>/A/R: Jetzt ist dieses Zentrum auch<br />

gleichzeitig ein Produzentenhaus, es<br />

gibt ja das Haus der Künstler, und auch<br />

hier im Museum wird gearbeitet. Eine<br />

Verbindung zwischen Tätigsein und<br />

auch Präsentation ...<br />

J. F.: Ja, es ist vor allem ein lebendiges<br />

Zentrum, hier wird gearbeitet, es gibt<br />

Ateliers, eine eigene Galerie, das heißt,<br />

hier passiert etwas. Da wird nicht nur<br />

hergezeigt, sondert da gibt es auch<br />

Action, hier können Verbindungen<br />

zwischen Sammler, Betrachter und dem<br />

Künstler entstehen.<br />

<strong>ST</strong>/A/R: Wie kommen Sie eigentlich zu<br />

den neueren Künstlern?<br />

J. F.: Durch einen Findungsprozess.<br />

Es ist genauso schwierig, einen guten<br />

Art Brut Künstler zu finden, wie es<br />

schwierig ist, überhaupt einen guten<br />

Künstler zu finden. In der Art Brut gibt<br />

es sicher nicht mehr Talente als in jeder<br />

anderen Kunstrichtung auch. Das ist<br />

eine Frage des Qualitätsanspruchs. Es ist<br />

sehr schwierig, wirklich hervorragende<br />

Talente zu finden. Das Problem besteht<br />

vor allem darin, dass solche Begabungen<br />

fast nie erkannt werden, sie sich selber<br />

kaum zeigen, dass sie sich selber<br />

nicht präsentieren, wie der normale<br />

Mainstream Art Künstler, der auch<br />

immer eine sehr starke narzisstische<br />

Ader hat. Viele arbeiten einfach im<br />

Untergrund und für sich selbst.<br />

<strong>ST</strong>/A/R: Die Art Brut Künstler arbeiten<br />

auch für sich selbst?<br />

J. F.: Nicht alle. Manche brauchen<br />

einen Anstoß. Die wissen gar nichts<br />

von ihrem Talent. Wir bekommen zwar<br />

viele Empfehlungen, die aber fast nie<br />

unseren Vorstellungen entsprechen, da<br />

sie oft von Menschen<br />

kommen, die einer<br />

Durchschnittsästhetik<br />

anhängen. Am<br />

einfachsten findet man<br />

einen guten Art Brut<br />

Künstler, indem man im<br />

Mistkübel stöbert. Was<br />

die meisten Menschen<br />

nicht erkennen können,<br />

weil es ihnen zu neu,<br />

zu fremd, zu anders<br />

ist, findet man im<br />

Mistkübel.<br />

<strong>ST</strong>/A/R: Und wie<br />

kommen Sie zu den<br />

Mistkübelzeichnungen?<br />

J. F.: Zufällig oft.<br />

Natürlich schaue ich auch<br />

nach. Aber häufig sind<br />

es viele, viele Kontakte,<br />

die irgendwann einmal<br />

fruchten. Allerdings<br />

glaube ich, dass sich<br />

noch viel mehr Leute an<br />

uns wenden und hierher<br />

kommen werden, wenn<br />

es uns gelungen ist, klar zu<br />

vermitteln, dass wir unser Know How<br />

allen anbieten, die Begabung zeigen.<br />

Wir haben Künstler aus Deutschland,<br />

die hier als Artists in Residence arbeiten,<br />

ein offenes Atelier, welches täglich 12<br />

Leute aufsuchen, die zum Teil aus Wien<br />

kommen, aber auch aus verschiedenen<br />

anderen Gegenden, einige aus der<br />

Psychiatrie. Manchmal sind Schriftsteller<br />

anwesend, die das Flair der Stimmung<br />

genießen und in der Gruppe schreiben.<br />

Dieses offene Atelier ist natürlich auch<br />

eine Screening-Methode, um Talente<br />

zu orten. Das größte Problem jedoch<br />

erzeugen nicht die Talente, sondern<br />

durchwegs jene, die mit ihnen umgehen,<br />

weil sie sie zu beeinflussen versuchen.<br />

Das ist genau das Falscheste, was man<br />

tun kann.<br />

<strong>ST</strong>/A/R: Das bedeutet auch, dass die<br />

Arbeiten zumeist falsch verstanden<br />

werden?<br />

J. F.: Die Rezeption geschieht großteils<br />

unter psychologischen, psychiatrischen,<br />

psychopathologischen oder unter<br />

sozialen Aspekten. Das ist falsch. Seit<br />

zwei Jahrzehnten versuche ich, Leuten<br />

das Sehen zu ermöglichen. Sie sollen<br />

einmal ihr Hirn ausschalten und<br />

einfach das sehen, was gerade zu sehen<br />

ist und nicht ihre eigenen Vorurteile<br />

benutzen, um das Bild gelb, rot oder<br />

braun einzufärben. Wenn man eine<br />

Ausstellung macht und vorne drauf<br />

schreibt Zeichnungen von Schizophrenen,<br />

dann sehen die Leute alles, nur nicht<br />

die Zeichnungen. Macht man jedoch<br />

eine ganz normale Kunstausstellung,<br />

mit Künstlern die halt niemand kennt,<br />

wie wir das in Italien beispielsweise<br />

praktiziert haben, werden die Arbeiten<br />

plötzlich ganz klar als zeitgenössische<br />

Kunst erkannt und auch als solche<br />

rezipiert. Das Problem ist, vor allem hier<br />

in Wien und in Österreich, das Vorurteil,<br />

mit dem viele auf diese Bilder zugehen.<br />

<strong>ST</strong>/A/R: Das Vorurteil des Kontextes?<br />

J. F.: Ja, genau, und ich versuche, die<br />

Storys auszuschalten. Wenn ich eine<br />

Story brauche, um Bilder zu sehen, dann<br />

bin ich blind, dann interessiert mich<br />

Literatur oder irgendetwas anderes, aber<br />

sicher nicht das Bild.<br />

<strong>ST</strong>/A/R: Kommen die Künstler<br />

ausschließlich aus dem psychiatrischen<br />

Umfeld?<br />

J. F.: Prinzipiell kommen Art Brut<br />

Künstler nicht primär aus einem<br />

psychiatrischen Umfeld, aber zu<br />

einem großen Teil ist dies schon so<br />

der Fall. Die meisten sind Außenseiter<br />

in der Gesellschaft, mit ganz wenigen<br />

Ausnahmen. Einige können sich selber<br />

Es ist genauso schwierig<br />

ein guter Rezipient, wie<br />

ein guter Künstler zu<br />

sein.<br />

managen und sind trotzdem Art Brut,<br />

werden auch von Dubuffet anerkannt.<br />

Aber alle haben eines gemeinsam, sie<br />

interessieren sich nicht für Kunst. Das<br />

ist das ganz Wesentliche. Ihre Werke<br />

sind nicht durch Kunst beeinflusst. Sie<br />

sind durch das Leben beeinflusst, durch<br />

ihre Umgebung, durch ihre sozialen<br />

Schmelzer, Haus der Künstler<br />

Kontakte, aber nicht durch Kunst. Das<br />

ist auch das Wertvolle daran. Das ist<br />

das, worum andere Künstler 20 Jahre<br />

lang raufen. <strong>10</strong> Jahre versuchen sie,<br />

die eigene Kunst aufzubauen, dann<br />

brauchen sie die nächsten <strong>10</strong> Jahre, um<br />

alles wieder abzubauen. Wenn man viel<br />

Glück hat, ist man dann dort, wo man<br />

vorher war.<br />

<strong>ST</strong>/A/R: Ästhetisch gesehen gibt<br />

es einerseits eine Verbindung zu<br />

Kinderzeichnungen, zu deren<br />

ursprünglicher Kraft, und auch zur<br />

primitiven Kunst, was Bildsprache,<br />

Darstellung, Ikonografie betrifft.<br />

J. F.: Stimmt nicht ganz.<br />

Kinderzeichnungen haben eine<br />

klare Symptomatik, das heißt, ein<br />

bestimmtes Alter bringt bestimme<br />

Kinderzeichnungen hervor. Natürlich<br />

gibt es auch bei den Kindern besondere<br />

Talente, aber die sind genauso selten<br />

wie unter Erwachsenen. Ich glaube,<br />

dass es echte Kinderkunst gibt, diese hat<br />

jedoch nichts damit zu tun, was man<br />

im Kindergarten oder in der Schule zu<br />

sehen bekommt, denn dabei handelt<br />

es sich zumeist um altersspezifische<br />

Symptome.<br />

<strong>ST</strong>/A/R: Kunst wäre demnach eine<br />

Verrückung von Mustern?<br />

J. F.: Wenn man Zeichnungen von<br />

psychisch Kranken hernimmt, dann<br />

weisen diese zu 99 Prozent Symptome<br />

auf, die einander ähneln. Wenn jemand<br />

einen bestimmten Wahn hat, zeichnet er<br />

ähnlich wie ein anderer, der den selben<br />

Wahn hat. Das hat auch nichts mit Kunst<br />

zu tun. Künstler ist der, der es schafft,<br />

über das Symptom hinauszukommen<br />

und eine Individualität zu erschaffen.<br />

Kopffüßler zeichnen Kinder, zeichnen<br />

Schizophrene, zeichnen Leute mit<br />

Schlaganfällen, zeichnen konventionelle<br />

Künstler. Wenn Sie sich eine Tschirtner-<br />

Zeichnung ansehen, und es handelt sich<br />

dabei um einen Kopffüßler, dann wissen<br />

Sie, BUMM, das ist ein Tschirtner.<br />

Das heißt, Sie denken nicht über den<br />

Inhalt nach, sondern Tschirtner hat<br />

eine Individualität geschaffen, die weit<br />

über das Symptom Kopffüßler hinaus<br />

geht. Dann würde ich es Kunst nennen.<br />

Meine subjektive Vorstellung von Kunst<br />

ist, dass ein Werk einmalig sein soll.


<strong>ST</strong>/A/R<br />

Buch IV – Kunst<br />

Nr. <strong>10</strong>/2006 27<br />

<strong>ST</strong>/A/R: Weil es eine ganz spezifische<br />

Kraft besitzt?<br />

J. F.: Genau darum geht es. Wenn Sie<br />

die Theorien von Mondrian lesen, dann<br />

müsste jeder Kunst machen können.<br />

Man schreibt Regeln auf, wie etwas zu<br />

handhaben ist, damit es Kunst wird,<br />

und hält sich anschließend daran. Aber<br />

Mondrian bricht diese von ihm selbst<br />

aufgestellten Regeln in jedem einzelnen<br />

Bild. Er bricht sie immer, und genau<br />

dieser kleine Bruch, dieser Unterschied<br />

ist es, der seine Kunst und Individualität<br />

ausmacht. Als Künstler muss man etwas<br />

erweitern, muss man etwas verändern,<br />

Neues schaffen. Das ist das Wesentliche,<br />

dieses Darüberhinausgehen.<br />

eignet man sich eine Ästhetik in den<br />

ersten zwanzig Lebensjahren an. Das<br />

hängt davon ab, wie viel man sieht,<br />

was man sieht und wie das, was man<br />

sieht, konnotiert ist, ob beispielsweise<br />

die Eltern oder die Lehrer etwas positiv<br />

oder negativ anschauen, und was daraus<br />

resultiert. Erst dann kann man als<br />

Rezipient, wenn man Talent besitzt,<br />

weitergehen. Es ist genauso schwierig<br />

ein guter Rezipient, wie ein guter<br />

Künstler zu sein.<br />

<strong>ST</strong>/A/R: Gibt es in der Art Brut<br />

eine erkennbare Entwicklung, einen<br />

künstlerischen Fortschritt, wenn<br />

man von Patterns ausgeht, die wir<br />

wahrnehmen, und die von den Künstlern<br />

J. F.: Worte sind Symbole und werden<br />

direkt oder indirekt verwendet. August<br />

Walla und Johann Fischer arbeiten<br />

beispielsweise damit. Fischer fing<br />

allerdings erst vor <strong>10</strong> Jahren an, ins Bild<br />

zu schreiben. Die Schrift ist ja auch ein<br />

grafisches Element und dominiert zum<br />

Teil die Arbeit von August Walla. Das<br />

Erzählen spielt gegenwärtig bei Karl<br />

Vondal eine große Rolle.<br />

<strong>ST</strong>/A/R: Es entstehen ganze<br />

Kosmologien. Die künstlerische Arbeit<br />

hat auch einen starken kommunikativen<br />

Charakter, sie bringen ihre<br />

Weltwahrnehmung auf ein Medium.<br />

Damit haben sie einen Anschluss, der<br />

in anderen Bereichen nicht so gegeben<br />

ist.<br />

<strong>ST</strong>/A/R: Es muss dafür natürlich auch<br />

die Leute geben, die solches erkennen.<br />

J. F.: Das ist überall so.<br />

<strong>ST</strong>/A/R: Weil Sie vorher gemeint haben,<br />

dass ein „herkömmlicher“ Künstler seine<br />

Kunst <strong>10</strong> Jahre aufbauen, dann wiederum<br />

die selbe <strong>10</strong> Jahren lang abbauen muss,<br />

um vielleicht seine Individualität oder<br />

etwas darüber hinaus reichendes zum<br />

Ausdruck und zum Vorschein bringen<br />

zu können, auch der Rezipient ...<br />

J. F.: Der Rezipient muss die selbe<br />

Entwicklung durchmachen. Normal<br />

verändert oder erweitert werden?<br />

J. F.: Jeder gute Art Brut Künstler macht<br />

eine Entwicklung durch wie jeder<br />

andere Künstler auch. Aber das einzige,<br />

was die Art Brut Künstler gemeinsam<br />

haben, ist, dass sie, stilistisch gesehen,<br />

nichts gemeinsam haben. Alle arbeiten<br />

völlig individuell und unabhängig<br />

voneinander. Inhalte wiederholen sich<br />

überall, nur die Formen sind anders.<br />

<strong>ST</strong>/A/R: In einzelnen Arbeiten spielt<br />

das Wort eine wichtige Rolle, damit wird<br />

eine Verbindung von Darstellung und<br />

Beschreibung geschaffen.<br />

J. F.:: Im Prinzip ist jede Kunst<br />

Kommunikation, zumindest indirekt.<br />

<strong>ST</strong>/A/R: Es gibt auch Pläne, wie sich<br />

das Zentrum weiter entwickeln soll, mit<br />

einem Veranstaltungsraum.<br />

J. F.: Für den auch bereits ein Programm<br />

für das nächste Jahr vorbereitet wird,<br />

mit musikalischen Veranstaltungen,<br />

Symposien, Vorträgen und Lesungen.<br />

Dieses Zentrum soll auch am<br />

Wochenende besucht werden können.<br />

Man kann hier im Wienerwald spazieren,<br />

danach geht man ins Restaurant essen,<br />

lässt die Kinder am Spielplatz, schaut<br />

sich die Ausstellung an, kauft sich etwas<br />

im Shop, geht in die Galerie, kauft<br />

sich ein Bild, am Abend besucht man<br />

ein Konzert und hinterher trinkt man<br />

einen Schluck Wein. Danach geht man<br />

befriedigt nach Hause. Das ist das Ziel,<br />

es soll auch ein Ort des Lebens sein.<br />

Deswegen will ich auch ein Restaurant.<br />

Genauso gehört ein Shop dazu, in dem<br />

es die größte Auswahl von Art Brut<br />

Büchern weltweit geben soll.<br />

<strong>ST</strong>/A/R: Abschließende Frage: Wenn<br />

Bilder verkauft werden, wie viel bekommt<br />

davon der Künstler?<br />

J. F.: Der Künstler besitzt einmal seine<br />

eigene Galerie. Er stellt sich selber<br />

seine Galeristin an und hat einen<br />

Kommissionsvertrag. Bisher hatte der<br />

Künstler 30 Prozent von der Summe<br />

abgegeben. Seit es diese größere Galerie<br />

gibt, mussten wir den Prozentsatz auf<br />

die galerieüblichen 50 Prozent anheben.<br />

Macht die Galerie einen Gewinn, gehört<br />

dieser natürlich wieder dem Künstler.<br />

Er hat die selben Konditionen wie jeder<br />

andere freischaffende Künstler.<br />

Das Gespräch führten Thomas Redl<br />

und Dieter Sperl<br />

Farbfotos: Gerald Kofl er © 2006, Impressionen vom Eröffnungsabend des Museums<br />

S/W Fotos: Thomas Redl © 2006<br />

August Walla Zimmer,<br />

Haus der Künstler


<strong>ST</strong>/A/R Buch IV – Kunst Nr. <strong>10</strong>/2006 29<br />

Padhi Frieberger, mit Huik Taylor, 1960, Selbstauslöser - Aufnahmen<br />

Summer of Love - Psychedelische Kunst der 60er Jahre KUN<strong>ST</strong>HALLE wien bis 17. September 2006<br />

Internationale KünstlerInnen | International Artists: Isaac Abrams, Ant Farm, Archigram, Richard Avedon, Thomas Bayrle, Cecil Beaton, Lynda Benglis, Mark Boyle/Joan Hills, Bernard Cohen, Öyvind Fahlström, Richard Hamilton, Robert Indiana, Abdul Mati Klarwein,<br />

Yayoi Kusama, John McCracken, Verner Panton, Nam June Paik, Adrian Piper, Lucas Samaras, Peter Sedgley, Graham Stevens, USCO, Andy Warhol, James Whitney, Joshua White, Thomas Wilfred, Jud Yalkut, La Monte Young, u.a.<br />

Österreichische KünstlerInnen | Austrian Artists: Raimund Abraham, Christian Ludwig Attersee, Heinz Frank, Padhi Frieberger, Ernst Fuchs, Coop Himmelb(l)au, Hans Hollein, Haus-Rucker-Co, Marcel Houf, Friedensreich Hundertwasser, Johann Jascha, Isolde Joham,<br />

Max Peintner, Walter Pichler, Klaus Pinter, Arnulf Rainer, Alfons Schilling, Christian Skrein, Zünd-Up


30 Nr. <strong>10</strong>/2006<br />

Buch IV – Kunst<br />

<strong>ST</strong>/A/R<br />

„Salzburg via New York“ - ein Reisebericht von Herbert Wulz<br />

Cool und testosteronhaltig ist die Air am Hangar 7, beeindruckend die Konstruktion, perfekt das Service.<br />

Aber nicht Air & Kulinarik sind das Thema dieses Nachmittags, sondern Art.<br />

Die HangART-7 Edition 4 präsentiert vom 8. Juli bis zum 25. August 2006<br />

New York Contemporary : Art Times Squared<br />

Am in der Hitze flimmernden Parkplatz lärmt und<br />

riecht es nach Airport. Wo sind die Bilder von John<br />

Lurie und die Kunst in diesem Besser-Schneller-Schöner,<br />

ist die zentrale Frage während unserer Ankunft. Hier<br />

versteckt? Zwischen Flugzeugen, Autos und den<br />

anderen Objekten der wackeren Erfolgsgesellschaft?<br />

Tatsächlich hier - sogar bei freiem Eintritt. Der<br />

rasche Blick von außen erlaubt nicht mehr viel, das<br />

Hormonprogramm wirkt am ganzen Gelände. Sehr<br />

rasch spielt unser Kompass verrückt, und wir finden uns<br />

am Rande eines Flughafens in einer Bar mit perfekten<br />

Drinks wieder. Es ist so heiß an diesem Julitag, willig<br />

folgen wir daher allem, was cool ist. Draußen flitzen<br />

Yellow Cabs über den Asphalt, vermutlich laden sie die<br />

Salzburger nach New York ein, oder was auch immer.<br />

Sieben Künstler, sieben Kuratoren, ein Katalog, eine<br />

Zeitung und eine Stadt. Nach sehr erfolgreichen<br />

Ausstellungen mit Künstlern aus Österreich, China<br />

und Spanien wird nun, es ist die Edition 4, mit New<br />

York erstmals eine einzige Stadt ins Visier genommen.<br />

HangART-7 legt den Fokus auf den Big Apple.<br />

Es wird zum Abflug gerufen, die Führung beginnt,<br />

cool schälen wir uns von der Couch und hauchen uns<br />

in den Hangar. Autos, Flugzeuge, Autos, Helikopter<br />

und Paneele mit Kunst. Immerhin, die Kunst hat<br />

ihren eigenen Sektor, nicht wie in der Kreissparkasse,<br />

aufgelockert zwischen dem Wichtigeren verteilt.<br />

Schnell finde ich John Lurie, besser bekannt als Musiker<br />

oder Darsteller in Filmen wie „Stranger then Paradise“<br />

oder „Down by Law“. In Luries Arbeiten gibt es eine<br />

ganze Menagerie von Tieren. Seltsame Bemerkungen<br />

wie „New York is for idiots“ oder „If you marry me,<br />

we can live here“ geben seinen Aquarellen die (von<br />

mir) erwartete Botschaft. Sie wirken ehrlich und<br />

empfindsam. Seine Tiere sind nicht die Geschöpfe aus<br />

Kindertagebüchern, sondern hartgesottene Biester<br />

mit mythischen Dimensionen. Er ist mein Bestätigungs-<br />

NewYorker, die anderen kenne ich noch nicht. John<br />

Lurie, geboren 1952 in Minneapolis, kuratiert von<br />

Alanna Heiss.<br />

Bradley Castellanos steht am Abgrund der Fotographie.<br />

In „Bad Country“, schräg gegenüber eines F1-Boliden,<br />

mixt er Malerei mit Fotographie. Ein Spezialist für<br />

Innen- und Außenansicht mit toxischer Pinselführung.<br />

Bradley Castellanos, geboren 1974 in Hartford CT,<br />

kuratiert von Dan Cameron.<br />

Der bekannte Kurator Jeffrey Deitch bringt Kehinde<br />

Wiley in den Hangar. Er thematisiert mittels eines<br />

in Europa beinahe ausgestorbenen Genres, der<br />

Porträtmalerei. Passing/Posing fügt Afroamerikaner in<br />

eine Tradition der Malerei ein, aus der sie in der Regel<br />

ausgeschlossen waren. Wiley malt mit fotorealistischer<br />

Genauigkeit. Das Resultat seiner Vorgangsweise nennt<br />

er Anti-Porträt-Malerei. Kehinde Wiley, geboren 1977<br />

in Los Angeles.<br />

Viel los ist in der Welt von Dasha Shishkin. Sie<br />

indiziert eine Vielzahl von Assoziationen. Vorder- und<br />

Hintergrund scheinen sich zu widersprechen. Bei Tod,<br />

Sex, Konsum und Gewalt überlässt sie es dem Betrachter<br />

die verschiedenen Elemente in Zusammenhang zu<br />

bringen.<br />

Das ist mir im Moment zuviel Arbeit, vor allem wenn<br />

die Vermutung dräut, dass ihre Welt nicht zur Gänze<br />

zu entschlüsseln ist. Dasha Shishkin, geboren 1977 in<br />

Moskau, kuratiert von Simone Subal.<br />

Zachary Clement ist dynamisch und expressionistisch,<br />

seine Bilder sind Selbstporträts. Er malt, weil er sich<br />

gut dabei fühlt. Friede und Harmonie sind nicht<br />

spürbar, wozu auch. Die Heftigkeit bringt einen ins<br />

Lot und aktiviert das dritte Auge. Aufgewachsen ist er<br />

in einer kleinen Stadt in Nebraska. „Komplett isoliert<br />

von jeglicher kreativen Schiene“, wie ich dem Katalog<br />

entnehme. Mir kommt das bekannt vor, alles: der<br />

Umgang mit der Schiene und die Malerei. Ich denke<br />

- er wahrscheinlich nicht - an Egon Schiele und Edvard<br />

Munch. Zachary Clement, geboren 1974 in Omaha,<br />

kuratiert von Ombretta Agro Andruff.<br />

Die Werke von Ed Rath sind bestimmt vom Verlangen<br />

nach einer besseren Welt. Einer Welt, in der jeder ein<br />

erfülltes Leben führen kann. „The Everyday World“<br />

oder „Milk and Honey“ erzählen dies mit gelebter<br />

Erfahrung. Allerdings und hochinteressant: das Ganze<br />

ist mit Präzision geträumt. „Elements of Disaster“<br />

erinnert an die Rückseite des Träumens. Lady Liberty<br />

vor zwei brennenden Türmen. Ed Rath is an angry<br />

young man, angry old man; could have been better,<br />

could have been worse ..., kuratiert von David Reed.<br />

Die Ideentafeln von Jules de Balincourt holen mich im<br />

New York von Ed Rath wieder ab. Ich sehe ein Bild - er<br />

nennt es „Untitled (Diptych)“ - und denke an Berlin.<br />

Nicht ein einziges Versatzstück erinnert daran. Es ist<br />

die Mitte einer Stadt, weit und flach die Hierarchie.<br />

Eine Passage später vernehme ich, dass er tatsächlich<br />

dort gelebt hat. Wie macht er das? Ich suche,<br />

suche weiter, gehe zurück, experimentiere mit der<br />

Perspektive usw. Tja, es ist das gute, alte Tafelbild,<br />

aber was macht er da. Hinter dem gewollt naiven Stil<br />

verbergen sich engagierte, politische Kommentare.<br />

Faktisches, Beliebiges und Buntes sind die Bausteine.<br />

Der Narration folgt die Warnung vor einem<br />

posthumanistischen Zeitalter auf dem Fuß. Rätselhaft,<br />

das hat aber gesessen. Jules de Balincourt, geboren<br />

1972 in Paris, kuratiert von Joao Ribas.<br />

Leider müssen wir jetzt gehen - Termin in Salzburg.<br />

Freundliches Händeschütteln, freundliche Atmosphäre,<br />

cool eben, mehr als cool. Klar wir kommen wieder,<br />

ich will aber hinauf ins Krähennest. Heute leider<br />

geschlossen.<br />

Auf der Rückfahrt verweigere ich das Steuer. Thomas<br />

konzentriert sich auf Salzburg, ich blättere im<br />

schwarzen Büchlein „Hangart-7 Art & Air“. Gleich zu<br />

Anfang die Welt von Jules de Balincourt. Cooler Tag,<br />

wir sind voll guter Dinge.<br />

Curators :<br />

Ombretta Agró Andruff :<br />

Dan Cameron :<br />

Jeffrey Deitch :<br />

Alanna Heiss :<br />

David Reed :<br />

Joao Ribas :<br />

Simone Subal :<br />

Artists<br />

Zachary Clement<br />

www.basis-wien.at<br />

Bradley Castellanos<br />

Kehinde Wiley<br />

John Lurie<br />

Ed Rath<br />

Jules de Balincourt<br />

Dasha Shishkin<br />

w<br />

u<br />

l<br />

z<br />

www.hangart7.com<br />

Ed Rath, Elements of a Desaster<br />

Air & Art, Lioba Reddeker führt durch New York


<strong>ST</strong>/A/R<br />

Buch IV – Kunst<br />

Nr. <strong>10</strong>/2006 31<br />

Les grands spectacles II Kunst auf der Bühne<br />

Sommerausstellung im Museum der Moderne Salzburg<br />

Die aktuelle Sommerausstellung - zweiter Teil der Ausstellungstrilogie Les<br />

Grands Spectacles - im Museum der Moderne Salzburg ist eine theater- und<br />

kunstgeschichtlich gut strukturierte Schau zur Entwicklung des Spannungsfeldes<br />

Bühne und Bildende Kunst seit der Jahrhundertwende des letzten Jahrhunderts.<br />

Exemplarisch werden wichtige Entwicklungsschritte vom Ende des 19.<br />

Jahrhunderts bis heute gezeigt. Die Auswahl der präsentierten Arbeiten basiert<br />

auf zwei Konstanten: der veränderten Wahrnehmung von Raum und der<br />

veränderten Wahrnehmung von Bewegung; unter anderem sind Arbeiten zu<br />

diesem Thema von Oskar Schlemmer, Fernand Leger. El Lissitzky, Jean Dubuffet<br />

und Friedrich Kiesler sind zu sehen. Die Neudefinierung des Bühnenraums und<br />

die Neuentdeckung des Körpers im Spannungsfeld zwischen Befreiung und<br />

Mechanisierung werden thematisiert. Bühnengestaltungen von zeitgenössischen<br />

Künstlern wie Fritz Wotruba, Jean Tinguely bis Jörg Immendorff, Robert Longo<br />

und Karel Appel, realisiert bei den Salzburger Festspielen, vermitteln die enge<br />

Verbindung von Bildender Kunst und Bühne. Die Aktionisten sind natürlich auch<br />

vertreten mit Günter Brus und Hermann Nitsch - wie üblich mit einem seiner<br />

Orgien-Mysterien-Theater (Videodokumentation).<br />

Campingsarg versus Schlingensiefs Hodenpark im Kampf um die letzte<br />

Bühne als möglicher Attraktor. Der in Salzburg lebende Künstler und Literat<br />

Max Bläulich hat einen zusammenklappbaren Campingsarg installiert, laut<br />

beigelegtem Prospekt in Bauhäusern zu kaufen, der die Frage nach dem „letzten<br />

Raum“ aufwirft. Dem gegenüber ist Schlingensief mit seiner Installation chicken<br />

balls - der Hodenpark vertreten als eingeübte standardisierte Provokation.<br />

Spekulativ eingesetzt drängt sich die Frage auf, ob diese Ausstellung es<br />

notwendig hat, Schlingensiefs Zitatemix als Medienereignis einzusetzen.<br />

Während der Eröffnungsrede baute Schlingensief an seiner Installation<br />

– ein Störungsakt mit Hammer & Bohrmaschine.<br />

Charles Kaltenbacher kommentiert: Schlingensief in den 90er Jahren als<br />

imposanter, eloquenter Surfer auf der angesagten Welle des sozialen<br />

Engagement (5 Millionen Arbeitslose - ich kümmere mich darum) aufgetreten,<br />

zeigt sich hier als Parsifal mit Hoden, den das Volk gefälligst zu beachten hat.<br />

Das Thema der Hoden wurde übrigens von Matthew Barney in seiner Cremaster-<br />

Serie in den 90er Jahren thematisiert.<br />

Welch Leichtigkeit im Spannungsfeld<br />

zwischen Objekt, Akteur und Bühne möglich<br />

ist, zeigt eine frühe Videoarbeit von Franz<br />

West - Passstücke in Gebrauch, Titel De<br />

Cohen Kabo West, 1983/84 -, welche die<br />

Schwere aktionistischer Opferhaltung mit<br />

Leichtigkeit überwunden hat und spielerisch<br />

den „galanten Wiener Charme“ Wests zeigt,<br />

mit dem er international reüssierte.<br />

Salzburg allgemein:<br />

Die Ausstelung läuft bis 8.<strong>10</strong>.2006<br />

Ein umfangreicher Katalog ist<br />

erschienen.<br />

Nach dem Ausstellungsbesuch sitzt man im hirschgeweihbestückten, von Matteo<br />

Thun gestalteten Museums-Cafe-Restaurant und wartet eine 1/2 Stunde auf das<br />

mehrmals georderte Bitter Lemon während draußen die Salzburger Schützen mit<br />

Böllerschüssen die Festspiele mit Donnerlärm eröffnen und daran erinnern, dass<br />

in den nächsten Wochen Salzburg ein Laufsteg von Reich, Schön, Einflussreich und<br />

kulturbeflissen ist. Auf die Stadt blickend ertappt man sich dabei, Erleichterung<br />

zu verspüren bei dem Gedanken, den Ort zu verlassen, an dem Dirndlkleid und<br />

Strapse eine äußerst lukrative Symbiose eingehen.<br />

Thomas Redl<br />

Franz West Filmstills aus „De Cohen Kabo West” , 1983/84<br />

Max Bläulich Campingsarg Installation<br />

Christoph Schlingensief in Aktion<br />

Günther Brus Kostüme zu „Das schlaue Füchslein”<br />

Sächsische Staatsoper Dresden, 1994<br />

Adolf Luther<br />

Bühnenbild zu Tristan und Isolde, Frankfurter Oper<br />

1977, © Adolf Luther, Adolf Luther-Stiftung, Krefeld<br />

Jean Dubuffet<br />

Aufführung von „Coucou Bazar“ in Turin, 1978<br />

Fotografi e, Collection Fondation Dubuffet, Paris © VBK Wien, 2006


32 Nr. <strong>10</strong>/2006<br />

Buch IV – Kunst<br />

<strong>ST</strong>/A/R<br />

Heike Weber Foto: Ellie Wyckoff, (c) Kunsthalle Wien 2006<br />

Heike Weber, BODEN LOS, Installation im Foyer der Kunsthalle Wien, Museumsquartier bis 31. Oktober 2006<br />

