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58 10/2003 epd-Dokumentation<br />

Nazismus und das Nennen von Wirkungen und<br />

das Verschweigen von Ursachen« belasten die<br />

Gefühle jüdischer Bürger außerordentlich. Die<br />

Wortwahl <strong>der</strong> Massenmedien, insbeson<strong>der</strong>e in<br />

<strong>der</strong> permanent einseitig verzerrten Berichterstattung<br />

über den Staat Israel, war latent abstoßend,<br />

oftmals dem faschistischen Wortschatz entlehnt,<br />

wenn etwa von »Schmeißfliegen« o<strong>der</strong> gar »Untermenschen«<br />

geschrieben wurde.<br />

Sogar in Kin<strong>der</strong>zeitschriften wie <strong>der</strong> ABC-Zeitung<br />

wurden Diffamierungen wie die Geschichte eines<br />

kleinen Drachens mit Namen »Zion« abgedruckt,<br />

<strong>der</strong> angeblich ständig die Häuser <strong>der</strong> friedliebenden<br />

Kin<strong>der</strong> Palästinas zerstörte. <strong>Der</strong> Ost-Berliner<br />

Gemeindevorsitzende Kirchner bemerkte dazu,<br />

mit beson<strong>der</strong>em Blick auf die indoktrinierten<br />

Jugendlichen, bereits im November 1982 in einem<br />

Interview <strong>der</strong> ARD-Tagesthemen: »Da die<br />

offizielle politische Linie des Staates eine antiisraelische,<br />

proarabische ist, betonen die Massenmedien<br />

beson<strong>der</strong>s diese anti-israelische Komponente.<br />

Sie heben sie sogar beson<strong>der</strong>s hervor, so<br />

dass auch wir nicht mehr herum können, die<br />

hautnahe Verwandtschaft dieser antiisraelischen<br />

Einstellung zum traditionellen Antijudaismus<br />

festzustellen. Wenn ein heranwachsen<strong>der</strong> Jugendlicher<br />

fast täglich - aus politischen Gründen -<br />

mit negativen Daten über die israelischen Juden<br />

gefüttert wird, kann er kaum umhin, diese negative<br />

Zeichnung auch auf die Juden in seiner Umgebung<br />

zu übertragen.«<br />

Die tief greifenden politischen und gesellschaftlichen<br />

Verän<strong>der</strong>ungen, 6 die sich im Oktober/November<br />

1989 in <strong>der</strong> DDR nach <strong>der</strong> Ablösung<br />

Erich Honeckers als SED-Generalsekretär<br />

vollzogen, leiteten unter <strong>der</strong> Übergangsregierung<br />

von Hans Modrow auch in dem Verhältnis zum<br />

Staat Israel einen Wandel ein. Eng verbunden mit<br />

<strong>der</strong> außenpolitischen Kurswende <strong>der</strong> SED 7 und<br />

<strong>der</strong> Abkehr von <strong>der</strong> früheren dezidiert antizionistischen<br />

