Эмиль Рудер Типографика - Newsman.tsu.ru
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Ôóíêöèÿ è ôîðìà<br />
Schöpferisch sein, ist das Wesen des Künstlers; wo es aber keine Schöpfung gibt, gibt es keine Kunst. Aber man würde sich täuschen,<br />
wenn man diese schöpferische Kraft einer angeborenen Begabung zuschreiben wollte. Im Bereiche der Kunst ist der echte<br />
Schöpfer nicht nur ein begabter Mensch, der ein ganzes Bündel von Betätigungen, deren Ergebnis das Kunstwerk ist, auf dieses<br />
Endziel hinausrichten kann. Deshalb beginnt für den Künstler die Schöpfung mit der Vision. Sehen ist in sich schon eine schöpferische<br />
Tat, die eine Anstrengung verlangt. Alles, was wir im täglichen Leben sehen, wird mehr oder weniger durch unsere erworbenen<br />
Gewohnheiten entstellt, und diese Tatsache ist in einer Zeit wie der unsrigen in einer besonderen Weise spürbar, da wir vom<br />
Film, der Reklsme und den illustrierten Zeitschriften mit einer Flut vorfabrizierter Bilder überschwemmt werden, die sich hinsichtlich<br />
der Vision ungefähr so verhalten wie ein Vo<strong>ru</strong>rteil zu einer Erkenntnis. Die zur Befreiung von diesen Bildfabrikaten nötigen Anstrengungen<br />
verlangen einen gewissen Mut, und dieser Mut ist für den Künstler unentbehrlich, der alles so sehen muß, als ob er es zum<br />
ersten Mal sähe. Man muß zeitlebens so sehen können, wie man als Kind die Welt ansah, denn der Verlust dieses Sehvermögens<br />
bedeutet gleichzeitig den Verlust jeglicher originalen, das heißt persönlichen Ausd<strong>ru</strong>cks. Schöpfen heißt, das ausdrücken, was man<br />
in sich hat. Jede echte schöpferische Anstrengung spielt sich im Innern ab. Aber auch das Gefühl will genährt werden, was mit<br />
Hilfe von Anschauungsobjekten, die der Außenwelt entnommen werden, geschieht. Hier schiebt sich die Arbeit ein, durch die der<br />
Künstler die äußere Welt sich stufenweise angleicht und sich einverleibt, bis das Objekt, das er zeichnet, zu einem Bestandteil von<br />
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Schöpferisch sein, ist das Wesen des Künstlers; wo es aber keine<br />
Schöpfung gibt, gibt es keine Kunst. Aber man würde sich täuschen,<br />
wenn man diese schöpferische Kraft einer angeborenen<br />
Begabung zuschreiben wollte. Im Bereich der Kunst ist der echte<br />
Schöpfer nicht nur ein begabter Mensch, der ein ganzes Bündel<br />
von Betätigungen, deren Ergebnis das Kunstwerk ist, auf dieses<br />
Endziel hinausrichten kann. Deshalb beginnt für den Künstler die<br />
Schöpfung mit der Vision. Sehen ist in sich schon eine schöpferische<br />
Tat, die eine Anstrengung verlangt. Alles, was wir im täglichen<br />
Leben sehen, wird mehr oder weniger durch alle unsere<br />
erworbenen Gewohnheiten entstellt, und diese Tatsache ist in<br />
einer Zeit wie der unsrigen in einer besonderen Weise spürbar,<br />
da wir vom Film, der Reklame und den illustrierten Zeitschriften<br />
mit einer Flut vorgefertigter Bilder überschwemmt werden, die<br />
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Schöpferisch sein, ist das Wesen des<br />
Künstlers; wo es aber keine Schöpfung<br />
gibt, gibt es keine Kunst. Aber man würde<br />
sich täuschen, wenn man diese<br />
schöpferische Kraft einer angeborenen<br />
Begabung zuschreiben wollte. Im Bereiche<br />
der Kunst ist der echte Schöpfer<br />
nicht nur ein begabter Mensch, der ein<br />
ganzes Bündel von Betätigungen, deren<br />
Ergebnis das Kunstwerk ist, auf dieses<br />
Endziel hinausrichten kann. Deshalb beginnt<br />
für den Künstler die Schöpfung<br />
mit der Vision. Sehen ist in sich schon<br />
eine schöpferische Tat, die eine An-<br />
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