Foto: Reimo Rudi Rumpler, (c) Kunsthalle Wien 2006


<strong>ST</strong>/A/R Buch V – Design<br />

Nr. <strong>10</strong>/2006<br />

33<br />

Interview mit Martin Mostböck<br />

Vom Möbel zum gebauten Haus<br />

Thomas Redl: Für den ‚Twista’, der<br />

von der Firma Eternit produziert<br />

wird, hast du vor kurzer Zeit den ‚red<br />

dot-Designpreis’ bekommen. Wie war<br />

deine Entwicklung als Designer?<br />

Martin Mostböck: Schon während<br />

meines Studiums Mitte der 80er Jahre<br />

habe ich versucht, kleinere Projekte, d.<br />

h. Möbel, gleich selbst umzusetzen. Ein<br />

Möbel zu bauen, kann sehr schnell gehen.<br />

Die Umsetzung - vom Entwurf über die<br />

Skizzen bis zum fertigen Produkt - kann<br />

in wenigen Tagen geschehen. Das war<br />

der Ansatz, so habe ich<br />

begonnen. Dann gab<br />

es eine kontinuierliche<br />

Entwicklung bis zum<br />

Entwurf serienmäßiger<br />

Möbel.<br />

T. R.: Du hast eigentlich Architektur<br />

studiert. Siehst du deinen<br />

Aufgabenbereich in dem Sinne, wie die<br />

Architekten es früher wahrgenommen<br />

haben, d. h. ein Haus zu bauen und<br />

auch die Möbel dafür zu entwerfen?<br />

Wie siehst du die Verbindung zwischen<br />

Architektur und Design?<br />

M. M.: Architektur und Design ist<br />

im Wesentlichen das selbe. Es wird<br />

nur ein zusätzlicher Begriff benützt,<br />

um das Entwerfen von Möbeln oder<br />

Gebrauchsgegenständen zu definieren.<br />

Wenn man Italien betrachtet, dann<br />

sieht man, dass Designer oder Gestalter,<br />

wie z. B. Sottsass oder Castiglioni,<br />

aus der Architektur kommen. Sie<br />

sind aus unterschiedlichen Gründen<br />

in das Design gegangen. Ich habe<br />

zwischen der Gestaltung eines Hauses<br />

und der Gestaltung eines Sessels nie<br />

sehr viel Unterschied gesehen. Das<br />

Anforderungsprofil bzw. -programm ist<br />

ein anderes. Im Wesentlichen ist es aber<br />

ähnlich.<br />

T. R.: Du hast nach deinem Studium<br />

an der TU-Wien mehrere Jahre bei<br />

COOP-Himmelblau mitgearbeitet.<br />

Was waren deine Aufgabengebiete<br />

und welche Erfahrungen hast du in<br />

diesem international renommierten<br />

Architekturbüro gemacht?<br />

M. M.: Die Aufgabengebiete waren<br />

vielfältig: Hochbau, Konstruktion,<br />

Städtebau und Design. Ich habe dort<br />

diverse Wohnbauten mitentwickelt: in<br />

Wien ein Hochhaus, den<br />

Gasometer und die<br />

Remise im zweiten Bezirk. Gleichzeitig<br />

habe ich Projekte, wie z. B. ein<br />

Milchglas oder eine Uhr, für einen<br />

amerikanischen Produzenten gemacht.<br />

Von der Großform bis zur Kleinform,<br />

Mikro- und Makrostrukturen.<br />

T. R.: Neben dem ‚Twista’ gibt es<br />

auch andere Sessel, die mit Preisen<br />

ausgezeichnet wurden oder in die<br />

MAK-Designsammlung aufgenommen<br />

worden sind. Wenn man deine<br />

Biographie liest, so erkennt man, dass<br />

es viele glückliche und langfristige<br />

Kooperationen mit Produktionsfirmen<br />

gibt. Das ist ja sehr wesentlich, wenn<br />

man Design realisieren will. Wie<br />

gestaltet sich deine Zusammenarbeit<br />

mit den Produktionsfirmen?<br />

M. M.: In der Biographie stehen aber<br />

nur die gelungenen Kooperationen, es<br />

gibt auch unglückliche. Das Wichtigste<br />

im Umsetzungsprozess eines Produktes<br />

ist der Dialog mit der Firma. Am<br />

besten ist es, wenn man einen direkten<br />

Ansprechpartner im Unternehmen hat,<br />

eine Person, mit der man das Projekt<br />

konkret umsetzen kann, nicht nur in<br />

Bezug auf das Produkt selbst, es muss<br />

darüber hinausgehen. Es sind Gespräche<br />

mit dem Produzenten zu führen, die<br />

außerhalb des Entwurfsprozesses liegen,<br />

eine Auseinandersetzung mit den<br />

beteiligten Personen selbst und vor allem<br />

mit der Philosophie des Unternehmens<br />

ist notwendig. Nur<br />

so kann man Design<br />

erfolgreich umsetzen.<br />

Ich suche die langfristige<br />

Kooperation.<br />

Nicht der schnelle<br />

S c h u s s , s o n d e r n<br />

die langfristige<br />

Auseinandersetzung<br />

mit einem Unternehmen<br />

interessiert<br />

mich. Der Dialog<br />

ist das Wichtigste<br />

dabei. Wenn man<br />

zum Beispiel<br />

terminlich schwer<br />

zusammenkommt,<br />

wird es auch beim Entwerfen schwierig,<br />

man entwirft ja meist in Schüben. Diese<br />

Schübe müssen dann, wenn sie passiert<br />

sind, auch umgesetzt werden. Es geht<br />

um eine Annäherung an das Gegenüber,<br />

weil immer beide Seiten Fragen haben.<br />

Wenn das Produkt beim Start nicht direkt<br />

Twista, variables Gestaltungselement, produziert von<br />

Eternit, reddot design award winner 2006


34 Nr. <strong>10</strong>/2006<br />

Buch V – Design<br />

<strong>ST</strong>/A/R<br />

in das vorgegebene Profil hineinpasst,<br />

so kann der Umsetzungsprozess helfen,<br />

einander näher zu kommen. Dieses<br />

Näherkommen definiert mitunter ein<br />

ganz anders Profil als ursprünglich<br />

vorgesehen. Man erkennt Stärken<br />

und Schwächen besser und kann<br />

sich ergänzen. Dabei muss es klare<br />

Richtlinien geben, das Ziel muss<br />

gemeinsam definiert werden.<br />

T. R.: Du hast ja auch eine Lehrtätigkeit<br />

an der TU-Wien am Institut für<br />

Raumgestaltung und Entwerfen.<br />

Was versuchst du den Studenten zu<br />

vermitteln?<br />

Architektur und Design<br />

ist im Wesentlichen<br />

das selbe. Es wird<br />

nur ein zusätzlicher<br />

Begriff benützt,<br />

um das Entwerfen<br />

von Möbeln oder<br />

Gebrauchsgegenständen<br />

zu definieren.<br />

M. M.: Mir geht es vor allem darum,<br />

gemeinsam mit den Studenten Dinge<br />

umzusetzen, die sie auf einen Weg<br />

bringen, den sie auch alleine gehen<br />

können. Dabei kann ich mit meiner<br />

Erfahrung helfen und unterstützen.<br />

„Wie schaut das richtige Berufsleben<br />

als Designer aus?“ ist<br />

die zentrale Frage.<br />

Beim letzten Programm<br />

an der TU-Wien<br />

namens ‚Cubes’ waren<br />

Würfel zu gestalten,<br />

die im Wesentlichen<br />

D e n k e r z e l l e n<br />

formulieren sollten.<br />

Zum Start hat jeder sein<br />

eigenes Entwurfsprojekt<br />

gemacht. In der Folge<br />

wurden Vierergruppen<br />

gebildet, diese haben<br />

dann jeweils einen<br />

Würfel im Maßstab 1:1<br />

umgesetzt. Das Resultat<br />

wurde bei Zumtobel im<br />

Schauraum präsentiert.<br />

Das hat sehr gut<br />

funktioniert und sowohl<br />

bei den Stundenten als<br />

auch den Lehrtätigen<br />

große Begeisterung<br />

ausgelöst.<br />

T. R.: Gab es auch den<br />

direkten Kontakt zu<br />

Zumtobel?<br />

M. M.: Nein, das nicht, aber über<br />

Sponsoring wurden Mittel organisiert.<br />

Ein Tischler wurde beauftragt, die<br />

Grundgerüste zu konstruieren, und in<br />

der Folge haben die Studenten dann ihre<br />

Projekte selbst umgesetzt. Die Würfel<br />

im Ausmaß von 3 x 3 Metern haben<br />

wirklich sehr gut ausgesehen.<br />

Thurner Fashion, Eisenstadt, Intereurdesign<br />

wie eine statische Welle erscheinen zu<br />

lassen. Für die Rückwand und<br />

die Paneelwände des Geschäftes<br />

habe ich aus der Produktion<br />

von Braun Lockenhaus einige<br />

Fertigteile, die Rückenlehnen<br />

eines Sesseltyps, benutzt. Diese<br />

doppelt zusammengeführt und<br />

seriell verwendet definieren<br />

wie eine Klammer den Raum<br />

und bilden eine Art statischen<br />

Vorhang, der wirklich an Stoff<br />

erinnert, an Stoff, der auf<br />

weibliche Haut fällt.<br />

T. R.: Aktuell in Bau ist ein Haus,<br />

das du entworfen hast. Welche<br />

Art von Haus ist es?<br />

M. M.: Das ist ein Einfamilienhaus,<br />

ebenfalls im Burgenland, in<br />

Oberpullendorf. Das Grundstück<br />

ist kompliziert, weil es eine<br />

lange Ausrichtung hat und in<br />

die falsche Richtung verläuft. Im<br />

Entwurfsprozess, über Studienund<br />

Arbeitsmodelle, habe ich<br />

eine Art Wellendachlandschaft<br />

entwickelt. Eine Welle, die das<br />

Licht richtig in das Haus hineinführt.<br />

Der Entwurf ist sehr stark vom<br />

Bauplatz dominiert und ist eine<br />

Auseinandersetzung mit Licht und mit<br />

von Licht durchfluteten Räumen.<br />

T. R.: Was hast du zukünftig vor?<br />

Garcia, produziert von Braun Lockenhaus,<br />

aufgenommen in die MAK Design Sammlung<br />

M. M.: Die Arbeit an diesem Haus ist<br />

noch nicht abgeschlossen. Es gibt ein<br />

weiteres Projekt mit der Firma Eternit<br />

und es wird auch eines mit der Firma<br />

Braun Lockenhaus geben.<br />

T. R.: Das heißt, es gibt eine kontinuierliche<br />

Fortsetzung der Zusammenarbeit mit<br />

Partnern, mit denen du seit langem<br />

zusammenarbeitest?<br />

M. M.: Genau so ist es.<br />

T. R.: Wir wünschen viel Erfolg bei<br />

deinen zukünftigen Kooperationen.<br />

T. R.: Du hast im Burgenland<br />

auch Interieurdesign für ein<br />

Modegeschäft gemacht. Was waren<br />

die wesentlichen Akzente deiner<br />

Arbeit?<br />

M. M.: Dieses Modegeschäft<br />

wurde zuletzt in den 80ern<br />

umgebaut. Ich habe während des<br />

Entwurfsprozesses an eine Art von<br />

Welle gedacht. Die Ursprungsidee<br />

war ein Bild von einem Kleid, das<br />

sehr faltig und sehr körperbetont<br />

anliegt. Diese Metapher war der<br />

zündende Funke, dieses Geschäft<br />

Haus M, Arbeitsmodell, Einfamilienhaus<br />

Oberpullendorf Burgenland<br />

Gebrauchsgegenständen


<strong>ST</strong>/A/R<br />

Buch V – Design<br />

Nr. <strong>10</strong>/2006 35<br />

Leda & Swan, AES+F 2005, Edelstahl, Neon, Ed.: 3+2AP, 375 x 165 x 315 cm Foto: Herbert Wulz © 2006<br />

Bei der Eröffnung der Austellung „RUNDUMSCHLAG“ in der Galerie Ruzicska Salzburg am 21. Juli 2006 leuchtete neben<br />

anderen Arbeiten im Garten das Objekt LEDA & SWAN, von der russischen Künstlergruppe AES+F. www.ruzicska.com<br />

Leda & Swan<br />

www.braunlockenhaus.at


<strong>ST</strong>/A/R Buch V – Design Nr. <strong>10</strong>/2006 37<br />

LANGLEBIGE SCHÖNHEIT.<br />

Als Eternight geboren, als CLASSICA perfektioniert: Unsere neue Fassadentafel zeichnet sich durch<br />

lasierte Oberflächen, durchgefärbte Beschaffenheit, eigene Designsprache, immense Tiefe,<br />

formale Schlichtheit, edle Patina und farbliche Vielfalt aus. Da kann man einfach schöner bauen.<br />

www.eternit.at<br />

designed<br />

for lifetime


38 Nr. <strong>10</strong>/2006<br />

Städteplanung / Architektur / Religion<br />

Buch V – Design<br />

<strong>ST</strong>/A/R<br />

Studie zu den Funktionen der Correalistischen Möbel,<br />

New York, 1942<br />

Friedrich Kiesler<br />

1890 Geboren am 22.9. im damaligen österreich-ungarischen Czernowitz<br />

(heute Ukraine).<br />

1908 Übersiedlung nach Wien. Architekturstudium an der Wiener Technischen<br />

Hochschule und an der Akademie der Bildenden Künste.<br />

1924 Realisiert im Rahmen der „Internationalen Ausstellun g neuer<br />

Theatertechnik“ in Wien die Raumbühne sowie das Träger- Legersystem, ein<br />

neuartiges Ausstellungssystem.<br />

1925 Einladung Josef Hoffmanns, die Theatersektion der „Exposition<br />

Internationale des Arts Décoratifs et Industriels Modernes“ in Paris zu gestalten.<br />

Kiesler selbst bezeichnet seine Ausstellungsarchitektur als visionären Entwurf<br />

für eine schwebende Megastadt und prägt den Begriff Raumstadt.<br />

1926 Auf Einladung von Jane Heap, Herausgeberin der avantgardistischen<br />

Zeitschrift The Little Review, übersiedelt Friedrich Kiesler nach New York und<br />

installiert dort die „International Theatre Exposition“ im Steinway Building.<br />

1928 Mitbegründer der neu gegründeten Designervereinigung AUDAC<br />

Respekt<br />

(American Union of Decorative<br />

fürs<br />

Arts and Craftsmen).<br />

20er Haus<br />

1930 Die AUDAC organisiert die Ausstellung „Home Show“ mit einer<br />

Ausstellungsgestaltung und der Gestaltung eines Büroraums von Kiesler.<br />

Als wichtiges Baudenkmal 1933 Für die Modernage des 20: Jahrhunderts Furniture Company kann dieses gestaltet Gebäude er die gesamte mit der Kunst des 20. Jahrhunderts wahrscheinlich in eine so gute Symbiose<br />

treten wie kein Ausstellungsfläche anderes Bauwerk und in entwickelt Wien. Ich das glaube, Space dass House, es das begehbare einzige Zeugnis Modell der eines österreichischen Architekturgeschichte ist, in dem die Idee<br />

Einfamilienhauses. Kiesler nimmt die Einladung der Familie Mergentime an, die<br />

der Transparenz Einrichtung dermaßen ihrer weit Wohnung getrieben zu entwerfen. wurde. Mit Die dem Fertigstellung 20 Haus erfolgt schließt bis sich 1936. daher eine große Lücke, denn nichts braucht so viel Luft<br />

rundherum wie zeitgenössische Kunst.<br />

Gerbert Frodl, Thomas Trummer<br />

1937 Gründung des Laboratory for Design Correlation an der Architekturfakultät<br />

der Columbia University.<br />

Kiesler auf dem<br />

Metabolism Chart,<br />

New York 1947,<br />

Foto: Ben Schnall<br />

Alle Abbildungen:<br />

© 2006 Österreichische<br />

Friedrich und Lillian<br />

Kiesler Privatstiftung<br />

1939 Veröffentlichung „On Correalism and Biotechnique. A Definition and Test<br />

of a New Approach to Building Design“ im Architectural Record. Der Begriff<br />

Correalism wird zum Leitmotiv Kieslers Theorie.<br />

1942 Einladung von Peggy Guggenheim, für ihre neue Galerie Art of This<br />

Century die komplette Umgestaltung der Räumlichkeiten zu entwerfen.<br />

1957 bis 1965 Gemeinsam mit Armand Bartos Entwicklung und Umsetzung des<br />

Shrine of the Book in Jerusalem. Es handelt sich um die Aufbewahrungs-stätte<br />

für die am Toten Meer gefundenen alttestamentarischen Schriftrollen.<br />

1965 Friedrich Kiesler stirbt am 27.12.<br />

Kiesler in der Art of This Century Galerie,New York 1942<br />

Foto: © Berenice Abbott, comerce graphics ldt.


<strong>ST</strong>/A/R<br />

Buch V – Design<br />

Nr. <strong>10</strong>/2006 39<br />

FRIEDRICH KIESLER –<br />

MÖBELENTWÜRFE EINES WELTDENKERS<br />

Freischwinger Nr. 2<br />

Der für die Wohnung von Charles und Marguerite Mergentime<br />

1933 geplante, aber nie umgesetzte Stahlrohrfreischwinger,<br />

wird nach einer signierten Zeichnung Friedrich Kieslers von den<br />

Wittmann Möbelwerkstätten erstmals hergestellt.<br />

Friedrich Kiesler war Architekt, Designer, Bühnenbildner, Künstler<br />

und Theoretiker. Sein Schaffen war grundlegend und von Beginn an<br />

inderdisziplinär, sein Gesamtwerk und seine Theorien waren radikal und<br />

revolutionär. Er lebte großteil seines Lebens in New York und führte<br />

dort am Puls der Zeit eine kritische Diskussion mit der zeitgenössischen<br />

künstlerischen und architektonischen Avantgarde und entwickelte in dieser<br />

Auseinandersetzung seine visionäre Position.<br />

Kiesler entwarf Bühnenbilder, Möbeleinrichtungen, gestaltete Ausstellungen<br />

und fomulierte Thesen zu einer ganzheitlichen, kritisch-funktionalen Designund<br />

Architekturtheorie. In der Architektur entwickelte er das Endless House<br />

– ein raumzeitliches Kontinium, das die Grenzen zwischen Innen- und Außenraum<br />

auflöst.<br />

Zentral in seinem Werk war seine Überzeugung, dass der Mensch sich in<br />

einem flexiblen und dynamischen Kräftefeld befindet. Daraus ergab sich eine<br />

Gestaltungs- und Lebenshaltung, in der eine Endgültigkeit, eine Absolutheit<br />

der Form nicht erreicht werden kann. Die Wechselwirkung der Kräfte, sichtbare<br />

wie unsichtbare, bedingt eine Dynamik, die er mit dem Begriff Correalismus<br />

bezeichnete und in zahlreichen Publikationen erläuterte.<br />

Ausgehend vom Menschen in all seinen Bedürfnissen, glaubte Friedrich<br />

Kiesler an die Verantwortung des Kreativen, durch Forschung und Werk<br />

an der dynamischen Entwicklung unserer Umwelt wesentliche Impulse zur<br />

Verbesserung beisteuern zu können.<br />

Die Re-Edition seiner Möbelentwürfe trägt nicht nur zur Wiederentdeckung<br />

dieser wichtigen Künstlerpersönlichkeit bei, sondern zeigt vor allem die<br />

Aktualität seines Werks und seiner Ideen.<br />

Correalistisches Instrument<br />

Dieses multifunktionale Möbel war Teil einer ungewöhnlichen Ausstellungsgestaltung für die Galerie Art of This Century von Peggy Guggenheim 1942 in New York.<br />

In unterschiedlichen Positionen und Kombinationen verwendet, ergeben sich bis zu 18 verschiedene Verwendungsmöglichkeiten.<br />

Re-Edition by Wittmann<br />

1997<br />

Die Österreichische Friedrich und Lillian Kiesler-Privatstiftung<br />

wird gegründet und widmet sich der Erforschung des<br />

architektonischen, künstlerischen und theoretischen Schaffen<br />

Kieslers. Die Wittmann Möbelwerkstätten werden Stifter und<br />

ermöglichen, mit Hilfe weiterer privater Gönner, den Erwerb<br />

der umfassenden Bestände von Kieslers Witwe und zweiter Frau<br />

Lillian durch die Republik Österreich und der Stadt Wien.<br />

Fotos © Wittmann Möbelwerkstatt,<br />

Schauraum - Akademiehof bei der Wiener Secession,<br />

Friedrichstrasse <strong>10</strong>, <strong>10</strong><strong>10</strong> Wien - www.wittmann.at<br />

2002<br />

Die Correalistischen Möbel werden in Zusammenarbeit mit der<br />

Kiesler Stiftung wieder hergestellt und erstmals im Wittmann<br />

Schauraum in Wien präsentiert.<br />

2004<br />

beschließt die Kiesler Stiftung gemeinsam mit den Wittmann<br />

Möbelwerkstätten die Re-Edition der Party Lounge, Bed Couch<br />

und des Freischwingers Nr. 2, als Ergänzung der Correalistischen<br />

Möbel.<br />

2005<br />

wird die Re-Edition Friedrich Kiesler präsentiert.<br />

Bed Couch<br />

Durch die einfache Teilung des Sitz- und Schlafmöbels in eine kurze und lange Rückenlehne<br />

ergeben sich zwei Sitzsituationen – bequemes Liegen oder aufrechtes Sitzen. Ausgeführt wurde<br />

dieser Entwurf Friedrich Kieslers erstmals für die Wohnung Mergentime in New York 1935.


40 Nr. <strong>10</strong>/2006<br />

Buch V – Design<br />

<strong>ST</strong>/A/R<br />

Waran betrachtet das correalistische Möbel von Heidulf Gerngross,eine<br />

Weiterentwicklung der großartigen Kieslerschen hundsknochenartigen Möbel aus dem vorigen Jahrhundert,<br />

die derzeit bei Wittmann wieder hergestellt werden.


<strong>ST</strong>/A/R Buch VI – Literatur<br />

Nr. <strong>10</strong>/2006<br />

41<br />

VORWORT<br />

Sprache konstruiert und organisiert das Verhältnis<br />

zu der von uns bewusst wahrgenommenen und<br />

ausserhalb von uns gedachten Wirklichkeit. Dabei<br />

ist und erzeugt Sprache selbst eine eigene Wirklichkeit,<br />

eine selbständige energetische Entität, ein Wesen, mit<br />

Milliarden von Armen, allen Möglichkeiten laufender<br />

Selbst-Setzungen und –überschreitungen, Erweiterungen,<br />

Umformungen. Sprache geht in ihrer allgemeinen<br />

Form als auch in ihren individuellen Ausprägungen<br />

Kooperationen mit anderen ein, sie verliebt sich<br />

gewissermassen oder verweigert sich,<br />

setzt Preferenzen, Machtansprüche und<br />

Grenzen, ist in einem ständigen Fluss<br />

und Austausch mit allem Lebendigen.<br />

Sprache erzeugt bewegliche, fragile<br />

Landschaften, in denen wir uns<br />

durch das Leben bewegen und sie ist<br />

gleichzeitig das Werkzeug, mit dem<br />

wir navigieren. Sprache trennt also<br />

scheinbar, was nicht zu trennen ist, um<br />

funktionale Felder zu erzeugen. Sie<br />

ist ein Teil von uns, sie ist gleichzeitig<br />

vollständig unabhängig von uns.<br />

Denn sämtliche gesprochenen oder<br />

geschriebenen oder auch nur gedachten<br />

Äusserungen leben auch ein von uns<br />

unabhängiges Leben. Wer weiss schon,<br />

wohin sie gehen? Und wer weiss schon,<br />

woher sie gekommen sind? Produziert<br />

ein situatives Umfeld notwendigerweise<br />

SCHRIFT WECHSEL<br />

die zu sprechenden Sätze und Worte? Inwiefern sind<br />

wir also selbstbestimmt oder benützt uns die Sprache als<br />

Wirt, um zu reisen und sich zu erweitern? Sind Gedanken<br />

Besatzungsmächte?<br />

Wir bestehen aus vielerlei offensichtlichen<br />

Verhaltensaufführungen und Verhaltensverführungen, aus<br />

Programmschwerpunkten, die uns gewohnheitsmässig<br />

durch die Gegend steuern. Von denen wir jedoch kaum<br />

bewusst wissen, nach welchen Gesetzmässigkeiten sie<br />

auftreten, in welchen Wirkungszusammenhängen sie<br />

in der Tat zu uns stehen. Wir fragen uns selten, welche<br />

Programme wir verwenden möchten, in welcher Intensität,<br />

wie folglich unsere Sprache aussehen, aufblühen und<br />

wo sie enden oder hinreichen soll, um was zu erreichen?<br />

Welches sind beispielsweise die von uns selbst am<br />

meisten gestellten Fragen, und wie genau sehen diese<br />

aus? Und wie lauten unsere bevorzugten Antworten<br />

darauf? Fragen und Antworten ergeben gemeinsam die<br />

gegenwärtigen Koordinaten unserer Biografie (= die unter<br />

dem Namen der jeweilen Person gewöhnlich auftretenden<br />

Handlungsmuster, Orientierungspunkte, Verkehrstafeln,<br />

für Funktionszusammenhänge herausgeschnittene<br />

Weg- und Weltzusammenfassungen). Die Grenzen der<br />

Sprache sind die Grenzen unserer Welt, hat Wittgenstein<br />

gesagt, es sind jedoch bloss die Grenzen der von uns<br />

bewusst wahrgenommenen Verhältnisses zu der von<br />

uns (und anderen) selbst erzeugten ausserhalb von uns<br />

gedachten Wirklichkeit. Manchmal weiss die Sprache und<br />

artikuliert sie mehr als der Benützer bewusst weiss, ist<br />

permanent an grössere Felder angeschlossen als an unsere<br />

Wie-bekomme-<br />

ich-einen-<br />

Espresso-aus-dem-<br />

Automaten-Ego-<br />

Cockpit-Fragestellung. Sämtliche sprachlichen<br />

(energetischen) Ausdrücke erzeugen ununterbrochen<br />

ein uns persönlich übersteigendes Gesamtbewusstsein,<br />

eine Art Superorganismus, eine ständige fluktuierende<br />

Bewegung. Um unsere Grenzen zu verstehen, müssen wir<br />

uns unsere Sprachverwendungen genauer ansehen, die<br />

Fensterscheiben, die wir kreieren und alsann benützen.<br />

Operiere ich nun in einem Coaching Diskurs, spreche<br />

ich einem NLP-Practioner ähnlich? Wir sollten eine<br />

Auswahl so bewusst wir nur irgend möglich treffen,<br />

unsere Verhaltens-Programme verstehen, ihre Kräfte,<br />

die ja auch unsere Kräfte sind, sie, wenn notwendig und<br />

möglich, upzudaten, zu vergrössern, sie mit anderen<br />

kurzzuschliessen, um eine grössere Beweglichkeit<br />

unseres Bewusstseins zu erlangen. Die Beweglichkeit des<br />

Bewusstseins erzeugt unsere lebbaren Freiheitsgrade. Die<br />

Literaturseiten im <strong>ST</strong>/A/R - Schriftwechsel - sind diesem<br />

Wunsch und dieser Vision nach Beweglichkeit und<br />

Erweiterung zugeneigt.<br />

Feel the taste of diversity & celebrate it.<br />

D. Sperl<br />

LITERATUR<br />

Von Fragen und<br />

Erinnerungslücken<br />

Gerhard Jaschke<br />

Seneca<br />

Seneca hat recht, nur allzuleicht läßt man sich von einem Wort<br />

verführen, etwas anderes zu schreiben, was man eigentlich wollte.<br />

Manche Wörter sind ja wie Stopschilder, insgesamt handelt es sich<br />

bei ihnen um Verkehrszeichen, Warn- und Gebotstafeln, diesen<br />

oder jenen Weg nicht zu gehen, dieses oder jenes Feld zu meiden.<br />

Wird doch zu leicht aus dem Gras ein Sarg! Stelle Spiegel auf<br />

und neue Wörter fallen wie automatisch aus dem vorhin noch so<br />

scheinbar Ganzen. Leben taucht im Nebel unter, Roma läßt sich<br />

behände gegen den Amor tauschen. Jeder möge es sich richten,<br />

wie er glaubt.<br />

Das Verbotene reizt, das war schon immer so.<br />

Was sagt Montaigne? „Mein Lehrer war so klug, mir Virgil, Lukrez<br />

und Plautus zu verbieten; das steigerte mein Interesse an ihnen<br />

beträchtlich.“<br />

Die fremden Gedanken munden wie Kirschen aus Nachbars<br />

Garten. Laßt uns von diesen Früchten viele mit nach Hause<br />

nehmen.<br />

Ich schloß mit ihm Freundschaft. Er wurde mir zu einem guten<br />

Freund. Auf ihn kann ich mich verlassen. Er ist mir eine Stütze.<br />

Er ist mir stets hilfreich. Auf diese Freundschaft bin ich stolz. Und<br />

was sagt er?<br />

„Der Grund unserer Freundschaft? Weil gerade er es war – weil<br />

gerade ich es war. Alles Übrige geht über meinen Verstand.“<br />

Der Verstand als Horizont unseres Daseins. Das im Unendlichen<br />

auslaufende Meer an Einfällen. Der Schlußstrich unter unsere<br />

Existenz. Ein Ende am Anfang über uns wie der Horizont, der<br />

darüber hinausgeht. Es weht Gesichte herbei. Zu ergründen gibt es<br />

nichts. Was meint Ihr, Montaigne? „Wir suchten uns, ohne uns zu<br />

kennen.“<br />

Gerhard Jaschke, 1949 in Wien geboren. Freischaffende literarischkünstlerische<br />

Tätigkeit seit Beginn der 70er Jahre. Einzelveröffentlichungen<br />

(z.B.: VON MIR AUS, Illusionsgebiet Nervenruh, Schlenzer), Beiträge in<br />

Anthologien u. Zeitschriften. Ausstellungen. Gemeinschaftsarbeiten mit Ingrid<br />

Wald. Mitbegründer und Herausgeber der Zeitschrift für Literatur und Kunst<br />

Freibord. Lehrbeauftragter an der Akademie der bildenden Künste. Duettduelle<br />

mit Werner Herbst.<br />

Von anderen Fragen<br />

Habe ich etwa zu danken, daß ich auf der Welt bin?<br />

Habe ich den Damen Vortritt zu lassen?<br />

Habe ich auf meine Uhr zu schauen, fragt mich irgendjemand<br />

nach der Zeit?<br />

Gewiß, ich stelle mir Fragen.<br />

Gewiß, ich halte Wort.<br />

Gewiß, ich schnüre mir die Schuhe.<br />

Aber sonst?<br />

Bin ich vielleicht ein Hellseher wie Sie?<br />

Oder bin ich gar schon im Bild, um etwas sagen zu müssen?<br />

Bin ich gar so schön wie Sie?<br />

Stehe ich demnach ebenfalls unter Kostümierungszwang?<br />

Hält die Pappnase noch? Sehe ich einigermaßen intelligent aus?<br />

Verkörpere ich also das, was Sie sich vorstellen?<br />

Haben Sie Übung im Beisammensein, im Mitmenscheln?<br />

Tun Sie sich nur keinen Zwang an.<br />

Berühren Sie nur ruhig jede Menge Peinlichkeiten, reden Sie<br />

schlichtweg bloß so vor sich hin.<br />

Kann denn das die Möglichkeit sein?<br />

Wollen Sie um jeden Preis als erster das Ziel erreichen?<br />

Schämen Sie sich nicht? Wer will denn heute schon Sieger sein?<br />

Sie vielleicht?<br />

Von den Erinnerungslücken<br />

Eines Nachts erwachte Kraut und wollte von alldem nichts wissen,<br />

nichts gewußt haben, wollte mit alldem nichts zu tun haben, gar<br />

nichts mehr zu schaffen haben. Ja, war es das? Tatsächlich dachte<br />

er dies und nichts anderes. Aber wann will es schon gelingen?<br />

Wann? Wann denn nur? Er blickte um sich, als hätte er hier etwas<br />

verloren. Aber was hatte er schon hier, hier schon!, verloren? Was<br />

könnte er bloß hier verloren haben? Er wußte es nicht. Absolut<br />

nicht. Irgendwann einmal war hier etwas. An das dachte er. So<br />

eine Art Ausgangspunkt vielleicht? Ein Knotenpunkt für diverse<br />

Grenzüberschreitungen?<br />

Er überlegte. Das muß es gewesen sein! Nichts anderes. An dies<br />

dachte er, als er eines Nachts, mitten in der Nacht, plötzlich<br />

erwachte und von alldem nichts wissen wollte.<br />

Ein Stöckelschuh wanderte über die Leinwand.<br />

Passanten winkten ihm zu.


42 Nr. <strong>10</strong>/2006<br />

Buch VI – Literatur<br />

<strong>ST</strong>/A/R<br />

Geschichten vom traurigen Mann und<br />

der Frau, die nach Hause gehen wollte<br />

Bernadette Schiefer<br />

Kind, das Feiglinge liebte<br />

Händl Klaus<br />

Hafen<br />

Die Frau ist am Hafen gesessen.<br />

Der Mann hat zur Frau gesagt, dass<br />

er froh ist, dass er nicht nur das tun<br />

kann, was er will. Er benennt Vögel<br />

und hat keine Zeit, die Frau durch<br />

die Stadt zu führen. Die Frau ist<br />

am Hafen gesessen und hat Wein<br />

getrunken. Sie hat die Flaggen der<br />

Schiffe betrachtet und die Windungen<br />

der Seile gezählt. Sie hat eine Nelke<br />

für den Mann in den Steg geritzt. Die<br />

Frau hat den Mann gesehen, wie er<br />

sie gesucht hat. Du musst wissen, wie<br />

es ist, wenn ich verloren gehe, hat<br />

die Frau gesagt. In ihrem Traum ist<br />

der Mann tot und die Frau streicht<br />

mit der Hand die Erde weg und legt<br />

sich unter den Arm des Mannes und<br />

der Mann schläft nur und die Frau<br />

hält ihren Atem an und wacht. Mann<br />

und Frau träumen voneinander.<br />

Sie träumen, dass sie tot sind und<br />

schlafen und es keine Zeit mehr gibt,<br />

die man versäumen kann.<br />

Verloren<br />

Der traurige Mann steht am Fenster.<br />

Eben hat er eine Flasche Wein<br />

geöffnet. Gegenüber sitzt die Frau im<br />

Café. Er sieht ihr zu, wie sie liest und<br />

aus dem Fenster blickt. Der Mann<br />

schenkt ein Glas Wein für sich ein<br />

und ein Glas für die Frau, die im Café<br />

sitzt. Er sieht, wie die Frau im Café eine Zigarette aus<br />

ihrem Päckchen nimmt und nach ihrem Feuerzeug<br />

sucht. Der Mann greift nach seinem Feuerzeug in der<br />

Hemdtasche. Er blickt auf das dunkelblaue Feuerzeug<br />

in seiner Hand. Der Mann und die Frau haben sich<br />

getrennt, aber der Mann vergisst es ständig.<br />

Trost<br />

Ein Mann und eine Frau sitzen in einem Café. Der<br />

Mann sieht der Frau zu, wie sie weint. Die Frau sieht<br />

den Mann durch einen Tränenschleier. Der Mann<br />

beugt sich zur Frau und will ihre dunklen Gedanken<br />

abfangen wie einen Schmetterling. Er öffnet die<br />

Tischlade und holt Taschentücher heraus. Der Mann<br />

sagt: Es ist schwer, wenn du weinst, nicht auch zu<br />

weinen. Er wischt sich eine Träne aus den Augen.<br />

Wein nicht, sagt die Frau, und streicht dem Mann<br />

über das Gesicht. Sie kann nicht aufhören, Sehnsucht<br />

nach ihm zu haben.<br />

Giraffen<br />

Die Frau und der Mann sitzen in einem Café. Die<br />

Frau sagt: An dem Tag, an dem ich aufgehört habe,<br />

an dich zu denken, habe ich dich gesehen. Du bist<br />

mit einer Frau in einem Café gesessen, sie hat<br />

geraucht. Du hast dich nach vor gebeugt.<br />

Du hast gelacht. Du hast nicht gewusst, ob du mich<br />

ansprechen sollst. Du hast mich nicht angesprochen.<br />

Du hast mich nicht angesprochen, sagt der Mann.<br />

Ich trug ein türkises T-Shirt und atmete flach, sagt<br />

die Frau. An diesem Tag gab es keine Engel und die<br />

Wolken sahen aus wie Giraffenhälse. Der Kellner<br />

kam und brachte Tierblut und niemand wollte es<br />

trinken. Die Frau hat geraucht. Eine Zigarette nach<br />

der anderen hat sie aus der Schachtel gezupft. Sie hat<br />

stundenlang auf den Namen der Zigaretten gestarrt<br />

und ihr ist kein Reim dazu eingefallen.<br />

Bernadette Schiefer, geb. 1979 in Wien, aufgewachsen in Mank,<br />

Nö. Studium der Philosophie und Höheren Lateinamerikanischen<br />

Studien in Wien und Irland. Absolventin der Akademie für<br />

Angewandte Fotografie in Graz, wo sie auch lebt.<br />

Veröffentlichungen in Zeitschriften und Anthologien.<br />

Reise mit Engel. Nirgendwohin, Skarabäus 2002;<br />

Kleine Erzählungen am Rande, Triton 2003;<br />

Nichts wird dir fehlen, Edition NÖ, 2005.<br />

Schmetterling<br />

Foto: Bernadette Schiefer<br />

Der traurige Mann steht am Fenster. Er sieht der<br />

Frau im Café zu, wie sie raucht. Die Frau im Café<br />

schreibt einen Brief. Der Mann stellt sich vor, dass die<br />

Frau den Brief an ihn schreibt. Die Frau weiß nicht,<br />

was sie schreiben soll. Einmal hat sie es gewusst,<br />

aber jetzt weiß sie es nicht, weil der traurige Mann<br />

verloren gegangen ist. Sie hat zu ihm gesagt, dass<br />

einen das Leben von nichts abhält.<br />

Der traurige Mann steht am Fenster und wartet<br />

auf den Brief, der nicht für ihn sein wird. Die Frau<br />

wird im Brief schreiben: Das sind alles nur meine<br />

verrückten Gedanken über dich, aber die sind gut<br />

so. Sie wird auf das Briefpapier einen Schmetterling<br />

malen. Der Mann und die Frau werden den Brief<br />

gemeinsam lesen. Dort hab ich einen Schmetterling<br />

gemalt, wird die Frau sagen. Und der Mann wird mit<br />

einem Finger über den Schmetterling streichen und<br />

mit demselben Finger über ihre Lippen streichen und<br />

sagen, dass ihre Lippen ein roter Schmetterling sind.<br />

Die Frau wird lachen und sagen, dass nur der traurige<br />

Mann so Sachen sagen kann, weil nur der traurige<br />

Mann so viel Wein trinkt.<br />

Händl Klaus, geboren 1969 in Rum/Tirol, lebt in Wien, Berlin<br />

und Port am Bielersee. Er arbeitet als Schauspieler (z.B. in Filmen<br />

von Jessica Hausner, Michael Haneke, Franz Novotny u.a.), drehte<br />

mehrere Filme, schrieb Hörspiele (Kleine Vogelkunde, ORF 1996,<br />

Hörspiel des Jahres) und das Libretto zur Oper Häftling von Mab<br />

von Eduard Demetz (UA 2002).<br />

Für sein Prosadebüt Legenden (Droschl 1994) erhielt er den Robert<br />

Walser Preis und den Rauriser Literaturpreis. ›Theater heute‹<br />

wählte ihn 2004 zum besten Nachwuchsautor des Jahres.<br />

Hanni war ein wildes Kind mit nachsichtigen Eltern. Sie<br />

schmierte die Möbel mit Nachtcreme ein, um die Kratzer<br />

zu tilgen, die sie im Übermut zog. Sie wurde nicht<br />

geschlagen und zerstückelte ruhig die Blumen und Fische, die<br />

in der Wohnung waren, sie zündelte im Bett der Eltern und half<br />

ihnen beim Löschen. Weil man sie in Frieden ließ, prägte sich<br />

ein scharfes Denken aus. Bald war Hanni hochbegabt. Im Mai<br />

wurde sie zehn. Sie kam in eine Höhere Schule. Während die<br />

Mitschüler turnten...und sangen, brütete Hanni über der Zukunft.<br />

Ihr ging es um...eine bessere Welt. So blieb sie mit ihren Lehrern<br />

allein, die sie bald...bestaunten, dann ertrugen. Ines, Hermann,<br />

Ralf und Beatus, im klassischen Tanz wie als Maler, Erfinder<br />

und Jungunternehmer am Leben gescheitert, fanden ihr Heil im<br />

schulischen Alltag. Einmal gebrochen und seither verschlossen,<br />

gaben sie nichts als den Lehrstoff von sich, ...sture Regale aus<br />

knarzendem Holz. Darin täuschte sich Hanni. Sie suchte...doch<br />

Halt unter den Lehrern. Denn sie war klug, aber einsam. Aber die<br />

Lehrer wichen...ihr aus, ledig geblieben, äußerlich frei, dabei...<br />

ängstlich, also scheu, dauernd vom Leben...bedroht, drum...auf<br />

Abstand bedacht, aus Angst vor Nähe...und weiteren Fehlern.<br />

Hanni hingegen, ein Kind, lebte gern. Die Stimmen der Lehrer<br />

und ihre Gesichter, die Formeln und Schlüsse, die sie draus zogen,<br />

ihre Gesetze, begeisterten Hanni, das frühreife Kind. Die Lehrer,<br />

gebildet, ein sicherer Hafen, strahlten sie an, ...wie sie glaubte.<br />

Sie jedoch hielten das emsige Mädchen...für ein ernstes Problem,<br />

dem sie sich vorsichtig näherten. Denn...als Lehrer standen sie von<br />

vornherein in seiner Schuld. Sie schätzten seinen Wissensdurst<br />

und waren aber auf der Hut vor dieser...unbekannten Größe,<br />

die sie forsch bedrängte, ob es nun...die Wirtschaft sei, Physik,<br />

Philosophie. Sie setzte ihnen zu. Überstunden brachen an, und<br />

Hanni wollte...mehr. Die Lehrer dachten nach. Sie neigten zu<br />

Verfolgungswahn. Auf offener Straße um Kleingeld gebeten,<br />

antworteten sie schroff...mit der Uhrzeit. Mit Absicht verstanden sie<br />

einiges...falsch, um zu entkommen. Ehe sie redeten, schluckten sie<br />

mühsam, verschluckten sich dran und schluckten erneut, stockten<br />

und schluckten und schwiegen erschrocken. Sie strengten sich<br />

an...und zuckten zusammen. Selber zerfahren und bleich, standen<br />

sie an ihre Tafel gepreßt, um mit der Kreide zu knirschen ...oder<br />

hockten verstockt hinterm Pult. Sie schwitzten unter diesem Kind,<br />

dem Eifer, seiner Einsamkeit. Sie lag doch auf der Hand. Hanni<br />

war verliebt. Sie sagte nicht, in wen. Es waren ihre Lehrer. Mit<br />

bohrenden Fragen zur Asymmetrie, die sie tief...und tiefer trieb,<br />

tarnte sie die Zärtlichkeit, die in ihr wütete. Sie war zu jung, um...<br />

aufzugeben. Zahl um Zahl, versteckte Maschen, reihte Hanni...<br />

aneinander, eine Schlinge, die sie auswarf. Wie also...das Wasser<br />

wirke, frage sie sich...und die Lehrer. Es war still. Es wirkte im<br />

Stillen. Es wurde den Lehrern zu...viel. Hanni stieß an ihre<br />

Grenzen. Sie sah, wie sie sich...verhielten. Sie entschuldigten... sich<br />

lahm, bat Hanni sie zu Hausaufgaben in...den Garten ihrer Eltern,<br />

die in Scheidung...lebten. Umso glühender forderte Hanni...ihre<br />

Freundschaft ein. Sie hielten sich bedeckt. Doch sie durchschaute...<br />

sie. Die Lehrer waren feig. Sie ging behutsam...vor. Mit Hanni<br />

stand...ein Wackerstein am Ufer. Sie wolle...das Wasser erforschen,<br />

so Hanni, den Ursprung des Lebens...berechnen. Die Bäche, das<br />

Meer, wie es fließe, die Strömung, der strömende Regen...standen<br />

nach Hanni für Strom. Sie sah ihre Lehrer als knisternden Teich.<br />

Wie man, frug sie, Strom erzeuge...aus der Wasserkraft ? Sie wollte<br />

die Lehrer umarmen. Man ließ sie mit ihren Zahlen...allein. Gierig<br />

las sie Heraklit...und Volta. - Ich will es euch zeigen ! rief sie...auf<br />

einmal. Seht meinen Mut ! Ich ermutige euch. - Sie wollte wie eine<br />

olympische Fackel die Lehrer...entzünden. Sie folgten ihr stumm.<br />

Furchtsam erblickten sie Bäume und Masten, den Waldrand und...<br />

die Elektrizität. Einen der Masten erkletterte Hanni. Die Lehrer<br />

erstarrten. Sie schwiegen. Ausgelassen winkte...das Kind. Es<br />

wollte an...den Drähten schaukeln, dem sirrenden Strom. Hier<br />

war es eisig, und spränge es nicht in den nächst...en Sekunden,<br />

wäre es...zu spät. Es schwang sich...also auf. Es durfte nicht...den<br />

Stromkreis schließen, es mußte...ein Stücklein weit fliegen und<br />

stieß mit erhobenen Händen, um nach der nackten Leitung zu<br />

fassen, sich von der letzten Sprosse ab...juchzend empor, hing<br />

zwar am Draht, aber schwenkte...zurück. Die Zehen streiften...den<br />

Masten: den Tod. Ein Funke, groß wie sie, sprang...auf Hanni über.<br />

Sie blendete...drunten die Lehrer. Die Leitung schnalzte...Hanni<br />

hoch. Sie fiel...auf die Drähte und hing...darin. Sie konnte nicht<br />

weinen, ihr fehlte der Atem. Die Lehrer sanken ins Gras. Sie über...<br />

gaben sich. Rettet mich, dachte das Kind. Nichts war zu hören, die<br />

Stimme ein Hauch...wie alles andere auch. Die Luft stand still. Der<br />

Draht war warm. Hanni flammte auf und starb. Die Lehrer zogen<br />

sich traurig zurück.


