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Dr. Fritz Fenzl Autor im Gespräch mit Dr. Wolfgang Habermeyer ...

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http://www.br-online.de/alpha/forum/vor0406/20040607.shtml<br />

Sendung vom 07.06.2004, 20.15 Uhr<br />

<strong>Dr</strong>. <strong>Fritz</strong> <strong>Fenzl</strong><br />

<strong>Autor</strong><br />

<strong>im</strong> <strong>Gespräch</strong> <strong>mit</strong> <strong>Dr</strong>. <strong>Wolfgang</strong> <strong>Habermeyer</strong><br />

<strong>Habermeyer</strong>: Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer, herzlich willkommen be<strong>im</strong> Alpha-<br />

Forum. Unser Gast ist heute <strong>Dr</strong>. <strong>Fritz</strong> <strong>Fenzl</strong>, Gymnasiallehrer, <strong>Autor</strong> und<br />

ehemaliger Leiter der Münchner Monacensia-Stiftung. Wenn ich Ihnen ein<br />

paar Bücher <strong>mit</strong> ihren Titeln aufzähle, die unser Gast geschrieben hat, dann<br />

wissen Sie, worum es heute ungefähr gehen wird. Eines seiner jüngsten<br />

Bücher handelt vom Jakobsweg in Bayern. Er hat aber auch Bücher<br />

geschrieben über Marienwunder, über Wunderheilungen oder Orte der<br />

Kelten in Bayern. Wir werden heute also über Heiliges und Profanes reden,<br />

über Glauben und über Zweifel. Ich kann nur sagen, Herr <strong>Fenzl</strong>, herzlich<br />

willkommen bei uns <strong>im</strong> Studio. Ich freue mich, dass Sie da sind. Fangen wir<br />

doch mal <strong>mit</strong> Ihrem jüngsten Buch an, <strong>mit</strong> dem Buch "Der bayerische<br />

Jakobsweg". Warum pilgern eigentlich die Menschen seit vielen<br />

Jahrhunderten nach Santiago de Compostela? Was hat es <strong>mit</strong> diesem<br />

Jakob auf sich und warum hat der Apostel Jakob etwas <strong>mit</strong> Spanien zu tun?<br />

<strong>Fenzl</strong>: Man könnte überhaupt fragen, warum pilgern die Menschen? Sie pilgern ja<br />

nicht nur nach Santiago de Compostela. Es gibt drei große Pilgerwege in<br />

unserem Kulturkreis: Das ist der Pilgerweg nach Rom, der nach Jerusalem<br />

und der nach Santiago de Compostela. Und diese Wallfahrt nach Santiago<br />

de Compostela gewinnt in unserer Zeit tatsächlich <strong>im</strong>mer mehr Zulauf. Das<br />

ist mehr als ein Boom, das ist wirklich ein großes Bedürfnis vieler Menschen<br />

geworden. Eines der Gehe<strong>im</strong>nisse dieser magischen Orte und Pilgerwege<br />

ist, dass man auch wirklich dorthin gehen muss, dann erlebt man das<br />

selbst. Ich war ja selbst an vielen dieser Orte: Da erschließt sich einem dann<br />

eine Datenautobahn ganz besonderer Art. Zu Ihrer Frage: Heute suchen<br />

diesen Weg in jeder Beziehung so viele Leute, weil der Weg so versperrt ist.<br />

Das heißt, wir leben in einer Zeit des absoluten Werteverfalls, das ist<br />

zumindest meine Meinung. Die Menschen sind orientierungslos. Das, was<br />

noch vor kurzem in meiner Kindheit selbstverständlich gewesen ist -<br />

Familie, Moral, Treue, Gehorsam und der ganze Katalog der zehn Gebote -<br />

ist eigentlich hinfällig heute. Aber es gibt ein Urbedürfnis <strong>im</strong> Menschen, sich<br />

zu orientieren. Wer diesen Weg geht, kommt automatisch <strong>im</strong>mer wieder an<br />

