download - Der Deutsche Koordinierungsrat der Gesellschaften für ...
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50 10/2003 epd-Dokumentation<br />
auch Telefonnummer. Immer nach dem Motto:<br />
‚So etwas wird man doch wohl sagen dürfen‘.<br />
Solche Briefe werden zwar in <strong>der</strong> Regel nicht<br />
veröffentlicht, aber dadurch kann man natürlich<br />
auch nicht verschweigen, dass es solche Meinungen<br />
in unserer Gesellschaft gibt und wen nimmt<br />
es wun<strong>der</strong>, wenn solche Meinungen auch bei<br />
Journalisten vorkommen. Sie sind nun einmal<br />
auch ein Teil dieser Gesellschaft.<br />
Und das nach über 50 Jahren intensiver politischer<br />
Bildung. Da ist sicher auch einiges falsch<br />
gemacht worden und hat man sich vielleicht allzu<br />
oft damit zufrieden gegeben, dass die Rechtschaffenen<br />
aktiv waren - wie etwa in <strong>der</strong> Gesellschaft<br />
<strong>für</strong> christlich-jüdische Zusammenarbeit -<br />
und dass die an<strong>der</strong>en still blieben. Wobei natürlich<br />
<strong>der</strong> Kreis <strong>der</strong> wirklich Aktiven im Laufe <strong>der</strong><br />
Jahre immer kleiner geworden ist und die Beschäftigung<br />
mit Holocaust und Antisemitismus<br />
heute naturgemäß nicht gerade zu den vorrangigen<br />
Themen gehörten und von nicht wenigen<br />
überhaupt in Frage gestellt wird: Müsse man<br />
denn nach so viel Jahren und nach all dem, was<br />
man gesagt, getan und auch gezahlt habe, dies<br />
immer wie<strong>der</strong> aufrollen?<br />
Vielleicht ist auch die streckenweise wirklich sehr<br />
intensive Beschäftigung mit Antisemitismus und<br />
Holocaust daran schuld, dass manche nichts<br />
mehr davon hören wollen. Nicht Quantität, son<strong>der</strong>n<br />
Qualität ist ausschlaggebend, wobei dies<br />
nun wirklich kein Vorwurf an die sein soll, die<br />
sich in den letzten fünfzig Jahren um ein neues<br />
Verhältnis und Verständnis zwischen <strong>Deutsche</strong>n<br />
und Juden bemüht haben. <strong>Der</strong> Antisemitismus ist<br />
nicht erst von den Nazis erfunden worden, er ist<br />
jahrhun<strong>der</strong>tealt. Und er wird auch durch die intensivste<br />
Erziehungsarbeit nicht verschwinden.<br />
Wie es immer Probleme damit geben wird, wie<br />
eine Gesellschaft mit ihren religiösen o<strong>der</strong> ethnischen<br />
Min<strong>der</strong>heiten auskommt und zusammenlebt.<br />
Schon allein sprachlich scheint man - auch in den<br />
Medien - ein Problem im Umgang mit Juden zu<br />
haben. Man nennt sie nämlich in <strong>der</strong> Regel nicht<br />
»Juden« - so als wäre dies ein Schimpfwort. Während<br />
Juden selbst damit kein Problem haben, sich<br />
selbst als Juden zu bezeichnen, schrecken beson<strong>der</strong>s<br />
die Medien meist davor zurück. So wurden<br />
die Opfer des Sprengstoffanschlages von Düsseldorf<br />
- die sämtlich Juden waren - zunächst als<br />
»Russen«, dann als »russische Einwan<strong>der</strong>er«,<br />
dann als »Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> israelitischen Gemeinde«<br />
o<strong>der</strong> »Menschen jüdischen Glaubens« und ähnlich<br />
bezeichnet. So gut wie nie aber einfach als »Juden«.<br />
Auch in an<strong>der</strong>en Fällen wird meistens verschwiegen<br />
o<strong>der</strong> umständlich umschrieben, dass<br />
jemand Jude ist. Etwa, indem man irgendwo im<br />
Artikel erklärt, dass die Familie im KZ umgekommen<br />
sei. Nun ist diese Information natürlich<br />
völlig irrelevant und sollte wegbleiben, wenn sie<br />
mit dem Grund des Berichts über die Person<br />
nichts zu tun hat. Im Fall Düsseldorf war es aber<br />
durchaus relevant, dass die Opfer Juden waren,<br />
denn <strong>der</strong> Anschlag hätte ja anti-jüdische Motive<br />
haben können.<br />
Wenn wir schon im Umgang mit dem Wort »Jude«<br />
ein Problem haben - um wie viel größer mag<br />
da das Problem im Umgang mit den Juden selbst<br />
sein? Was natürlich nicht erleichtert wird dadurch,<br />
dass es in Deutschland nicht viele Juden<br />
gibt und die meisten, die über Juden sprechen,<br />
solche gar nicht o<strong>der</strong> kaum kennen. Ein idealer<br />
Nährboden <strong>für</strong> Biertisch-Parolen und Vorurteile.<br />
Die ja immer besser gedeihen, wenn sie nicht<br />
durch Fakten »gestört« werden o<strong>der</strong> wi<strong>der</strong>legbar<br />
sind. Nur bessere Information und mehr Wissen<br />
können dies begrenzen, aber je mehr man gezielt<br />
informiert, desto mehr wird auch <strong>der</strong> bereits ausgeprägte<br />
Abwehr-Mechanismus in Gang gesetzt.<br />
Ein Teufelskreis und eine Aufgabe ohne Ende. Bei<br />
dem die Medien eine sehr wichtige Rolle spielen<br />
können und müssen. Eine verantwortliche Rolle,<br />
die sich vor allem darauf konzentrieren sollte,<br />
fundiert und ausgewogen zu berichten, nicht<br />
Cliché-Vorstellungen zu erliegen und vor allem:<br />
Nicht durch Oberflächlichkeit und um »schöner«<br />
Formulierungen willen falsche Assoziationen zu<br />
wecken und antisemitische Gefühle zu bedienen,<br />
die es natürlich weiterhin in <strong>der</strong> Bevölkerung<br />
gibt. Nicht nur hier, son<strong>der</strong>n auch an<strong>der</strong>swo.<br />
Aber unsere eigenen Antisemiten sollten uns<br />
mehr kümmern als die in Frankreich o<strong>der</strong> sonst<br />
wo. Gegen solche Tendenzen anzugehen und<br />
etwas zu tun - auch in den Medien aktiv zu sein -<br />
gebieten uns nicht Weltjudentum und Zionisten,<br />
son<strong>der</strong>n das ist und bleibt eine Frage <strong>der</strong> Moral<br />
und des Anstandes.