<strong>ST</strong>/A/R<br />

Buch VI – Literatur<br />

Nr. <strong>10</strong>/2006 43<br />

Conditio humana<br />

Walter Grond<br />

«Dies ist die Schuld des Schicksals:<br />

niemand wird durchs Schicksal schuldig!»<br />

Seneca, Oedipus<br />

Romanauszug<br />

Wir verbringen...<br />

Winzige Öltropfen spritzen auf, da der<br />

Fischkutter unruhiges Wasser durchschneidet,<br />

treffen den Vogel, der über dem Fangeimer<br />

am vorderen Deck flattert und nun, um der<br />

Bugwelle auszuweichen, im engen Bogen zum<br />

Kajütendach hochfliegt. Sein Kreischen dringt<br />

nicht an das Ohr des Skippers, halb taub vom<br />

Dröhnen der Schiffsmotoren steht der am<br />

Steuerrad, in Falllinie unter dem Vogel, der das<br />

ölige Nass aus seinem Gefieder zu schütteln<br />

versucht. Während im Bord-Fernseher die<br />

Frühnachrichten beginnen, beißt der Skipper<br />

ein Stück von seinem belegten Brot, mit Blick<br />

auf das Echolot steuert er, keine Untiefe vor<br />

sich, zum Hafen.<br />

Vom Fenster seines Arbeitszimmers aus<br />

folgt Paul Clement der Möwe, die nach dem<br />

missglückten Krabbenraub zum Ufer hin gleitet.<br />

Ein Folgetonhorn weckte ihn aus dem Schlaf,<br />

kurz nach Halbsieben, pünktlich wie jeden Tag,<br />

wenn die Pendler-Fähre in den nahen Hafen<br />

einläuft. Die Kinder sind noch im Bett. Dort<br />

unten, wo einmal satte Wiesen lagen, zwängt<br />

sich die Strasse zwischen dem Wasser und der<br />

Häuserzeile hindurch, kein Fluss eigentlich,<br />

sondern ein gemauerter Durchstich vom Hafen<br />

zu den alten Fabrikgründen. Zu dieser Jahreszeit<br />

sind nicht nur die einzeln verbliebenen Weiden<br />

entlaubt, es zeigt auch das Menschengemachte<br />

seine ganze Gebrechlichkeit, die Laternen den<br />

Rost, das Schutzglas die Sprünge, dahinter die<br />

Schlieren von verschmorten Insekten, und die<br />

Strasse ihr Inneres, dort an der Baustelle, wo die<br />

Maschinen den Asphalt aufschnitten, Halden<br />

von Schutt und Müll.<br />

Inzwischen taucht vom Hafen her ein<br />

Lastkahn auf, ein antiquiertes Modell, dessen<br />

ungedämmte Motoren hier oben das Fensterglas<br />

zum Vibrieren bringen. Da der Nebel bis über<br />

die Wasseroberfläche einfällt, verschwinden<br />

gar die roten Positionslichter, die Stadt am<br />

anderen Ufer taucht ins Nichts. Dann lösen<br />

sich Schwaden aus dem gestaltlosen Grau, und<br />

über dem Wasser bilden sich kleine Wölkchen.<br />

Rasch hebt sich der Nebel, ein Sog entsteht,<br />

reißt ein Loch, durch das Lichtbündel dringen.<br />

Darin drehen sich Dunstfetzen, bis der Nebel<br />

noch höher steigt, sich die Öffnung weitet,<br />

und der Himmel zum Vorschein kommt,<br />

helles Blau. Eine barocke Bühne, auf der alles<br />

weit voneinander weg rückt, von einem Licht<br />

getroffen, wie Paul Clement es nur aus dem<br />

Orient kennt, es fällt seitwärts auf Häuser,<br />

Lagerhallen und Schlote, während deren<br />

abgewandte Seite im Dunkeln bleibt.<br />

Gerade fällt der Nebel wieder ein, schließt sich<br />

der Schleier über der Stadt, da lässt ein Pfeifton<br />

den Staunenden am Fenster aufhorchen. Ein<br />

zweites, ein drittes Mal, ein schriller Klang. Paul<br />

Clement blickt auf die Uhr, schon sieben, gewiss<br />

Arbeitsskizze – W. Grond<br />

seine geschiedene Frau, die dienstags die Kinder<br />

zur Schule bringt. Er muss ihr noch mitteilen,<br />

dass er in Kürze verreisen wird, sie soll, wenn<br />

sie die Kinder zu sich nimmt, den beiden nicht<br />

wieder diese Nurse vorsetzen, eine Tamilin, die<br />

kein Wort mit den Kleinen spricht.<br />

Er löst sich aus der Fensternische, geht hinüber<br />

zum Arbeitstisch, sucht nach dem Telefon, im<br />

Durcheinander von Notizen und Karten, bis<br />

ihm eine aufgeregte Stimme aus dem Hörer<br />

entgegen schlägt: „Paul, bring du die Kinder<br />

zum Bus, ich bin schrecklich in Eile!“<br />

„Nein, heute nicht“, erwidert er, in die<br />

Redaktion müsse er, mit dem Fotografen die<br />

Motive besprechen, lenkt das Gespräch auf seine<br />

bevorstehende Reise.<br />

„Du fährst fort?“<br />

„Nach Ägypten, auf den Spuren Flauberts,<br />

sein Reisetagebuch wird neu aufgelegt, sie<br />

wollen eine Reportage von mir.“<br />

„Und die Kinder?“<br />

„Ich kann den Auftrag nicht ablehnen.“<br />

Ihr tiefes Durchatmen kennt er, sie wird<br />

unwirsch. Bestimmt wird sie ihm gleich die<br />

Energie vorhalten, die ihr das Geschäftsleben<br />

abfordert, seine Unentschlossenheit beklagen,<br />

dass er sich nur durchs Leben schwindle, auf<br />

eine arrogante Weise begnügsam, und doch<br />

unerträglich eingebildet, wenn er sie immer<br />

noch seine Frau nenne, obwohl sie längst<br />

von ihm geschieden ist, sich andauernd über<br />

Tatsachen hinweg setze.<br />

„Fünf vor acht“, sagt sie aber nur, „sei du<br />

pünktlich vor der Haustür.“<br />

Ein triumphierendes Lächeln legt sich um<br />

Clements Mund. Ein Unglücklicher ist er nicht,<br />

eher ein Gleichgültiger. Man kann ihn nicht<br />

auffällig nennen, von durchschnittlicher Größe,<br />

schlanker Statur, er ginge als Hugenotte durch,<br />

ein alemannischer Typ. Fügt sich, bald fünfzig,<br />

ins Leben, nicht unklug, hat seinen Witz nicht<br />

verloren. Bereist, um nicht ängstlich zu werden,<br />

seit zwanzig Jahren den Orient. Und wartet<br />

seit Wochen, ehe er die beiden Kinder weckt,<br />

allmorgendlich auf Natalie Keddie, beobachtet,<br />

wie die junge Frau, die er flüchtig vom<br />

Ladentisch kennt, am Gehsteig auftaucht und<br />

bis zur Höhe des Gemischtwarenladens herauf<br />

schlendert, einem Gespenst aus den Wolken<br />

gleich an seinem Fenster vorbei zieht.<br />

Für die junge Frau in ihren Jeans und<br />

der roten Strickjacke spürt Clement eine<br />

wilde Bewunderung. Sie bleibt stehen, die<br />

unvermeidliche Zigarette im Mund, hält die<br />

Hand vor die Brust und hüstelt, ihre Bronchien<br />

sind chronisch entzündet. Ihr Haar ist wirr nach<br />

oben gebunden, und so desorientiert sie auch<br />

wirkt, quert sie unversehens die Straße, bewegt<br />

sich geschickt zwischen den Autos hindurch.<br />

Fast andächtig betrachtet Clement ihre<br />

schlanken Beine, den langen Hals, die schmale<br />

Hüfte, die zierlich wirkenden Füße, ist<br />

verwundert, dass er keine Vorstellung von ihrem<br />

nackten Körper hat. Bevor sie den Laden betritt,<br />

zertritt sie die Zigarette auf dem Asphalt, greift<br />

mit verächtlicher Miene nach dem Türgriff.<br />

Nicht zum ersten Mal nimmt sich Paul Clement<br />

vor, Natalie einen zusätzlichen Job anzubieten,<br />

sie könnte sich während seiner Reisen um<br />

die Kinder kümmern, gelegentlich wird er sie<br />

darauf ansprechen. Nicht heute, ein Seliger,<br />

dem Aufschub gewährt ist, sinniert er vor<br />

dem Badezimmerspiegel, gerade als ihm die<br />

Rasierklinge eine Wunde ins Kinn ritzt.<br />

...den Sonntagnachmittag<br />

bei Flaubert.<br />

Kaum sind Kleopátra, die Neunjährige, ein<br />

wenig feist um die Hüften, und ihr um zwei<br />

Jahre jüngerer Bruder aus dem Haus, nimmt<br />

Clement das ägyptische Reisetagebuch zur<br />

Hand und macht es sich auf dem Sofa seines<br />

Arbeitszimmers bequem. Nicht unsüffisant<br />

lässt er sich ins Jahr 1849 zurück versetzen, da<br />

Flaubert mit dem Schiff in Alexandria landet,<br />

von dort bis nach Wadi Halfa weiter reist und<br />

das halb arabische, halb europäische Treiben<br />

in seinem Notizbuch festhält. Den Mann im<br />

Teehaus beschreibt, in weißen Beinkleidern,<br />

mit Tarbusch auf dem Kopf und grüner<br />

Brille auf der Nase, die ihm das Aussehen<br />

eines phantastischen Tieres gibt, halb Kröte,<br />

halb Truthahn. Die Beduinin, die auf dem<br />

Markt Trauben verkauft, ihre männlichen<br />

Arme, ihr Gesicht ziemlich platt, die Zöpfe<br />

mit Bändern durchflochten, mit Fett lackiert.<br />

Das herankommende Kamel, von vorn, in<br />

Verkürzung, den Fellachen dahinter und zwei<br />

Palmbäume, im Hintergrund die ansteigende<br />

Wüste.<br />

In kühlem Tonfall hält Flaubert seine<br />

Beobachtungen fest, ein Bruder all dessen,<br />

was lebt, aber voll Abscheu gegenüber der<br />

Menschheit. Was er vermischt sieht, beschreibt<br />

er als Welten, die doch nur nebeneinander<br />

bestehen, und nur, weil sie sich fremd bleiben,<br />

einen Reiz aufeinander ausüben.<br />

Dass Flaubert ein Jahrzehnt nach seiner<br />

Ägyptenreise einen Roman über den modernen<br />

Orient ins Auge fasst, berichten zwei Chronisten<br />

des Pariser Salons. Inzwischen ist er nämlich<br />

mit Edmond und Jules de Goncourt befreundet,<br />

die all ihre Begegnungen mit ihm aufzeichnen.<br />

Ihren Notizen nach fahren die beiden Brüder<br />

am 29.März 1862 nach Croisset, wo Flaubert<br />

mit seiner Mutter und einer Nichte lebt, mit<br />

der Eisenbahn bis nach Rouen und den Rest<br />

des Weges mit der Droschke, und erreichen<br />

zu Mittag das Haus, das am Ufer der Seine<br />

liegt, man wähnt sich hier weniger an einem<br />

Fluss, als in einer Meeresbucht. Die Brüder<br />

beschreiben die Zypressen, die das Anwesen<br />

absäumen, ein ehemaliges Kloster, das Flauberts<br />

Vater, ein Chirurg, kurz vor seinem Tod<br />

kaufte, auch die Kähne, die an den Fenstern<br />

vorbeiziehen, und den Abhang,<br />

der hinter dem Haus ansteigt. Wir<br />

verbringen den Sonntagnachmittag<br />

bei Flaubert, erstaunt über die<br />

vergoldete indische Göttin, die<br />

den Kamin seiner Schreibstube<br />

schmückt, und über die Seiten eines<br />

Romans auf dem Tisch, die fast nur<br />

aus Streichungen bestehen. All die<br />

weiß getäfelten Räume sind mit<br />

Andenken aus dem Orient überfüllt,<br />

mit Teppichen, Amuletten, Waffen,<br />

Musikinstrumenten, sogar zwei<br />

Mumienfüße gibt es, die Flaubert aus<br />

einer Grotte entwendete, und auf dem<br />

runden Arbeitstisch mit der grünen<br />

Decke steht ein krötenförmiges<br />

Tintenfass.<br />

An jenem Nachmittag sitzt Flaubert<br />

im Türkensitz auf dem Schlafdiwan<br />

und gibt seinem heftigsten Wunsch<br />

Ausdruck, einen, wie er sich<br />

ausdrückt, Roman über den Orient<br />

im schwarzen Kleid zu schreiben. Er<br />

malt sich Szenen von europäischer<br />

Heuchelei und orientalischer<br />

Verderbtheit aus, die in Paris,<br />

Konstantinopel und auf dem Nil spielen sollen.<br />

Vergleicht seine Vorstellung mit einem Schiff,<br />

auf dem an Deck ein Türke in Dusautoy-<br />

Kleidern lustwandelt, während im Schiffsbauch<br />

sein Harem gehorsam auf ihn wartet.<br />

Spricht von Köpfen, die wegen einer bloßen<br />

Laune rollen, von europäischem, jüdischem,<br />

moskowitischem und griechischem Gesindel,<br />

von einem französischen Chemiker, der sich in<br />

der Libyschen Wüste zum archaischen Beduinen<br />

verwandelt. Berauscht sich an den krassesten<br />

Gegensätzen, die das Aufeinanderprallen<br />

von Morgen- und Abendland nach sich<br />

zieht. Während nämlich der Orient zivilisiert<br />

werde, verwildere Europa wieder, das erzeuge<br />

befremdliche Widersprüche und biete Stoff für<br />

ein unabsehbares Bild des Lebens, das er durch<br />

eine martialische Handlung, der gegenseitigen<br />

Vernichtung aller Figuren, zusammenzuhalten<br />

gedenkt.<br />

Jenen Roman bringt Flaubert nie zu Papier.<br />

Beim Beiseite-Legen der Goncourt-Tagebücher<br />

malt sich Paul Clement den Abschied des<br />

jungen Gustave vom Haus an der Seine aus,<br />

fünfzehn Jahre vor jenem Nachmittag mit den<br />

Brüdern Goncourt, im Jahr 1849, als er, ein<br />

unbekannter Provinzschriftsteller, seine Reise<br />

nach Ägypten antritt, und ihn die Tränen und<br />

das schmerzverzerrte Gesicht seiner Mutter<br />

beinahe zerreißen, er sich daraufhin in Essund<br />

Saufgelage stürzt, ein Bordell aufsucht,<br />

in der Oper bourgeoise Spießer beargwöhnt<br />

und in einem Salon über den herannahenden<br />

Sozialismus diskutiert.<br />

Im Orient sucht Flaubert, was er zu Hause<br />

vermisst, und verspricht doch der Pariser Hure,<br />

sie bei seiner Rückkehr erneut zu besuchen,<br />

ja hat in Croisset die gespitzte Feder neben<br />

das Blatt Papier gelegt, um, einmal zurück<br />

an seinem Schreibtisch, den begonnenen<br />

Absatz ohne Verzögerung beenden zu können.<br />

Als er den Fuß auf ägyptische Erde setzt,<br />

langweilen ihn die Tempel nicht weniger<br />

als die Kirchen der Bretagne, und die ihm<br />

liebsten Stunden im Orient verbringt er mit<br />

Kurtisanen. Indes, fünfzehn Jahre später, da<br />

er längst wieder im Haus seiner Mutter lebt,<br />

zusammen mit seiner Nichte, der Tochter<br />

seiner verstorbenen Schwester, in diesem<br />

strengen, bürgerlichen Haushalt, normannisch<br />

sparsam, unweit der neuen Fabrikschlote, der<br />

Getreidebörse, der Kolonialwarenläden, Banken,<br />

Baumwollwebereien und Bergwerke, fasziniert<br />

Flaubert die Aussicht auf einen Roman, der<br />

davon handelt, was ihn doch eigentlich abstößt:<br />

die moderne Barbarei, die freche Ungeniertheit,<br />

der religiöse Irrsinn, die menschliche<br />

Dummheit.<br />

Was für ein Trotzkopf, ein Bürokrat der Seele,<br />

genau und zugleich widersprüchlich! Am Abend<br />

nach seiner Romanvision tanzt Flaubert den<br />

Idioten des Salons, zieht, so die Brüder Goncourt,<br />

wilde Grimassen und verwandelt sich in eine<br />

Karikatur, ähnlich wie er einst als Kind in die<br />

Haut des Knaben schlüpfte, einer imaginären<br />

Person, die er mit einem Schulkameraden<br />

erfand, mit Gesten eines Automaten, die beim<br />

Betreten einer Kathedrale abgehackt und schrill<br />

lachend ausruft, Schön ist sie, diese gotische<br />

Architektur, sie erhebt die Seele, ja das ist schön!<br />

Stundenlang die ärztlichen Plädoyers seines<br />

Vaters parodiert, Prozesse um ungeklärte<br />

Todesfälle, Leichenreden auf lebende Personen,<br />

auch Gedichte macht, am Ende sogar ein Hotel<br />

der Farcen unterhält, in dem das Fest der Scheiße<br />

gefeiert, und wo in den Korridoren der Befehl<br />

ausgegeben wird, Drei Eimer Scheiße auf<br />

Zimmer 14! Zwölf Godemichés auf 8!<br />

Das Fremde herbeisehnend, vor dem er sich<br />

doch eigentlich ängstigt, weiß Flaubert eine<br />

Freiheit vor sich, deren Folgen kaum zu<br />

ermessen ist. Ist tiefsinnig und verwirft diesen<br />

Tiefsinn, ist lebenshungrig trotz drückender<br />

Müdigkeit, überdrüssig bei ungebrochener<br />

Neugierde.<br />

Walter Grond, geb. 1957, lebt in Aggsbach Dorf/<br />

Wachau, Romancier, Essayist, Herausgeber,<br />

Netzwerker.<br />

Buch zuletzt: Drei Männer, Novelle, 2005. Aktuelle<br />

Projekte: www.readme.cc (Viertuelle Bibliothek), www.<br />

lesenamnetz.org (Bücher und Websites).


<strong>ST</strong>/A/R Buch VI – Literatur Nr. <strong>10</strong>/2006 45<br />

Fische vom Land ins Meer treiben, Sebastian Weissenbacher<br />

(www.weissenbacher.net)<br />

Memory & Wahrheit<br />

Heraklitos meint, man könne nicht zweimal in denselben<br />

Fluss steigen. Kratylos beteuert, man kann es auch nicht<br />

einmal tun. Durch die Möglichkeit des Vokabellernens<br />

wird das kindliche Gemüt wahrheitsfähig und nähert sich<br />

Ann Cotten, geboren 1982 in Ames, Iowa, lebt seit 1987 in Wien.<br />

Verfasserin von Prosa und anderen Formaten, im Frühjahr 2007<br />

erscheinen die Fremdwörterbuchsonette.<br />

gleichzeitig dem Denken des Greisen an. Dieses Spiel<br />

hilft Ihnen, sich selbst und Ihr Kind vor Annahmen der<br />

Identität zu schützen und kritisiert mit Ihnen gemeinsam<br />

den Begriff der Wiederholung. Memory wird daher auch<br />

in Alters- und Pflegeheimen sehr gerne gespielt.<br />

Schneiden Sie zu diesem Zweck die 30 Kärtchen aus und<br />

montieren Sie sie am besten auf Kartonkärtchen gleicher<br />

Größe, falls Sie Karton zur Hand haben. Achten Sie dabei<br />

darauf, dass die Rückseiten der Kärtchen<br />

ununterscheidbar sind. Legen Sie die Kärtchen in einer<br />

ansprechenden Formation auf eine ebene Fläche mit dem<br />

Rücken nach oben aus. Man deckt reihum jeweils drei<br />

Kärtchen auf und nach Betrachtung wieder zu. Gelingt<br />

es per Glück oder Wissen, ein Trio der drei aufeinander<br />

verweisenden Kärtchen zu lüpfen, so werden diese<br />

entfernt und die Spielerin darf nochmal. Wer am meisten<br />

Dreiergruppen unter den Nagel gerissen hat, wenn die<br />

ebene Fläche leergeräumt ist, hat gewonnen, im Grunde<br />

ist dieses Spiel aber eher ein Quartett.<br />

Ann Cotten<br />

Ein Satz<br />

Ferdinand Schmatz<br />

Aus: Durch Leuchtung<br />

Schau: Liese geht auf die Wiese und pflückt sich<br />

ein Blümchen. Die Sonnenstrahlen erwecken sie,<br />

das Blümchen ein Gänschen, das passt sich ihr an,<br />

schmiegt, schnattert nicht, es wiegt. Sie und uns. Ihr<br />

ruhendes Drängen allein macht satt an Lust.<br />

Und Franz? Der erinnert sich an sie, er hielt ein<br />

Foto in der Hand, auf dem er abgebildet lieb im<br />

Gras sitzt, und er beschreibt: die Grashalme reichten<br />

mir fast bis zur Stirn, eine Dotterblume verdeckte<br />

die rechte Wange, ein Baum verdunkelte den<br />

Hintergrund, der Wind strich über mich vom Hügel<br />

herunter, dass die Gräser zitterten, ich lächelte, das<br />

war der Weg der Verführung, unschuldig berührt. Es<br />

wirkte, das spürte ich, ich sah bereits mit dem Wind<br />

auf mich und mein Lächeln herab, durchgehend, ja,<br />

durch mich durch ging es durchgehend posierlich.<br />

Das Mädchen, am Foto nicht zu sehen, am Abhang<br />

unterhalb der Wiese in meinem Blickraum,<br />

schwebte durch. Ihre langen Haare ...<br />

Die Klarheit der Idee, jener ungreifbare Kristall im Nebel,<br />

steht im süßen Widerspruch zum Bildnis, das er selbst von<br />

sich, etwas verwischt hatte. Es gibt so Tage, sagte er zu sich,<br />

wo du weißt, dass nichts von Bedeutung ist, aber alles, was<br />

du anfasst, die Bestimmtheit hat, was zu bedeuten. Und?<br />

Du findest keinen Weg, die Idee, die der Sache zu Grunde<br />

liegt, zu erahnen, geschweige denn, zu wissen, was sie<br />

ist. Woher sie kommt, sie, fragst du, gar nicht so einfach<br />

in den Tagdunst hinein, und antwortest, als würdest<br />

du so etwas wie einen Horizont an Einsicht oder gar an<br />

Gewissheit sehen, ganz bestimmt:<br />

Sie stammt, weißt du, aber verziehst verächtlich den Mund,<br />

vom Bild her, das in uns schlummert, der Kern ist im<br />

Apfelkristall, ganz allgemein und ganz speziell, von dem<br />

Bild drinnen und dem Bild draußen, fraglos und wie. Aber<br />

wie wirklich?<br />

Woher stammte sie, und von wo kommen sie gerade her,<br />

ins Bild gleichsam, fragte er, und blickte auf das Foto und<br />

auf Professor Pokieser, der an seinem Bettrand stand.<br />

Pokieser wollte ihm keine Antwort geben, ich weiß es<br />

nicht, das hätte ihm zu tiefgründig geklungen, und so<br />

antwortete Franz professionell oberflächlich korrekt – sich<br />

selbst. Sie hieß Liese, das Mädchen da, vor, unter halb von<br />

mir, das sehe ich doch, noch ... - und Pokieser tat nicht<br />

einmal erstaunt, so dass Franz nichts übrig blieb, als selbst<br />

weiter zu tun: Ein Mädchen ..., Liese, Elisabeth, Lieschen?<br />

Nein, so hat sie nicht geheißen, sie war etwas, das ich nicht<br />

benennen kann, nicht benennen will, das genügt. So, sagte<br />

Pokieser, aber meinte er Liese oder die Situation, in der<br />

er seine Handlungen setzte. Was sie war, nun, sicher da<br />

war sie, darüber hinaus, innen ein Bild und mehr, so wie<br />

das Nichts, wahrscheinlich rein - und die Sünde auch, so<br />

traumwahr da, und hat genügt.<br />

Leuchten wir also anders und in die Gegenwart hinein,<br />

stellte Pokieser in Aussicht, griff in seine Tasche und<br />

reichte Franz das Kuvert mit den Aufnahmen über den<br />

Bettrand hinweg:<br />

In diesem Schatten, den ihre Hände als<br />

Hundekopfkonturen auf die Wand warfen, hielt er das<br />

Kuvert mit dem Befund und den Bildern hoch: das<br />

Röntgenbild, das durch die Bestrahlung seines Leibes<br />

hergestellt wurde. Was nicht zum Durchleuchten<br />

war, schirmten sie mit den Bleiwesten ab, das hatte<br />

Franz erwartet, brach sich an der Bauchdecke oder<br />

am Knochengerüst, je nachdem, und still blickten sie<br />

nun auf das Resultat der Brechung, auf das grünmatte<br />

Zeichenfeld. Dieses zu betrachten, hieß, es zu lesen.<br />

Wo sich die Zuordnungen im Sichtbaren wie von selbst<br />

ergaben, erübrigte sich jedes Schauen. Sie lasen das Bild,<br />

und die einzige Bedeutung, die es hatte, war es als ganzes<br />

Zeichen. Missbildungen waren nicht auszunehmen, aber<br />

Wucherungen brechen unangemeldet ein, das hatte Franz<br />

gelesen, sie haben keine Botschaft im voraus, sie schließen<br />

sich mit dem, was sie bedeuten, in dem Moment wo die<br />

Bedeutung aufleuchtet, kurz. Das ist der Tod. Aus. Anfang.<br />

Der Professor nahm sein Lexikon, das neben dem<br />

Spitalsbett auf dem Tischchen mit Obst, den Zeitungen<br />

und der leeren Glasvase, lag, zur Hand, sagte, darf ich?!,<br />

blätterte darin, und in Danja, die leise das Zimmer betreten<br />

hatte und im Hintergrund die Szene betrachtete, löste<br />

sich ein kleiner Sturm von Verlangen, von Sehnsucht<br />

nach etwas an Einsicht, von dem sie glaubte, es zu<br />

haben, vergraben in sich zu - wissen. Ja, zu fühlen war<br />

es jedenfalls, ist es und umso gefährlicher, umso für<br />

sie gefährdender erschien ihr der Moment dieses<br />

Wohlempfindens aus Nebel, Verwirrung und Leidenschaft,<br />

die wie eine Erinnerung durch sie glitt, und was noch<br />

schlimmer war, auf sie einwirkte wie Lust. Was machte der<br />

Kerl da mit Franz. Und mit mir.<br />

Die Lust ist exzessiv, aber Ekstase blamiert unser Können,<br />

ist das die Freiheit, die Blamage, fragte sie still in das Buch<br />

hinein, das Pokieser in ihrer Erinnerung aufschlug. Hatte<br />

sie geseufzt. Gestöhnt. Franz blickte hoch und winkte ihr<br />

zu. Pokieser legte das Buch weg, sagte, wir besprechen das<br />

später und verließ das Zimmer.<br />

Auch Franz las in ihrem Gesicht, in ihren Augen,<br />

ihrem Blick mit und bemerkte wieder einmal, dass<br />

er nichts als lese und lese, und so wesentlich eben<br />

war das, aber ob es sein Wesen, gar als Bildermacher<br />

oder Gegenständemacher, eben ausmachte, gar eine<br />

Lustaufnahmemaschine zu sein, ein Subordnerbübchen,<br />

das nur registriert und verschiebt, das, was es aufgreift,<br />

sieht, sammelt, deformiert und neu zusammensetzt, wie<br />

das wissen...<br />

Aber die Röntgenbilder, die Röntgenstrahlen, die gehen<br />

doch eins zu eins unter die Haut und die Durchsicht<br />

ist klar gegeben, da brauchst du nichts aufgreifen und<br />

weiterverwenden, das ist Original, das sich vom anderen<br />

abhebt, jedem das seine, da kannst du machen was du<br />

willst, aber um es hervorzuheben, muss das andere<br />

abgedunkelt werden, da hilft nur Blei.<br />

Abschirmen mit Blei, abschirmen an sich, fragte Danja<br />

weiter, hatten sie das vor, dich abzuschirmen, und du<br />

dich auch mit der Liese auf der Wiese? Er verneinte,<br />

nein, keineswegs, ich strahlte einfach so raus in die<br />

Welt, so wie ich als Bub immer strahlte, ganz offen, im<br />

Haus wie auf der Wiese, oder auf der Strasse, am Ring<br />

in Wien, also auf der Ringstrasse, wo ich stand und den<br />

vorbeimarschierenden Soldaten zuwinkte, damals in den<br />

x-Jahren, unserem Heer, oho, ich in der Lederhose und mit<br />

dem Lächeln von Liese auf der Wiese, ein Kind der Nation,<br />

ein Volksvorzeigeknäbchen, dennoch oder deswegen ein<br />

irgendwie verlorener Gegenwärtiger, Stiller. Und dort,<br />

im Stillen, fühlte ich auch einen Schatten auf meiner<br />

Herzeigeseele, von der ich nicht wusste, dass sie ein solche<br />

war oder ein solches Bild des Was-auch-immer-Getreuen,<br />

des Braven halt abgab. Ein Bild von mir, das von außen<br />

kam, und auch festgehalten wurde, in einem Film, den ich<br />

vor kurzem zufällig im Fernsehen sah. Ich bin also eine Art<br />

Dokument - geworden oder war es von Anfang an.<br />

Aber das Röntgen, das Röntgen, wie der Herr Professor<br />

Pokieser es eben nicht sagt, der, der das Krankenzimmer<br />

vorher verlassen hat, Danja, denn der sagt ja nie etwas,<br />

das gibt und zeigt uns die Sicht nach innen, und das,<br />

nur um zu helfen. Das rief Skepsis hervor, in beiden,<br />

in Franz und Danja, nur nicht zu sehr auf sich helfen<br />

lassen zu vertrauen. Worauf Franz aus seinem Gedächtnis<br />

hervorkramte: Es gibt drei Strahlungsarten, die mit dem<br />

griechischen Alphabet bezeichnet wurden - Alpha, Beta,<br />

Gamma, so heißen sie. Und die Intensität der Strahlen ist<br />

steigend von Alpha über Beta zu Gamma, so wird es immer<br />

gefährlicher, erwähnte er vor Danja, und die fragte sich,<br />

wie sie was mit der Intensität anfangen sollte, wenn sie die<br />

Ekstase in Frage stellte.<br />

Wiederum wusste Franz nicht, was sie genau dachte,<br />

aber dass sie dachte und zweifelte, das ahnte er. Er stellte<br />

deswegen nicht sie in Frage, eher sich, und fühlte es,<br />

heiß, in sich brodeln. Dieses Empfinden bündelte sich zu<br />

einer Art innerer Strahlung zusammen, die sich über den<br />

Magensäften zu Kegelspitzen formten und dann als sich<br />

ausdehnender Ballon, bis zur Gurgel hochstiegen und sich<br />

dort festzusetzen oder hin und her zu schwappen schienen.<br />

Die Hitze spürte er in den Ohren, sie raste dort mit<br />

einer Tonstärke, die wahre Leibhaftigkeit annahm - aber<br />

messbar dürfte das ganze nicht sein, diese Psychostrahlung<br />

unter der Haut und nicht aus ihr heraus tretend, diese<br />

Umschnürung des inneren Angstpakets -<br />

...<br />

Na ja, Beschreibung ist das nicht, Franz metaphorisierte<br />

gerne, sprach in Bildern, ein wenig schiefen. Das Gänschen<br />

begann plötzlich doch zu schnattern. Ist das deine Absicht,<br />

ein inneres Feuer hervorzulocken, über die verwortakelte<br />

Formulierung, setzte Danja, die Liese auf der Wiese, nach,<br />

und Franz horchte in sich, der Ton ließ nach, die Wellen<br />

stiegen vom Hals in den Mund hoch, entfleuchten von<br />

dort, mit dem Atem gings dahin, und er war wieder in der<br />

Lage, zu artikulieren:<br />

Willst du meine Meinung zu den Aufnahmen hören,<br />

wie das gemacht wird, worum es geht, Abbildung<br />

oder Nachbildung, dann muss ich auf Aristoteles<br />

zurückgreifen, ja, zur Poetik des Aristoteles und nicht zum<br />

Strahlenschutzgesetz, forderte Franz weder Danja noch<br />

Pokieser, der ja gar nicht mehr im Raum war, sondern<br />

sich selbst heraus. Ohne jede Vorbereitung auf dieses<br />

Thema. Danja schwieg da lieber, ihr Lächeln dazu erfolgte<br />

unsichtbar, drinnen in ihr lächelte sie, es ging durch den<br />

Körper, durch die Rippenbögen und das Muskelfleisch,<br />

es zog, auch darunter, wo nichts war, spürte sie den Zug<br />

dieses Lächeln, ach wenn die wüssten, Aristoteles und<br />

Liese auf der Wiese, das Tragische, Arkadien, das Wissen<br />

von dort, an sich, und ich!<br />

- Aber wirklich nicht so wie ich, wo ich beim Psychotext<br />

den Baum zeichnete, verästelte, ineinander wuchernde<br />

Zweige, eine Krone der Wirrniss, der Stamm kerzengerade,<br />

schlank, aber mächtig, und dann der Boden, der Grund,<br />

die Ebene, ein Strich, noch geradliniger gezogen als<br />

der Stamm, darunter nichts, Nichts, ... er strebt nach<br />

Höherem, hat aber keine Grundlagen, sagte die Stimme<br />

der Bezirkspsychologin vom Arbeitsvermittlungs- und<br />

Beratungsamt, ja so war ich und bin ich, aber Liese auf<br />

der Wiese und Aristoteles, das Danja, das ging so, nämlich<br />

unter die Haut, und es kam von draußen:<br />

Ferdinand Schmatz, Dichter und Essayist, lebt in Wien. Studium<br />

der Germanistik und Philosophie in Wien. 1983-1985 Lektor in Tokyo.<br />

Herausgeber des Nachlasses von Reinhard Priessnitz. 1995-1996 Juror<br />

beim Bachmann-Wettbewerb. 1999 Christine Lavant Lyrik-Preis. 2002<br />

Anton Wildgans-Preis. 2004 Georg Trakl-Preis.<br />

Veröffentlichungen (zuletzt): das grosse babel,n. gedicht (1999);<br />

portierisch. roman (2001); tokyo, echo oder wir bauen den schacht zu babel,<br />

weiter. gedicht (2004); Felicitas Leitner und der verlorene Rettungsring.<br />

Hörspiel, (ORF 2004).