Stellen, die ihn zu sich selbst und zu seinem besseren Ich führen.<br />

<strong>Habermeyer</strong>: Der heilige Jakob war ja ein Apostel. Wie hängt das zusammen? Ist es<br />

sozusagen historisch begründet, dass man nun gerade nach Santiago de<br />

Compostela pilgert? Hat das einen wirklichen historischen Grund?<br />

<strong>Fenzl</strong>: Ja, aber es scheiden sich hier die Geister und je mehr man sich da<strong>mit</strong><br />

befasst, desto weniger weiß man, außer dass man referieren kann, um was<br />

es geht: Es wird gesagt, und das scheint mir am wahrscheinlichsten,<br />

Jakobus sei ein Bruder von Jesus gewesen. Dies ist also eine Theorie, die<br />

sehr <strong>mit</strong> den Templern zusammenhängt, <strong>mit</strong> den Gedanken der Kreuzritter<br />

und des Templertums überhaupt. Wahrscheinlich befinden sich die<br />

Knochen, also die Reliquien des Jakobus, am Endpunkt der Reise, nämlich


in Santiago de Compostela. Aber auch das weiß man nicht genau. Ebenso<br />

wenig weiß man, woher denn diese Muschel kommt. Ich habe alles<br />

versucht in dieser Richtung. Es gibt Legenden, dass er ins Meer geworfen<br />

worden sei und dann be<strong>im</strong> Heraussteigen <strong>mit</strong> Muscheln übersät gewesen<br />

war. Man weiß auch, dass die Tempelritter, die Ritter vom Heiligen Grab,<br />

diese Muschel als Erkennungszeichen genützt haben. Es begegnet einem<br />

also auf dem Jakobsweg ständig diese Muschel. Aber sie lässt sich nun<br />

einmal nicht genau deuten. Ich glaube, das ist auch gar nicht notwendig.<br />

Wichtig ist hingegen die Tatsache, dass die Leute dort hingehen und<br />

wirklich etwas erfahren. Das heißt, es findet eine Transformation statt und<br />

das Leben dieser Menschen ändert sich: Jeder, der diesen Weg gegangen<br />

ist – es genügt meiner Meinung nach auch, wichtige Stationen dieses<br />

Wegs zu besuchen –, sagt hinterher, <strong>mit</strong> ihm sei etwas seitdem passiert.<br />

Das ist genau diese Jakobsenergie, um die es hier geht.<br />

<strong>Habermeyer</strong>: Ihnen geht es also nicht so sehr darum, dass man gezwungenermaßen<br />

wirklich gehen muss. Stattdessen geht es Ihnen um diese Orte.<br />

<strong>Fenzl</strong>: Ja, mir geht es mehr um die Orte. Ich bin auch Strecken dieses Wegs<br />

gegangen, ich bin nicht den gesamten Weg gegangen. Ich kenne natürlich<br />

auch Leute, die das gemacht haben. Ich habe vor, dass ich das, wenn ich<br />

60 Jahre alt bin und den Lehrerberuf irgendwann ganz <strong>mit</strong> dem<br />

Schreiberberuf tauschen werde, selbst auch mache. Mir geht es ja in<br />

anderen Büchern auch vor allem um magische Orte, um Kraftorte, um<br />

heilige Stätten oder Thingplätze. Ich habe dabei eben festgestellt, dass<br />

gerade der Jakobsweg – nicht nur der in Spanien <strong>mit</strong> den berühmten Orten<br />

wie Pamplona usw., sondern auch dieses Zubringersystem in ganz Europa,<br />

wovon der bayerische Jakobsweg ein Teil ist – eine Aneinanderreihung von<br />

Kraftorten ist. Ich habe dafür das Wort "Perlenschnur" gebraucht.<br />

<strong>Habermeyer</strong>: Sie beschreiben also den bayerischen Jakobsweg, einen der<br />

Zubringerwege zum großen Jakobsweg: Der bayerische Jakobsweg geht<br />

von Passau bis Lindau. Er führt von Passaus zunächst einmal ins Rottal,<br />

macht dann eine kleine Biege nach München und geht übers Allgäu runter<br />

nach Lindau. Ist dieser Weg angelehnt an die tatsächlich früher praktizierten<br />

