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Direkte Demokratie und völkerrechtliche Verpflichtungen im Konflikt ...

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1022 Reich<br />

aus Art. 197 Ziff. 8 ÜbBest E-BV, wonach die B<strong>und</strong>esversammlung binnen fünf<br />

Jahren eine Ausführungsgesetzgebung zu erlassen hätte, ist zu schliessen, dass Gerichte<br />

<strong>und</strong> Verwaltungsbehörden <strong>im</strong> Rahmen der Verfassungsrechtspflege,<br />

einschliesslich der Straf- <strong>und</strong> Verwaltungsrechtspflege, zur direkten Anwendung<br />

von Art. 121 Abs. 3-6 E-BV weder verpflichtet noch berechtigt wären. An ein ausführendes<br />

B<strong>und</strong>esgesetz wären die rechtsanwendenden Behörden jedoch gr<strong>und</strong>sätzlich<br />

geb<strong>und</strong>en. Gerichts- <strong>und</strong> Verwaltungsbehörden des B<strong>und</strong>es <strong>und</strong> der Kantone<br />

hätten jedoch von einer Anwendung von Art. 121 Abs. 3 E-BV gegenüber<br />

Personen, welche durch die A u s s c h a f f u n g der ernstlichen Gefahr der Tötung<br />

oder der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung<br />

ausgesetzt würden, a b z u s e h e n , sofern zumindest <strong>im</strong> Vollzugsstadium keine ausreichenden<br />

prozessualen Vorkehrungen zur a u s n a h m s l o s e n Wahrung der<br />

Teilgehalte von Art. 139 Abs. 2 BV bestehen (vgl. V., B., 4.).<br />

VI. Folgerungen<br />

Aus der strukturellen Koppelung von Recht <strong>und</strong> Politik durch die V e r f a s -<br />

sung resultiert nicht nur die Instrumentierung des Rechts durch die<br />

Politik, sondern auch die F e s s e l u n g d e r P o l i t i k d u r c h d a s R e c h t . 142<br />

In den verschiedenen Phasen, die eine formulierte Volksinitiative auf Teilrevision<br />

der B<strong>und</strong>esverfassung von ihrer Lancierung bis zu ihrer Umsetzung durchläuft<br />

(vgl. II, A, 2), sind diese Fesseln unterschiedlich eng angezogen. Die B<strong>und</strong>esverfassung<br />

determiniert als Rahmenordnung das inhaltliche Schicksal einer mit <strong>völkerrechtliche</strong>n<br />

<strong>Verpflichtungen</strong> konfligierenden Volksinitiative inhaltlich nicht<br />

absolut. Dieser zuweilen als mangelhaft dargestellten Rechtslage setzt das rechtswissenschaftliche<br />

Schrifttum zumeist entweder eine ausgreifende Interpretation der<br />

inhaltlichen Grenzen der Volksinitiative (Art. 139 Abs. 2 BV) oder die These eines<br />

durchgängigen Vorrangs des Völkerrechts vor entgegenstehendem Landesrecht<br />

(Art. 5 Abs. 4 BV) entgegen (vgl. V., A.). Beide Ansätze lassen sich jedoch verfassungsmethodisch<br />

nicht zureichend abstützen: Art. 5 Abs. 4 BV stellt eine offene<br />

Handlungsanweisung, nicht aber eine Kollisionsnorm <strong>im</strong> Sinne eines strikten<br />

Konditionalprogramms dar, während die Abwägung aller Auslegungselemente zu<br />

einer inhaltlich engen, zweistufigen integrierenden Auslegung der “zwingende[n]<br />

Best<strong>im</strong>mungen des Völkerrechts” von Art. 139 Abs. 2 BV führt. Daraus<br />

ergibt sich die Notwendigkeit, den wissenschaftlichen Fokus auf das gesamte<br />

V e r f a h r e n der Volksinitiative auszuweiten.<br />

Dem vorstehend theoretisch aufgearbeiteten <strong>und</strong> praktisch erläuterten verfassungsrechtlichen<br />

Modell liegt daher das Verständnis der Volksinitiative als ein<br />

mehrstufiges, funktionellrechtlich differenziert geb<strong>und</strong>enes,<br />

142<br />

Niklas L u h m a n n , Zwei Seiten des Rechtsstaates, in: Institute of Comparative Law in Japan<br />

(Hrsg.), Conflict and Integration. Comparative Law in the World Today, Tokyo 1989, 493-506, 496,<br />

498-500, 502; d e r s ., Das Recht der Gesellschaft, Frankfurt am Main 1995, 422.<br />

ZaöRV 68 (2008)<br />

http://www.zaoerv.de/<br />

© 2008, Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht <strong>und</strong> Völkerrecht

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