46 Nr. <strong>10</strong>/2006<br />

Buch VI – Literatur<br />

<strong>ST</strong>/A/R<br />

Freier Fall<br />

Wolfgang Mörth<br />

Als sich die Lage meines Unternehmens<br />

Anfang 1997 dramatisch verschlechtert<br />

hatte, und ich mit meinen Nerven<br />

ziemlich am Ende war, beschloss ich kurzerhand<br />

nach Vals in die vor einem Monat neu<br />

eröffnete Felsentherme zu fahren, um mich<br />

dort für zwei Tage von meinem nicht mehr zu<br />

unterdrückenden Hass auf ein paar Kollegen,<br />

Geschäftspartner und Bankdirektoren zu<br />

reinigen. Ich hatte viel von Peter Zumthors<br />

Neubau gehört, überhaupt war Zumthor<br />

in Bregenz, wegen seines umstrittenen<br />

Kunsthausbaus, seit Jahren schon ein dankbares<br />

Gesprächsthema gewesen. Ich, für meinen Teil,<br />

bewunderte ihn für seine Fähigkeit, einmal für<br />

gut befundene Ideen auch unter Druck und<br />

gegen Widerstände durchzusetzen.<br />

Ich kam am 16. Jänner gegen Mittag in Vals<br />

an, am Nachmittag des folgenden Tages<br />

reiste ich wieder ab. Das genügte, um mein<br />

Leben wieder auf die Schienen zu stellen.<br />

Alle, die jetzt glauben, das habe etwas mit<br />

der speziellen Atmosphäre zu tun gehabt,<br />

die in der Felsentherme herrschte, muss ich<br />

enttäuschen. Der Aufenthalt dort hat mir<br />

zweifellos geholfen, ich schätzte auch das Fehlen<br />

von Chlorgeruch und Kindergebrüll, doch zu<br />

einer derart fundamentalen Änderung meiner<br />

Haltung hätten die „Sorgfalt und Poesie“ sowie<br />

die „radikale Ästhetik und Formensprache“ * der<br />

Architektur allein niemals führen können. Mein<br />

Erweckungserlebnis, um es einmal pathetisch<br />

auszudrücken, hatte ich an einem anderen Ort,<br />

und aus einem anderen Grund.<br />

Der drohende Konkurs und die damit<br />

zusammen hängenden Enttäuschungen<br />

hatten mich aufgewühlt und geschwächt.<br />

Ein Zustand, der aus heutiger Sicht auch<br />

seine Vorteile hatte. Lang gepflegte innere<br />

Barrieren begannen durchlässig zu werden.<br />

Ich fühlte mich sozusagen offen auch für<br />

Ungewöhnliches, für eine verhängnisvolle<br />

erotische Begegnung zum Beispiel, oder<br />

für die leichtsinnige Überschätzung meiner<br />

körperlichen Fähigkeiten, sogar die Möglichkeit,<br />

nicht mehr nach Hause zurück zu kehren,<br />

sondern mich von Zürich aus nach Übersee<br />

abzusetzen, zog ich in Erwägung. Zeichen des<br />

Ausnahmezustands, in dem ich mich befand,<br />

war auch der Umstand, dass ich mein Auto zu<br />

Hause stehen hatte lassen und mit öffentlichen<br />

Verkehrsmitteln angereist war. Man muss<br />

immerhin dreimal umsteigen, um von Bregenz<br />

nach Vals zu kommen, aber selbst das nahm<br />

ich stoisch hin. Die letzte Strecke ab Ilanz saß<br />

ich ganz hinten in einem fast leeren Bus und<br />

stierte geistesabwesend in die Schluchten des<br />

Valsertales hinunter.<br />

An der Rezeption des Hotels ließ ich mir die<br />

Benutzungsregeln der Badeanlage erklären<br />

und erfuhr, dass ich Glück hatte, denn am<br />

Donnerstag stehe den Hotelgästen das Bad bis<br />

24 Uhr zur Verfügung. Da ich also genügend<br />

Zeit für mein Wellnessprogramm haben<br />

würde, beschloss ich, noch ein wenig Luft zu<br />

schnappen.<br />

Ich bin nie ein Spaziergänger gewesen, also<br />

keiner, der herum schlendert, um sich die<br />

Gegend anzuschauen, sondern ich brauchte<br />

immer schon ein Ziel, auf das ich lossteuern<br />

konnte. Deshalb erkundigte ich mich bei einem<br />

Ortsansässigen nach einem bewältigbaren<br />

Wanderweg und bekam auch einen brauchbaren<br />

Tipp. Mit dem Sessellift hinauf zur Bergstation<br />

Gadastatt und über Furt nach Zervreila. Dort<br />

könne ich mir einen Schlitten ausleihen und<br />

auf der acht Kilometer langen Straße wieder<br />

herunter nach Vals rodeln. Aber ich solle mich<br />

beeilen, in ein paar Stunden beginne es zu<br />

schneien.<br />

Die Doppelsessel der uralten Liftanlage<br />

holperten derart über die Stützrollen, dass mich<br />

nach einer Weile das Gesäß schmerzte. Mein<br />

Sitz hatte die Nummer 60. Daran erinnere<br />

ich mich gut, denn das ist mein Jahrgang,<br />

außerdem gehören Zahlen zu meinem Beruf.<br />

Die Fahrt hinauf dauerte 11 Minuten.<br />

Es waren zwar einige Schifahrer unterwegs,<br />

aber so weit ich sehen konnte, war sonst<br />

keiner der Sessel besetzt. Auch später, auf<br />

meinem Fußmarsch, begegnete ich keiner<br />

Menschenseele.<br />

Ich trug festes Schuhwerk und einen<br />

einigermaßen warmen Mantel. An Handschuhe<br />

und Kappe hatte ich nicht gedacht. Schlimmer<br />

wäre ich ohne Sonnenbrille dran gewesen, denn<br />

hier heroben auf etwa 1800 Meter war ich Licht<br />

und Strahlung schutzlos ausgeliefert.<br />

Der Weg führte am Westhang entlang<br />

eineinhalb Stunden Richtung Süden und stieg<br />

dabei noch etwa 200 Höhenmeter an. Zunächst<br />

war es noch frühlingshaft warm in der Sonne,<br />

später dann zogen von Westen her Wolken<br />

über den Kamm und es wurde schlagartig<br />

kälter. Jetzt ärgerte ich mich, dass ich nicht<br />

besser ausgerüstet war. Der Ärger brachte<br />

mich fast zum Weinen. Ich schlug den Kragen<br />

meines Mantels hoch, stopfte die Hände tief<br />

in die Taschen und stellte mir vor, wie ich hier<br />

heroben wie ein dummer Tourist im Schnee<br />

stecken bleiben und schließlich erfrieren<br />

würde. Andererseits wäre das eine spektakuläre,<br />

fast symbolische Art gewesen, mich aus<br />

meiner Misere zu verabschieden. Abseits<br />

jedes ausgetretenen Pfades, erstarrt zu einem<br />

grotesken Mahnmal, womöglich mit einem<br />

Brief in der Tasche, in dem die Schuldigen an<br />

meinem Tod unmissverständlich beim Namen<br />

genannt wären, würde man mich in einem<br />

der hintersten Schweizer Bergtäler auffinden.<br />

Während ich durch die Schneelandschaft<br />

stapfte, textete ich in Gedanken an meiner<br />

Anklageschrift herum, und je länger ich<br />

nach dem stichhaltigsten Ausdruck für mein<br />

Bedürfnis nach Rache suchte, desto mehr wurde<br />

daraus eine abschließende, mit Allem und<br />

Jedem abrechnende Rede an die Menschheit.<br />

In meinem Zorn übersah ich den Weg, das<br />

Wetter, die Zeit. Plötzlich stand ich zwischen<br />

ein paar Almhütten am höchsten Punkt meiner<br />

Wanderung und erschrak, als ich den Stausee<br />

unter mir liegen sah. Diese Mauer und diesen<br />

See hatte ich hier nicht erwartet. Es war das<br />

Unerwartete, das mich erschreckte. Noch dazu<br />

in dieser Form. Ein unter enormem Druck<br />

stehendes Bauwerk, das seinen Bauch dem<br />

Wasser, dem Eis, dem Berg entgegen wölbte.<br />

Gigantische potentielle Energie, lautlos wie<br />

der Schnee, der inzwischen fiel. Von allen<br />

Seiten waren kleine Lawinen auf die Eisfläche<br />

gerutscht. Weiter hinten rumpelten die<br />

Schneebretter von den tagsüber aufgeweichten<br />

Hängen. Zervreila. So hieß alles hier. Der<br />

Staudamm, der See, der gottverlassene Ort.<br />

Auch das Gasthaus, in dem ich mich später<br />

aufwärmen, einen Früchtetee trinken und<br />

mir für 11 Franken einen Schlitten ausleihen<br />

würde. Ich kam dort an, als der Bus aus Vals<br />

gerade eine Horde Touristen ablud. Als einer<br />

der ersten, so als gehörte ich dazu, betrat ich<br />

das Lokal. Ich setzte mich zu Fremden an den<br />

Tisch, lächelte verbindlich, bestellte mit den<br />

anderen zusammen mein Getränk, blätterte<br />

in einer Illustrierten. Unauffällig. Nach einer<br />

halben Stunde brach ich gemeinsam mit ein<br />

paar anderen wieder auf. Die Wirtin sollte mich<br />

als Mitglied der Gruppe wahrnehmen.<br />

Da die anderen den Eindruck erweckten, sie<br />

hätten Erfahrung mit der Strecke, und würden<br />

daher schneller rodeln als ich, beschloss<br />

ich, sie voraus fahren zu lassen. Ich setzte<br />

mich auf meinen Schlitten und wartete. Es<br />

hatte aufgehört zu schneien, deshalb war die<br />

Staumauer jetzt auch von hier aus deutlich<br />

zu sehen. Das Gasthaus lag etwa 60 Meter<br />

unterhalb des Mauerscheitels. Als ich ihn vor<br />

einer dreiviertel Stunde überquert hatte, war<br />

die Hütte durch den Schneeschauer hindurch<br />

nicht zu erkennen gewesen. Auch dieses<br />

Wesen (das ist die beste Bezeichnung, die mir<br />

einfällt) nahm ich erst wahr, als ich es schon<br />

fast erreicht hatte. Es saß auf dem talseitigen<br />

Geländer über der tiefsten Stelle des Abgrunds,<br />

hatte die Schultern hochgezogen, die Arme<br />

auf dem Geländer abgestützt und die Füße<br />

auf die untere Stange gestellt. Dann, als ich<br />

auf seiner Höhe angekommen war und es<br />

immer noch nichts von meiner Anwesenheit<br />

bemerkt zu haben schien, reagierte ich auf<br />

diesen Impuls. Von Planung konnte keine<br />

Rede sein. Es kam mir einfach in den Sinn.<br />

Beiläufig sozusagen. Diesem Impuls ging nichts<br />

voraus, was ich eine bewusste Entscheidung<br />

genannt hätte, zumindest keine, die mit dem<br />

Folgenden zu tun hatte. Ich weiß noch, dass<br />

ich mit ganz alltäglichen, für mich typischen<br />

Fragestellungen beschäftigt war. Zum Beispiel,<br />

wann dieser Mensch denn nun endlich auf<br />

mein Näherkommen reagieren und in welcher<br />

Art ich ihn dann grüßen würde. Ich suchte<br />

nach einem Tonfall, der sowohl diesem<br />

ausgesetzten, unwirtlichen Ort als auch meiner<br />

eher zurückhaltenden Art entsprach. Doch es<br />

kam zu keinem Gruß, denn das Wesen drehte<br />

sich nicht um. Selbst als es meine Schritte<br />

schon hören hätte müssen, blieb sein Kopf,<br />

über den die Kapuze eines matt roten Anoraks<br />

gezogen war, zum Abgrund hin gesenkt. Es trug<br />

eine ausgebleichte, blaue Trainingshose und<br />

Turnschuhe. Zu wenig bei dieser Kälte. Durch<br />

die Kleidung glaubte ich, einen schmächtigen<br />

Körperbau zu erahnen. Es hätte sich sowohl um<br />

eine Frau, um einen zierlichen Mann als auch<br />

um einen Jugendlichen handeln können. Aus<br />

der Haltung war es nicht eindeutig abzulesen.<br />

Wären die folgenden Sekunden nach einer<br />

anderen Choreografie verlaufen, dann wüsste<br />

ich es vielleicht, oder hätte zumindest Stoff für<br />

ein paar Verdachtsmomente. So machte ich,<br />

ohne etwas zu wissen, und eigentlich, ohne<br />

etwas zu wollen, einen Satz nach vorn. Doch<br />

statt auf einen Widerstand zu stoßen, fuhr<br />

meine Hand ins Leere. Ganz leicht streiften<br />

meine Fingerspitzen gerade noch die Kapuze<br />

des Anoraks, dann knallte ich von der Wucht der<br />

eigenen Trägheit umgerissen mit der Brust auf<br />

das Geländer. Ich suche nicht nach Ausflüchten,<br />

doch Tatsache ist: Mein Stoß und sein Sprung<br />

ereigneten sich zeitgleich. Unsere Bewegungen<br />

waren von perfekter Symmetrie. Ein Beobachter<br />

hätte mich zweifelsfrei für einen Mörder<br />

Günther Kaip, geboren 1960, lebt in Wien,<br />

schreibt Lyrik, Prosa (Erzählung, Roman), Wort-<br />

Bildarbeiten. Auch Kinderbücher. Zahlreiche<br />

Buchveröffentlichungen: zuletzt Nacht und Tag, Ritter<br />

Verlag, Der Schneemann (Kinderbuch, illustriert von<br />

Angelika Kaufmann) NP-Verlag.


<strong>ST</strong>/A/R<br />

Buch VI – Literatur<br />

Nr. <strong>10</strong>/2006 47<br />

gehalten, doch es gab keinen Beobachter, nicht<br />

einmal mein potentielles Opfer selbst konnte<br />

etwas von meinem versuchten Anschlag geahnt<br />

haben.<br />

Ich rappelte mich hoch, peinlich berührt, so als<br />

hätte ich gerade den Ball auf dem Elfmeterpunkt<br />

verfehlt, und setzte meinen Weg fort, als<br />

wäre nichts geschehen. Ohne dem Körper<br />

nachzuschauen, ohne mich umzudrehen, ohne<br />

einen Gedanken an die möglichen Motive für<br />

diesen Affekt zu verschwenden, ging ich weiter.<br />

Nur eines tat ich, weil ich es immer schon getan<br />

hatte. Ein harmloser Zähl- oder Messtick. Ich<br />

zähle die Sekunden mit. Auf meine innere<br />

Taktfrequenz kann ich mich verlassen. Ich<br />

zähle mit, bis der Computer hoch gestartet ist,<br />

bis der Kaffee durch die Maschine gelaufen ist,<br />

bis meine Sekretärin im Vorzimmer endlich<br />

das Telefon abhebt. Alles hat seine Zahl, alles<br />

braucht seine Zeit. Von meinem vergeblichen<br />

Stoß an zählte ich also mit. 1 – 2 – 3 – 4 – 5<br />

– 6. Bei 6 hörte ich den Aufprall. Es war ein<br />

Krachen, deutlich als das Durchschlagen der<br />

Eisdecke jenes Beckens zu erkennen, in den der<br />

Bach am Fuß der Mauer gefasst war. Während<br />

ich mich entfernte, berechnete ich überschlägig<br />

die Fallhöhe. Ich berücksichtigte dabei auch<br />

die Zeit, die der Schall benötigte, um mein<br />

Ohr zu erreichen, das heißt, ich zog von 6 eine<br />

halbe Sekunde ab, und kam auf etwa 145 Meter.<br />

Spätere Recherchen ergaben eine tatsächliche<br />

Bauhöhe von 151 Meter.<br />

1 – 2 – 3 – 4 – 5 – 6. Das war auch der<br />

Vorsprung, den ich den anderen Rodlern ließ,<br />

bevor ich mich selbst abstieß.<br />

Abgesehen von der Tatsache, dass mir bei<br />

der rasanten Talfahrt auf der steilen Straße<br />

beinahe ein Daumen, die Nase und beide Ohren<br />

abgefroren wären, verlief der Aufenthalt in<br />

Vals sehr erfreulich. Was man sich über die<br />

Atmosphäre in der Felsentherme erzählte, war<br />

nicht übertrieben. Schummriges Licht und<br />

sphärische Klänge, Urgestein und Blütendüfte,<br />

dazu warmes Wasser. Selbst auf einen eher<br />

nüchternen Menschen wie mich hatte diese<br />

Kombination die voraus gesagte Wirkung.<br />

Einige Stunden lang wechselte ich wie in Trance<br />

von einem Höhlenbecken ins andere und<br />

schwebte bewusstlos in verschiedenen Bäuchen<br />

der Erdenmutter. Auch das Durchlaufen der 6<br />

düsteren Schwitzkammern fühlte sich an wie<br />

das Eindringen in ein immer früheres Stadium<br />

der Existenz. In der 6-ten und letzten Kammer<br />

atmete ich bereits den heißen Urnebel ein,<br />

der aus vulkanischen Tiefseeschloten strömt.<br />

Danach aß ich im Restaurant etwas das Capuns<br />

hieß, ein mit Mangoldblättern umwickeltes<br />

Gemisch aus Spätzleteig und Bündnerfleisch,<br />

überbacken mit Bergkäse. Dazu trank ich einen<br />

ganz ordentlichen Shiraz. Das Hotelzimmer war<br />

nicht der Rede wert, der Schlaf allerdings tief<br />

und traumlos.<br />

Auch später träumte ich nicht von fallenden<br />

Körpern oder von Wasserleichen, kein Geist<br />

versuchte sich im Schlaf an mir zu rächen.<br />

Ich hatte mir ja nichts zu Schulden kommen<br />

lassen. Dieser Sturz geschah unabhängig von<br />

meiner Anwesenheit, unabhängig von meinem<br />

Willen, ich hatte lediglich aktiven Anteil an<br />

einem Augenblick, in dem zwei Menschen<br />

gleichzeitig erkennen, wozu sie wirklich fähig<br />

sind. Die folgenden Wochen und Monate sollten<br />

zeigen, was diese Erkenntnis in meinem Leben<br />

bewirken würde. Ich hatte nicht das Gefühl,<br />

etwas Entscheidendes an meinem Verhalten<br />

habe sich geändert, und doch schienen sich<br />

die Dinge plötzlich wie von selbst zu fügen.<br />

Zum einen waren in den zwei Tagen meiner<br />

unangekündigten Abwesenheit gravierende<br />

Konflikte zwischen einigen von denen<br />

entbrannt, die sich sonst gegen mich verbündet<br />

hatten, andererseits schien die Gelassenheit<br />

und Jovialität, die ich jetzt an den Tag legte,<br />

dazu zu führen, dass jeder einzelne glaubte, ich<br />

hätte etwas gegen ihn in der Hand. Es dauerte<br />

nicht lange, und meine ärgsten Gegner im<br />

Management segneten meine Konzepte ab,<br />

die Gesellschafter erklärten sich bereit, noch<br />

einmal Geld nachzuschießen und auch die<br />

Direktoren der Banken sprachen auf einmal<br />

statt von Schulden von Risikokapital. Folge war,<br />

dass die von mir schon lange empfohlenen<br />

Maßnahmen nun endlich umgesetzt werden<br />

konnten. Alles ging noch schneller als ich<br />

gehofft hatte. Das Geschäft entwickelte sich<br />

derart gut, dass schon ein halbes Jahr später<br />

die Vorarlberger Nachrichten von einer neuen<br />

Blüte des Unternehmens und von sicheren<br />

Arbeitsplätzen schrieben. Wir waren über dem<br />

Berg, und ich war der ehemalige Schwächling,<br />

der zwei Tage an einem unbekannten Ort<br />

untergetaucht und von dort als unverwundbarer<br />

Held zurückgekehrt war.<br />

Alles wäre perfekt gewesen, hätte es da nicht<br />

dieses eine beunruhigende Detail gegeben. Aus<br />

meinem allgemeinen Mess- und Zähltick war<br />

nämlich ein spezieller geworden. Wann immer<br />

eine Pause entstand, in der mein Geist nicht<br />

beansprucht war, zählte ich jetzt auf 6. Jeden<br />

offenen Raum zwischen den Geschehnissen<br />

zerlegte ich in 6 Sekunden lange Einheiten. Das<br />

fiel niemandem auf, auch ich konnte anfangs<br />

gut damit leben, aber mit der Zeit bekam das<br />

Ganze doch eine zwanghafte Note. Wenn ich<br />

zum Beispiel bei Rot an einer Ampel stand und<br />

das Umspringen auf Grün fiel nicht genau mit<br />

einem dieser 6-er-Intervalle zusammen, dann<br />

konnte es passieren, dass ich das Hupen meines<br />

Hintermannes ignorierte und solange stehen<br />

blieb, bis ich durchgezählt hatte. Oder abends<br />

beim Fernsehen. Ich schaffte es immer seltener,<br />

länger als 6 Sekunden einem Programm zu<br />

folgen, ohne weiter zu zappen, was natürlich<br />

zu Konflikten mit meiner Frau und meinen<br />

Kindern führte, solange, bis man mir die Macht<br />

über die Fernsteuerung entzog. Ich könnte<br />

jetzt noch eine ganze Reihe von mehr oder<br />

weniger amüsanten Gelegenheiten anführen,<br />

bei denen mich diese Zählerei in unangenehme<br />

Situationen brachte, ich gebe auch gerne zu,<br />

dass ich bereits fest mit einer Entwicklung hin<br />

zu echten psychischen Problemen rechnete, aber<br />

es kam dann Gott sei Dank anders.<br />

Es war bei der inoffiziellen Eröffnung des<br />

KUB, zu der ich als eines der ersten Mitglieder<br />

der Gesellschaft der Freunde des Kunsthauses<br />

persönlich eingeladen war. Natürlich<br />

beeindruckten mich die „Sorgfalt und Poesie“<br />

sowie die „radikale Ästhetik und Formensprache“ *<br />

der Architektur, etwas irritiert war ich lediglich<br />

vom Geruch nach feuchtem Beton, der das<br />

ganze Haus noch immer erfüllte. Was mir beim<br />

Betreten der Halle im Erdgeschoss jedoch als<br />

erstes ins Auge fiel, waren die Lampenschirme,<br />

nämlich große umgekehrte Kelche, die an<br />

langen Pendeln von der Decke hingen. Im<br />

Vorfeld war ja oft das Worte „sakral“ gefallen,<br />

mich wunderte daher nicht, dass ich eine<br />

ähnliche Lampenform aus meiner Zeit als<br />

Ministrant in der Herz-Jesu-Kirche kannte.<br />

Überrascht war ich allerdings, als mir bei<br />

diesem Anblick schlagartig die Ordnungszahl<br />

meiner frühen religiösen Existenz in den Sinn<br />

kam: 60 geteilt durch 11.<br />

Zur Erklärung: Meistens im Verlauf des<br />

Wortgottesdienstes, auf den Stufen vor dem<br />

Altar kniend, versank ich damals in einen<br />

Zustand interesseloser Betrachtung. Mein<br />

Blick streifte dabei über den Hochaltar und<br />

die Apsisfenstergeschichten hinauf zur<br />

nüchtern getünchten Decke und schließlich<br />

an der Kette entlang herunter bis zu diesem<br />

Lampenschirm in Form eines umgekehrten<br />

messingfarbenen Kelchs. Er hing genau über<br />

dem Volksaltar und pendelte, von der Zugluft<br />

bewegt, einmal mehr und einmal weniger<br />

hin und her. Dabei löste sich die ehrfürchtige<br />

Haltung meiner Hände jeweils langsam auf,<br />

der rechte Zeigefinger rutschte an das linke<br />

Handgelenk, und ich begann, ohne etwas<br />

damit zu bezwecken, meist sogar, ohne es zu<br />

bemerken, diese Bewegung mit Hilfe meines<br />

Pulsschlages zu vermessen. Über den Ursprung<br />

dieser Angewohnheit kann ich wenig sagen.<br />

Sie muss sich irgendwann am Übergang vom<br />

Kind zum Jugendlichen herausgebildet haben,<br />

vielleicht als Folge meiner Andacht, vielleicht<br />

auch als ihr Auslöser. Das Messergebnis jedoch<br />

war verblüffend klar. In 60 Herzschlägen waren<br />

stets exakt 11 Pendelbewegungen enthalten, im<br />

Ruhepuls meiner tiefsten Meditation war also<br />

die mysteriöseste aller Primzahlen eingelagert,<br />

die Schnapszahl, die Zahl der Narren, der<br />

Maßlosigkeit und der Sünde, worüber ich<br />

damals allerdings noch nicht viel wusste.<br />

Wer ein wenig Sinn für mathematische<br />

Zusammenhänge hat, ahnt vielleicht, worauf<br />

die Sache hinaus läuft. Ich mache es kurz:<br />

Die Schwingungsdauer der Kirchenlampe<br />

betrug 60/11 also 5,45 (periodisch) Sekunden.<br />

Das entspricht ziemlich genau der Fallzeit<br />

des Körpers vom Scheitel der Staumauer des<br />

Zervreilasees hinunter auf die Eisfläche des<br />

Bachs. (Wenn Sie zur Probe diese Zeit in die<br />

Formel für den freien Fall einsetzen, werden<br />

Sie sehen, dass dabei die richtige Mauerhöhe<br />

herauskommt.) Das Zahlenverhältnis also, das<br />

sich aus der Länge des Lampenpendels in der<br />

Herz-Jesu-Kirche und meiner Herzfrequenz<br />

ergab, spielte auch dort an der Staumauer<br />

eine entscheidende Rolle. Als ich diese<br />

Übereinstimmung erkannt hatte, verschmolz<br />

die Erinnerung an den Fall meines Engels<br />

mit der an den Schwung des Lichts über dem<br />

Altar, ganz im Sinn von Galileo Galilei, zu<br />

einer harmonischen Gesetzmäßigkeit, und die<br />

lästige Zählerei hörte auf, noch bevor sie sich<br />

zu einer Psychose auswachsen konnte. Ich war<br />

froh, denn jetzt machte es mir nichts mehr<br />

aus, im nächsten und auch in den folgenden<br />

Jahren wieder nach Vals in die Felsentherme zu<br />

fahren, samt Wanderung und anschließender<br />

Rodelpartie, immer im Jänner, allerdings nie<br />

mehr allein.<br />

*zitiert nach www.archinform.net<br />

Wolfgang Mörth, geboren in Bregenz. Autor und<br />

Filmemacher. Auszeichnungen u.a.: Einladung<br />

zum Ingeborg Bachmannpreis (1991), Harder<br />

Literaturpreis, Vorarlberger Landesstipendium,<br />

Max von der Grün Preis. Letzte Arbeiten: Locus iste,<br />

Dokumentarfilm (mit Robert Polak) 2004; Revue<br />

Revue, Theatertext für das Aktionstheater Ensemble<br />

Wien 2005. Mitherausgeber der literaturzeitschrift<br />

www.miromente.at. Lebt und arbeitet in Bregenz.