Pilgerwege? Oder ist das eher von Ihnen ein Vorschlag, wie man sich auf<br />

diesem Weg an Jakob entlang bewegen könnte?<br />

<strong>Fenzl</strong>: Dieser bayerische Jakobsweg – mich wundert es, dass noch nichts darüber<br />

veröffentlicht worden ist – ist, wie ich <strong>im</strong> Kirchenarchiv sehen konnte, bereits<br />

sehr alt. Das ist einer der Zubringer, ein Teilzubringer. Denn von Passau<br />

aus ging es natürlich weiter in den Osten und von Lindau aus geht es<br />

natürlich auch noch weiter bis zu den Pyrenäen nach Spanien. Dieser Weg<br />

ist also altbekannt und ein Teil dieses Weges ist ja inzwischen auch schon<br />

eingeweiht, nämlich der Teil von München ausgehend am westlichen Ufer<br />

des Ammersees entlang, also durch Inning, Schondorf und weiter bis zum<br />

Schatzberg. Dort findet man eben auch überall auf diesem Weg jene<br />

blauen Plaketten <strong>mit</strong> elf Jakobsfingern drauf. Das ist sozusagen eine<br />

stilisierte Muschel. Der Wanderer weiß dann: Wenn die Muschel nach<br />

rechts zeigt, dann geht es nach rechts, wenn sie nach unten zeigt, dann<br />

geht es geradeaus usw. Teile dieses Wegs sind vom ehemaligen<br />

Benediktiner-Abt Odilo Lechner eingeweiht worden in Feiern, die <strong>im</strong> letzten<br />

und vorletzten Sommer stattgefunden haben.<br />

<strong>Habermeyer</strong>: Ihnen geht es also eher um die einzelnen Orte, um die einzelnen Kirchen<br />

und Kapellen, die auf diesem Weg anzutreffen sind und in denen man<br />

<strong>im</strong>mer wieder auf den heiligen Jakob stößt. Beschreiben Sie doch mal<br />

einen dieser Orte wie z. B. Fürstenzell oder einen anderen Ort, der Ihnen<br />

gerade einfällt: Was ist an diesen Orten das Prägnante und warum hat das<br />

etwas <strong>mit</strong> diesem Jakobsweg zu tun? Was ist an diesen Orten für Sie das<br />

Interessante?


<strong>Fenzl</strong>: Gut, ich könnte natürlich über jeden Ort reden, aber wenn Sie Fürstenzell<br />

schon erwähnen: Fürstenzell liegt in der Nähe von Passau und auch ganz<br />

in der Nähe einer wunderbaren, heilbringenden Quelle, nämlich<br />

Heiligenbrunn, die übrigens auch schon offiziell untersucht worden ist. In<br />

Fürstenzell trifft man auf eine großartige Kirche, über die ich hier best<strong>im</strong>mt<br />

länger als eine Stunde referieren könnte, aber das ist nicht unser Thema. In<br />

dieser Kirche findet man jedenfalls auch eine lebensgroße Nischenfigur:<br />

einen goldenen Jakobus. Da freut man sich dann <strong>im</strong>mer: Wenn man<br />

nämlich auf dem Jakobsweg ist, in eine Kirche kommt und dort dann eine<br />

Jakobsfigur findet, dann erfreut dies das Herz des Pilgers. Jakob hat<br />

traditionell einen Pilgerstab, schwere Wanderstiefel und einen Hut, so<br />

ähnlich wie einen Südwester. Dieser Hut sieht eher aus wie der eines<br />

Seemanns oder Piraten: Die seitliche Krempe ist hochgeschlagen und dort<br />

ist auch diese Muschel befestigt. Oft ist die Muschel auch vorne auf der<br />

Brust befestigt. Er hat meistens eine Trinkflasche <strong>mit</strong> dabei. Das sind so<br />

seine Attribute. Sie haben nach den Attributen einer typischen Jakobskirche<br />

gefragt. Man spürt in dieser Kirche eine ganze besondere Energie: Alle<br />

diese Kirchen <strong>mit</strong> einem heiligen Jakob – gerade das Rottal ist davon<br />

übersät, denn die nächste wäre dann schon in Aunham, in der Nähe von<br />

Bad Birnbach, in der ein sehr altes Fresko freigelegt worden ist, das<br />

ebenfalls den heiligen Jakob zeigt, erneut <strong>mit</strong> der Wasserflasche, dem Hut,<br />

dem Stab und den Stiefeln – befinden sich an Stellen <strong>mit</strong> einer besonderen<br />

Erdenergie. Das spüre ich ganz deutlich und das ließe sich auch messen.<br />

Man könnte das wirklich auch <strong>mit</strong> technischen Geräten messen. Für<br />

Wünschelrutengänger oder Pendler ist das ohnehin eindeutig spürbar. Aber<br />

ich will hier eigentlich eher seriös bleiben. Das sind jedenfalls Orte auf dem<br />

Gitternetz, das die ganze Erde überzieht. Speziell in Bayern sind die alten<br />