Haltung war die sich abzeichnende Instrumentalisierung<br />

des neuen Kontaktes <strong>für</strong> die<br />

Ziele des eigenen Machterhalts. DDR-<br />

Außenminister Oskar Fischer, noch ein Relikt aus<br />

<strong>der</strong> Honecker-Ära, zerstreute im Gespräch mit<br />

Reportern die israelischen Ängste vor einer möglichen<br />

Wie<strong>der</strong>vereinigung Deutschlands und betonte<br />

Ende November 1989, diese werde nicht<br />

angestrebt, da die geteilte Lage eine Grundlage<br />

<strong>der</strong> Stabilität in Europa sei. Die Aufnahme diplomatischer<br />

Beziehungen zwischen <strong>der</strong> DDR und<br />

Israel wurde auch von Gregor Gysi, dem im Dezember<br />

1989 gewählten neuen Vorsitzenden <strong>der</strong><br />

SED-PDS, in einem Interview im Januar 1990<br />

unterstützt. Allerdings müssen bei dessen schein-<br />

bar vorbehaltloser Unterstützung die innenpolitischen<br />

Intentionen <strong>der</strong> im Umbruch befindlichen<br />

Partei mitberücksichtigt werden. Denn nur wenige<br />

Wochen später ersuchte Gregor Gysi jüdische<br />

Rabbiner um weltweite finanzielle Hilfe <strong>für</strong> die<br />

DDR, um eine immer näher rückende Vereinigung<br />

bei<strong>der</strong> deutscher Staaten zu vereiteln. Mit<br />

<strong>der</strong> allzu durchsichtigen Begründung, eine Wie<strong>der</strong>vereinigung<br />

sei »schlecht <strong>für</strong> die Welt, insbeson<strong>der</strong>e<br />

aber <strong>für</strong> die Juden«, versuchte Gysi den<br />

Machtverfall <strong>der</strong> SED und den Untergang <strong>der</strong><br />

DDR zu verhin<strong>der</strong>n. Im Februar 1990 schließlich<br />

informierte Außenminister Fischer Ministerpräsident<br />

Modrow über das weitere außenpolitische<br />

Vorgehen <strong>der</strong> DDR gegenüber dem Staat Israel.<br />

Beson<strong>der</strong>s bemerkenswert war vor allem das<br />

Eingeständnis: »Die Haltung <strong>der</strong> DDR zum Zionismus<br />

ist durch das Ministerium <strong>für</strong> Auswärtige<br />

Angelegenheiten unter Einbeziehung kompetenter<br />

wissenschaftlicher Institutionen neu zu bestimmen.«<br />

Die Gründung einer »Gesellschaft DDR-Israel <strong>für</strong><br />

Verständigung und Zusammenarbeit e.V.«, die<br />

während eines Symposiums <strong>der</strong> Berliner Jüdischen<br />

Gemeinde am 11. November 1989 angeregt<br />

und formell Ende März 1990 gebildet wurde, war<br />

ein deutliches Zeichen <strong>für</strong> das jahrelang unterdrückte<br />

Interesse am jüdischen Staat sowie ein<br />

demonstratives Signal gegen den politischen Antizionismus<br />

früherer Jahre. Das Ehrenmitglied<br />

Stephan Hermlin beklagte bei <strong>der</strong> Gründungsversammlung<br />

am 31. März 1990 in <strong>der</strong> Ost-Berliner<br />

Akademie <strong>der</strong> Künste das frühere, jahrzehntelange<br />

»Vakuum« in den Beziehungen, da <strong>der</strong> Staat<br />

Israel auf Grund <strong>der</strong> historischen Ereignisse doch<br />

»kein Staat wie je<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e« <strong>für</strong> die DDR sein<br />

könne.<br />

Das erste demokratisch gewählte DDR-Parlament<br />

bekannte sich in einer vom Bürgerrechtler Konrad<br />

Weiß formulierten gemeinsamen Deklaration aller<br />

Volkskammer-Fraktionen im April 1990 rückhaltlos<br />

zur Last <strong>der</strong> deutschen Geschichte und<br />

gestand die bitteren Versäumnisse <strong>der</strong> Nachkriegsvergangenheit<br />

endlich ein: »Wir bitten die<br />

Juden in aller Welt um Verzeihung. Wir bitten<br />

das Volk in Israel um Verzeihung <strong>für</strong> Heuchelei<br />

und Feindseligkeit <strong>der</strong> offiziellen DDR-Politik<br />

gegenüber dem Staat Israel und <strong>für</strong> die Verfolgung<br />

und Entwürdigung jüdischer Mitbürger auch<br />

nach 1945 in unserem Lande.«<br />

Anmerkungen:<br />

1 Siehe ausführlich Mertens, Lothar: Staatlich propagierter Antizionismus<br />

- Das verzerrte Israelbild <strong>der</strong> DDR. In: Jahrbuch <strong>für</strong><br />

Antisemitismusforschung, Bd. 2. Hrsg. von Wolfgang Benz.

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