48 Nr. <strong>10</strong>/2006<br />

Buch VI – Literatur<br />

<strong>ST</strong>/A/R<br />

Kugelrot in Not<br />

Petra Coronato<br />

Florette war das verlöschende Rot in der Dämmerung.<br />

Ich stand Ecke Hermannplatz, wo wir uns verabschiedet<br />

hatten, und sah ihrem roten Wollmantel hinterher,<br />

dessen Farbe auf eine eigenartige Weise schwächer wurde, es<br />

war ein Zerfall der Farbigkeit zu beobachten, wie kann eine so<br />

kräftige Farbe so zerbrechlich sein, fragte ich mich, und noch ein<br />

paar Meter weiter, und das Rot ihres Mantels war vergangen und<br />

hatte sich grau in das Grau der Umgebung aufgelöst, und das<br />

ist ein Bild, das vor Augen du dich nur in dein Schicksal fügen<br />

kannst, sagte ich mir, und heute würde ich dasselbe sagen, und<br />

damals war es der Moment, in dem mir klar wurde, dass ich<br />

Florette liebte.<br />

Ich, das ist Eleonore Prohaska, gemeldet in Berlin Schöneberg.<br />

Auf der Weihnachtsfeier habe ich Florette meinen Ausweis<br />

gezeigt. Wir waren beide noch nicht lange in der Putzkolonne.<br />

Unsere Chefs hatten das gemütliche Beisammensein auf<br />

Heiligabend verlegt, weil wir doch alle eine Familie seien, wie sie<br />

sagten. Wir durften den Geföhnten lauschen, wie sie ein Loblied<br />

auf unsere Gebäudereinigungsfirma sangen, wobei sie sich<br />

von der Konkurrenz die Parole ausliehen: Es macht Spass, mit<br />

modernster Technik und Chemie ein Gebäude schöner zu machen.<br />

Wir erfuhren staunend, dass wir im nunmehr fast vergangenen<br />

Jahr Lust auf Leistung bewiesen und die Kolonnenführerinnen<br />

sich verausgabt hätten. Wir wurden Zeugen, wie den Geföhnten<br />

ein gemeinsam erspartes grosses Geschenk überreicht wurde,<br />

wie die Kolonnenführerinnen sich gegenseitig kleine Präsente<br />

übergaben, und wie die Beschenkten sehr zu ihrer Qual und zur<br />

Schadenfreude der Zuhörer gereimte Verse vortragen mussten.<br />

Auf unserer Seite begann Werner mit Marina zu flirten, doch<br />

wenn sie darauf einging, machte er einen Rückzieher und sagte:<br />

Der Klaus ist doch dein König. Der war bei der Müllabfuhr<br />

und sagte: Gebäudereinigung und Strassenreinigung, das sind<br />

zwei ganz verschiedene Welten! Florette hat ihre Zoten in der<br />

Gastronomie gelernt, wo sie viele Jahre als einzige Frau unter<br />

Männern lebte, da die Köche, hier ich, die Spülmiezi. Marina<br />

begann, die Jungdynamischen nachzuahmen, wie sie uns<br />

neue Anweisungen gaben. Marina hatte eine abgebrochene<br />

Tanzausbildung und eigentlich noch Gesangsunterricht<br />

hinzunehmen und Schauspielerin werden wollen, aber dann<br />

wurde sie bloss wieder schwanger, und das wars dann mit den<br />

Brettern der Welt, und darüber ist Marina ein wenig alkoholisch<br />

geworden, und jetzt war sie betrunken und bemühte sich<br />

irgendwie spanisch zu wirken, und wir riefen olé! und Marina<br />

ging zum Tango und mit einer kurzen Anspielung auf den<br />

Stierkampf zum Flamenco über, und das war nun wirklich<br />

Marina, ihre kleine Vorstellung nur für uns, wir mochten<br />

Marina, wir hatten Marina richtig gern, wir applaudierten und<br />

verlangten, dass uns Marina noch mehr Szenen vorspielt.<br />

Am langen Tisch der Geföhnten waren sie inzwischen auch<br />

bei den Betriebsanekdoten angekommen, und brüllten<br />

und lachten und kreischten. Ich sagte, möchte mal wissen,<br />

was für die am Putzgeschehen so lustig ist. Nun hatten die<br />

Geföhnten beschlossen, sich unters Volk zu mischen, und die<br />

schweigende Debora, von Florette auch Debil oder die wandelnde<br />

Altkleidersammlung wegen ihrer optischen Nähe zur Kelly-<br />

Family genannt, Debil mit Ambitionen zur Kolonnenführerin<br />

und scharf auf den Aussendienstleiter, Debil sah ihre Stunde<br />

gekommen. Debora kann hervorragend den Eindruck erwecken,<br />

es sei geputzt worden, eine Nachahmung des geputzten Raumes<br />

erzeugen, sagte Florette, Debora kennt noch festangestellte<br />

Petra Coronato, geb. 1956, Studium Philosophie & Geschichte. (D).<br />

1993 – 2003 Romanprojekt tongue tongue Hongkong, mit zahlreichen<br />

Veröffentlichungen und Veranstaltungen in D-A-CH (zuletzt:<br />

MATRIX LOUVRE. Zweckloses Unbehagen, Ritter 2002).<br />

Seit 1996 freie Schriftstellerin, lebt in Berlin/Wien.<br />

http://www.kunstradio.at/BIOS/coronatobio.html<br />

http://www-gewi.uni-graz.at/nabl/intercity/coronato.htm<br />

Zeiten an festen Häusern, war an der Uni angestellt, die<br />

Universität war mein letzter Arbeitgeber, sagte Debora, und der<br />

Geföhnte sagte, schon möglich, dass unsere Kolonne da auch<br />

mal hingerät. Damit ist ja klar, wohin der Geföhnte nach der<br />

Feier gerät, sagte Florette und forderte mich auf, mit ihr vor die<br />

Tür zu gehen, um eine V2 durchzuziehen, ihr Name für den<br />

Joint, weil das V eine Tütenform und Florette die Angewohnheit<br />

hatte, immer 2 Joints direkt hintereinander zu rauchen, bevor<br />

dann erst wieder nach einer grösseren Pause nachgelegt wurde.<br />

Schnee, ganz viel Schnee, und es schneite noch immer. Im<br />

Viktoria-Park fuhren sie in der weissleuchtenden Dunkelheit<br />

Schlitten. Wir sassen weiter oben am Hang unter einer alten<br />

Buche, deren Zweige bis auf den Boden hingen. Wie war das mit<br />

Frau Holle, fragte Florette, und ich sagte, du springst in einen<br />

Brunnen und bist in einer anderen Welt. Vielleicht hätten wir<br />

nur wegen der Anwesenheit des vielen Schnees glücklich sein<br />

können, aber Florette war schon dabei, den nächsten Joint zu<br />

drehen, anscheinend war Heiligabend Kampfkiffen angesagt.<br />

Florette sagte, das ist dann die ultimative Bombe und bläst uns<br />

das Hirn weg wie seinerzeit den Blumauern. Hier hätte ich<br />

eigentlich nachfragen sollen, aber jetzt fiel mir ein, dass ich<br />

als Kind hatte Polizistin werden wollen. Dann hätte ich meine<br />

schreckliche Familie verhaften und für immer wegsperren<br />

lassen können. Meine Familie ist böse, hinterhältig und gemein.<br />

Florette sagte, Darling, du hast doch gar keine Familie. Das ist<br />

wahr. Ich weiss nicht, warum ich Florette das alles erzählte. Ich<br />

sagte, dass ich aus dem Heim ausgerissen sei, und die Polizei hat<br />

mich zurückgebracht. Da war es vorbei mit dem Polizistentraum,<br />

ich wollte jedenfalls kein Kinderfänger werden. Und was ist dann<br />

aus dir geworden? fragte Florette, und ich sagte: Nichts. Aus mir<br />

ist nichts geworden. Einmal Putzfrau, immer Putzfrau. Florette<br />

sagte: Eine Krise in der Idylle. Wie kann man nur so blond und<br />

so blauäugig und dabei so melancholisch sein!<br />

Nachdem ich mit Florette geschlafen hatte, ging es mir besser.<br />

Wir blieben einfach so lange im Bett, bis ich eine gänzlich<br />

andere Perspektive auf mein Leben gewonnen hatte. Plötzlich<br />

schien alles machbar. Wir diskutierten viel. Florette nannte<br />

mich Eleonora, Leonora, Nora und Leo. Und doch blieb ich<br />

immer gleich deutsch, während Florette ihre Identität wechselte,<br />

indem sie sich einmal um sich selbst drehte. Wenn ich an<br />

einem Tag glauben sollte, sie sei nie woanders als in Berlin<br />

gewesen, behauptete sie am nächsten Tag, sie sei mit tausenden<br />

Einwanderern erst nach dem Mauerfall in die Stadt gekommen,<br />

um ihr Glück zu machen. Woher gekommen? Florette suchte am<br />

Himmel, zeigte in eine Richtung: von dort! und erfand sogleich<br />

neue Geschichten. Ich bezweifle, dass sie mit Napoleon oder<br />

doch mit jemandem, der ihm nahestand, verwandt war.<br />

Florette sagte: Wir sind Tagelöhner in der Festung Europa. Wir<br />

sollten uns selbständig machen. Ich sagte, sind wir nicht schon<br />

selbständig genug? Wir bringen unsere Putzmittel mit. Florette<br />

träumte von einer Internationalen Agentur für die Vermittlung<br />

von preussischen Frauentugenden, nach Vorbild eines Berliner<br />

Salons sollten sich die Interessierten ihre Perle gleich vor Ort<br />

aussuchen können. Ich sagte, du glaubst, sie werden sich einer<br />

französischen Hure wie dir anvertrauen, aber natürlich, sagte<br />

Florette, jetzt ganz die aus Frankreich zugewanderte Hugenottin:<br />

Wer war preußischer als wir, nachdem euer Frédéric le Grand<br />

so frankophil war? Ich sagte, mon amour, ich brauch nicht noch<br />

die Puffmutter, ich brauch eigentlich überhaupt keine Mutter<br />

mehr. Und du wirst dick und häßlich werden, so fett, dass du im<br />

Bett deinen Arsch nicht mehr bewegen kannst. Florette sagte, in<br />

Sachen Faulheit im Bett sei ich ja wohl kaum zu übertreffen.<br />

Wir kamen oft zu spät und in der Putzkolonne hatte<br />

eine geheimnisvolle Veränderung stattgefunden, eine<br />

innerbetriebliche mentale Verschiebung, wenn nicht gar was<br />

ärgeres, die Wirtschaftslage oder so. Jedenfalls fanden wir eines<br />

Morgens keine freien Plätze für uns und gehörten nicht mehr<br />

dazu. Die Kollegen hatten das Gebiet neu unter sich aufgeteilt<br />

und verteidigten ihr Revier. Unseren Job waren wir los.<br />

Florette hat dann im Fernsehturm-Restaurant auf dem<br />

Alex bedient. Ich sass wie in einem Karussel an einem der<br />

numerierten Tische auf der sich drehenden Plattform. Zur<br />

Linken schob sich die Aussicht nach hinten weg, zur Rechten<br />

zog ich an Tresen und Türen und mehrmals auch an Florette<br />

vorbei, die keine Zeit für mich hatte. Wenn ich die Szenen<br />

zusammensetzte, die mir nacheinander erschienen, während<br />

ich langsam meine Geliebte umkreiste, glaube ich, dass sie<br />

in Geschäfte verwickelt war. Beim Weggehen sagte ich: Die<br />

Unterwelt trifft sich ja ziemlich hoch oben. Florette sagte, ich sei<br />

bloss neidisch, weil ich es nie weiter bringen würde als Muttchen<br />

das Handtäschchen zu entreissen. Und nicht einmal das! Ich<br />

stand in Wilmersdorfer Vorzimmern herum und behauptete, ich<br />

habe das Putz-Gen, ja, Gnädige Frau, stellen Sie sich vor, man<br />

hat das Putz-Gen gefunden, unsere Familie hat das Putz-Gen,<br />

sagte ich, es ist erblich, aber ich bekam den Job trotzdem nicht.<br />

Und eines Tages verschwand Florette.<br />

Es war der Sommer, in dem die Sonne ihre runde, begrenzte<br />

Form aufgab und sich über den ganzen Himmel spannte.<br />

Wolken verdampften augenblicklich, der blaue Himmel wurde<br />

weiß. Werden wir alle zu Afrikanern, fragte die BZ und hatte<br />

blonden Deutschen mit blauen Augen die Gesichter braun<br />

angemalt. Nachts stand die Hitze unbeweglich in den Häusern,<br />

Florette wollte hinaus, ins Freie. Madame geht noch aus, sagte<br />

ich, im Negligé, macht ja nix, rennen ja in Berlin jetzt alle im<br />

Nachtgewand rum, weil sie nicht schlafen können. Am nächsten<br />

Tag wurden Aufführungen von spontanen Regentänzen<br />

gemeldet. Die Stadt wartete auf einen Wetterumschwung, ich<br />

allein wartete auf Florette. Das Telefon blieb stumm, die Post<br />

kam zurück, in ihrem Zimmer wohnte ein Russe, und an ihrem<br />

Arbeitsplatz hatte man noch nie etwas von einer Florette gehört.<br />

Es war, als ob sie sich in Luft aufgelöst hätte. Aus diesem Nichts<br />

heraus plötzlich der Typ, der hinter ihr her war und mit mir<br />

diskutieren wollte, ob die Nachforschung noch Sinn macht, ob<br />

er nicht aufgeben solle, dann aber entschied, niemals aufhören<br />

zu können, sich nach dem Mäderl zu sehnen. Das ist eine<br />

stramme Maid! Vielleicht meinten wir nicht dieselbe Person.<br />

Auch an guten Ratschlägen fehlte es nicht: Suchst du immer<br />

noch deine Florette? Wenn du mich fragst, vergiss es, gib auf.<br />

Florette ist tot. Dieser Wahn ist mir nicht erspart geblieben.<br />

Ich wollte es nicht glauben und bin mir gar nicht so sicher,<br />

ob ich Florette nach jener Nacht nicht noch gesehen habe. Ich<br />

habe sie sogar so oft gesehen, dass ich an den Trugbildern fast<br />

verzweifelt bin. Ich entdeckte Menschen in der Ferne, die ihr<br />

ähnlich waren, beim Näherkommen aber zu anderen Personen<br />

wurden. Studierte ich jedoch die Gesichtszüge meiner alten<br />

Bekannten länger, die bis dahin alle so gar nichts von Florette<br />

an sich gehabt hatten, so wurde die Affinität immer grösser.<br />

Florette und ihre Wandlungsfähigkeit, sie hatte von vielen<br />

etwas, deshalb hatten viele etwas von Florette. Meine private<br />

Fahndung wurde dadurch nur umso fanatischer. Ich hatte keine<br />

Kraft mehr, und doch fühlte ich mich zwanghaft immer wieder<br />

Richtung Hermannplatz gezogen, als ob ich dort noch einmal<br />

jenes erste Bild und mit ihm Florette wiederfinden könne. Es<br />

war schon dunkel, als ich mich über das Geländer der Kottbusser<br />

Brücke lehnte, und es wäre gelogen zu behaupten, es sei im<br />

Landwehrkanal etwas Rotes geschwommen. Es war in der<br />

schwarzen Tiefe nichts, ich sah allenfalls rot vor Erschöpfung.<br />

Ich hörte ferne Sirenen sich nähern. Eine Hand legte sich von<br />

hinten auf meine Schulter. So wie im Fernsehen, wenn der<br />

Kommissar dem Bankräuber beim Aufschweissen des Tresors<br />

eine Weile zugeschaut hat, Guten Abend, der Einbrecher dreht<br />

sich um, nimmt gleich die Hände hoch und gibt auf. Ich gab<br />

auch irgendwie auf, als Frau Smith, die Hauswartsfrau, vor mir<br />

stand. Über die Brücke fuhr jetzt sehr viel rote Feuerwehr. Der<br />

Lärm machte es unmöglich zu verstehen, was Frau Smith sagte,<br />

als sie mir die rote Billardkugel gab. Ich wollte alles wissen,<br />

Florettes Botin am Ärmel zurückhalten und zwingen, mir<br />

Auskunft zu geben, aber Frau Smith war nicht mehr da, als ich<br />

aufschaute. Ich habe seitdem so oft und lange über die Botschaft<br />

nachgedacht, bis ihre Bedeutung gänzlich verblasste und<br />

nurmehr das Rot der Billardkugel übrigblieb. Wer weiss, ob es<br />

sich überhaupt je um eine Mitteilung gehandelt und Florette der<br />

Absender gewesen war. Wenn Florette gar nicht fort und immer<br />

noch irgendwo da wäre, würde ich sie ohnehin nicht erkennen,<br />

weil sie nicht mehr dieselbe ist. Florette ist nun vermutlich<br />

einer der Menschen, die ich kaum anschaue, weil sie keinerlei<br />

Ähnlichkeit mit Florette haben. Heute glaube ich, das ist die<br />

Wahrheit ihres Verschwindens.<br />

Und vielleicht muß auch ich eine andere werden.<br />

Desktopfoto Nr. 1<br />

von Gabriele Petricek, 6.12.2005.<br />

Schriftstellerin u. Kulturpublizistin.<br />

Schriftwechsel Nr. 1, supported by<br />

Wien<br />

Kultur


<strong>ST</strong>/A/R Buch VII – Waran<br />

Nr. <strong>10</strong>/2006<br />

49<br />

Arbogast is worried about the Rove‘s powers.<br />

Hillary will get caught fucking chipmunks, or Kennedy will be seen meeting with<br />

Osama in Vienna. Check the Drudge honey wagon to see whether it hasn‘t started<br />

already. Boston will be nuked by Iranoterrorists. We‘ve won the pennant and won<br />

the Superbowl a few times so it‘s time to go to heaven. All nine members of the<br />

Supreme Court will be gassed by Islamic fundamentalists, and Romney will have<br />

to declare martial law until Congress with an armed martial standing at the end<br />

of each row can approve a new court in an up or down vote. There‘s a lot of time<br />

between now and November 2006. Yes, I understand Arbo‘s point but wish it isn‘t<br />

that bad.<br />

Ihr Lederschwuchteln, ihr<br />

Weissgänger, ihr B-free Teelefonierer, ihr Götter auf<br />

weiss, ihr Dünnbäuchigen, gebt uns euer Geld oder<br />

wenigstens eure Fitnesskarte.<br />

Joe Harris: ok, be purple my friend, and feelgood, arab<br />

is watching you with pizza and kebab<br />

--------------------------------------------------------------------------------<br />

die gefälschten<br />

tagebücher des adolf H.<br />

es spricht der waheliche drogenkoordinator wiens:<br />

hannes weibl<br />

ich habe truppen. ich habe kämpfer. ich habe dünschiß<br />

mit SS.<br />

ich habe leute die ohne mit der wimper zu zücken,<br />

töten.( auch massen)<br />

ihr seit beschränkt in eurer legislative, exekutive,<br />

judikatur...ihr könmnt es lesen, ihr lest es! eure augen<br />

lügen nicht, aber die hornhaut könnte jeden moment<br />

schmelzen, s....<br />

wir können sie ersetzten, aber nur wir. auch eure<br />

nierenprobleme gehen mir am arsch vorbei: i have<br />

kidneys, more than dead bones. that means much, if<br />

you are a noncheker, i can kill you in one secund, you<br />

dont recognize it. even you are finished right now. i tell<br />

you brother , your existenz is nothining, zero, you are<br />

an agent now, when you read this. so follow the line.<br />

and keep it as real, otherwise you are dead, finished,<br />

broken.<br />

vienna is a kapitalistik city of love and rosetten. i<br />

love them. i kss them and take some licks. if your<br />

dick now gets stiff, or your pussi gets wetten das?<br />

its no problem if you have male and female<br />

attribution. than you are normal. i give yo..you the<br />

hormons you need.<br />

ihr wisst doch alle die indianer stammen von den<br />

russen ab. oder kennt ihr vera russwurm nicht?<br />

...gloria hat den archequanten mitentwickelt...<br />

alfred busenbauer,... usola stenzl( pseudonüm)ursula<br />

stengel<br />

sc ottenring, fc ottakring- ottagringo.-civilisation heals<br />

the nation.<br />

save the planet. kill yourself...


50 Nr. <strong>10</strong>/2006<br />

Buch VII – Waran<br />

<strong>ST</strong>/A/R<br />

a b c d e f g hi j k l m n o p q r s t u v w x y z<br />

a b c d e f g h i j k l m n o p q r s t u v w x y z<br />

<strong>ST</strong>/A/R<br />

Wiener<br />

B e z i r k s<br />

b l a t t<br />

Leasing<br />

Dagobert Fuck, System Kollapse<br />

...habe mir unabsichtlich die Pulsadern<br />

aufgeschnitten, und bin aus dem fünften<br />

stock gestolpert. Aber es sollte einfach<br />

nicht sein.<br />

Wie soll ich das bloß meinen Kollegen im<br />

Büro klarmachen.<br />

Zu gewinnen gibt’s dann eine Weltreise<br />

mit: Mahatma Ganja, Mutter Theresa<br />

Orlovsky, Mona Lisa Simpson, Steve<br />

Wonderbra, Robin Fut, Peter Macintosh,<br />

Oliver Dschingis Kahn, Nora Jones, und<br />

den Rolling Stones.<br />

Ford Knox 4WD- ein gramm für zehn<br />

euro..succeed...!!<br />

SAUFEN<br />

das Hobby zum beruf machen<br />

Beim Seifenblasen könnt ich soooo rumkugeln.<br />

Seepferdchen reiten auf Kugelfischen.<br />

Vom Kugelfischen bekommt er<br />

Seifenblasen.<br />

Minority Report<br />

Schau mich nicht an wenn ich mit dir<br />

rede!<br />

ich hab goldene Eier, aber hängs nicht<br />

gleich an die große Glocke<br />

ich bin nachtblind auch untertags...<br />

Nichts persönliches, aber ich kann dich<br />

nicht leiden( sehen)<br />

Ich bin dein Todfeind.<br />

minority report. rudi spielt tom cruise<br />

turbo.<br />

Papst Benedict nicht richtig. Der Schleich<br />

Christ sich. Verdammen im ewigen Arschlochficken.<br />

seit derr virgin megastore zugefotz hatt<br />

wewe glücklich pfurze. pavel baxabt behandelt<br />

mich wie einen Hitlerjungen.<br />

Die beste Wixvorlage ist der hundert Euro<br />

Schein, er hat mir die welt erklärt. bei mir<br />

ist er schon ganz weiß, und klebrig, und<br />

pickt an jeder wand, so wie das restliche<br />

geld der ganzen welt, von jedem land der<br />

Schein, wixen macht nämlich freiheitlich.<br />

Rudi ist eigentlich eine Bitterschokolade,<br />

mit gefrorenem Sperma, von Stefan Weber.<br />

-für Retortenbabys, weil Steffi will die<br />

ganze Welt überbevölkern, und die Kinder<br />

spielen dann Fußball und wixen den ball<br />

ins Tor. und...<br />

be real, be steel, like a lion<br />

in saigon. fuck rudi, rudi<br />

must die. Love me, but<br />

leave me. i´m tired, very<br />

tired, my friend.<br />

verthinken in Gedanken. think about<br />

i lost my brain in the taxi<br />

San Sebastian Baxant, Papst Johannes Paul Baxant,<br />

Die steirische Leiche.<br />

hell-mad zilk, jörg high-there, fred sinno, whats up?,<br />

puschemi guraz...<br />

Jugo Proksch, Bosovo Albaner Linton Crazy Johnson,.,,.,..<br />

..,. ,,.<br />

östrer reich ist frei<br />

der kasperl ist wieder da.<br />

hipp hipp hurrarei......raise dead,<br />

Al capuccino, der psychopate teil drei.<br />

Untalentierte talentsucher treibens mit<br />

J. Lo Budget( jeniffer lopez) sollte meinen leichenstarrenpenis noch einmal in<br />

den mund nehmen.<br />

Mein hemoriedepiercing bekommt meine kleine schwester condolliccia rice.<br />

Arnold schwarzenegger sollte noch ein paar nette worte sagen, und sich begnadigen.<br />

Cause jesus was a nigger. Be such an ashole- spreed your wings and fly away.


<strong>ST</strong>/A/R<br />

Buch VII – Waran<br />

Nr. <strong>10</strong>/2006 51<br />

‡<br />

Florence (Die Muta von Mary<br />

Lulu) liebt mich so wie ich sie.<br />

Sexsucht ist nicht heilbar, Liebe<br />

schon. Mein Erzfeind ist und<br />

bleibt Herwig... Lass die Finger<br />

von meiner Frau –<br />

du verdammte Sau<br />

Stefan Weber ©<br />

Kalimero Kaiser Nero - Cobra übernehmen<br />

Sie - Ungustl 1 an Ungustl 2 - Gotteslästerung<br />

ist Ehrensache - ungläubiger Abfall - Ich liebe<br />

nur Mich(i) - Chucky die Mörderbitch - was<br />

ich tue geht keinen was an - Haupsache ich<br />

heirate heute noch - Franz Hantl trainiert<br />

wieder - Soudcheck im Puff - unerträgliche<br />

Leichenstarre in der U4 - Mir fällt ein Stein<br />

vom Herzen genau auf den grossen Zeh<br />

was kann ich für euch tun ? Geld macht sexy.<br />

Be like Rudi my friend - (Bruce<br />

Willis Lee) Mein Vater ist Eddy<br />

Murphy und meine Mutter<br />

Pamela Andersrum. Meine<br />

Tochter heisst Discovery und<br />

meine Gerngrossmutter heisst<br />

Gloria und bedeutet für mich<br />

Goldhamster.