Kapellen oder Fürstenhäuser oder Burgen auf Schnittstellen dieser<br />

Energielinien, die die Kraftorte verbinden, gebaut worden. Wenn man diese<br />

Kraftorte <strong>mit</strong> dem Lineal verbindet, dann bekommt man das Rautenmuster.<br />

Die Raute ist in Bayern also ebenfalls ein Findzeichen, ein<br />

Herrschaftszeichen für Energiepunkte.<br />

<strong>Habermeyer</strong>: Sie haben in Ihrem Buch, in dem es um die Kelten in Bayern geht, ja auch<br />

diese Orte aufgesucht. Sie vertreten die Ansicht, dass viele der christlichen<br />

Kirchen und viele der Stätten, die wir heutzutage in Bayern ganz einfach <strong>mit</strong><br />

dem Christentum verbinden, viel älter als das Christentum sind. Diese<br />

Kirchen wurden nämlich Ihrer Ansicht nach deswegen genau dort gebaut,<br />

weil dort bereits die Kelten ihre Thingplätze oder magischen Orte hatten.<br />

Habe ich Sie da richtig wiedergegeben?<br />

<strong>Fenzl</strong>: Ganz genau so sehe ich es und genau so sehen das auch alle die<br />

Experten. Und das ist auch gar nicht anders möglich, weil es die Kraftorte<br />

einfach vorher schon gegeben hat. Es gab sie auch schon ohne Menschen:<br />

Sie gehören zur Schöpfung. Sie wurden also von unseren Vorfahren bereits<br />

lange vor dem Christentum erkannt: Das waren hauptsächlich Kelten oder,<br />

wenn man es religiös ausdrücken will, Heiden. Sie hatten hervorragende<br />

Priester und Priesterinnen, nämlich die <strong>Dr</strong>uiden und <strong>Dr</strong>uidinnen. Sie waren<br />

<strong>mit</strong> der Wünschelrute sehr gewandt <strong>im</strong> Finden besonderer Orte. In der<br />

Legende oder auch in der Bibel findet sich diese Wünschelrute <strong>im</strong>mer als<br />

Stab wieder: Auch Moses schlägt den Stab an den Felsen und es kommt<br />

Wasser heraus. Es geht also <strong>im</strong>mer um den Vorgang, dass ein<br />

Eingeweihter oder einer, der das halt kann, weil er darin ausgebildet ist,<br />

solche Stellen findet. Sie hängen auch übrigens meistens <strong>mit</strong> dem Wasser<br />

zusammen. Alle diese Orte haben also Wasservorkommen oder Quellen.<br />

Das sind eben Überlebensplätze. Gefunden wurden sie von den <strong>Dr</strong>uiden<br />

und errichtet wurden dort dann die Thingplätze, heiligen Haine usw. Später,<br />

ab der Christianisierung, ab dem 5. Jahrhundert – Sie wissen, dass Bayern<br />

<strong>im</strong> 5., 6. und 7. Jahrhundert von den iro-schottischen Wandermönchen<br />

christianisiert worden ist –, kam es dann zu diesem Kontakt: Diese Mönche


haben die <strong>Dr</strong>uiden ja noch gekannt, haben diese Kultur gekannt und auch<br />

diese Sprache gesprochen. Man hat sich ganz sicher gekannt und sich<br />

ausgetauscht. Das Ganze war also ein fließender Übergang. Um die neue<br />

Religion dann zu etablieren, hat man diese Plätze benutzt und umgedeutet.<br />

Für jemanden, der sich dafür interessiert, ist das alles sehr eindeutig<br />

erkennbar: Meistens sind das heute Marienkapellen. Die Madonna, vor<br />

allem die Schwarze Madonna ist also <strong>im</strong>mer ein Zeichen dafür, dass da<br />

ganz alte Energie waltet.<br />

<strong>Habermeyer</strong>: In Ihrem Buch "Keltenkulte in Bayern" heißt es z. B. auf Seite 29: "Gleich<br />

be<strong>im</strong> Ortsausgang von Münsing verrät die Sprache der sanft hügeligen, so<br />

typisch oberbayerisch geschwungenen Landschaft bereits, auf welche<br />

Kräfte wir uns einzust<strong>im</strong>men haben: uralte Erdenergien, <strong>Dr</strong>uidenwissen um<br />

den wahren Ort." Was hat es denn <strong>mit</strong> diesen Erdenergien, <strong>mit</strong> diesen<br />

