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Direkte Demokratie und völkerrechtliche Verpflichtungen im Konflikt ...

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<strong>Direkte</strong> <strong>Demokratie</strong> <strong>und</strong> <strong>völkerrechtliche</strong> <strong>Verpflichtungen</strong> <strong>im</strong> <strong>Konflikt</strong> 1015<br />

den Begriff <strong>im</strong> b<strong>und</strong>esverfassungsrechtlichen Kontext fehlender gerichtlicher Suprematie<br />

überhaupt für fruchtbar hält, könnte eine entsprechende “political question”<br />

nur dann vorliegen, wenn ein Vorrang des Völkerrechts verfassungsrechtlich<br />

absolut gefordert wäre, die Gerichte von dessen Durchsetzung aber aufgr<strong>und</strong> einer<br />

als “Selbstbeschränkung” deklarierten, “politisch” motivierten institutionellen<br />

Rücksichtnahme absehen wollten.<br />

Hat die B<strong>und</strong>esversammlung zu einer auf dem Weg der Volksinitiative entstandenen<br />

Best<strong>im</strong>mung der B<strong>und</strong>esverfassung ein ausführendes B u n d e s g e s e t z erlassen,<br />

so stellt Art. 190 BV klar, dass es gr<strong>und</strong>sätzlich nicht Sache des B<strong>und</strong>esgerichts<br />

oder der “anderen rechtsanwendenden Behörden” ist, den B<strong>und</strong>esgesetzgeber<br />

jenseits der völkerrechtskonformen Auslegung an einer möglichen Völkerrechtsverletzung<br />

zu hindern. Keine bindende Wirkung entfalten jedoch<br />

b<strong>und</strong>esgesetzliche Normen, die gegen “zwingende Best<strong>im</strong>mungen des Völkerrechts”<br />

<strong>im</strong> Sinne von Art. 139 Abs. 2 BV verstossen. Die Verletzung solcher zwingenden<br />

Best<strong>im</strong>mungen als enge, aber a b s o l u t e Schranke jeder Verfassungsrevision<br />

muss unabhängig von deren Rang die Nichtanwendung widersprechender<br />

landesrechtlicher Normen <strong>und</strong> die N i c h t i g k e i t einer mit Art. 139 Abs. 2 BV<br />

nicht konformen Verfügung nach sich ziehen. Diese Sanktion rechtfertigt sich aufgr<strong>und</strong><br />

des landesrechtlichen Normtelos von Art. 139 Abs. 2 BV, das bei blosser<br />

Anfechtbarkeit in Frage gestellt wäre. Unterbliebe <strong>im</strong> Einzelfall eine Anfechtung<br />

oder ist eine solche verfahrensrechtlich ausgeschlossen, könnte dies jene irreversiblen<br />

Folgen nach sich ziehen, die Art. 139 Abs. 2 BV zu vermeiden trachtet (vgl. V.,<br />

B., 1., b.). Ferner lässt sich die Nichtigkeit von dem <strong>völkerrechtliche</strong>n ius cogens<br />

widersprechenden Landesrecht völkerrechtlich begründen. 121<br />

Ist die B<strong>und</strong>esversammlung dem Gebot zur Herstellung praktischer Konkordanz<br />

durch verfassungsgeleitete Gesetzgebung nicht nachgekommen, verstösst die<br />

fragliche Verfassungsbest<strong>im</strong>mung zudem nicht gegen Art. 139 Abs. 2 BV <strong>und</strong> ist<br />

sie direkt anwendbar, haben Gerichte <strong>und</strong> Verwaltungsbehörden in einem ersten<br />

Schritt zu eruieren, ob die betreffende Verfassungsbest<strong>im</strong>mung einer v ö l k e r -<br />

rechtskonformen Auslegung zugänglich ist. Scheitern diese Harmonisierungsversuche,<br />

stellt Art. 190 BV klar, dass “das B<strong>und</strong>esgericht <strong>und</strong> die anderen<br />

rechtsanwendenden Behörden” das gesamte für die Schweiz verbindliche Völkerrecht,<br />

welches “neben den Staatsverträgen auch das Völkergewohnheitsrecht, die<br />

allgemeinen Regeln des Völkerrechts <strong>und</strong> Beschlüsse von internationalen Organisationen,<br />

die für die Schweiz verbindlich sind”, umfasst, 122 auch dann a n z u w e n -<br />

geblicher als Staatsverträge?, ZSR 112 (1993) I, 73-77, 76 f.; unter der geltenden BV auch R h i n o w<br />

(Anm. 48), N 3226; W e n g e r (Anm. 2), 426/FN 14, 431.<br />

121 Entsprechend der Ansatz der h.L.: D a h m / D e l b r ü c k / W o l f r u m (Anm. 45), 103; H a n -<br />

gartner (Anm. 43), 654, 664 f., 675; d e r s . / K l e y (Anm. 102), N 524; K e l l e r (Anm. 48), 364;<br />

P e t e r s (Anm. 43), Kap. 6 N 34 (“unwirksam”); S a l a d i n (Anm. 105), 89; S c h i n d l e r (Anm. 45),<br />

329; a.M. K a y s e r (Anm. 98), 266 f.; differenzierend d e W e t (Anm. 102), 120.<br />

122 BGE 133 II 450 E 6.1, 460; vgl. dazu Johannes R e i c h , Due Process and Sanctions Targeted<br />

Against Individuals Pursuant to Resolution 1267 (1999), Yale Journal of International Law 33 (2008),<br />

http://www.zaoerv.de/<br />

© 2008, Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht <strong>und</strong> Völkerrecht<br />

ZaöRV 68 (2008)

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