<strong>ST</strong>/A/R Buch VII – Waran Nr. <strong>10</strong>/2006 53<br />

Tote leben länger<br />

besonders die Sänger<br />

Ich mache Musik für den Endsieg<br />

Meine Brüder werden immer müder und ich kann<br />

nicht schlafen<br />

Meine Energie zwingt die Mädels in die Knie<br />

Ich krieg bei die Alimente Prozente<br />

Wennst depat bist hau ich dir die Zähnt ein<br />

Gerngross ist mein Größenwahnsinn. Mit meinem<br />

Gehänge treib<br />

ich alle in die Enge. Pavel heiß ich und Nutella scheiß<br />

ich<br />

Freunde der Blasmusik ich vertrage sicher keine Kritik<br />

Ich bring dich um<br />

ich mach den Finger krumm<br />

Ich werde dich erlösen von all dem Bösen<br />

Auf deiner Beerdigung leg ich den Rest der<br />

Belegschaft um<br />

Alle Huren außer Mama<br />

Bei mir gibt`s immer Ramba Zamba<br />

Mit meinem Waffenarsenal feg ich die Erde kahl<br />

Mein Hausverstand setzt alles in Brand<br />

Und hab ich dann die Menschheit um die Ecke<br />

gebracht<br />

wird einmal Urlaub gemacht. Wer leben will glaubt<br />

an mich<br />

liebe Welt ich liebe dich<br />

Das Leben sagte zu mir hier kommst du nicht lebend<br />

raus<br />

Denken liegt mir nicht drum schreib ich dieses<br />

Gedicht<br />

Die ganze Kohle bekommt der Pole<br />

dann gehn die Kröten flöten<br />

wir haun des Knedl am Schädl<br />

Durch die Mäuse bekommen wir Filzläuse<br />

den Rest der Knete kriegt Tante Grete<br />

der Alkohol bietet ungeahnte Möglichkeiten<br />

Sekt macht meinen Tag perfekt<br />

Bier weckt in mir die Neugier<br />

Am nächsten Tag ich der Alkoholvergiftung erlag<br />

Florence gib mir noch eine Chance<br />

Aller Laster Anfang ist das Nummernschild<br />

Du bist total süß-sauer Mir kommt`s gleich hoch<br />

No sleep to Broklyn<br />

Die Bestie Mensch<br />

Glück ist wenn man nicht von sich besessen ist. Paver<br />

hat kein Glück<br />

Rudi schon, aber der ist von mir besessen. Du wilder<br />

Hengst ich werde<br />

dich noch zureiten. Du bist die schnellste Hand vom<br />

Mexikoplatz<br />

Meine Feinde nennen mich den oaschwoamen<br />

Schweden meine Freunde<br />

nur Schwuchtlpeter<br />

Liebe das Leben wie eine leere Schuhschachtel<br />

Verweigere den Wehrdienst und besetze ein Haus<br />

Laß Gras rüberwachsen und mach keine Faxen<br />

Diddl- Dodl- Heidudldulf<br />

Ru- Ru- Rudi<br />

Schwu- Schwu- Schwuchtl<br />

Die Baxants planen einen Banküberfall denn sie sind<br />

in der Überzahl<br />

Mein Drogenkonsum durchbricht bald die<br />

Schallmauer<br />

Get the flow Keep it real Love is a stranger<br />

Sex ist Krieg bei dem beide Seiten gewinnen können<br />

Tu mir einen Gefallen und laß die Hüllen fallen<br />

First of all I wonna thank all the ladies who keep me<br />

fresh<br />

In the future I will stay a Lutscher. When I was born<br />

they called me<br />

the peacemaker. The world is turning and my pussy is<br />

burning<br />

When I say Ping you say Bong. Loose your time<br />

suicide is a crime<br />

Eat the bitch. See the rainbow we have to go<br />

Yankee dudl forever Rudl. Money makes the night<br />

sunny<br />

Let`s chill. We are family I got all my sisters with me<br />

Die Stewardess macht Streß. Deine Pflicht kennst du<br />

nicht<br />

Helmut Kohl hat Kohldampf. Beckenbauer pinkelt an<br />

die Berliner Mauer<br />

Sport gehört verboten sowie Geldnoten<br />

Ein Strandbad für Agranat. Meine Freundin heißt<br />

Arschtritt, mein Chef<br />

Elender und mein Hund Gschissener<br />

Meinen Job hab ich an den Nagel gehängt so wie Jesus<br />

Endlich ausspannen in der Lobau. Schamhaare sind<br />

Stoßdämpfer<br />

Als ich zu dem Schas sagte verzieh dich hatt er mir ins<br />

Gesicht geschlagen<br />

'Der Duft der großen weiten Welt<br />

Ich mach Kompott aus dir (Marie LaLeLu)<br />

Bin harmoniesüchtig<br />

USA<br />

Einmal salsatanzen bitte<br />

Cha Cha Cha in<br />

Ich schicke jedem Brillenträger meine Schläger.<br />

Die prügeln euch windelweich über den großen Teich<br />

In iGod we trust alle Amerikaner in den Knast<br />

Alles Banane<br />

Bleib auf den Hoden der Realität<br />

Junkies marschieren im Stechschritt die Armee der<br />

Finsternis<br />

join the army believe in Arnie<br />

lonesome callboy<br />

Mein Vater ist zum 3. mal Mutter geworden<br />

Mein Bruder ist ein Boxenluder<br />

Toni Polster Freilandeier<br />

limitierte Stückzahl<br />

Rudi arbeitet im Kohlebergwerk in der Capistrangasse<br />

beim Führer<br />

Arrest für Inzest lebenslängliche Einzelhaft für die<br />

Habsburger<br />

Ich hau dir die Nase blutig Asoul ist viel zu mutig<br />

und Rudi zu nuttig<br />

Blondinen können sich bei mir bedienen. Ich hab mir<br />

ein bißchen was auf die Seite<br />

gelegt also ein kleines Vermögen zusammengespart<br />

auf der Samenbank<br />

Gab es im Golfkrieg nur 18 Löcher<br />

Man braucht ein drittes Standbein/Standbeidl<br />

Damit hab ich Nichts zu tunfisch<br />

<strong>10</strong>dag Seepferdchenleberkäse<br />

dancefloorence Zicke Zacke<br />

Schneeflitchen. Dornmöschen, Raprunzl. Aschenfutl<br />

Ach wie gut das niemand weiß daß ich immer<br />

Hackenkreuze scheiß<br />

Ich pinkel Dinkel<br />

Es gibt mehr Fragen als Antworten<br />

Der Sinn des Lebens ist 42<br />

Vom Tellerwäscher zum Geschirrspüler<br />

Bin im Stand<br />

Bin Nutznieser habe Heuschnupfen<br />

Sein Ruf eilte ihm voraus und seine Vergangenheit<br />

holte ihn ein<br />

Eminem ist plemplem<br />

Laut Umfrage hat Rudi einen Saumagen und einen<br />

Pferdeschwanz und übernatürliche Kräfte<br />

(Kiloweise Ganja Anm. der Redaktion)<br />

Bin im Geräteschuppen einen spliffen<br />

Schamlippizaner<br />

Beidlinger Hauptstraße<br />

Ganz spontan leg ich mich mit euch allen an<br />

Niemand hat mir zu sagen wie ich mein Leben zu<br />

leben habe besonders nicht Nimma<br />

Agnes ist ein Wagnis<br />

nackte Tatsachen in der Sauna<br />

Cola hilft bei Spermaflecken<br />

Blonde leben besser<br />

Bei jedem Taxi heb ich das Haxi<br />

steinreich = stoned, rich<br />

call the police I need peace of mind<br />

Helfen sie der Polizei verprügeln sie sich selber<br />

Planet der Waffen<br />

Ich zünde gleich eine Sexbombe<br />

Meine Schulden sind auch deine Schulden<br />

Vivienne I`m your man Gähn Schnarch<br />

zzzzzzzzzzzzz<br />

Politik belügt das Volk<br />

Es lebe Karl Moik<br />

Rudi in die Ecke scheißen Pavel dann die Scheiß<br />

umkreisen<br />

the hot Weber sisters ausgreifenstein<br />

Hundescheiße läßt uns den grauen Alltag vergessen<br />

und die braune Vergangenheit lebt wieder in uns auf<br />

Wir sind doch alle Nazis im tiefsten Unterbewußtsein<br />

Alle sind nur auf das eigene Vorurteil aus. Skinheads<br />

haben sich die Haare wachsen lassen und der<br />

Anschluß ist zum Greifen nahe. 'Der Papst war<br />

Hitlerjunge und ist es geblieben. Der Herzstich bei<br />

Jesus<br />

war überflüssig. Er hatte keines Jerusalem ist zu<br />

bequem<br />

Punkfood ist wieder voll im kommen<br />

Die Leute sollen wieder anständig grüßen sonst treten<br />

sie die gute alte Zeit mit Füßen<br />

Rassisten sind Zivilisten<br />

AKH bleibt Gewalt erzeugt Gewalt<br />

Organisiere Massenschlägereien in ganz Europa<br />

Hey Hey My My Rudi G. will never die<br />

This is the story of Jonny Rotten the king is gone but<br />

he is not forgotten<br />

out of the black into the blue<br />

Ich rauche gerne Panzergras und danach laß ich einen<br />

Eierschas<br />

Pavel heiß ich und auf euch scheiß ich. Ihr seid mir<br />

alle sowas von egal ich sag es nicht nocheinmal<br />

Lego formte mein Ego und Rudi meine Nudi<br />

Frauen sind der schönste Zeitvertreib. Ja auch ich<br />

mach für Geld die Beine breit<br />

Mein Weg ist noch weit aber ich lass mir Zeit. Nur<br />

ned hudln lieber<br />

Rudlbudan<br />

Hörner abstossen gemeint Arschgeweih<br />

Deutschland wartet auf den Anschlußtreffer<br />

Salz auf der Haut<br />

Pfeffer im Arsch Tomaten auf den Augen<br />

Gurkerl im ‘Ohr<br />

Kotze im Mund eine Einkaufsstraße in der Nase<br />

und Schimmelkäse auf der Angelrute nicht umsonst<br />

nennt man mich das Burgfräulein vom Burggarten<br />

Graz darf nicht Venedig werden Das Trettboot<br />

ist voll<br />

Ohne Grenzen gibt es keine ‘Freiheit<br />

Wir d.h. die Partei und ich sind für 250sprachige<br />

Ortstafeln<br />

Freibier Marihuana zum Abwinken und Steuererlaß<br />

für Politiker<br />

Niemand wird ewig einen hochkriegen das Rohr<br />

neigt zum Biegen<br />

Eine Orgelpfeife steht neben der anderen<br />

Bauer sucht Sau Drecksau mit Ringelschwänzchen<br />

Ein Joint, ein guter Joint das ist das Beste was es gibt<br />

auf der Welt<br />

Meine Waschmaschine hat ein Schleudertrauma<br />

Die Domina hat ein Peitschenschlagsyndrom<br />

Im Vatikan stellen sich die Nutten hinten an<br />

join the caravan of love<br />

We are all prostitutes<br />

There`s a light in the darkness of everybodies life<br />

Weust an Oasch host wie a Bergwerk weust a<br />

Wahnsinn bist füa mi steh i auf di<br />

Eine Ananas für Annanass<br />

Radieschen für Lieschen<br />

Dünnschiß kann<br />

Leben retten<br />

Mutter Theresa steht auf Reza<br />

Rejo träumt vom Damenklo<br />

Das Attentat auf Bruno löste den 3. Weltkrieg aus<br />

Wer sich tätowiert verliert<br />

OCB THC JOB RIZZLER<br />

ÖBB TNT JOOP RA<strong>ST</strong>A<br />

Rasta Schutta Spagetti Sajonara<br />

Habe die Achtung von mir selbst verloren<br />

Bin Hobbyastronaut<br />

Rudi braucht ein neues Fernrohr<br />

Sex mit Kindern sollte verboten werden<br />

UDO Würgens Harald Junkie Die Queen<br />

fährt mit der Bim nach Simmering<br />

Sebi de wix<br />

Meine Komplexe müssen das<br />

Land verlassen<br />

Kuhfladenbrot macht Wangen rot die heilige Milka<br />

Kuh ist tot<br />

Luzifer schläft nicht watch out<br />

Til Schweiger ist silber reden ist Goldberger<br />

Ich liebe eine ‘Toni Polsterschlacht<br />

In der Jauchengrube vergess ich meine gute<br />

Kinderstube<br />

RUDI ist der einzige Mensch der weiß was er tut aber<br />

keine Ahnung hat was er macht. Pavel hat seine<br />

ganze Energie verpulvert und ich kann wieder die<br />

Suppe<br />

auslöffeln.<br />

Die Schadensminimierung der Regierung bringt<br />

Steuererleichterungen für Multimilliardäre wie Heidul<br />

f<br />

Die Gier ist ein Fluch<br />

die Bibel ist ein dickes Buch Jesus riecht nach<br />

verwesus unsterblich verliebt glaube nicht das<br />

es ihn gibt<br />

Die Alimente spar ich mir für die Rente möchte reich<br />

sterben und ewig leben<br />

Jeder Vaterschaftstest ist wie ein Fest<br />

Masturbieren geht über studieren und<br />

kostet auch nix<br />

Rudi möchte allen Tschechen und Polen einen<br />

runterholen Er will euch nicht verkohlen auch mir<br />

hat er alles gestohlen Wer ihn zum Freund hat<br />

braucht keine Freundin mehr. Der Zeitaufwand ist<br />

unermesslich und enorm<br />

Finanziell geht`s ihm wie Willhelm Tell. In seiner<br />

Weltanschauung dreht sich alles um gute Verdaung<br />

An alle Koksdealer: ‘Nehmt den Mund nicht zu voll<br />

sonst kommt ihr nicht durch den Zoll<br />

Alle<br />

Schmerzgrenzen werden geöffnet Mein Essen<br />

kannst vergessen Der Stacheldrahtsalat schmeckt<br />

doch ein bißchen fad<br />

Last mich zurück in<br />

den Knast<br />

Nur dort war ich glucklich Check mir auf die<br />

Schnelle eine 4Mann Zelle<br />

Der Freiheitsentzug ist ein Betrug kriminell<br />

wird man schnell<br />

Stehe mit einem Fuß im Grab und mit dem anderen<br />

im Knast<br />

Kann den Sensenmann nicht abschütteln Marie<br />

‘Lou ist besoffen wie ein Turnschuh Sie läßt mich<br />

einfach nicht in Ruh Ihre Fahne ist nur Schikane<br />

In Wirklichkeit ist sie die uneheliche Schwester<br />

von Prinz Charles. Er hat Schlappohren sie einen<br />

Schlapphut<br />

Sie bringt mich auf die Palme weswegen ich soviel<br />

qualme. Wenn sie nicht Vernunft annimmt mach ich<br />

aus ihr peruanisches Gulasch. Das Gurkerl hab ich<br />

schon gewaschen<br />

EIN MÄDCHEN<br />

<strong>ST</strong>EH AUF UND KÄMPFE WIE<br />

Du hast ein großes Herz und einen noch größeren<br />

Penis mit dem spielst du Tennis<br />

Aufschlag Gerngross Vorteil WARAN Wetzen<br />

statt gleiten<br />

Rudi, die Raupe Nimmersatt zieht ihre Schleimspur<br />

durch die Stadt kein Ziel aber viel Gefühl 5<br />

Frauen paralell jetzt fordere ich dich zum Duell<br />

Bist wie ein Schanigarten mit einem Harten. Alles<br />

Oaschauswischerei du bist und<br />

bleibst ein Adabei. Vergiß das Hakeln du mußt nur<br />

mit dem Hintern wackeln.<br />

Werde nie wieder lange fuckln Dein Dackelblick<br />

ist doch nur ein Trick<br />

Im Polizeicomputer bist du ein guter (Dealer)<br />

Du hast das gewisse Etwas<br />

Klimaanlage, GPS, elektrische Fensterheber und<br />

schnüffelst gerne Superkleber<br />

Dein Joystick ist ziemlich dick ein richtiges<br />

Prachtstück aber schlecklich<br />

Privatpirat Freizeitworkoholic WOW das<br />

nenn ich Hormonstau Mach`s gut<br />

tschau<br />

Deine Falten können die Nation spalten. Du glaubst<br />

du bist immer noch in der Schule und schwänzt jeden<br />

Tag Ich liebe deinen Zahnbelag<br />

Heute ist es richtig Molekühl<br />

Randgruppen werden an den Rand des Wahnsinns<br />

gedrängt<br />

Minderheiten sollten ihren Horizont weiten und mal<br />

paragleiten<br />

Schlitzohren Schlitzaugen<br />

Der ganze Frust macht richtig Lust aufs Leben<br />

Jeder Wixer der Hand an sich legt wird exkomuniziert<br />

und muß doppelte Vergnügungssteuer zahlen.<br />

Kondome sind chefarztpflichtig und können nicht von<br />

der Steuer abgewetzt werden. Leistung muß belächelt<br />

werden<br />

Jeder Arbeitnehmer muiß ein Mittagsschläfchen<br />

machen. Löhne und Gehälter werden nicht ausbezahlt<br />

ein ehrliches DANKE muß genügen. Der Staat spart<br />

für uns. Konsum ist strafbar und Tabak wird<br />

endlich illegal und unleistbar<br />

TYRANO SAURUS FLEX WARAN GERNGROSS<br />

HAT LOKALVERBOT<br />

Möchte zu zweit einschlaften und zu dritt aufwachen<br />

vermehret euch<br />

Ehestand Krankenstand Griechenland<br />

I love my cunt and my cunt loves me Andreas<br />

Berger steht auf Stefanie Werger Bin so<br />

kanalfixiert<br />

Habe alle Neurosen und Komplexe dem Rudi<br />

geschenkt. Er macht Geld draus<br />

Kain und Pavel<br />

Vivienne renn<br />

Franziska Pflaum war mein feuchtester Traum<br />

WERD SIE IMMER LIIIIIIIEBEN<br />

EINE WELTREISE: in jedem Hafen eine andere<br />

Braut und jeder häng ich ein<br />

Kind an Rudi kümmert sich dann um den Rest<br />

Flieg mir in die Arme Zieh dich aus und mach das<br />

Beste draus<br />

Ö<strong>ST</strong>ERREICH<br />

DÜNNPFIFF FÜR<br />

Peter Westentaler Frust auf die Heimat<br />

Sie säuft wie ein Loch immer noch unter ihrem<br />

Hut steckt viel Mut<br />

Alle Damen warten aufs Absahnen sie macht<br />

Revolution durch Komunikation<br />

Sie braucht Lokalverbot wie einen Bissen Brot Ihr<br />

größter Wunsch ein<br />

Weihnachtspunsch. Der Wein legt sie jeden Tag a<br />

ufs neue rein<br />

Ihre Kinder hat sie erzogen wie Rinder Ariane<br />

hat eine Fahne<br />

Florence versetzt mich in Trance Herwig schaut<br />

aus wie Inspektor Derrick<br />

Bezwinge deine Augenringe Reite mit Heidulf in<br />

den Sonnenuntergang und<br />

fang ein neues Leben an und sollte der Sensenmann<br />

einmal kommen wird er sagen: Du nicht , du hast dich<br />

dein Leben lang daneben benommen<br />

Ich verscheuer die ganze Kirchensteuer Alle<br />

Pfaffen sind schwule Affen<br />

Nonnen haben an Sexapeal gewonnen Benedikt<br />

hat noch nie gefickt<br />

Der Vatikan verabschäut den Islam Das neue<br />

Testament hab ich verbrennt<br />

Pimkle nur in den Herrgottswinkel (90Grad)<br />

Beten kann die Welt retten<br />

Glaube an einen rachsüchtigen, schadenfrohen,<br />

narzistischen Gott, der sich am<br />

Elend jedes einzelnen aufgeilt und wenn man ihn<br />

braucht abseilt<br />

Er will uns alle nur in den Selbstmord treiben weil er<br />

seinen Fehler einsieht und die<br />

Erde für sich allein beansprucht. Die Bibel ist eine<br />

heilige Wixvorlage bis ans Ende aller Tage.<br />

Die Menschen rotten sich aus und er macht sich einen<br />

Spaß daraus.<br />

Er ist ein Kinderschänder mit einem Dauerständer<br />

Vom Anbeginn der Zeit<br />

ging er immer zuweit Damit ist jetzt Schluß für<br />

jeden Engel eine Kokosnuß<br />

und für ihn einen Kopfschuß<br />

Meine Liebe zu LSD oder wie Rudi mir sein Grab<br />

schaufelte<br />

Coca Cola ist der ur Runterholer sowie Rudi Waran<br />

Baxant<br />

mit dem<br />

Anal Fatal<br />

von<br />

Dr.Stephan Weber<br />

HEUTE I<strong>ST</strong> DER 23.02.2006<br />

Rudi 13, und Clemens 15 Jahre<br />

Der Diktator (Niki Lauda) steht auf<br />

einem Hügel. Er blickt aufwärts und<br />

schreit:„ komm, oh ewig leuchtendes<br />

licht, ewiges feuer verbrenne mich.<br />

lass mich eins sein mit deiner natur.“<br />

Gleichzeitig sieht man eine Atombombe, gezündet<br />

vom iranischen Diktator( Mahmud Ahmedinejad).<br />

Brief von Cassius C lay (boss der nigerianischen<br />

mafia/ Österreich) an Bill Cosby<br />

To my friend bill cosby<br />

I am sorry for trouble, shoot by car, for your son.<br />

I thought the too much weed of you made conflict<br />

on street. I shit on your Nigerian mafia style. You<br />

know who iam . i am nigerian mafia leader of<br />

spreeding brown sugar over moses hair, for relaxiation<br />

not for death, but i will take three years of<br />

prison, now am fiftysix and i am finished.<br />

Cassius Clay- not only musican#<br />

Die wahrheit muss gesagt warden:<br />

„wegen dir musste jem. Sterben, im afro dorf, you<br />

want to blow me away,i show you my real power,<br />

du hast nur ein problem , dass dein sohn schwul<br />

ist, und vielleicht HIV-positiv, denkst du noch an<br />

gott. liebt er dich ? ich bin gefährlich ? und du<br />

versorgst stadtteile wiens mit heroin, du bist ein<br />

gefährlicher mann. You are a bushman. But remember<br />

not only bushman think anticlockwise…<br />

.S<br />

zene: die diktatoren sitzen auf sesseln und bedienen<br />

computer und chatenen gemeinsam, und<br />

sprechen laut.<br />

4Diktatoren: Quincy Jones, niki lauda, ursula<br />

stenzl , Cassius Clay/ inkl. 2Stimmen<br />

Quincy Jones:<br />

Canna, bis auf uns , deaf des wissen= explicit<br />

…Bedrohung des Puplikums..<br />

„Wir sind ein Kollektiv, wir haben ein kollektives<br />

Gehirn, wir denken im Kollektiv. Ihr dürft<br />

jetzt nicht an Feuer denken- denn wenn ihr an<br />

Feuer denkt, zündet unser iranischer Freund und<br />

Genosse, Mahmud Ahmedinejad eine atombombe-<br />

target: Wien Heldenplatz.<br />

Könnt ihr oder wollt ihr euch einfach nicht<br />

entspannen, wir haben Hypnotiseure die eine<br />

ständige Schlaflosigkeit, die nach vier Tagen zu<br />

einer völligen nervlichen Vegetativen und lokal<br />

Hirndisfunktionen, bishin zu ewigen Krampf<br />

und Epilepsie anfallen führen. Könnt ihr euch<br />

vorstellen so ein Leben zu führen. Ist euch dieser<br />

Kollektive Suizid bewusst? Oder das Wasser? Ihr<br />

wollt euch entspannen? Ihr wollt in andere Länder<br />

reisen? Sind euch vierzig tausend Kilometer Wasser<br />

hoch, eigentlich bewusst? Glaubt ihr surfen<br />

macht dann noch spaß?<br />

Oder die Luft? Ihr wollt Häuser bauen? Es wird<br />

Luftwind entstehen, da wird Granit zu Feinstaub!<br />

Glaubt ihr da kann jemand sein Gesicht behalten?<br />

Ihr fühlt euch existent? Für wie lange? Für das<br />

leben eurer Kinder auch noch? Oder nur für den<br />

nächsten Atemzug? Wollt ihr das licht ausschalten?<br />

Dann macht die Augen zu!“<br />

40.000 Meilen hoch Wasser.<br />

be water my friend (bruce lee).<br />

die Gravitation kann sich ändern,<br />

das sollte jedem Bewußt sein.<br />

Kommentar von ex-Schiespringer Goldberger-----<br />

-- www.andigoldberer.at<br />

Luft, Feuerwasser, Erde;<br />

Wir könnten vögelnd die Aidskrise bekämpfen, ist<br />

euch das klar.<br />

…mit einer Leichtigkeit.<br />

Wienerlied: nach Johann Strauss Senior: Iraner<br />

schreiben von links nach rechts eine versklavte<br />

für humane Denkensweise nicht wiederspuckende<br />

turka cola folklora nich identifizierbarer<br />

schrift in dubiose omnisexuellen chatforen: wir<br />

alle haben eine<br />

atombombe im<br />

oasch.<br />

…halt den<br />

Mondstein fest<br />

und spür die Kraft..<br />

-------------------------------------------------------<br />

---------<br />

Präsenzdienst, Zivildienst<br />

Ihr verstümmelt und tötet jugendliche Geister…<br />

okay!!!<br />

eye for eye<br />

Ich schlage zurück- das Imperium schlägt zurück.<br />

„Ich werde sämtliche, mir zu Verfügung stehende<br />

Militärmittel aneignen, wenn es sein muss auch<br />

mit Gewalt. Wir haben M16 und , Kalaschnikow<br />

für Nahkampftötungen.<br />

Weiter steht mir in Absprache mit dem iranischem<br />

Präsidenten und dem israelischem, leider<br />

an einem Schlaganfall erkranktem und schwer<br />

mitgenommenem, Ariel Sharon( mein Bruder ich<br />

liebe dich) eine Atombombe zur Verfügung. Dies<br />

ist keine literarische Nichtigkeit, und wir stellen<br />

hiermit ein Ultimatum für den Weltfrieden. Ich<br />

mach euch alle platt. Pusch emi guraz NATO,<br />

UNO, WWF, USA, Genfer Konvention, Aserbeidschikistan.-<br />

Ich hab euch eh alle lieb…<br />

Und in dreißig Tagen, wenn dann noch immer keine<br />

Ruhe ist, ihr Lausbuben, dann mach ich euch<br />

alle zu Burenwurscht.<br />

Also denkt über mich nach denn ich habe ur viel<br />

Macht, viel mehr als ihr, viel mehr als alle Mullahs,<br />

alle Mullahs zusammen. Ich fick euch alle, denn<br />

ich habe Informationen.<br />

Ihr könnt mich nicht töten.<br />

Denn ich bin selber Mullah.“<br />

Nostrrawije winettwo<br />

-------------------------------------------------------<br />

---------<br />

Cosa Nostra…eure Vulkane<br />

Una grande familia.<br />

Die wahrheit muss ans tageslicht/nachtschatten<br />

------------------------------------------------------<br />

--------<br />

Kein leugnen der Wahrheit,- weil die Wahrheit<br />

muss gesagt werden, damit unsere Mitmenschen<br />

an die Sache mit destruktivem Enthusiasmus<br />

herangehen können.<br />

Ode an king mao nachkomme von pharaoh tut<br />

ench amun……..i talk much about the atomic<br />

bomb with him, die warheit muss gesagt werden<br />

5.) Sie vietnahmen alles mit, die Franzosinnenwir<br />

sind USA Freunde- USA for Africadu<br />

schwuler Cowboy, du geiler Bock, ich liebe<br />

dich, wir alle lieben dich,<br />

… nimm mich. Egal wie, so wie es dir gerade<br />

gefällt,… spür meinen Atem, den Hauch unendlicher<br />

Einsamkeit, den Hauch der Verwesung. Blas<br />

mir ins Gesicht, reib dich an mir, und drück ab.<br />

…be a shame(haar).. blowing in the wind, my<br />

dirty old dick.<br />

… walk for machinery…<br />

Be such an ashole<br />

loose _ontrol, and be a member of scientology.<br />

Lynch the antijewis, homophobien, fick dich selbst<br />

in oasch, du ragga, reaggae, dance hall, MC Mothefucking<br />

bixenklescher Schwulenfeindlicher-<br />

I cut your dreads and cook them.<br />

i cut your rastalocks for homer homy.<br />

Don’t go to the camera<br />

We burn it down. We know where you live, we<br />

know where we from. We follow your steps, and<br />

when you fall asleep, your motherfucking as burns<br />

like Mr. Burns. We burn down your house, we<br />

rape your motherfuckin white bitch. Your children<br />

get in slavery, and so it goes on.<br />

Adolf hitla junior<br />

Fuck! Yeah, he is Black.<br />

Meine Vorhaut ist mir heilig,<br />

und heilige Kühe sind Rinderwahn.<br />

Be a dog! A hot dog. Than at least I feed you, with<br />

any stuff you want….. be a good friend of mine<br />

Ich erkläre mich(Quincy Jones):<br />

Ich bin ein Drittewelt k.a. ok.e ;) wir reiben an<br />

Gulaschnockerln und leiden an in Oaschsteckenden<br />

Eiernockerlschaasn. Iran. Ich rufe Opa um 20<br />

uhr an.<br />

Ich und Florian??? Who the fuck is…?<br />

-------------------------------------------------------<br />

---------<br />

würstelbudan.das winer wahrzeichen<br />

Eine würstelstand romanze zwischen zwei schwulen,<br />

einem schwarzafrikaner nigerianischer<br />

herkunft asylant in schubhaft der Ma 24/12.<br />

und einem weißen österreicher.<br />

weihnnachtsmann plediert auf steinigung<br />

des jüdischen deserteurs<br />

wir lieben euch alle.<br />

Keine vorurteile, nur nicht zu schnell<br />

handeln, abwarten und tee trinken<br />

Earl grey<br />

Bier ist wie Scheisse- stark und eigenmächtig.-zitat<br />

Ende<br />

Für mich, also persönlich- die Wahrheit<br />

muss gesagt werden.<br />

Assosatztionen- Worter nützen sich<br />

ab- wie Werkzeuge,- sie sind schwer<br />

Vorbelastet, und werden missverstanden.<br />

----------------------------------------<br />

------------------------<br />

„…wem läuft da nicht ein Schauer<br />

über den RehRücken? Das ist einfach<br />

nur noch primitiv… ich bin<br />

zwar etwas senil,- Persil- eventuell<br />

geht manuell.<br />

FM4 hat mir heute mit Zynismus<br />

und Sarkasmus den Krieg erklärt. Sie<br />

stehlen meine Ideen, und deswegen hat dieser<br />

Radiokanal mir Rechenschaft zu geben. Oder<br />

Einblick in die Machenschaften dieses Senders zu<br />

geben.<br />

und mir dem Redaktor dieser Sendung und dem<br />

Kommentator habe ich noch eine Rechnung offen.<br />

Deren Tötung b.z.w. Zungenabschneidung wurde<br />

bereits in Auftrag gegeben.<br />

Obwohl ich es mir nicht erklären kann….<br />

Obwohl in Absprache könnte man über ein<br />

finanziell, für mich rentables, Geschäft sprechen.<br />

Anstatt uns in zynisch und sarkastischer Ungeübtheit,<br />

Unwissenheit, Blödheit zu üben. Uns<br />

nachzuäffen wie es die primitive Schauspielkunst<br />

in den geistig unterentwickelten, unterernährten<br />

primitiven Ländern so üblich ist.<br />

Okay, ihr seit zwar unterentwickelte Primaten aber<br />

ihr habt die Kohle, und an dieser bin ich interessiert.<br />

Ich saug euer Gehör mit einem von tiven Elementen angetriebenem Staubsauger aus<br />

radioakeuren<br />

Gehirnwindungen, dann seit ihr Beethoven,<br />

und hört nicht einmal den grossen Knall.<br />

Ihr betet für mich und Kebap gibt’s dann überall<br />

umsonst. Weiters fordere ich einen roten<br />

Mercedes zum gratis Ess & Drink mix Laden.<br />

Weiters besuche ich mit einer staatlich geförderten<br />

Leibeigenschaft die besten Buffs in Bratislava.<br />

Weiters wird der derzeitige Drogenhandel zu 80%<br />

auf mich überschrieben. Was bedeutet: zu hundert<br />

Prozent banka- Brasil, banka- Peru, banka Sicilliano-<br />

con fidel castro`s cuba. Putin( Russland ),<br />

Sharon( Israel), Steve Wonder( Los Angeles)…<br />

Steve you are blind, cause you saw the light, it was<br />

to much for you, my friend, the light blindet you.<br />

Keep the fire, even you watch me, even you smell<br />

my puhbs,- you are finished.<br />

But your music makes me fuck my little doughter.<br />

Ihr moralischen Schweinderln.<br />

-------------------------------------------------------<br />

Ursula Stenzel. Sie hat Fehlgeurteilt in mehreren<br />

protokolarisch aufgenomenen, archivarisch feststellbaren<br />

Dokumenten.<br />

z.B.: Zeit im Bild, Universum( das Nilpferd rechts<br />

hinten), Mini Zip, gayhotline-atv.<br />

Ich bin da Rosettenking- maniac of the year 1943.<br />

Die Spezialisten die aus dem Bulgarisch, Rumänischem,<br />

ein wenig Kaukasus kommen, zeigen eine<br />

hohe Motivation for killing a whole not for about<br />

5000 euro. …so ist youre pleasure.i`m making<br />

pressure, I`m mafia, I have much power, power to<br />

let kill, by machinery, by heart, lever,<br />

Don’t follow me, im _not’ ….. don’t disturb,<br />

otherwise your system breaks down, i m engineer<br />

high quality, but your blood is delicious, like sophisticated<br />

red wine-but you must live my friend,<br />

fight again with your eternal power,i watch you, i<br />

learn, i smoke weed, lsa , lsd, my mind is superiour.<br />

I don’t fight you, you give me key. Nobody<br />

can kill you except your own system.”<br />

-------------------------------------------------------<br />

---------<br />

Heute ist der 9.3.2006<br />

Neue stellungnahme: ich wollte mit meiner provocation<br />

nicht töten, b.z.w. die veranlassung etwaiger<br />

foltermethoden veranlassen, sondern meine<br />

provokation diente ganz alleine zu einem neustart<br />

dr disskussion. Ich habe euch nig. Mafia gezeigt<br />

das mich meinungen bezüglich antischwulen, und<br />

antijüdischen meinungen verstören. Sehrwohl gab<br />

es opfer. So wurde in sechs laden marijhuanna<br />

Gefunden, und meines wissens eine nicht<br />

beachtliche menge an kokain beschlagnahmt, so<br />

lieber freund schech, wieso karikaturisierst du<br />

mich, sehe ich aus wie ein transsexueller? Bin<br />

ich zu schwul für dich? Bis du vielleicht verliebt<br />

in mich(i)? es tut mir leid. Und sogar tränen<br />

drücken mich. Warst du doch mit mir im<br />

kamera club in offensichtlicher treue, zur<br />

cosa


54 Nr. <strong>10</strong>/2006<br />

Buch VII – Waran<br />

<strong>ST</strong>/A/R<br />

Bild von ADAM


<strong>ST</strong>/A/R<br />

Buch VII – Waran<br />

Nr. <strong>10</strong>/2006 55<br />

be-O-bach-Ten<br />

Jörg Haider ist schwul, ich war letzte nacht mit ihm im bett, und wir haben<br />

durchgekokst. Es war einfach herrlich.<br />

Mit einem Brad for dem Kopf.<br />

Glaubst du an Wiedergeburt?<br />

Ich täte es dir wirklich wünschen.<br />

Dank dir macht sogar die einsamkeit wieder sinn.<br />

Der gerngrossglockner ist ausgebrochen, er war doch ein vulkan(vulva).<br />

Und auch wir werden aus dem Alltag ausbrechen.<br />

Cosa nostra Damus<br />

Freiheit ist kein menschenrecht- seltsam oder?<br />

Der dritte weltkrieg wurde abgeblasen.<br />

Dank dolly busta( rhymes)<br />

Und wir alle heben die recht hand zum altbewährtem hitlergruß.<br />

Die rechte hand von H.C.Strache.<br />

Gebts euch die handys und vertragts euch wieder.<br />

Eigentlich bin ich ja ganz anders, nur ich komme leider so sellten dazu.<br />

Jugo Boss<br />

Achtung: falsches Falschgeld ist im umlauf.<br />

Ich schwöre auf meine Ahnen,- Stammbaum fällen<br />

und wasche meinen Beidl in Unschuld.<br />

Wo ein Wille ist, da ist auch ein Dancefloor.<br />

Der weg ist nicht das ziel, vom leben versteh ich ziemlich viel.<br />

Blood on the dâncefloor<br />

Wer mich kreuzigt, der wird sich das Kreuz verreißen.<br />

Liebe Lisa Mona,<br />

Ich entschuldige mich hiermit offiziell für jedes wort das über meine<br />

Negerlippen kam, und distanziere mich von schwulenfeindlichen<br />

meinungsforschern. Obwohl es mir mit jedem wort todernst war, schwöre<br />

ich auf die gelben Seiten es nie wieder zu tun, Also es mir selber zu<br />

machen. Vor Gott und meiner ganzen Familie.<br />

Freunde der Nacht, es ist vollbracht. Familien gehen auseinander,<br />

wie Feuersalamander.<br />

Steine fallen vom Herzen, ...<br />

Ich bin wie das Gesetz,- überall<br />

Kaum war ich im Gefängniss fühlte ich mich zum ersten mal so richtig<br />

frei.<br />

Edi Finger Jr.<br />

Making of<br />

Panikmache- Hassprediger- Fitnessguru<br />

Gottesanbieter- inSekten- u.v.m.<br />

Alles Bullshit- red bullshit<br />

.<br />

Was ist scneller, Licht oder Gedanken?<br />

Cyborgstdumirdeinhandy?<br />

Ps.: schreib ein buch über kosmische liebe, oder du kannst unsere<br />

freundschaft vergeßen.<br />

Du Hampelmann.<br />

Hiermit kündige ich dir die freundschaft, mein Blutsbuder. Die ewigen<br />

jagdgründe sind zu einem reservoir zusammengeschrumpft. Und jeder<br />

indianer ist schwerer alkoholiker.<br />

Morgen ist heute, und gestern ist vorbei.<br />

Diese unerträgliche leichenstarre.<br />

Wozu worte?, spielen sie karten.<br />

Protokoll Ganslwirt:<br />

Hansi geht auf die Toylette.<br />

Rudi raucht eine Marlboro.<br />

Design oder nicht sein<br />

Könntest du mir finanziell zwischen die Beiene greifen?<br />

Mutant Chronicles<br />

Halb mensch, halb joint<br />

An meine engste freundin, die japanerin Fut zu eng.<br />

An meinen ängsten Freund, ...<br />

Geld sollte man ausgeben, bevor es einen belaßtet<br />

Noch zehn freiminuten...<br />

Verschlossene Gesselschaft, zutritt nur für unbefugte.<br />

Ihr könnt mich kreuzweise, waren seine letzten worte, und billy the kid<br />

wurde nie wirklich alt.<br />

Canna bis auf uns deaf des wissen.<br />

And tell it all your friends:“ the king is back in town“<br />

You son of a bush.<br />

Die erde ist eine Grube- kiss me when i´m thinking.<br />

Bild von ADAM<br />

Wieviel profil hat ihre scheiß Meinung? Heute schon gerubbelt? Und wie<br />

soll ich das bloß meinen kollegen im büro klarmachen?<br />

Selbstlose Selbstbefriedigung ist der erste schritt zur besserung.<br />

Be water my girlfriend..<br />

Von meinem Hong Kongenialem Partner, Bruce Lee<br />

Temperatour de france


56 Nr. <strong>10</strong>/2006<br />

AMS<br />

BEMÜHT<br />

Pflegemitschrift aus vier Jahren AMS Betreuung<br />

Buch VII – Waran<br />

<strong>ST</strong>/A/R


<strong>ST</strong>/A/R Buch VIII – China<br />

Nr. <strong>10</strong>/2006<br />

57<br />

nature is cool Hofstetter Kurt<br />

Der Zeit - und Licht Künstler Hofstetter Kurt mit seiner<br />

Miniatur “nature is cool” die er aus seinen Entdeckungen zur<br />

einfachsten Konstruktion des Goldenen Schnittes entwickelte.<br />

siehe wissenschaftliche Publikationen in Forum Geometricorum<br />

ISSN 1534-1178 und <strong>ST</strong>/A/R 05/Buch 14 Anleitung zur<br />

Konstruktion des Archiquant nach Hofstetter Kurt.<br />

Unser Cafe Kafka, Juli 2006 Foto © Heidulf Gerngross/Nokia Handyfoto


58 Nr. <strong>10</strong>/2006<br />

Buch VIII – China<br />

<strong>ST</strong>/A/R<br />

Stein und Design – die besten Pflaster<br />

mit Werkstatt Wien, Peneder und CHV GUNTHER<strong>ST</strong>RA<br />

Das Paradach eine großartige Österreichische Erfindung<br />

Peugeot <strong>10</strong>7 HDI<br />

Dieses Auto erfüllt alle Anforderungen um uns künftig<br />

als DAS <strong>ST</strong>/A/R AUTO zu begleiten.<br />

Kurzantwort nach einem David Staretz Test:<br />

Leicht, wendig, kostengünstig, modern und vierttürig.<br />

Der Peugeot mit dem kleinen Dieselmotor erklärt uns<br />

die Welt: mehr als 40 kw muß der Spass nicht haben!<br />

11,5 von 12 möglichen <strong>ST</strong>/A/R Gütesternen!<br />

Neubau Fertigstellung 2006 Bauzeit 2 Monate<br />

Bürohaus erbaut schon 1996 !!<br />

Peneder Halle 8x24 meter<br />

Axo - gezeichnet von Dipl.Ing. Sebastian Schmid


<strong>ST</strong>/A/R<br />

Buch VIII – China<br />

Nr. <strong>10</strong>/2006 59<br />

er von Wien bauen eine neue Halle<br />

SSE <strong>10</strong> 1220 Wien<br />

www.sgd.at<br />

ENTWURF :<br />

Diese Augen lügen nicht – Peugeot <strong>10</strong>7 HDI<br />

Foto David Staretz©2006


<strong>ST</strong>/A/R Buch VIII – China Nr. <strong>10</strong>/2006 61<br />

www.peneder.com<br />

120000 m 2 Paraschalen mit 25 Meter Spannweite.<br />

Ein Projekt mit Peneder für China – der ´Stadtattraktor<br />

Dieses Projekt wurde im Rahmen eines Lehrauftrages von<br />

Angelo Roventa und Heidulf Gerngross im Studio 3, Professor<br />

Volker Giencke, an der Universität Innsbruck entworfen und<br />

wird bei der geplanten Ausstellung im Bejing Royal Art Museum<br />

dem Chinesischen Volk als Österreichische Wirtschafts- und<br />

Geistesleistung präsentiert.<br />

Zu danken ist den beratenden Professoren des Instituts für<br />

Holzbau, Prof. Flach, und des Instituts für Stahlbetonbau, Prof.<br />

Feix, dem Konstrukteur der Trasse der Magnetschwebebahn in<br />

Shanghai.<br />

Besonderen Dank den mitwirkenden StudentInnen Christoph<br />

Eigentler, Gorana Eres, Salha Fraidl, Christian Gneist, Alfred Juen,<br />

Christian Obrist, Robert Reichkendler, Andreas Ried, Alexander<br />

Stich.<br />

stephansdom<br />

kolosseum_forum romanum<br />

Grössenvergleiche Kollosseum, Gizeh, Stephansdom<br />

gizeh pyramiden


62 Nr. <strong>10</strong>/2006<br />

Buch VIII – China<br />

<strong>ST</strong>/A/R<br />

Künstler der GRYASNAYA GALERYA NA MARATA<br />

iftaf – institut für transakkustische forschung<br />

bragofon, erstes stadium der Tinctura Artis “ tabu ”<br />

fotos by gerald<br />

kofler © 2006<br />

iftaf – stefan nussbauer fixiert noise bazar, 25.07.2006<br />

Владимир Яременко-Толстой: Ха-ха, Михаил, вы имеете наглость утверждать,<br />

будто бы в современном искусстве всё ещё существует табу!?!<br />

Михаил Акрест: Это вполне возможно. Всё дело в том, что понимать под словом<br />

«табу». Но даже если табу в современном искусстве не существует, то мы его<br />

тогда создадим.<br />

Владимир Яременко-Толстой: Подумайте, на что вы замахиваетесь? Все<br />

уже давно устали от художественных провокаций в искусстве, а сами эти<br />

провокации давно перестали быть табу, то есть, на самом деле в искусстве<br />

уже позволено всё…<br />

Михаил Акрест: Владимир, возможно, вы правы и все табу в искусстве уже<br />

действительно разрушены, но, не боюсь повториться, мы создадим новое табу!<br />

Владимир Яременко-Толстой: Вероятно, под словом «табу» вы понимаете нечто<br />

иное?<br />

vadis<br />

acrest<br />

Михаил Акрест: Ни в коем случае, под табу я понимаю именно табу! Но учтите,<br />

что табу может принимать различные формы…<br />

Владимир Яременко-Толстой: Какие же, например?<br />

Михаил Акрест: Например, форму тинктуры! Тинктуры – это сложные<br />

художественные произведения концептуального плана с интерактивными<br />

функциями. Они создаются для инспирации художественного процесса. Общее<br />

название – tinctura artis, это латынь.<br />

TINCTUR ARTI<strong>ST</strong><br />

Владимир Яременко-Толстой: То есть, напиток для художников, JOPArtist как я понимаю?<br />

Михаил Акрест: Совершенно верно. Пока что нам удалось дистиллировать<br />

три сорта тинктур – «химическая женитьба», «suprematum auri» и «cubus<br />

radicalis», созданных нами по оригинальным рецептам. В данный момент мы<br />

начинаем работу над тинктурой «табу».<br />

joping von vadis<br />

Владимир Яременко-Толстой: Но ваши тинктуры – это обычный дистиллят, водка,<br />

доморощенный самогон, вульгарный алкоголь.<br />

JOPA = RUSS.:<br />

valie AIRPORT<br />

Михаил Акрест: Это не так. Давайте возьмём водку и сравним её с<br />

тинктурой. Если водка коллективизирует сознание ее потребителей, то<br />

тинктура наоборот призвана влиять на индивидуализацию вектора восприятия


<strong>ST</strong>/A/R<br />

Buch VIII – China<br />

Nr. <strong>10</strong>/2006 63<br />

<strong>ST</strong>. PETERSBURG MIT VALIE AIRPORT IN WIEN<br />

acrest & valie airport planning<br />

revolution in russian art<br />

planning revolution in russian art<br />

NATURARCHIQUANT AUS RUSSLAND<br />

Valentin, Noisse Bazar<br />

Hary Wetterstein und Hans Tschiritsch<br />

Gäste der GRASNAYA GALEREYA<br />

Noise Bazar<br />

Andi Luft<br />

ARSCH<br />

Stefan nussbaumer see next <strong>ST</strong>/A/R<br />

Stefan Nussbaumer see next <strong>ST</strong>/A/R


64 Nr. <strong>10</strong>/2006<br />

Buch VIII – China<br />

<strong>ST</strong>/A/R<br />

HORACIO grüsst <strong>ST</strong>/A/R<br />

aus seinem Hof Castanheira da Ribeira, Aruchella Portugal<br />

LAND<strong>ST</strong>/A/R<br />

Wolfi


<strong>ST</strong>/A/R Buch IX – Auto <strong>ST</strong>/A/R<br />

Nr. <strong>10</strong>/2006<br />

65<br />

AUTO<strong>ST</strong>/A/R<br />

DAVID <strong>ST</strong>ARETZ<br />

FERTIGT FÜR SEINE FRAU VIKTORIYA SITOCHINA EINE KRONE,<br />

REDIGIERT, SCHREIBT UND FOTOGRAFIERT<br />

MAZDA DESIGNWORKSHOP<br />

VOLKSWAGEN CRAFTER<br />

FIAT GRANDE PUNTO<br />

LANDROVER BJ. 74<br />

<strong>ST</strong>/A/R-GAME FÜR ARCHITEKTEN UND SCHREIBTISCH-RACER<br />

<strong>ST</strong>/A/R Nr. 09/2006


66 Nr. <strong>10</strong>/2006<br />

Buch IX – Auto <strong>ST</strong>/A/R<br />

<strong>ST</strong>/A/R<br />

Concept Cucunft<br />

Mazda Designstudien<br />

Concept Cucunft<br />

Seit sich Mazda nach einigen Jahren Schrecksekunde und mit großer Hilfe durch Ford von finanziellen Problemen<br />

erfangen hat, ist man wieder selbstbewußt geworden: Die Produkte stimmen, man ist gut aufgestellt, der MX-5 hat<br />

nichts von seiner erstaunlichen Einzigartigkeit verloren, die Rotary-Engine ist nach wie vor ein vitales Thema und in<br />

drei Designstudios widmet man sich der Kür, Zukunftsvisionen zu planen und auf die Räder zu stellen als sogenannte<br />

Concept Cars.<br />

Wenn die Japaner künstlerisch werden, steht mindestens eine<br />

Philosophie der Gegensätzlichen Harmonien dahinter, wie sie aus<br />

dem Göttlichen Drama des vierzehnten Jahrhunderts überliefert<br />

wurde, und die Farbe des Wagens entspricht genau dem Schimmer<br />

eines hochpolierten Fuguhiki-Messers im Abendlicht von Miyajima.<br />

Doch, das mit der Messerfarbe stimmt wirklich, wie Atsuhiko Yamada<br />

beteuert, den alle Joe nennen, weil er dem Mazda-Designcenter<br />

in Yokohama vorsteht. Sein Concept Car namens Senku verläuft<br />

völlig ungebremst durch Scheibenwischer von vorn nach hinten.<br />

Die Schiebetüren orientieren sich an den Papier-Schiebewänden in<br />

Großmutter Yamadas Haus. Nettes Detail: Die Automatik-Stufenwahl<br />

bewerkstelligt man durch Fingerauflegen dort, wo die jeweiligen<br />

Symbole in Leder eingestanzt sind.<br />

(All das war unlängst auf Mallorca zu sehen bei einem Mazda-Design-<br />

Workshop zum aktuellen State of Art.)<br />

Was der Name von Concept Car Nummer zwei, Sassou bedeutet:<br />

Thinking forward. Hm. Peter Birtwhistle ist bereits seit 1999<br />

Chefdesigner im Mazda-Studio Oberursel, er hat den Kodex also<br />

voll drauf: „Der Wagen, angesiedelt am entry level for young<br />

buyers, verpflichtet sich dem Kumadori-Augen-Make-up, das sich als<br />

Mystery-look des Kabuki-Theaters herausgebildet hat.<br />

Gleichzeitig ist das Auto sehr translucent ausgelegt, Lichtlinien<br />

akzentuieren das Auto bei Tag und bei Nacht. Per USB-Stick kann<br />

man die schon tags zuvor per Internet ausgetüftelte Fahrtroute ins<br />

Navigationssystem des Autos übertragen, samt vorprogrammierter<br />

Musik, Haltestopps, Sightseeing ...“. Nichts ist schlimmer als gute<br />

Menschen, die sich alles so schön ausdenken, wie es nie sein wird.<br />

Dennoch: Der Sassou gilt als Urmodell für den real erscheinenden<br />

Mazda 2.<br />

Etwas straffer zur Sache geht Franz von Holzhausen, ein<br />

sonnengesträhnter Surfer-Boy, der dem Studio Nummer drei in<br />

Kalifornien vorsteht. Er war in seiner Laufbahn schon an NewBeetle-<br />

Concept, am Audi TT, am Pontiac Solstice und am neuen Opel-GT-<br />

Concept beteiligt. Sein Mazda-Kabura-Concept bedient sich bei den<br />

unverdächtigen Elementen Fire&Ice. Umso mehr ist der Name zu<br />

würdigen: er bedeutet nichts weniger als : „Klang des ersten Pfeiles,<br />

mit dem die Schlacht beginnt“. Kabura. Fusion of sharpness and<br />

mellowness. Der Wagen mit den ausgeprägten Formen hat heuer<br />

bereits einen großen Designpreis gewonnen und, was noch mehr<br />

zählt: junge Designschüler werteten den chromfreien Kabura als<br />

Nummer 1 auf der heurigen Detroit Motorshow.<br />

Mazda Kabura<br />

Franz von Holzhausen:<br />

Der Kabura verfügt über einen behende wirkenden Rumpf als<br />

kraftvolles Statement, sowie über gespannte Oberflächen. Jede Linie<br />

fließt in die andere ein, es gibt keine offenen Enden. Die Radkästen<br />

sind eng über die Räder gezogen, alles soll an ein Spinnennetz<br />

erinnern, das zwischen den Ankerpunkten aufgespannt ist.“<br />

Zwei-Liter-16V-Benziner, Sechsgang-Handschaltung. Ein neuartiges<br />

Leder-Substrat, das aus eingeschmolzenen Turnschuhen gewonnen<br />

wurde, ist Hauptbestandteil des Cockpits. Dieses Material kann in<br />

jeder Farbe, jedem Design hergestellt werden. Rechts gibt es eine<br />

versteckte Bonus-Tür zum bequemeren Einstieg nach<br />

hinten. Sie wird über Berührung aktiviert und<br />

gleitet, ähnlich wie eine „Pocket door“ in die<br />

Hauswand verschwindet, nach hinten in den<br />

Wagenkörper.