Kraftlinien, <strong>mit</strong> diesen Schwingungen auf sich? Was versteht man denn<br />

eigentlich unter diesen linksdrehenden Kräften, die ich in Ihrem Buch <strong>im</strong>mer<br />

wieder gefunden habe? Ich kann mir unter diesen Sachen nichts vorstellen:<br />

Was sind diese Kraftlinien, von denen Sie vorhin gesprochen haben und die<br />

dann diese Rautenmuster ergeben sollen? Was ist das? Denn diese<br />

Kraftlinien sieht man ja nicht einfach auf dem Boden liegen.<br />

<strong>Fenzl</strong>: Man erkennt sie, wenn man einen Blick dafür hat, tatsächlich an der<br />

Vegetation. Aber das waren ja eine Menge Fragen. Gerade bei Münsing,<br />

diesem Gebiet um das Ostufer des Starnberger Sees herum, gibt es viele<br />

solcher Orte: vor allem die Tegerndorfer Kapelle, die Keltenschanzen von<br />

Buchendorf, Gauting, Mühltal usw. Denken Sie an den Ort Berg und an<br />

König Ludwig. König Ludwig war ein hervorragender Meister <strong>im</strong> Finden<br />

dieser Plätze. Sie haben mich gefragt, was denn diese Energielinien sind:<br />

Energielinien sind einfach die Verbindung zwischen einzelnen Kraftorten.<br />

Diese Linien sind energetisch ebenfalls deutlich spürbar und fühlbar. Es gibt<br />

verschiedene Namen für diese Linien: Im Englischen heißen sie z. B.<br />

Leyline. Im Deutschen sagen manche zu diesen Kraftlinien auch<br />

<strong>Dr</strong>achenpfad, Schlangenpfad oder Wachstumsgitter. Sie finden das Wort<br />

"Leyline" z. B. auch <strong>im</strong> Namen Loreley. Man staunt, wenn man sich da<strong>mit</strong><br />

beschäftigt, wie viele Sagen und Namen auf all das hinweisen. Diese Linien<br />

sind also spürbar. Um es mal ganz verstandesmäßig auszudrücken: Sie<br />

sind auch elektrisch geladen und sind für einen Wetterfühligen oder für<br />

jemanden, der überhaupt fühlig ist oder für einen Rutengänger sehr deutlich<br />

zu spüren. Sie haben gesagt, man könne sie nicht sehen: Nein, man sieht<br />

sie tatsächlich auch an der Vegetation oder an der Art, wie Tiere dastehen.<br />

Wenn man sich mal den Spaß macht und Oberlandleitungen, also<br />

Starkstromleitungen, ansieht – denn das sind ja auch Kraftlinien der<br />

besonderen Art – dann stellt man fest, dass Kühe, wenn so eine Leitung<br />

über eine Weide führt, komischerweise meistens genau unter dieser<br />

Leitung stehen. Sie fühlen sich also ganz wohl unter dieser Leitung - ganz<br />

<strong>im</strong> Gegensatz zur gegenwärtigen Diskussion um den Elektrosmog usw.:<br />

Das muss also keineswegs schädlich sein. Man sieht das, man kann das<br />

sehen, aber man muss sich da<strong>mit</strong> beschäftigen, um das sehen zu können.<br />

Man muss auch eine Freude an solchen Dingen haben. Wenn das der Fall<br />

ist, dann bekommt man so langsam diesen <strong>Dr</strong>uidenblick und das Wandern<br />

macht dann wirklich Spaß. Denn es erschließt sich einem die Welt ganz<br />

einfach neu. Man muss auch oft schmunzeln oder grinsen unterwegs oder<br />

denkt sich oft, "Wie kann jemand nur dort wohnen?". Ich frage dann auch<br />

<strong>im</strong>mer herum, weil ich ja gerne <strong>mit</strong> den Menschen rede, und es gibt<br />

tatsächlich Orte, die wirklich todbringend sind, wie ich behaupten möchte.<br />

Dort häufen sich Krebsleiden, Selbstmorde, Ehescheidungen usw. Und es<br />

gibt Orte, an denen das Gegenteil der Fall ist, wo jeder erst <strong>im</strong> hohen Alter<br />

eines natürlichen Todes stirbt. Es gibt also gesunde und krank machende<br />

Plätze. Mir hat sogar einmal der Chefarchitekt des Roten Kreuzes eine<br />

Karte von Bayern gegeben, auf der die früheren Hinrichtungsstätten


aufgezeichnet sind, weil sie darauf aufpassen, dass dort nicht gebaut wird.<br />

