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Direkte Demokratie und völkerrechtliche Verpflichtungen im Konflikt ...

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n<strong>im</strong>alism” 88<br />

<strong>Direkte</strong> <strong>Demokratie</strong> <strong>und</strong> <strong>völkerrechtliche</strong> <strong>Verpflichtungen</strong> <strong>im</strong> <strong>Konflikt</strong> 1005<br />

beschriebene, Entscheidungsfehler <strong>und</strong> -kosten reduzierende Stil,<br />

rechtfertigt sich einerseits aufgr<strong>und</strong> unterschiedlicher Auslegungsmöglichkeiten,<br />

welche eine vom Parlament nur a b s t r a k t zu beurteilende Norm <strong>im</strong> Hinblick auf<br />

zukünftige Einzelfallentscheidungen regelmässig zulässt. Andererseits ist die in<br />

zwei gleichberechtigte Kammern aufgeteilte B<strong>und</strong>esversammlung mit ihren 246<br />

Mitgliedern trotz der Aufbereitung der Entscheidungsgr<strong>und</strong>lagen durch B<strong>und</strong>esrat,<br />

B<strong>und</strong>esverwaltung <strong>und</strong> parlamentarische Kommissionen strukturell nur bedingt<br />

in der Lage, eine kohärente Rechtspraxis zu entwickeln. Das Parlament sieht<br />

sich denn auch unabhängig vom getroffenen Entscheid <strong>und</strong> den angeführten Entscheidungsgründen<br />

stets dem Verdacht ausgesetzt, politisch statt verfassungsrechtlich<br />

zu urteilen. Der B<strong>und</strong>esversammlung mangelt es nämlich an “Politikdistanz<br />

als Voraussetzung von Politikkontrolle”. 89 Angesicht dieser institutionellen Restriktionen<br />

erscheint die beschriebene zurückhaltende Praxis als sachgerechte<br />

“passive Tugend” 90 .<br />

Anders ist die verfassungsp o l i t i s c h e Passivität der B<strong>und</strong>esversammlung zu<br />

beurteilen. Das Parlament beschränkte sich bei der Revision der B<strong>und</strong>esverfassung<br />

1999 auf die Kodifizierung der Entscheidbegründung der Ungültigerklärung der<br />

Volksinitiative “für eine vernünftige Asylpolitik” (vgl. IV., C.). 91 Damit wurde<br />

nicht abschliessend geklärt, wie gegen “nicht zwingende Best<strong>im</strong>mungen des Völkerrechts”<br />

verstossende Volksinitiativen materiell zu behandeln sind. Diese<br />

Rechtsunsicherheit liesse sich nur durch eine formelle Verfassungsänderung beseitigen.<br />

92 Der für eine Revision der B<strong>und</strong>esverfassung angesichts des obligatorischen<br />

Referendums (Art. 140 Abs. 1 Bst. a BV) notwendige breite Konsens dürfte angesichts<br />

der aufgeworfenen gr<strong>und</strong>legenden staatspolitischen Fragen nicht leicht zu<br />

erzielen sein, da auch die Parteien an einer signifikanten Beschränkung ihrer diesbezüglichen<br />

Handlungsmöglichkeiten kaum interessiert sein dürften (vgl. II., C.,<br />

3.).<br />

88<br />

Gr<strong>und</strong>legend Cass R. S u n s t e i n , Foreword: Leaving Things Undecided, Harvard Law Review<br />

110 (1996), 6-111, 7, 15, 99 f.; d e r s ., One Case at a T<strong>im</strong>e. Judicial Min<strong>im</strong>alism on the Supreme Court,<br />

Cambridge MA/London 1999, IX.; ferner d e r s ., Beyond Judicial Min<strong>im</strong>alism, Harvard Public Law<br />

Working Paper. No. 08-40, 28. September 2008, 8-11 (verfügbar unter , zuletzt aufgerufen am 25. Februar 2009), wonach sich dieser Entscheidungsstil<br />

insbesondere bei theoretisch unzureichend aufgearbeiteten Rechtsfragen aufdränge.<br />

89<br />

Die auf das B<strong>und</strong>esverfassungsgericht gemünzte Formulierung stammt von G r i m m (Anm. 69),<br />

183.<br />

90<br />

Der Begriff der “passive virtues” ist Alexander M. B i c k e l , The Least Dangerous Branch. The<br />

Supreme Court at the Bar of Politics, 2. Aufl., New Haven CT 1986, 111-198 entlehnt.<br />

91<br />

Vgl. Protokoll der Beratungen der Verfassungskommission Nationalrat (Sitzung vom 29.-31.<br />

Oktober in Bern), 10 f.; Protokolle der Beratungen der Verfassungskommission Ständerat, Sitzungen<br />

vom 27. Januar 1997 in Murten, 31; vom 29. Januar 1997 in Freiburg <strong>im</strong> Üechtland, 39; vom 24./25.<br />

August 1998 in Brunnen/SZ, 6 f.<br />

92<br />

Vgl. die Parlamentarische Initiative “Gültigkeit von Volksinitiativen” auf “Curia Vista” (Anm. 8;<br />

Nr. 07.3764) sowie den Vorschlag von K e l l e r / L a n t e r / F i s c h e r (Anm. 2), 149, wonach “Best<strong>im</strong>mungen<br />

des Völkerrechts, die für die Schweiz von v i t a l e r B e d e u t u n g sind” ungültig zu erklären<br />

seien (Hervorhebungen hinzugefügt).<br />

http://www.zaoerv.de/<br />

© 2008, Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht <strong>und</strong> Völkerrecht<br />

ZaöRV 68 (2008)

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