<strong>ST</strong>/A/R<br />

Buch IX – Auto <strong>ST</strong>/A/R<br />

Nr. <strong>10</strong>/2006 67<br />

Mazda Senku<br />

Atsuhiko Yamada: „Die Räder sind groß und möglichst weit außen an den Ecken platziert,<br />

was dem Design diesen fließenden Look verleiht. Den verstärkten wir mit einer straffen,<br />

hochpolierten Form, die Dynamik und Eleganz verkörpern soll.“<br />

Der Senku wird von einer Rotary-(Drehkolben-)maschine angetrieben.<br />

Auf Berührung gleiten die beiden Schiebetüren weit nach hinten und<br />

geben einen generösen Einsteig frei. In einen Teil des Glasdaches<br />

sind Solarzellen eingelassen, sie versorgen das Hybrid-System mit<br />

zusätzlicher elektrischer Energie. (Im Langsamfahrbereich wir der<br />

Senku rein von Elektromotoren betrieben.)<br />

Mazda Sassou<br />

Peter Birtwhistle: „Der Sassou verkörpert ein mögliches B-<br />

Segment-Car für urbane Singles, die auf dayily basis commuten.<br />

Das Exterieur wirkt leichtgewichtig und aerodynamisch; innen<br />

herrschen Flexibilität, Hi-Tech und Interaktivität. Dank USB-Stick<br />

lässt sich das Auto für tägliche Ansprüche konfigurieren.“<br />

Angetrieben von einem 1,3-l-Turbodiesel mit automatischer Stop-andgo-Abschaltung.<br />

Sechsgang-Automatik mit Doppelkupplung. Mittels<br />

USB-Stick soll die Möglichkeit bestehen, daheim Musik oder Navigations-Ziele<br />

downzuloaden und ins Bordsystem einzuspeichern. Die Rücksitze können mittels<br />

Compressed-Air-Morphing für einen oder zwei Passagiere konturiert werden.<br />

Franz von Holzhausen<br />

Peter Birthwhistle<br />

Atsuhiko Yamada


<strong>ST</strong>/A/R Buch IX – Auto <strong>ST</strong>/A/R Nr. <strong>10</strong>/2006 69<br />

VW Crafter 35 HR-Kasten TDI<br />

Zeit und Raum<br />

und lauter Freunde<br />

Man öffnet die große Doppeltüre und da<br />

ist nichts. Nur die angewandte Leere, der<br />

schiere Raum auf Rädern. Das bleibt nicht<br />

lange so.<br />

Die Durchdringung von Raum mit dem Raum, um<br />

mit den Kunstphilosophen zu sprechen, ist das<br />

Anliegen des Crafter, das sich im richtigen Leben<br />

natürlich wesentlich prosaischer ausdrückt: So<br />

viele Freunde hatte man noch nie. Und sie müssen<br />

alle übersiedeln oder endlich die Couch von der<br />

Oma holen oder den Kleiderständer quer durch<br />

das Land geführt wissen. Bisher hatte man gar<br />

keine Ahnung, wer aller ein Wochenendhaus<br />

besitzt!<br />

Der Volkswagen Crafter steht in der Tadition<br />

dieser ungemein schnellen Lieferfahrzeuge und<br />

Kleinbusse, die man auf der Wechselautobahn<br />

bergab (und immer häufiger auch bergauf)<br />

formatüberquellend im Rückspiegel kleben hat.<br />

Es sind diese Fahrzeuge, derentwegen ich gegen<br />

Tempo 160 bin, denn man sieht ihnen nicht<br />

an, ob sie leer sind oder vollgepackt bis unters<br />

Dach, aber das macht einen großen Unterschied,<br />

was Bremsweg und Kurventauglichkeit betrifft.<br />

Man kann sie also nie richtig einschätzen,<br />

denn die mögliche Differenz zwischen leer und<br />

beladen beträgt eineinhalb Tonnen. Aber diese<br />

Lieferkästen scheinen grundsätzlich immer<br />

schnell unterwegs zu sein.<br />

Jetzt, selber gefahren, wissen wir auch, warum:<br />

Erstens die Sitzposition. Der Fahrer thront<br />

auf professionellem Schwebesitz, der jede<br />

Bodenunebenheit feierlich ausschwingt. Durch<br />

die große Windschutzscheibe sieht man alles in<br />

Cinemascope, man überblickt den Verkehr, die<br />

Welt, das Leben wie auf Wolke sieben.<br />

Dabei ergibt sich aber, dass die ideale Fußhaltung<br />

Pedal to the metal ergibt, rein orthopädisch.<br />

Alles andere als Vollgas bedeutet Anstrengung,<br />

ungewohntes Lupfen des Rists.<br />

Man mag das nicht.<br />

Das Layout des Crafter ist spektakulär: Großer<br />

Radstand, extreme Spurweite, Reifen von<br />

sportlichen Dimensionen (bis zu 285/65 R16),<br />

Heckantrieb (durch Antischlupfregelung<br />

gebändigt), 136-Diesel-PS (partikelgefiltert),<br />

Sechsganggetriebe. Blattfeder vorne, Starrachse<br />

hinten. Im unbeladenen Zustand liegt der<br />

Schwerpunkt wesentlich tiefer, als es aussieht.<br />

Speziell das Superhochdach mit seiner Lichten<br />

Weite von 2-Meter-16 wirkt wesentlich<br />

umfalldramatischer, als es ist. Massive Bremsen<br />

(zwei Bremssättel pro Rad) werden elektronisch<br />

geregelt, aus dem Pkw-Baukasten übernahm<br />

man den elektronischen Bremsassistenten,<br />

der Hektik am Pedal erkennt und gleich noch<br />

fester zupackt. Antischlupfregelung und<br />

das Stabilitätsprogramm ESP verleihen ein<br />

Sicherheitsgefühl, mit dem man dennoch<br />

sorgsam umgehen muß. Relativ oft spürt man<br />

elektronische Eingriffe, nichts wischt so leicht<br />

wie ein leichtes Lastenbus-Heck.<br />

Der Wagen mit seinen 2000 kg Eigengewicht<br />

darf mit 1,5 Tonnen beladen werden und läuft<br />

locker Tempo 140. Man merkt bald, dass die<br />

aggressive Optik des LT-Bus-Nachfolgers rundum<br />

nicht besonders beliebt ist, irgendwie scheint<br />

schon die schiere Präsenz in Rückspiegeln den<br />

Stinkefinger zu aktivieren.<br />

In seiner überkompletten Grundausstattung<br />

(Airbag, Fesnterheber, el. Spiegel, Schwingsitz<br />

etc., kostet der Crafter 35.200 Euro. Es lohnen<br />

sich aber 1.576 Euro Mehrausgabe für die<br />

ausgezeichnete Klimaanlage, denn das Einladen<br />

von Nachbarsöhnchens neuer Schlagzeuggarnitur<br />

war wieder ziemlich schweißtreibend.<br />

volkswagen<br />

Der AutoStar vergibt an den VW Crafter 35 HR-Kasten TDI:<br />

<strong>10</strong> von zwölf möglichen <strong>ST</strong>ARS.


70 Nr. <strong>10</strong>/2006<br />

Davids LandRover 88 Pickup Bj. 74<br />

Buch IX – Auto <strong>ST</strong>/A/R<br />

<strong>ST</strong>/A/R<br />

Die Referenzkiste<br />

Mein Zweitauto, das mir das Auto erklärt<br />

Die Referenzkiste<br />

Kein Oldie, keine Rührung, keine Sentimentalitäten. Nur das Auto an sich. Alte Landrovers<br />

sind keine Sammlerstücke, sondern lediglich alte Gebrauchsfahrzeuge. Mein Landrover,<br />

mit bank bleckendem unter abgeschrammten Lack, hat die Anmutung eines zerspielten<br />

Matchbox-Autos. Irgendwas muss dem Vorbesitzer aufs Dach gefallen sein. Aber das ist<br />

lange her, denn ich fahre den Wagen auch schon bald 25 Jahre.<br />

Was nicht aus Leichtmetall ist, erkennt man gleich am Rost. Oder am Auspuffklang.<br />

Auf der Ladefläche (1,30 x 1,20 m) führe ich eine gigantische Luftsäule spazieren und hin<br />

und wieder einen Eiskasten, den ich seit neuneinhalb Jahren versuche auf der<br />

Müllbehörde zu entsorgen am vorletzten Freitag eines ungeraden Monats.<br />

Das ist die vordergründige Aufgabe meines Landrovers, so kennt man ihn<br />

zwischen Niederfladnitz, der Heimat von Freddy Quinn, und Retz, dem<br />

einzigen Ort der Welt, wo man meinen Namen<br />

auf Anhieb richtig schreibt.


<strong>ST</strong>/A/R<br />

Buch IX – Auto <strong>ST</strong>/A/R<br />

Nr. <strong>10</strong>/2006 71<br />

Das eigentliche Wesen dieses Wagens gründet natürlich viel tiefer. Wie beim<br />

Kapitän, der hin und wieder in seiner Geheimkladde nachliest, wo nichts weiter<br />

steht als „Backbord = links. Steuerbord = rechts“, so beruht halt alles, wonach<br />

ich jegliche Autos seit fünfundzwanzig Jahren teste und beurteile, auf diesem<br />

Referenzauto. Mit dem Landrover stimme ich mich monatlich auf den<br />

Kammerton naja der Testberichterstattung ein.<br />

Ja, dieser Grundton ist tief gestimmt.<br />

Er erklärt meine Großzügigkeit gegenüber den<br />

Versäumnissen modernen Automobilbaus und meine<br />

peinlich unterwürfige Bewunderung neuzeitlich niedriger<br />

Verbrauchs- und Abgaswerte. Andererseits wird jetzt klar,<br />

warum ich mit ästhetisch hochgespannten Karosserien<br />

ganz schlecht zurechtkomme. Kotspritzer auf einem<br />

Audi A4: Ein Reparaturfall. Eine Beule im Kotflügel eines<br />

Renault Mégane: Totalschaden.<br />

Im Gegensatz dazu profitiert ein Landrover von jeglicher<br />

Kaltverformung im Aluminiumblech. Jede Schramme macht<br />

ihn dank härtender Molekularlverschiebung<br />

widerstandsfähiger. Genaugenommen ist<br />

er schon so sehr zur Natur zurückgekehrt, dass sie<br />

ihn als ihresgleichen erkennt und mit ihren Gaben<br />

belohnt. Wie wesentlich Graspflaster, Lehmkitt<br />

und Schlammpackungen zur Fugendichtung,<br />

Lärmdämmung und Schraubensicherung beitragen<br />

können, brauche ich nicht sonderlich zu betonen.Moos<br />

in der Schiebefensterführung gleitet und dichtet<br />

zugleich. Die versifften Zündkabel schmecken den Mardern offenbar zu gewöhnlich.<br />

Der unterm Sitz vergessene Reithelm meiner Tochter half hingegen einer ganzen<br />

Mäusegeneration über den Winter; was sie mit der Styroporfüllung gemacht<br />

haben, weiss ich nicht.<br />

Ein wichtiges Utensil für den Motorjournalisten ist der Bleistift. Mit ihm<br />

verstopfe ich die Benzinleitung zum Vergaser und starte durch, falls der<br />

Motor abgesoffen ist, weil die Schwimmernadel nicht dichtet.<br />

Mit der Bleistiftspitze drücke ich in die Reifenventile, um Luft<br />

aus den Reifen zu lassen. (Alter Geländefahrertrick für besseren<br />

Grip, ich mach das aber nur, damit die unwuchtigen Reifen<br />

nicht so gnadenlos aufpempern.) Und mit der Bleistiftmine<br />

ziehe ich eine Kurzschluss-Linie in der Verteilerkappe als<br />

praktische Magie gegen’s Anspringen, wenn ich ihn partout<br />

nicht gestohlen haben möchte.<br />

Seit das Lenkrad nicht mehr so abschreckend grauslich<br />

pickt, nachdem ich es neu lackierte, habe ich Bedenken. Das<br />

öffentliche Interesse steigt. Man spricht mich immer öfter auf<br />

das Auto an, wenn ich mir wieder einmal ein Autobahnpickerl<br />

in die Großstadt geleistet habe. Manchmal stecken kleine Zettel im<br />

Schiebefenster („Habe Interesse an Ihrem Auto. Zahle bar! Tel 0664 ....“),<br />

die ich dann gern hinter die Scheibenwischer rostiger Ladas oder aufreizender<br />

Bentleys stecke. Dann erfreue ich mich an dem Gedanken über die wunderbaren<br />

Freundschaften, die ich damit stifte ... Ok., das ist halt so eine Art von Humor.<br />

Landroverfahrerhumor.<br />

Noch ein paar Worte zur Typologie: Der Typ 88 (das bezeichnet den Radstand<br />

in Zoll), also der kurze Landrover, wurde in Österreich praktisch nur als Canvas-<br />

Top angeboten. Der putzige Pickup mit alu-blecherner Dreisitzerkabine ist in<br />

Österreich äusserst selten zu finden. Mein Landrover traf 1975 von Solihull<br />

direkt in Unterstinkenbrunn ein. Hier wurden ihm Lenkrad und Pedale nach<br />

links versetzt. Im Auftrag des Erstbesitzers hatte man eine Betonplatte in die<br />

Ladefläche gegossen - zwecks Hinterachsbeschwerung. Als Ausgleich bekam er<br />

zwei zusätzliche Federblätter ins Kreuz gespannt – Wildfütterung spezial.<br />

Jetzt, wo diese<br />

Features rückgebaut sind, entdecke ich den<br />

Sinn dieser Maßnahmen. Bereits feuchtes<br />

Gras lässt die Räder druchdrehen und<br />

verlangt nach Allradantrieb. Dazu muss<br />

man einen gelben Knopf mit Wucht in<br />

den Fahrzeugboden drücken. Weil ich<br />

ein zur Technik freundlicher Mensch sein<br />

möchte, mache ich das nie mit dem Fuß,<br />

sondern mit dem … naja, irgendwie mit<br />

dem Genick: Meistens bin ich danach so<br />

krumm verschossen, daß ich drei Tage lang<br />

für einen höflichen Menschen gehalten<br />

werde.<br />

FIKA


72 Nr. <strong>10</strong>/2006<br />

Buch IX – Auto <strong>ST</strong>/A/R<br />

<strong>ST</strong>/A/R<br />

Filzstift-Ferrari gegen Marker-McLaren<br />

Das Auto-<strong>ST</strong>AR-Rennfahrspiel für Architekten, Arithmeten, Asketen.<br />

Und überhaupt alle, die Karopapier und zwei verschiedenfarbige Stifte besitzen.<br />

<strong>ST</strong>/A/R GAME<br />

Schwarz durfte beginnen, besetzte die Pole und fand eindeutig<br />

die bessere Linie als Rot, das aus dem Windschatten<br />

musste. Dramatik in der letzten Runde: Schwarz fliegt fast<br />

raus, muss korrigieren, Rot geht auf Kampflinie, Schwarz<br />

rettet den Vorsprung ganz knapp ins Ziel.<br />

Rennstreckenplanung © DAVID <strong>ST</strong>ARETZ<br />

Man zeichnet einen tollen Rennkurs.<br />

Dann fixiert man Start und Ziel.<br />

Münzewerfen für die Pole Position.<br />

Der anfängt, fährt ein Kastel weit. Der zweite auch.<br />

Und jetzt zum Spielprinzip: Die beim letzten Zug<br />

gefahrene Strecke wird (in Kastel-Koordinaten) immer<br />

neu übertragen. Das ergibt den Mittelpunkt für den<br />

nächsten Zug, der immer ein Kastel weiter links,<br />

rechts, vor oder hinter dem Mittelpunkt anzielen darf,<br />

genausogut den Mittelppunkt selber. Man hat also<br />

(samt Mittelpunkt) immer eine von 5 Möglichkeiten,<br />

je nachdem wie sehr man lenken, bremsen oder<br />

beschleunigen möchte.<br />

Tricky! Je schneller, desto weniger Lenkmöglichkeit,<br />

wie im richtigen Leben! Klug sein mit den Bremsen!<br />

Hier ist zur Demonstration eine Situation<br />

herausgezoomt: Der Fahrer ROT befindet sich im<br />

„dritten Gang“ in einer Rechtskurve, man muß also<br />

die Koordinaten vom vorigen Zug übernehmen: zwei<br />

Kasteln nach rechts, drei nach oben. Das eingerahmte<br />

Umfeld des neuen Mittelpunktes zeigt, wohin man<br />

wahlweise fahren darf.<br />

Viel Spaß!<br />

Zwei Regeln noch: Wer rausfliegt setzt 3x aus und<br />

fährt an der Unfallstelle mit 1 wieder an.<br />

Und: Die Spur vom Vordermann darf nur drei Mal<br />

nachgefahren werden, dann heißt es ausschwenken.<br />

Theoretisch können so viele spielen wie es Buntstifte<br />

gibt, mehr als vier wird aber eher chaotisch.


<strong>ST</strong>/A/R Buch X – Werkstatt Wien<br />

Nr. <strong>10</strong>/2006<br />

73<br />

Erstes Archiquantfenster im Sozialen Wohnbau<br />

Sozialer Wohnbau Sturzgasse Johnstrasse 75 Wohnungen, ein Supermarkt,<br />

Grün- und Spielflächen im Hof In den Obergeschossen freie Sicht zur Gloriette<br />

alle Wohnungen haben schon Mieter und Käufer gefunden<br />

<strong>ST</strong>/A/R gratuliert allen Beteiligten ...


74 Nr. <strong>10</strong>/2006<br />

Buch X – Werkstatt Wien<br />

<strong>ST</strong>/A/R<br />

ÖsterreichPolitik<br />

Fotos © 2006 wladimir jaremenko-tolstoj,<br />

aichholzgasse 1120 wien<br />

Österreich wählt <strong>ST</strong>/A/R


<strong>ST</strong>/A/R<br />

Buch X – Werkstatt Wien<br />

Nr. <strong>10</strong>/2006 75<br />

Die Baustellen sind die Knospen der Stadt<br />

Fotos: Heidulf Gerngross mit seinem Nokia Handy<br />

Plannung Werkstatt Wien<br />

Wohnbau Johnstrasse/Sturzgasse


<strong>ST</strong>/A/R Buch X – Werkstatt Wien Nr. <strong>10</strong>/2006 77<br />

Die Baustellen sind die Knospen der Stadt – aus einer guten Zusammenarbeit entsteht ein guter Bau<br />

Fassade Johnstrasse – Planung Werkstatt Wien<br />

Liftanlage von<br />

Baubeginn 2005 – Fertigstellung demnächst


78 Nr. <strong>10</strong>/2006<br />

Buch X – Werkstatt Wien<br />

<strong>ST</strong>/A/R<br />

Napoleonstadel<br />

N A P O L E O N S T A D E L<br />

KÄRNTENS HAUS DER ARCHITEKTUR<br />

Diese Projekt wird von der<br />

Europäischen Union, von Bund<br />

und Land Kärnten kofinanziert.<br />

“KÄRNTEN ENTDECKT”<br />

Architekturtage 9. u. <strong>10</strong>. Juni 2006<br />

WOLFSBERG<br />

SPITTAL<br />

a.d. DRAU<br />

FELDKIRCHEN<br />

VILLACH<br />

KLAGENFURT<br />

VÖLKERMARKT<br />

© GRAPHIK u. KONZEPTION, ARCH+MORE<br />

GERHARD KOPEING, Markus Schaller


<strong>ST</strong>/A/R<br />

Buch X – Werkstatt Wien<br />

Nr. <strong>10</strong>/2006 79<br />

In nachbarschaftlicher Liebe<br />

Fenstersturz (siehe Buch III Seite 17)<br />

Fenstersturz<br />

Jan Tabor hat mich in nachbarschaftlicher Liebe gebeten,<br />

diese Aktion seiner fea, seines Forum für experimentelle<br />

Architektur, zu eröffnen. Sie nennt sich „Fenstersturz“,<br />

weil er für seinen Raum, für den Raum des fea eben, ein<br />

Fenster zur Verfügung hat. Und wenn man als Tscheche<br />

Eine Defenestration des 21. Jahrhunderts im Wiener<br />

Museumsquartier drückt keine illegitime Wut gegen die<br />

herrschende Macht aus, sondern bewegt sich im Rahmen<br />

des bürokratisch erlaubten Spielraums zur aktionistischen<br />

Transzendenz eines gegebenen Raumes.<br />

und beständiger Kritiker des Mächtigen schon einmal<br />

ein Fenster zur Verfügung hat, dann muss geradezu<br />

zwangsläufig auch ein Fenstersturz stattfinden.<br />

Der Prager Fenstersturz, den jeder irgendwie kennt,<br />

aber wahrscheinlich nicht weiß, dass es laut wikipedia<br />

vom <strong>10</strong>. Juli 2006, drei Prager Fensterstürze gab, am<br />

30. Juli 1419, am 23. Mai 1618 und am <strong>10</strong>. März 1948.<br />

Diese Prager Fensterstürze haben bereits als eine sich<br />

anscheinend perpetuierende Tätigkeit die wunderbare<br />

Gattungsbezeichnung „Defenestration“.<br />

Ich unterstelle Jan Tabor, dass er es war, der diese<br />

wunderbare Bezeichnung „Defenestration“ wikipedia<br />

untergejubelt hat.<br />

Mit der heutigen Eröffnung dieser Installation haben<br />

wir es also mit der historisch begründeten und damit<br />

auch inhaltlich legitimierten, wahrscheinlich ersten<br />

„Defenestration“ des 21. Jahrhunderts zu tun.<br />

Die Camouflage verdeckt, dass hier dem Hausbesitzer sein<br />

Recht auf Fruchtgenuss entzogen wurde, dass sein Besitz<br />

gestört wurde, dass von einer Denkmalbeschädigung die<br />

Rede sein könnte.<br />

Wie gesagt, alle diese, die Ordnung der Dinge störenden<br />

Insultationen verbergen sich parasitär hinter der<br />

Camouflage.<br />

Ist doch das Parasitäre die akut und langfristig<br />

notwendige Strategie der Bewältigung einer Geschichte,<br />

die sich zunehmend selbstreproduzierend weiterbaut.<br />

Deshalb erfreuen wir uns nicht nur an den schönen<br />

Kastanienblättern und –blüten, die den tristen Raum des<br />

Parkplatzes des Museumsquartiers attraktivieren. Wir<br />

erkennen auch die von diesen heutigen Kulturtechniken<br />

verborgene oder geborgene kritische Kraft der<br />

Defenestration oder eben des Fenstersturzes.<br />

Als kollegialer Nachbar, lieber Jan Tabor, gratuliere ich<br />

Aber:<br />

Diese Defenestration ist heute kein wirklicher Sturz<br />

zu dieser Manifestation und wünsche mir viele weitere<br />

Defenestrationen in der ganzen Stadt.<br />

des Menschlichen mehr durch die für die zivilisierte<br />

baukünstlerische Einbringung von Licht und Luft in<br />

Gemäuer geschaffenen Öffnungen. Denn:<br />

Dietmar Steiner, Az W<br />

In Zeiten der Herrschaft des Simulakrums kann heute<br />

diese Defenestration keine reale mehr sein.<br />

In Zeiten der Herrschaft des Sublimen kann heute diese<br />

Defenestration keine tatsächliche mehr sein.<br />

Oder anders gesagt:<br />

Wenn und wo realer Widerstand sinnlos und zwecklos<br />

wird, dann ist nur die List der Camouflage zur Rettung des<br />

Eigenen fähig.<br />

Az W immer dabei<br />

www.azw.at


80 Nr. <strong>10</strong>/2006<br />

Buch X – Werkstatt Wien<br />

<strong>ST</strong>/A/R<br />

Österreichische Ingenieurbaukunst im Oman<br />

Die erste Eisenbahnbrücke im Oman als Zufahrt zur Al Hoota Schauhöhle.<br />

Diese schlichte einfache elegante Brücke entstand in Gemeinschaftsarbeit der Österreichischen<br />

Firmen Werkstatt Wien, Spiegelfeld Architekturmanagment und dem weltweit bekannten<br />

Ingenieurbüro FCP – Fritsch, Chiari & Partner ZT Gmbh.<br />

Im Bild der Bauleiter und Höhlenforscher Dipl.Ing. Heinz Holzmann, Initiator des Unternehmens Oman.


<strong>ST</strong>/A/R Buch XI – EP positions<br />

Nr. <strong>10</strong>/2006<br />

81<br />

Zlatan Vukosavljevic<br />

Z latan selected by Elisabeth Penker<br />

Fortsetzung Seite 88


82 Nr. <strong>10</strong>/2006<br />

Buch XI – EP positions<br />

<strong>ST</strong>/A/R<br />

Titel: Einfach! Architektur aus Österreich. Just! Architecture from Austria<br />

Autoren: Walter Chramosta / Manuela Hötzl / Bart Lootsma / Antje Mayer / Jan Tabor / Ute Woltron<br />

Untertitel: Die Wahl der Kritiker. Critics´ Choice<br />

Sprache: deutsch / englisch<br />

Verlag: Haus der Architektur<br />

Einfach! Architektur aus Österreich<br />

Die Wahl der Kritiker<br />

Just! Architecture from Austria<br />

Critics’ Choice<br />

Herausgeber: Franz Schneider<br />

Brakel GmbH + Co KG<br />

Nieheimer Straße 38<br />

D-33034 Brakel<br />

Telefon / Phone: +49 5272 608-0<br />

Telefax / Fax: +49 5272 608-300<br />

www.fsb.de info@fsb.de<br />

Idee und Konzept:<br />

FSB, Wolfgang Reul<br />

Redaktionsbuero, Manuela Hötzl, Antje Mayer<br />

Heisser<br />

<strong>ST</strong>/A/R TIPP Einfach!<br />

Architektur aus Österreich<br />

Ohne Zweifel hat die zeitgenössische österreichische Architektur in den vergangenen Jahrzehnten einen hohen internationalen<br />

Stellenwert erlangt. Aber gibt es sie überhaupt, die österreichische Architektur? Und wenn ja, was ist für sie charakteristisch?<br />

Für die Produktion von Architektur waren der Standort und seine Identität sicherlich stets ein wesentliches Initial für<br />

ihre Entstehung. Die Architekturkritiker Walter Chramosta, Manuela Hötzl, Bart Lootsma, Antje Mayer, Jan Tabor und Ute<br />

Woltron stellen eine sehr persönliche Auswahl von neueren Projekten in Österreich vor, anhand derer sie regional Typisches<br />

festzumachen versuchen; keine medial gehypten Stararchitekturen, sondern kleine, feine Bauten. Dieses Buch ist ein Versuch,<br />

die ausgetretenen Pfade der „Hochglanz-Architekturkritik“ für einen Augenblick zu verlassen. Ein bewusst unvollständiges,<br />

humorvolles Buch, mit zuweilen sympathisch detailversessenen Blicken auf Architektur in Österreich.<br />

Walter Chramosta<br />

Manuela Hötzl<br />

Bart Lootsma<br />

Antje Mayer<br />

Jan Tabor<br />

Ute Woltron<br />

Ermöglicht hat dieses Werk der ostwestfälische Türklinkenhersteller FSB Franz Schneider Brakel GmbH + Co KG als ein<br />

Dankeschön an die vielen Architekten Österreichs, die immer wieder zum jeweils aktuellsten FSB-Handbuch greifen und daraus<br />

ihre Wahl treffen. Auf die Frage „Was<br />

macht Architektur wertvoll?“ schreibt<br />

der langjährige FSB-Freund Gernot<br />

Guth aus Linz Folgendes: „Es ist die<br />

Konzentration auf das Wesentliche<br />

– das Einfache. Was nicht heißt,<br />

dass das einfach ist. Aber ‚Einfach!<br />

Architektur aus Österreich‘.“ So<br />

oder ähnlich könnte man auch<br />

die Produkte von FSB bezeichnen.<br />

Denn „Hand-Werkzeuge“ von FSB<br />

– Türdrücker, auch Klinken genannt,<br />

Knöpfe, Griffe und seit einiger Zeit<br />

auch Accessoires – sind nichts<br />

anderes: Einfach! Türklinken aus<br />

Brakel.<br />

Projekte von cukrowicz.nachbaur, Marte.Marte Architekten ZT GmbH, Philip Lutz Architektur, Allmeinde Architecture, Martin<br />

Scharfetter, AllesWirdGut, Weichlbauer/Ortis, Pichler & Traupmann, Günter Lautner und Nicolaj Kirisits, Sepp Müller, Eichinger<br />

oder Knechtl, ARTEC Architekten, ARGE Eisenköck / Zinganel, Adolph H. Kelz, INNOCAD, HOLODECK.a<br />

Wien grüsst den Norden<br />

coming soon: Die fritz-kola<br />

<strong>ST</strong>/A/R connection<br />

Das Ende des Monopols<br />

0,33 Liter in Glasmehrwegflasche only<br />

83,3 mg Koffein und ein Hauch Zitrone<br />

Mirco und Lorenz hatten noch nie Respekt vor<br />

irgenwem oder irgendwas. Mit fritz-kola treten sie gegen<br />

Colamonopole und Plastikschrott an.<br />

Auf dem Weg zur Nummer eins lautet das Motto:<br />

Durchhalten ist alles<br />

Hamburg grüsst den Süden


<strong>ST</strong>/A/R<br />

Buch XI – EP positions<br />

Nr. <strong>10</strong>/2006 83<br />

Der Klassische kleine Eissalon den es nicht mehr gibt<br />

- es gibt ihn, es gibt ihn – in der Langegasse 56<br />

<strong>ST</strong>/A/R TIPP FÜR HEISSE TAGE : MANGO–YOGI<br />

Shopbesitzer Ewald Wieser ist freundlich überraschte Gesichter gewohnt. Zwei<br />

Französinnen die unlängst das Geschäft besuchten meinten in Paris wäre das in jeder<br />

Hinsicht eine Sensation – sowohl die Feinheit des Eises, als auch das Flair des Kleinen<br />

Salons. Als Musikstudent verkaufte er Eis im Schlosspark Schönbrunn. Heute beliefert<br />

seine Firma Eismanufaktur über 70 Eissalons und Gastronomiebetriebe. Er erfindet Jährlich<br />

mehrere neue Eissorten – wie etwa die Wellnesssorte Aloe-Vera-Pfirsich, das EnergyEis Red<br />

Woolf oder das belebende GrünteeEis MATCHA.<br />

www.eismanufaktur.at<br />

Eiskünstler<br />

Ewald Wieser<br />

beim Chillati<br />

Donnerstag<br />

Eis Clubbing


<strong>ST</strong>/A/R Nr. <strong>10</strong>/2006 85<br />

WIEN Favoriten Terrassenhaus – Buchengasse<br />

250<br />

SOZIALER WOHNBAU MIT 250 WOHNUNGEN – bezugsfertig Sommer 2008<br />

Ein dichter Sockel schafft<br />

stadträumlich Nähe;<br />

die aufragenden Solitäre<br />

sichern Freiraumqualität,<br />

Ausblick, Durchblick<br />

und Besonnung.<br />

Ein einfaches<br />

Modulsystem als Prinzip<br />

der Grundrisse, ermöglicht<br />

die Aneinanderreihung<br />

unterschiedlichster<br />

Grundrisstypen.<br />

Jede Wohnung verfügt dabei<br />

über einen großzügigen<br />

privaten Freiraum.<br />

Vielfältige gemeinschaftliche<br />

Freiflächen unterschiedlicher<br />

Qualitäten als Dach<br />

und Hausterrassen,<br />

sowie introvertierte<br />

Gebäudeeinschnitte als<br />

vertikale Gärten.<br />

Rüdiger Lainer + Partner Architekten<br />

www.lainer.at – Wettbewerbsgewinner<br />

Foto © Stephan Klammer<br />

KONTAKT:<br />

HEIMBAU UND EISENHOF<br />

1150 Wien, Tannengasse 20<br />

Tel: 981 71/35<br />

info@heimbau.at<br />

www.heimbau.at<br />

Luft, Licht und Grünräume im Stiegenhausbereich<br />

S/TA/R gratuliert den Bauträgern und Architekten


86 Nr. <strong>10</strong>/2006<br />

Buch XI – EP positions<br />

<strong>ST</strong>/A/R<br />

An unserem Werk sollen sie uns messen und an unserem Handeln.<br />

Helmut Hödl, Technischer Betriebsleiter&Prokurist<br />

Skizze Air Cargo Cennter, Andreas Treusch<br />

Glöckel Holzbau<br />

Hornbach, St. Pölten<br />

Air Cargo Center und Handling Center West, Flughafen Wien, Architekt Dipl.Ing. Andreas Treusch<br />