Es gibt also auch besetzte Stellen. Sie haben hier das Buch "Wahre<br />

Wunder" von Pater Frumentius liegen. Das ist zwar ein anderes Thema,<br />

aber es gibt jedenfalls auch das Gegenteil von Kraftlinien, nämlich<br />

sozusagen schwarze Löcher in der Landschaft oder schwarze Linien. Aber<br />

ich beschäftige mich natürlich mehr <strong>mit</strong> den heilenden Kräften. Dieses<br />

Gitternetz ist übrigens ein Gitternetz, das die ganze Welt umspannt: Es<br />

schaut so ähnlich aus wie ein geschliffener Diamant und verschiebt sich<br />

eben auch <strong>im</strong>mer so ein bisschen. Die ganzen bekannten Orte der Welt wie<br />

z. B. Mont St. Michel in Frankreich oder die Pyramiden oder die<br />

Aztekentempel sind <strong>im</strong>mer auf Schnittpunkten dieses Gitternetzes.<br />

<strong>Habermeyer</strong>: Die Linien ergeben sich also als Verbindung von einem Kraftort zum<br />

nächsten. Was zeichnet denn dann einen Kraftort aus? Wie kann man das<br />

erkennen? Wie erkennen Sie einen Kraftort? Angenommen man würde<br />

Ihnen jetzt die Augen verbinden und würde Sie irgendwohin bringen:<br />

Würden Sie dann einen Kraftort erkennen? Oder ist es so, dass Sie aus der<br />

Literatur wissen, was ein Kraftort ist?<br />

<strong>Fenzl</strong>: Ich denke, ich würde ihn erkennen.<br />

<strong>Habermeyer</strong>: Woran?<br />

<strong>Fenzl</strong>: Das ist schwer zu schildern, weil das natürlich bei jedem anders ist. Das ist<br />

so ähnlich, wie wenn man fragt, wie ist es, wenn man verliebt oder traurig<br />

ist. Ich kann das am besten folgendermaßen erklären. Ich bin z. B. auch<br />

sehr wetterfühlig wie z. B. in diesen Tagen <strong>im</strong> Mai, der sehr durchwachsen<br />

ist. Wenn Wasser in der Nähe ist, dann merke ich das. Viele Leute kennen<br />

das: Bevor es zu regnen anfängt oder bevor ein Gewitter kommt, haben sie<br />

ein Ziehen in den Gliedern. Das ist oft ganz deutlich an Narben lokalisierbar.<br />

Aber sie haben jedenfalls ein allgemeines Ziehen, eine mentale Unruhe.<br />

Das spürt man eben auch an diesen Orten ganz eindeutig. Ich bin also<br />

sicher, dass ich auch <strong>mit</strong> verbundenen Augen sagen könnte, ob ich mich an<br />

einem Kraftort befinde oder nicht. Die Menschen, die diese Begabung<br />

ebenfalls haben, bestätigen das.<br />

<strong>Habermeyer</strong>: Das macht sich also bei jedem anders bemerkbar, aber das ist doch etwas,<br />

auf das man sich dann auch einigen kann, sodass nicht der eine behauptet,<br />

das sei ein Kraftort, und der andere behauptet, das sei keiner.<br />

<strong>Fenzl</strong>: Hier gibt es eine sehr starke Einigung. Jeder empfindet diese Orte als<br />

schön. Viele der berühmten Ausflugsziele sind z. B. ebenfalls Kraftorte.<br />

Ganz berühmt ist ja Neuschwanstein. Das ist ein Kraftort par excellence.<br />

Ludwig II. wollte seinen Thronsaal genau auf so einem kosmischen<br />

Einstrahlungsort gebaut haben. Das empfindet jeder als schön, als<br />

malerisch, als emporhebend. Übrigens hat auch jeder positive Ort<br />

un<strong>mit</strong>telbar daneben den negativen Ort, den abladenden Ort. In diesem Fall<br />

ist das die Pöllathschlucht. Da<strong>mit</strong> verbinden sich meist diese leider<br />

bekannten Selbstmordstellen. Denken Sie nur an die<br />

Großhesseloherbrücke bei München. Das sind sozusagen die<br />

Schattenseiten eines Kraftortes.<br />

<strong>Habermeyer</strong>: Wozu ist denn die Großhesseloherbrücke der Gegenpunkt, der Antipode?<br />

