22.02.2013 Aufrufe

download - Der Deutsche Koordinierungsrat der Gesellschaften für ...

download - Der Deutsche Koordinierungsrat der Gesellschaften für ...

download - Der Deutsche Koordinierungsrat der Gesellschaften für ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

setzt und den Evangelisten besser verstanden als<br />

noch bei <strong>der</strong> Uraufführung. Und er hat es einem<br />

alttestamentlichen Test klargemacht.<br />

7. Zuletzt. Die Texte <strong>der</strong> Arien hat Bach aus gedruckten<br />

Vorlagen entnommen, im Fall <strong>der</strong> Johannespassion<br />

von dem Hamburger Ratsherrn<br />

Barthold Heinr. Brockes und von einem an<strong>der</strong>en<br />

Hamburger J. G. Postel. An die Textvorlagen hat<br />

er sich jedoch nicht streng gehalten, hat nach<br />

eigenem Sinn daran herumgebastelt. Nur bei<br />

Johannes hören wir Jesu Wort am Kreuz: »Es ist<br />

vollbracht«. Brockes dichtete im Anschluss daran<br />

ein Terzett, in dem diese Kreuzesworte in poetischer<br />

Form wie<strong>der</strong>holt und umsungen werden.<br />

Bach bringt an dieser Stelle kein Terzett, son<strong>der</strong>n<br />

eine Alt-Arie, mit <strong>der</strong> Orgel und einer Sologambe<br />

begleitet - also auch dreistimmig: Ein ähnlicher,<br />

freilich stärker geraffter Text. Als Mittelteil dieser<br />

Arie fügt Bach zwischen die 1. Zeile »Es ist vollbracht«<br />

und die letzte Zeile »Es ist vollbracht« ein<br />

von allen Streichern begleitetes Vivace ein auf<br />

einen Bibeltext, den er selbst dazu gewählt hat<br />

aus dem letzten Buch <strong>der</strong> Bibel (Offbg 5,5): das<br />

triumphale, mitten im Tod Jesu österlich aufjauchzende<br />

»<strong>Der</strong> Held aus Juda siegt mit Macht!«<br />

Da hat er mitten in die Passion den Sieg des Lebens<br />

hineingeschrieben. Und da hat er den Ostersieg<br />

als Wahrheit des Johanneswortes gedeutet:<br />

Das Heil kommt von den Juden.<br />

Wer in den Judenchören vor antijüdisch klingenden<br />

Tönen Bachs zurückgeschreckt ist -<br />

hier, beim »Es ist vollbracht« muss er das Be-<br />

epd-Dokumentation 10/2003 65<br />

kenntnis hören, mit dem Bach auch unserer<br />

Generation um bald dreihun<strong>der</strong>t Jahre voraus<br />

war: <strong>Der</strong> Held aus Juda siegt mit Macht. Das<br />

Heil kommt von den Juden.<br />

8. Zuallerletzt: »Mein Reich ist nicht von dieser<br />

Welt«. Auch dies nur im Johannesevangelium.<br />

Von welcher denn? Für Jesus, den Juden, nicht<br />

ganz klar: Nicht ist mein Reich im Jenseits, son<strong>der</strong>n:<br />

Mein Reich, ist von <strong>der</strong> kommenden Welt.<br />

Nicht jetzt bin ich König. Jetzt leide und sterbe<br />

ich. Aber nach mir die Zukunft. Auch das hat <strong>der</strong><br />

große Johann Sebastian Bach gewusst und darum<br />

an den Schluss gesetzt:<br />

»Ach Herr, laß dein lieb Engelein<br />

am letzten End die Seele mein<br />

in Abrahams Schoß tragen.«<br />

Abrahams Schoß: ein jüdisches Bild <strong>für</strong> das Glück<br />

<strong>der</strong> Zukunft.<br />

Bis dahin aber lässt Bach die christliche Gemeinde<br />

singen, kein »garstig Lied« und doch ein politisch<br />

Lied:<br />

»Durch dein Gefängnis, Gottes Sohn,<br />

ist uns die Freiheit kommen.<br />

Dein Kerker ist <strong>der</strong> Gnadenthron,<br />

die Freistatt aller Frommen.<br />

Denn gingst du nicht die Knechtschaft ein,<br />

müßt‘ unsre Knechtschaft ewig sein.«<br />

Ich schließe mit Bachs »J.J.«: Jesu juva.<br />

Hilf, Jesus, laß es Ereignis werden.<br />

Ist in Auschwitz das Christentum gestorben?<br />

Von Prof. Dr. Rolf Rendtorff<br />

Aus »Kultur allein ist nicht genug«, LIT-Verlag,<br />

Münster, 1998. Nachdruck mit freundlicher<br />

Genehmigung des Autors. <strong>Der</strong> Autor ist emeritierter<br />

Professor <strong>für</strong> Alttestamentliche Theologie<br />

in Heidelberg.<br />

Elie Wiesel hat gesagt: »<strong>Der</strong> nachdenkliche Christ<br />

weiß, dass in Auschwitz nicht das jüdische Volk,<br />

son<strong>der</strong>n das Christentum gestorben ist.« 1<br />

Lassen<br />

Sie uns über diesem Satz genauer nachdenken.<br />

Das Erste ist: In Auschwitz ist das jüdische Volk<br />

nicht gestorben. Wir wären heute nicht hier versammelt,<br />

wenn die Pläne <strong>der</strong>er aufgegangen wären,<br />

die Auschwitz erfunden und realisiert haben.<br />

Ihre teuflische Vernichtungsmaschinerie hat Millionen<br />

von Juden ermordet. Aber sie hat zugleich<br />

mit dazu beigetragen, dass das jüdische Volk<br />

seiner Existenz als Volk eine neue Form gegeben<br />

hat: als jüdischer Staat in dem Land, das seit <strong>der</strong><br />

Zeit seiner biblischen Väter seine Heimat gewesen<br />

war. Das jüdische Volk ist nicht gestorben. Und<br />

wir wollen Gott da<strong>für</strong> danken, dass es nicht gestorben<br />

ist.<br />

I<br />

Aber was ist mit dem Christentum? Was hat das<br />

Christentum mit Auschwitz zu tun? Ich bin über-

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!