www.gloeckel.at


<strong>ST</strong>/A/R<br />

Buch XI – EP positions<br />

Nr. <strong>10</strong>/2006 87<br />

Franzobels „hunt” als Auftakt eines Zentrums für radikales Volkstheater<br />

HausruckTheater<br />

Zeittheater am Kohlebrecher<br />

Nach dem Nestroypreis 2005 für<br />

Franzobels Erfolgsstück „hunt oder<br />

Der totale Februar“ stellt der Verein<br />

Theater im Hausruck das neue Zentrum<br />

für radikales Volkstheater vor. Der<br />

Kohlebrecher in Kohlgrube / Wolfsegg,<br />

ein imposantes Industriedenkmal aus<br />

der Blütezeit des Braunkohlebergbaus,<br />

wird zur Kulisse für zeitgenössisches<br />

Theater rund um Themen aus Politik<br />

& Gesellschaft, (Zeit)Geschichte und<br />

Gegenwart. Nach der diesjährigen<br />

Wiederaufnahme von „hunt“ folgen 2007<br />

und 2008 die Stücke „zipf“ und „lenz“,<br />

ebenfalls aus der Feder Franzobels: in<br />

Summe eine Trilogie, die verdrängte<br />

Ereignisse der regionalen Zeitgeschichte<br />

zu packenden Theatertexten verdichtet.<br />

Regisseur Georg Schmiedleitner will<br />

auch in den kommenden Jahren mit<br />

dem HausruckTheater brennende<br />

Themen der jüngeren Geschichte rund<br />

um den Kohlebrecher in Szene setzen<br />

und Impulse für eine breit angelegte<br />

Diskussion geben. Franzobels Triologie<br />

begreift sich als radikales Volkstheater.<br />

Radikal im Sinne von: formale und<br />

inhaltliche Zeitgenossenschaft, klare<br />

Abgrenzung von folkloristischem Theater,<br />

deklarierte Verwurzelung in der Region<br />

– durch die Wahl der Themen, durch die<br />

Organisationsform und die Beteiligung<br />

vieler Menschen im Hausruck.<br />

Peter Weinhäupl (Eigentümer<br />

Kohlebrecher, kfm. Dir. Leopold Museum):<br />

„Der Brecher ist eine 20 Meter hohe,<br />

22 Meter lange und 9 Meter breite,<br />

seit 1922 bestehende Kohlebrechund<br />

Sortieranlage. Er befi ndet sich<br />

im 1968 stillgelegten Bergbauareal<br />

der Bergwerkskolonie Kohlgrube in<br />

Wolfsegg/OÖ. Nach dem Ende des<br />

Braunkohlebergbaus wird der Brecher<br />

zum Symbol für den Niedergang der<br />

Region. Eine Architekturskulptur mitten<br />

im Wald, um die sich niemand kümmerte:<br />

in keinem Architekturführer erwähnt,<br />

aus dem Bewusstsein der Bevölkerung<br />

gelöscht, als Schandfl eck abgestempelt,<br />

im Wald versteckt. Die Aura des Ortes und<br />

die Form begeisterten mich. Die Rettung<br />

dieses Bauwerks war schon Grund genug<br />

für einen Erwerb. Auch mein Bruder<br />

Wolfgang, Architekt in Wien, war von der<br />

Betonspinne fasziniert. Beide ersteigerten<br />

wir das Gelände und begannen auf eigene<br />

Faust mit Renovierungsarbeiten. 2003<br />

bewies die Eröffnung des Festivals der<br />

Regionen am Brechergelände, welche<br />

Strahlkraft der Betonsolitär besitzt. Die<br />

öffentlichkeitswirksame Abwicklung des<br />

Festivals kann als Initialzündung für das<br />

darauf folgende Theaterprojekt ‚hunt oder<br />

Der totale Februar’ verstanden werden.<br />

Der vormalige Schandfl eck wurde zum<br />

allseits geschätzten Symbol einer Region<br />

mit Industrie- und Arbeitskultur.“<br />

www.hausrucktheater.at


88 Nr. <strong>10</strong>/2006<br />

Buch XI – EP positions<br />

<strong>ST</strong>/A/R<br />

Lou Anne Greenwald on Zlatan Vukosavljevic<br />

Like a true military intervention, Zlatan<br />

Vukosavljevic’s installation at the MAK Center’s<br />

Mackey Apartments relied upon the powers of<br />

perception to activate a network of relationships<br />

between objects, architecture and the public, creating<br />

a territory of engagement. Vukosavljevic’s interest<br />

is in the representation of architectural intervention<br />

and in the case of this project specifically, the ways in<br />

which the military has historically occupied territory<br />

— physically, theoretically and psychologically. The<br />

spatial strategies of such occupation may be likened<br />

to the strategies of Minimalist sculpture. The artist<br />

quotes Carl Andre in this regard, “I wanted very much<br />

to seize and hold the space of the gallery — not<br />

simply fill it, but seize and hold that space.”(Phyllis<br />

Tuchman, ”An Interview with Carl Andre” Artforum,<br />

June 1970,, 61). Just as the quintessential Minimalist<br />

cube occupied a space in order to activate not only<br />

the viewer’s perception but also his/her behavior,<br />

military intervention, broadly speaking, is intended<br />

as a temporary intervention which produces order<br />

through the activation of people’s perceptions<br />

and the adaptation of their behavior. Space can be<br />

defined as territory when objects and architecture<br />

intervene. When inside and outside are established,<br />

the resulting psychology of security and vulnerability<br />

can be activated. In the case of military intervention,<br />

architecture and technology combine to establish<br />

zones of protection and danger, the very presence of<br />

which creates a response of fear and defensiveness.<br />

Tactics are developed experimentally in response to<br />

perceived or imagined situations of danger and threat.<br />

Until the threat is actualized, the defense mechanism<br />

remains theoretical and yet it is self-perpetuated in<br />

an endless cycle by the constant perception of threat<br />

and the innate response towards self defense. As seen<br />

in the Cold War, the threat of military assault feeds<br />

the drive and determination to produce weapons<br />

of greater impact regardless of the real and existing<br />

need for such. The cycle of production is fed by fear<br />

and intimidation, anticipating a moment that is yet to<br />

come. The artist relates this endless loop of theory<br />

and experiment to the indeterminate dichotomy of<br />

“which comes first - concept or praxis?”<br />

Zlatan Vukosavljevic wants to stage the organization<br />

of military experiments, recreating a moment when<br />

theory is put to the test. His installation of sculptural<br />

and architectural objects mark a territory and activate<br />

a field through the reverberations of association.<br />

Drawing upon a diverse range of references to art<br />

history, politics, architecture and military technology,<br />

Vukosavljevic plotted an installation that overlaid the<br />

suburban domestic space of the Mackey Apartments<br />

and established points of contrast and connection from<br />

which the viewer could construct a web of associations.<br />

From the romantic image of 19 th century casemates<br />

(underground tunnels used for securing soldiers and<br />

weapons and facilitating undetected movement —<br />

today they are mostly preserved as historic sites for<br />

tourists) to the nostalgic objects of 20 th century doit-yourself<br />

defense products such as bomb shelters<br />

made popular during the Cold War, Vukosavljevic’s<br />

sculptural objects remind one of the days when<br />

military intervention was territorial and heroic verses<br />

contemporary times when such intervention is virtual<br />

and suspect.<br />

Vukosavljevic’s installation reflected the spirited<br />

response of some Americans at the start of the Cold<br />

War in the 1960s when the threat of nuclear weapons<br />

for mass destruction spurred individuals to action,<br />

inspiring the widespread construction of underground<br />

shelters equipped with food, water and survival<br />

supplies to protect a family in the case of attack. The<br />

artist cites the start of the Cold War as a shift away<br />

from the heroic and monumental presence of the<br />

military toward a military presence that is imminent,<br />

pervasive, invisible and mediated.<br />

“Our present houses are too strongly under<br />

the influence of the past and its outlook on<br />

life. Fear dictated originally the form and spirit<br />

of the house. The behavior of our ancestors<br />

was overshadowed by constant defense<br />

reactions against real and imaginary enemies.<br />

The emphasis of the historian upon war and<br />

its physical heroism proves the tremendous<br />

need to counteract these fear complexes. …<br />

All rooms will become part of organic unite,<br />

instead of being small separate boxes with<br />

peepholes.”<br />

- R.M. Schindler (excerpt from Care of the<br />

Body, Los Angeles Times, May 2 1926)<br />

Architecture is the backbone of social infrastructure. It<br />

provides basic shelter; organizes social, economic and<br />

civic functions and thus it is a reflection of individual<br />

and collective ideals. Architectural intervention is<br />

a political act. It is an act of aggression aimed at<br />

impacting the space, its function and ultimately its<br />

occupants. To intervene in architecture is therefore<br />

not only a physical act but also a psychological one.<br />

Vukosavljevic’s installation at the Mackey Apartments<br />

applied a militaristic mask to the domestic architecture<br />

of an apartment building. Activating the entire<br />

site including the normally un-seen spaces (i.e. the<br />

basement and rooftop), his installation re-presented<br />

the strategies of military architecture and technology<br />

of the 19 th and early 20 th centuries. Borrowing from<br />

structures such as the World War II concrete bunker,<br />

the camouflage tent and the self-assembled reflector,<br />

Vukosavljevic presented a military map that was<br />

almost romantic in its nostalgia for a bygone era — a<br />

time when power was established through physically<br />

intimidating landmarks rather than through state<br />

of the art media and nuclear technology. With<br />

the placement of sculptures and constructions of<br />

industrial materials, he seized the site, re-organizing it<br />

as occupied territory and re-defining its occupants as<br />

subjects to its order.<br />

A tower of reflectors perched upon the highest point<br />

of the roof announced to the residential neighborhood<br />

that a temporary transformation had taken place.<br />

Modifying the stark white silhouette of the building,<br />

the tower seemed to suggest the capability of sending<br />

and receiving signals from an invisible source. It was<br />

planned that during the course of the exhibition<br />

opening, a Los Angeles Police Department helicopter<br />

would hover overhead and illuminate the reflectors<br />

thereby completing the sculpture both physically and<br />

psychologically. Beaming a searchlight downward,<br />

a vertical line would be “drawn” between the static<br />

object of the tower and the moving, fleeting object of<br />

the helicopter. The helicopter’s presence was another<br />

sort of intervention in the site and the surrounding<br />

neighborhood. It was at once a sign of protection and<br />

intimidation, like the tower itself.<br />

This mode of working is typical to Vukosavljevic’s<br />

practice. His sculptural objects and installations are<br />

not fixed and complete in themselves. Rather they<br />

invite the participation of the viewer physically,<br />

intellectually and psychologically. In the case of<br />

some of his sculptural works, the viewer is invited to<br />

insert his/her body into a furniture-like object, thus<br />

becoming the material link that completes a form.<br />

Of course this completion relies upon the viewer’s<br />

participatory behavior, so that completion of the work<br />

is in his/her hands — it depends upon their complicity.<br />

At the same time, the work is made performative by<br />

the viewer’s participation which inevitably generates<br />

new associations and meanings. Vukosavljevic is<br />

interested in this expanding web of associations which<br />

only adds to the already complex chain of references<br />

he has constructed in preparing the work.<br />

At the other end of the building — the basement<br />

— Vukosavljevic placed objects that suggested a<br />

temporary encampment with a secret passageway<br />

apparently cut out from under the floorboards of<br />

the building leading to the concrete bunker in his<br />

apartment. A make-shift ladder, industrial light<br />

and blanket folded on the basement floor provided<br />

evidence of a temporary occupant. More markedly, an<br />

ominous black rubber flag was erected here claiming<br />

the space as occupied territory. Reminiscent of the<br />

anarchist’s flag which stood for the negation of all<br />

flags in a protest of authority and hierarchy, this flag<br />

which appeared repeatedly around the site, was an<br />

object of contradiction. Stilled in a half-wave as the<br />

dense rubber collapsed under its own weight, the flag<br />

was simultaneously a sign of rebellion and authority.<br />

Immediately above in Vukosavljevic’s apartment living<br />

room, a concrete bunker had been constructed. Nearly<br />

eight feet tall and four feet wide, the bunker’s dense<br />

mass was punctuated by a long, narrow, horizontal<br />

slit window near its top providing an opportunity<br />

for occupants to peer outside. Its stark form and slit<br />

window was a sly nod to the design of its immediate<br />

surroundings — the R.M. Schindler-designed<br />

Modernist interior punctuated by clerestory windows.<br />

The bunker which appeared to accommodate about<br />

four people was reminiscent of the do-it-youself<br />

family bomb shelters made popular in the 1960s in<br />

the United States. It was made all the more surreal<br />

on the evening of the exhibition opening when the<br />

living room and the adjacent kitchen were filled with<br />

guests enjoying delicacies prepared by the artist’s wife.<br />

Several visitors were “hunkered down,” eating in<br />

Schindler’s built-in dinette — a strange visual analogy<br />

to the bunker. Concrete<br />

bunkers built during<br />

World War II not only<br />

served as fortifications<br />

for weapons, soldiers<br />

and civilians, they also<br />

served as civic symbols<br />

of power and defense.<br />

They dominated the<br />

cityscape with an air<br />

of authority, providing<br />

both security and<br />

surveillance and they<br />

evoked both fear and<br />

compliance in their subjects below. Similarly, this<br />

bunker evoked a sense of unease as it dominated<br />

the domestic terrain of its context and exposed the<br />

extreme gesture of its apparent occupant.<br />

Just outside the living room Vukosavljevic constructed<br />

a camouflaged tent creating a “secret” enclosed space<br />

in an already private outdoor courtyard. A large<br />

sheet imprinted with the color, texture and pattern<br />

of the courtyard’s gravel was stretched over upright<br />

poles. Enclosed on all sides, this space was invisible<br />

when viewed from above — it blended in with the<br />

landscape. Making a wry commentary on Schindler’s<br />

use of natural materials to create a sense of enclosure<br />

outdoors, Vukosavljevic succeeded in simulating<br />

natural materials to create an enclosed space outside.<br />

Vukosavljevic’s work makes us conscious of the ways in<br />

which our everyday surroundings can be interpreted<br />

as occupied or marked, and the ways that we respond<br />

psychologically and behaviorally to such cues. The<br />

subtle, or not so subtle strategies of architecture,<br />

especially military architecture, to affect a psychological<br />

impact through physical, spatial intervention engages<br />

a cyclical response pattern similar to the artist’s central<br />

debate- which comes first-concept or praxis ? Are<br />

we intimidated by the boundaries that secure us?<br />

Or does our insecurity necessitate the need for such<br />

boundaries? As viewers in Vukosavljevic’s installation,<br />

we are provided an overview-a historical and decontextualized<br />

of the potential<br />

relationship between architecture and the psyche.<br />

Lou Anne Greenwald, Los Angeles<br />

Zlatan Vukosavljevic, Smoke signals, 2006<br />

<strong>ST</strong>/A/R QUICK Shortnews: NEWS: Weltfotojournalist<br />

modernismus = imperalismus<br />

Peter Korrak erweitert das Herausgeber Agglomerat<br />

Peter Korrak erweitert das<br />

Herausgeberagglomerat


<strong>ST</strong>/A/R Buch XII – Economy Class<br />

Nr. <strong>10</strong>/2006<br />

89<br />

economy class<br />

http://economyclass.sonance.net/<br />

Im April dieses Jahres ging die partizipative Kunstschau ECONOMY<br />

CLASS mit <strong>10</strong>0 Positionen zeitgenössischer Kunst auf eine ad-hoc<br />

organisierte Reise nach Nairobi. Im Handgepäck und sozusagen<br />

im last minute – Angebot verschifften Barbara Husar, Michael<br />

Lampert, Alexander Nikolic und Lukas Pusch Kunst und<br />

KünstlerInnen nach Afrika, um österreichische<br />

Positionen des Kunstbetriebs in der Ferne zu<br />

inszenieren. In gleicher Weise wie die<br />

ECONOMY CLASS bestimmt war durch die<br />

Begrenzung von Mitteln, Vorlaufzeit und<br />

Transportmöglichkeiten, so gab sie auch<br />

den Blick frei auf die angeblich festgelegten<br />

Mechanismen des internationalen Kunstund<br />

Ausstellungsaustausches. Gezeigt<br />

wurden u. a. die Ortstafel-Dokumentation<br />

“Artikel 7” sowie bildnerische Arbeiten von<br />

Tanja Ostojic (25 peaces / EU-Unterhose),<br />

Otto Zitko, Deborah Sengl, Christian<br />

Eisenberger, Karin Frank, Siggi Hofer,<br />

Simon Haefele und monochrom.<br />

economy class<br />

neuer Ort / neue Ausstellung <strong>ST</strong>RANGE CARGO<br />

economy class zu Gast im neuen 0>port im mq<br />

Von 7. bis 16. September findet im neuen Transaktionsraum 0>port<br />

die Ausstellung <strong>ST</strong>RANGE CARGO statt.<br />

Auch bei der Schau <strong>ST</strong>RANGE CARGO treten Produktion, Prozess,<br />

Kommunikation und Community in den Vordergrund und lassen zu<br />

erwartende museale Reproduktion ebenso zurück wie die Physis<br />

des einzelnen Kunstwerks.<br />

Eine seltsame Ladung also, die im neu strukturierten<br />

QUARTIER FÜR DIGITALE KULTUR aus,- ver- und umgeladen wird.<br />

Eingechecked werden und wurden Proben österreichischer Positionen,<br />

Konfrontationen afrikanischer Kunst, Netzkunst- und Kultur (Grischinka Teufl,<br />

Sonance Network, ubermorgen.com, equaleyes.org, olfactory, Ella Esque,<br />

Judith Fegerl... ) sowie Mitgebrachtes und Eingeschmuggeltes.<br />

Eröffnet wird <strong>ST</strong>RANGE CARGO mit Moh Hamdaouis Telekitchen<br />

`what you see is what you eat´ und Barbara Husars drink `kill me quick´<br />

am 7. September.<br />

Vorläufigen Schlusspunkt findet <strong>ST</strong>RANGE CARGO am 16. September in der<br />

Ovalhalle gemeinsam mit dem Festival der Netzkulturen „paraflows“.<br />

Opening<br />

7. September 19:00, 0>port, Quartier für Digitale Kultur, MQW<br />

Visuals weltweit erstmals vom neu entwickelten VJ-Pult (designed<br />

von Equaleyes und Red Bull)<br />

16. September 20:00, Finnisage Ovalhalle, MQW<br />

Im Rahmen von Paraflows<br />

www.0port.at<br />

economyclass.sonance.net<br />

www.paraflows.at


90 Nr. <strong>10</strong>/2006<br />

Buch XII – Economy Class<br />

<strong>ST</strong>/A/R<br />

2 3 4<br />

1 check in :: 2 chill out :: 3 student artwork, buru buru art institute :: 4 street factory :: 5 in patrick mubays<br />

studio, godown art center :: 6 arttalk, kenyatta university, department of fi ne arts :: 7 on chinese street from<br />

mombasa to nairobi :: 8 view from presidents offi ce, kcc tower :: 9 aufbau der ausstellung, alliance francaise ::<br />

<strong>10</strong> führung durch die economy class ausstellung :: 11 exhibition, ground fl oor :: 12 künstlerkataloge, dvds und<br />

videos von economy class wurden an die mediathek des godown art center übergeben :: 13 sarafi nas day<br />

photos :: barbara husar, simon häfele, michael lampert<br />

ines agostinelli, jesper james alvaer, bella angora, roman spiess, pia arnström atzgerei, alfredo barsuglia, alexandra baumgartner, lutz<br />

bielefeldt,eric binder, gustav böhm, alexander brenner / barbara schurz, bernhard cella, eva chytilek,emanuel danesch, ines doujak,<br />

tina van duyne, angela dorrer, christian eisenberger, ella esque, equaleyes, christian falsnaes, clemens fürtler, judith fegerl, karin frank,<br />

1<br />

patrizia gapp, birgit graschopf, michael gumhold, mario grubisic, stefan hafner, cornelia hefel, fl orian herzog, christoph holzeis, katherina<br />

hofer, siggi hofer,barbara husar, regina hügli, thomas jelinek, luisa kasalicky, moussa kone, landschaftsdesign, michael lampert, jan lauth<br />

/ alex gelny, anita land / gerald zahn, lena lee, edgar leissing, bianca lingg, constantin luser, d.max, kazimir malevich, medienkunstlabor,<br />

bady minck, esther moises, monochrom, lukas moosmann, netznetz, alexander nikolic, ekaterina obermair, markus oberndorfer, ocelle<br />

ruhm/bachmann/kuthan ocpa buechel & buechel, olfactory, tanja ostojic, pooool, poolbar, bella prinz, lumplecker und steidl, fl orian pumhösl, bernhard rappold, christian reder, alexandra reill, david<br />

rych, angelo roventa/garnitschnig/wulz, anja salamonowitz, stylianos schicho, angelika schuster / tristan sindelgruber, deborah sengl, sonance,julia starsky, st/a/r, supercamp, robert svoboda, mario<br />

terzic, grischinka teufl , übermorgen, octavian trauttmansdorff, peter wehinger, harald wilde, michael wilhelm, david wiltschek, niki witoszynskyj, jan von wegen, franz rudolf, franz und hella wostry,<br />

yuval, otto zitko, daniela zeilinger, +error, <strong>ST</strong>/A/R<br />

initiation and coordination: barbara husar / michael lampert / alexander nikolic / lukas pusch economyclass@eroticunion.org<br />

credits: alliance francaise , nairobi :: the godown art center, nairobi :: österreichische botschaft, nairobi :: bundesministerium für auswärtige angelegenheiten, wien<br />

universität für angewandte kunst, wien / www.dieangewandte.at :: akademie der bildende künste, wien / www.akbild.ac.at :: land vorarlberg, kultur abteilung / www.vorarlberg.at<br />

kunsthalle wien, project space / www.kunsthallewien.at :: foto leutner / www.leutner.at :: ratioform / www.ratioform.at :: sonance artistic network / www.sonance.net :: <strong>ST</strong>/A/R<br />

12<br />

11<br />

<strong>10</strong><br />

Economy Class<br />

Alexander Nikolic spricht mit Katherina<br />

Zakravsky über das Projekt, das im April<br />

2006 mit einer Ausstellung in Nairobi,<br />

Kenia, begann.<br />

Katherina Zakravsky: Seinerzeit machte Catherine<br />

David doch dieses Projekt über „arabische<br />

Repräsentationen“, weil sie der Meinung war,<br />

„Kunst“ sei etwas Westliches, das es in der<br />

arabischen Kultur so nicht gibt. Wie ist das mit<br />

„Afrika“, diesem Namen, der zugleich ein Kontinent<br />

und ein Phantom zu sein scheint?Ich könnte auch<br />

fragen: Wieso heißt ein Projekt, das in Nairobi<br />

stattfand, „economy class“?<br />

Alexander Nikolic: Schau dir mal die homepage an,<br />

economyclass.sonance.net.<br />

Deine erste Frage, könnte ich paradox beantworten,<br />

Kunst in unserer Perspektive gibt es in Afrika nicht.<br />

Afrika ist selten präsent in unserer Rezeption als Ort<br />

der Kunst, eher ein Ort der Gewalt, des Hungers,<br />

der postkolonialen Ausbeutung, der Prostitution,<br />

Aids und des Drogenhandels. Was aus Afrika zu uns<br />

kommt, ist in erster Linie eine Bedrohung.<br />

Ja, Kunst aus Afrika gibt es. Von Masken über<br />

Holzfi guren. Kitsch und Krempel. Die fantastischen<br />

Performances von Kendell Geers, Arbeiten von<br />

Fernando Alvim, und etlichen anderen. Die Biennalen<br />

von Johannesburg und Dakar sind auch bei uns<br />

bekannt, auf die Triennale von Luanda müssen wir<br />

derzeit leider noch warten. Afrika ist vielschichtig.<br />

Zakravsky: Und sicher auch dynamisch. Da fragt<br />

sich, ob Elemente aus afrikanischen Kulturen in<br />

das westliche Kunst-Institut eingeschleust werden<br />

oder umgekehrt Elemente der westlichen Kunst<br />

übernommen werden. Sofern es noch westliche<br />

Kunst ist in Zeiten der Globalisierung.<br />

Nikolic: In unserer Veranstaltung waren ja über<br />

hundert verschiedene Positionen zu sehen.<br />

So gesehen, hatte es schon ein Volumen, das<br />

so manche Biennale übersteigt. Abgesehen<br />

vielleicht von dem Fakt, dass alle Arbeiten<br />

handgepäckstauglich sein mussten. Wir, Barbara<br />

Husar, Michael Lampert, Lukas Pusch und ich<br />

reisten Economy Class nach Nairobi, so wie jeder<br />

andere europäische Tourist.<br />

Zakravsky: Damit hatte der Titel diesen Verweis auf<br />

die normale Verkehrpraxis zwischen dem „Westen“<br />

und Afrika. Aber wie sehen die afrikanischen<br />

Künstler vor Ort diese Besucher? Wie muss man<br />

sich die TeilnehmerInnen vorstellen?<br />

Nikolic: Die Rezeption vor Ort war unterschiedlich.<br />

Erstens gab es neben der Ausstellung, der<br />

Eröffnung, auch Präsentationen an zwei<br />

Universitäten und zwei Präsentationen vor Ort. Die<br />

Alliance Francaise als Ausstellungsort funktioniert<br />

etwa vergleichbar mit dem, was das MAK für Wien<br />

ist. Dort laufen täglich einige hundert Personen<br />

durch, weil dort eine französische Mediathek<br />

beheimatet ist, und auch Sprachkurse stattfi nden...<br />

Innerafrikanische gegenseitige Künstlerbesuche<br />

oder Ausstellungen sind selten und fi nden auf<br />

verschiedenen Ebenen statt. Wer in Ostafrika<br />

international arbeitet, arbeitet schon auf einem<br />

anderen Niveau. Von lokalen Strukturen wie dem<br />

Godown Art Center werden Workshops organisiert,<br />

die auch von wenigen internationalen KünstlerInnen<br />

in Anspruch genommen werden. Das wird jetzt<br />

hoffentlich mehr werden, wobei auch unsere<br />

Homepage und unsere noch zu aktivierende Mailing-<br />

Liste helfen sollen, solche Informationen weiter zu<br />

verbreiten. (derzeit Infos unter economyclass@<br />

eroticunion.org)<br />

Von kenianischen KünstlerkollegInnen gab es viel zu<br />

hören. Viele waren glücklich, endlich wieder andere<br />

Stile als die abstrakte Malerei zu sehen, welche<br />

derzeit das um und auf zu sein scheint. Alles was<br />

nicht abstrakte Malerei ist, lässt sich derzeit in<br />

Nairobi nicht verkaufen.<br />

Was grundsätzlich zu sagen wäre ist, dass wir in der<br />

Kunst offensichtlich einen ganz anderen, offeneren<br />

Umgang mit Sexualität haben. Manche Arbeiten,<br />

wir haben ja nicht kuratiert in dem Sinn, wurden<br />

als Provokation angesehen. Tanja Ostojics Arbeit<br />

mit der EU-Unterhose weckte bei vielen Interesse<br />

und sorgte bei der Eröffnung für lustige Erregung<br />

unter dem anwesenden Diplomatenchor. Und<br />

auch die diskursive Ebene war bestens besucht.<br />

Grundsätzlich muss ich sagen, dass unser Angebot<br />

zu kommunizieren sehr gut angenommen wurde.<br />

Was auch dazu führte, schon im Vorfeld angedachte<br />

Interventionen vor Ort zu schärfen, zu realisieren<br />

und auch zu versuchen, nachhaltige Kooperationen<br />

einzugehen.<br />

Zakravsky: Du hast also gemeint, dass sexuelle<br />

Inhalte in Nairobi sozusagen noch als sie selbst,<br />

also leicht provokant und nicht nur als müde formale<br />

Anspielung rüberkamen. Die Reaktion auf die<br />

EU-Hose klingt aber ein wenig so, als ob hier die<br />

Europäer wie Exoten-Freaks belacht würden.<br />

Nikolic: Ich kann nur sagen, dass sie ein Lächeln<br />

in den Gesichtern der Besucher produzierte, und<br />

dass ich bemerkte, dass manche Besucher teilweise<br />

wiederkamen, um ihren Freunden die EU-Unterhose<br />

zu zeigen. Ob ich jetzt deswegen mehr oder weniger<br />

als exotischer europäischer Freak gesehen wurde,<br />

kann ich leider nicht beantworten.<br />

Zakravsky: Mir gefällt dieses Bild von den<br />

Diplomaten, denn dies Bild gibt ihrer Tätigkeit<br />

ja sozusagen ein Logo und vielleicht haben sie<br />

sich dadurch ja eher motiviert gefühlt, die EU zu<br />

vertreten, die sich ihnen sozusagen als doppelte<br />

Allegorie präsentierte – also Anspielung auf<br />

Courbets selbst schon allegorischen Unterleib<br />

„Ursprung der Welt“ und dann nochmals bekleidet<br />

als david-artige Allegorie Europas.<br />

Nikolic: Ich meine, die Art, wie Weiße in Nairobi<br />

nicht exotisch wirken, ist jene als UNO Mitarbeiter,<br />

als NGO Mitarbeiter oder als Sextourist. Also die<br />

weiße Frau in der EU-Unterhose steht dort noch für<br />

mehr.<br />

Zakravsky: Die Diplomaten vor der Unterhose waren<br />

westliche Vertreter in Afrika oder umgekehrt oder<br />

beides?<br />

Nikolic: Europäische und der russische Vertreter<br />

waren anwesend, wenn es schon so wichtig<br />

erscheint.<br />

Zakravsky: Weil ich mich nach der spezifi sch<br />

afrikanischen, wenn es sie gibt, Rezeption des<br />

Bildes frage. Kannst du abgesehen von diesem<br />

Beispiel noch andere Beispiele nennen, wie<br />

afrikanische Künstler auf europäische Kunst<br />

reagierten und umgekehrt?<br />

Nikolic: Grundsätzlich kann ich noch über eine<br />

Arbeit berichten, welche vor Ort entstand, die Arbeit<br />

„Vienna Voodoo“ von Lukas Pusch, die in einer<br />

Kollaboration mit lokalen Künstlern und mir eine<br />

besondere Dimension entwickeln konnte.<br />

Zakravsky: „Vienna Voodoo“ ist ja schon ein<br />

seltsam hybrider Titel, weil er das Wienerische<br />

sozusagen afrikanisiert und das durch einen<br />

synkretistischen Kult, der immer schon jenseits von<br />

Afrika stattfi ndet und besonders viele Projektionen<br />

bei Westlichen auslöst.<br />

Nikolic: Was wir vor Ort machten ist ja nur ein Teil<br />

dieser sich entwickelnden Serie oder Edition. In<br />

Nairobi verständigten wir uns darauf, Lukas bei<br />

seiner Performance zu unterstützen, und daraus<br />

ist ein gewisses Potenzial entstanden. Wenn ich<br />

sage „wir“, meine ich Hopkins, Mwelu, Otieno<br />

und mich. Lukas’ Idee war der Versuch, unsere<br />

Perspektiven, unsere verschiedenen Welten in<br />

einem Photo zu vereinigen. Den weißen Mann<br />

auf Inspektionsrundgang in seiner kolonialen<br />

Hinterlassenschaft. Der weiße Mann, neben<br />

schwarzen Prostituierten, neben AIDS Kranken,<br />

mittendrin in der Scheiße, statt nur dabei...<br />

Zakravsky: Das ist also eine Intervention und eine<br />

Provokation.<br />

Nikolic: Daraus hat sich jetzt eine angehende<br />

Kooperation entwickelt. Julius Mwelu und Fred<br />

Otieno leben im größten Slum von Nairobi, und<br />

dokumentieren seit einigen Jahren das Leben und<br />

Sterben ebendort. Mit<br />

einem Teil des Erlöses von<br />

Lukas’ „Vienna Voodoo<br />

Edition“ wollen wir ein<br />

Projekt unter dem Namen<br />

„Slum TV“ initiieren, wo<br />

wir Videokameras, einen<br />

Schnittcomputer und<br />

einen Projektor für unsere<br />

lokalen Partner erwerben<br />

wollen. Die sollen ihnen<br />

dazu dienen, so etwas wie<br />

ein monatliches lokales<br />

Nachrichtenformat zu<br />

produzieren, und in Mathare<br />

zu zeigen.<br />

Zakravsky: Was genau ist<br />

die Edition, ein Video, ein<br />

einzelnes Foto oder eine<br />

Fotoserie? Und wie wird es<br />

präsentiert?<br />

Nikolic: Es wird aus<br />

mehreren Medien<br />

bestehen. Lukas ist ja<br />

ein ausgezeichneter<br />

Landschaftsmaler, und eine<br />

Fotoserie wird sicher auch<br />

Teil seiner Edition sein.<br />

Gemeinsam planen wir dazu<br />

noch ein Büchlein und ein<br />

Video. Videonachrichten aus<br />

Mathare wird es hoffentlich<br />

ab Herbst/Winter 2006/07<br />

auch geben, im digitalen<br />

Archiv des CAMP Projektes.<br />

http://camp-project.eu<br />

13


<strong>ST</strong>/A/R<br />

Buch XII – Economy Class<br />

Nr. <strong>10</strong>/2006 91<br />

DIESES GETREIDEFELD I<strong>ST</strong> ALLEN MENSCHEN GEWIDMET DIE DURCH AUSÜBUNG VON GESELLSCHAFTLICH ODER<br />

POLITISCH LEGITIMIERTER GEWALT IHRER WÜRDE UND RECHTE BERAUBT VERLETZT GEFOLTERT ERMORDET WER-<br />

DEN ES SOLL JEDEN DARAN ERINNERN RECHTZEITIG UND ENTSCHIEDEN GEGEN RÜCKSICHTSLOSIGKEIT TEIL-<br />

NAHMSLOSIGKEIT MITLÄUFERTUM GRAUSAMKEIT TERROR UND GEWALT AUFZUTRETEN UND ENTGEGENZUWIRKEN<br />

EUGEN HEIN & BIRGIT HEIN-KRIZEK<br />

WETTBEWERBSBEITRAG „GEDENK<strong>ST</strong>ÄTTE FÜR DEN DEPORTIERTEN NACHBARN“ IN WIEN - ASPANG<br />

EIN GETREIDEFELD<br />

im Stadtgebiet Wien befremdet. Manche werden es ablehnen, manche<br />

werden es tolerieren, manche werden es mögen. Es ist ein Feld von<br />

lebenden Organismen – somit ein lebendes Zeichen dafür, dass sich<br />

Befremdliches, wenn es Schutz durch die Verantwortlichen genießt, in<br />

dieser Stadt existieren kann. Das Getreidefeld soll bis zum Jahr 2045<br />

bestehen bleiben.<br />

Im Gedenkjahr 2045 werden es andere sein, die darüber benden, ob<br />

das Feld weiter erhalten werden soll - was das Konzept zwar erlaubt,<br />

aber nicht fordert, und was eine weitere Finanzierung notwendig<br />

machen würde - oder ob das Feld eliminiert werden, und an seiner<br />

Stelle etwas anderes entstehen soll.<br />

EINE TEXTZEILE<br />

wird in Sandstrahltechnik auf einem <strong>10</strong>0m langen Betonstreifen am<br />

nordwestlichen Feldrand – gegenüber der Aron-Menczer-Schule<br />

angebracht (siehe Widmung oben). Der 56cm breite Betonstreifen ist<br />

niveaugleich mit dem Weg entlang der Schule. Er ist der Randstreifen<br />

des Weges und damit die Grenze zum Feld, und man muss den Blick<br />

zu Boden richten, um den Wortlaut im Abschreiten lesen zu können.<br />

Der Text beginnt im Nordosten und endet im Südwesten des Weges.<br />

Der Betonstreifen mit diesem den Weg begleitenden Text soll auch<br />

nach 2045 bestehen bleiben. Somit bliebe er seinerseits, sollte<br />

entschieden werden das Feld zu beseitigen, Erinnerung an eine<br />

Gedenkstätte, welche 39 Jahre lang eine „lebende Erinnerung“ an den<br />

deportierten Menschen war.<br />

Das Projekt wurde von der Jury mit 0:12 Stimmen in der ersten Runde<br />

abgelehnt.


<strong>ST</strong>/A/R Buch XII – Economy Class Nr. <strong>10</strong>/2006 93<br />

Grundsätzlich spricht alles dafür, die Menschen erst einmal das tun zu lassen was sie wollen, denn jede Einschränkung erzeugt Unlust.<br />

Bettina Dessau und Bernulf Kanitscheider<br />

Eine Moral, für die der Körper keine Strafe mehr ist, die Erde kein Jammertal, das Leben<br />

keine Katastrophe, das Vergnügen keine Sünde, die Frauen kein Fluch, die Intelligenz keine<br />

frivole Anmaßung und die Wollust kein Grund zur Verdammnis.<br />

Michel Onfray, aus dem Buch Traité d´athéology. Physique de la méthaphysique.


94 Nr. <strong>10</strong>/2006<br />

Buch XII – Economy Class<br />

<strong>ST</strong>/A/R<br />

Bischof Asenik der neue Bischof der Österreichischen Apostolischen Kirche in Wien, mit<br />

dem Kirchengeneralsekretär Wladimir Jaremenko-Tolstoj weiht die von <strong>ST</strong>/A/R Architekt<br />

Angelo Roventa initierte <strong>ST</strong>/A/R Sonderausgabe VAI<br />

im Pygmaliontheater in der Alserstrasse 43


<strong>ST</strong>/A/R<br />

Buch XII – Economy Class<br />

Nr. <strong>10</strong>/2006 95<br />

5<br />

6 7<br />

Vienna Voodoo Lukas Pusch<br />

Nach der Vernissage von Economy Class gingen Alexander<br />

Nikolic und ich nach Mathare, dem größten Slum von Nairobi<br />

mit rund 700 000 Einwohnern. Wir wollten dort meine Kunst-<br />

Performance realisieren. Drei Tage im mit Scheiße, Kadavern<br />

und Aids-Kranken übersäten Morast Mathares. Im weißen<br />

Smoking.Der Europäer auf Inspektion seiner kolonialen<br />

Hinterlassenschaft. Schulklassen sprangen auf und sangen<br />

“Welcome “ und “Thank you for visiting our class”.<br />

Ich verteilte Bonbons und ließ mir vom Schuldirektor die nassen<br />

und fensterlosen Schulräume zeigen. Wir besuchten illegale<br />

Dschanga-Brauer am Nairobi River, deren schnapsähnliches<br />

Gesöff oft die einzige Einnahmequelle in den Slums ist und<br />

bei häufigem Konsum zur Erblindung führt.<br />

Die Smoking-Performance ist Teil meiner Vienna Voodoo Serie<br />

und soeben als eigene Foto Edition erschienen. Ich wollte<br />

damit zwei Welten auf einem Bild vereinen.<br />

Die Perspektiven wechseln. Kapitalistischer Realismus.<br />

Jene Realitäten vereinen, die sonst durch Grenzzäune und<br />

Sperranlagen getrennt sind. Die Bewohner im Slum freuten<br />

sich, wenn sie mich im Anzug sahen.<br />

Sie waren nicht schockiert. Im Gegenteil, ich<br />

symbolisierte für sie Normalität. In ihrer<br />

Realität ist jeder Weiße reich. Für sie war<br />

der schöne Anzug eher Ausdruck des<br />

Respekts als der Provokation. Unser Blick<br />

auf Afrika ist maximal ein mitleidiger.<br />

Hungernde Kinder. Krieg. Aids. Wir<br />

kommen darin nicht vor und wenn als<br />

Samariter , Humanitäre Hilfstruppen oder<br />

Ärzte ohne Grenzen. Sozialarbeiter.<br />

Julius Mwelu und Fred Otieno leben im<br />

Slum. Sie sind dort aufgewachsen.<br />

Sie arbeiten als Filmer und Fotografen,<br />

dokumentieren das Leben und Sterben<br />

im Slum. Sie schreiben eine Geschichte<br />

des Slums. Eine Geschichte, die sonnst<br />

niemand schreibt. Gemeinsam mit Nikolic<br />

und Sam Hopkins dokumentierten sie<br />

meine Slum-Performance.<br />

Was als “Making of Vienna<br />

Voodoo” begann, entwickelte<br />

sich mit zahlreichen Interviews<br />

zu einer kleinen Dokumentation<br />

über Probleme und Perspektiven<br />

in Mathare und einem ersten<br />

gemeinsamen Test für unser nächstes<br />

9<br />

8<br />

Vienna Voodoo<br />

SLUM-TV Alexander Nikolic und Lukas Pusch<br />

In Rio, Sao Paulo und anderen Megacities gibt es sie bereits.<br />

Regionale Fernsehsender, Community Fernsehen aus dem<br />

Slum. Bildverkehr und Iconoclash in beide Richtungen. “Reich<br />

und Schön” trifft “Arm und Hässlich”.<br />

Der Fotograf und Fussballer Julius Otienu ist Anfang zwanzig<br />

und lebt in Mathare, einem der größten Slums in Afrika.<br />

Fotografieren und filmen bedeutet für ihn seine Freunde<br />

wieder sehen. Freunde die bereits tot sind.<br />

Gestorben wie die Fliegen. An AIDS, Suff, Drogen, Dreck.<br />

Das Leben ist hart in den Slums. Filmen und fotografieren ist<br />

die einzige Erinnerung. Die Aufwertung von Menschen bei<br />

denen es allen egal ist ob sie krepieren oder nicht. Geschichte.<br />

Eine Geschichte die keiner schreibt.<br />

Die Geschichte von Menschen die nicht existieren, nicht<br />

interessieren.<br />

SLUM-TV wird ein Netzwerk kleiner mobiler operativer<br />

Einheiten. Eine Kamera, ein Schnittplatz und ein Videobeamer.<br />

Untergebracht bei MYSA (Mathare Youth Sport Association)<br />

im Zentrum des Slums. Eine selbstproduzierte Wochenschau<br />

im Monatsrythmus. Die Regiesseure sind Julius Otienu, Fred<br />

Mwelu und ihre Freunde. Die Darsteller ebenso. Das “Best of”<br />

wird es dann bei uns zu sehen geben. Auf slum-tv.org.<br />

Sonst nur im Slum, wo es teilweise weder Strom noch fliesend<br />

Wasser gibt.


96 Nr. <strong>10</strong>/2006<br />

MAK Outdoor<br />

Buch XII – Economy Class<br />

<strong>ST</strong>/A/R<br />

MAK-Terrassenplateau von Peter Noever<br />

und Lemurenkopf von Franz West<br />

Initiativen des MAK die den<br />

Öffentlichen Raum bereichern<br />

Skizze für den Terrassenbau<br />

von Peter Noever, Direktor MAK<br />

www.mak.at

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!