<strong>Fenzl</strong>: Das ist ein Ort <strong>im</strong> Isartal. Ich habe ihn schon mal ausprobiert, er ist gar nicht<br />

weit weg von dieser Brücke. Dort ist die Ladung sehr positiv. Die Brücke<br />

jedoch ist ein negativer Kraftort. Denn es kann ja ansonsten nicht sein, dass<br />

so viele Leute beschlossen haben, ihrem Leben ein Ende zu setzen. Es gibt<br />

jedenfalls ganz in der Nähe dieser Brücke sehr, sehr positive Gegenpunkte.<br />

Es findet sich jedoch keine Kapelle oder so an diesen Punkten.<br />

<strong>Habermeyer</strong>: Hm.<br />

<strong>Fenzl</strong>: Es gibt da einfach <strong>im</strong>mer einen Sender und einen Empfänger. Sie können


sich das vorstellen wie hier in Ihren Studios: Da gibt es die Sendeantennen,<br />

da wird das Positive ausgestrahlt. – Ich nehme mal an, dass alles, was hier<br />

be<strong>im</strong> BR ausgestrahlt wird, positiv ist. – Und irgendwo gibt es dann auch<br />

verschiedene Empfänger. Man muss sich halt nach dem richten, was da ist.<br />

<strong>Habermeyer</strong>: Diese Orte, die Sie als Kraftorte bezeichnen, haben ja auch sehr oft etwas<br />

<strong>mit</strong> Wundern und <strong>mit</strong> Heilung zu tun. Das Wasser, das es an diesen Orten<br />

gibt, ist gemäß Ihrer Beschreibung heilend und nicht krank machend. Wenn<br />

wir nun von den Kraftorten zu den Wundern kommen und diese Wunder <strong>mit</strong><br />

diesen Orten verbinden, dann muss man ja sagen, dass diese Orte viel älter<br />

als das Christentum sind. Gibt es denn da auch Probleme, diese Ansicht in<br />

die offizielle Ansicht der Amtskirche integrieren zu können? Oder ist es <strong>im</strong><br />

katholischen Glauben wirklich gängige Ansicht, wenn man sagt, "Das, was<br />

wir als Wunderort oder als heiliges Wasser kennen, ist etwas, das bereits<br />

die Kelten gekannt haben"? Ich habe da so meine leisen Zweifel, dass man<br />

da in Rom <strong>im</strong>mer zu allem Ja und Amen sagen würde.<br />

<strong>Fenzl</strong>: Das ist auch durchaus nicht der Fall: Die Kirche ist sehr, sehr kritisch<br />

hinsichtlich der Anerkennung von Wundern. Ich habe ja ein eigenes Buch<br />

zum Thema "Wunderheilungen" geschrieben. Dazu habe ich lange <strong>im</strong><br />

Kirchenarchiv geforscht. Ich kann sagen, dass diese vielen<br />

Wunderheilungsorte der Kirche eher zu viel sind. Da kann man ihr also gar<br />

nichts nachsagen. Die Wunderorte, die Heilungsorte sind in der Tat meist<br />

<strong>mit</strong> den Kraftorten identisch. So bin ich ja auch selbst auf dieses Thema<br />

gekommen. Ursprünglich habe ich mich nämlich mal <strong>mit</strong> dem Thema<br />

"Stadtsagen in München und Umgebung" beschäftigt. Dort, wo die Sage<br />

spielt, ist <strong>im</strong>mer ein besonderer Ort. Nehmen Sie in München nur einmal als<br />

Beispiel das Wurmeck am Rathaus: Dort, wo dieses Sportartikelgeschäft ist,<br />

befindet sich bis heute ein Lindwurm, ein <strong>Dr</strong>ache <strong>mit</strong> drei Metern<br />

Spannweite. Die bekannten Wunderorte in Bayern wie z. B. Holzhausen,<br />

wo die 1000-jährige Linde stand, sind ebenfalls solche Orte: Dort sind ja<br />

wirklich Wunder nachweisbar. Am berühmtesten ist natürlich Altötting. Da<br />

gibt es ja ganze Mirakelbücher über nachgewiesene Heilungswunder. Das<br />

alles findet nun einmal bevorzugt an einem Ort statt, der dafür prädestiniert<br />

ist. Das heißt, man kann das Wunder niemals erzwingen, man kann aber<br />

die eigene Bereitschaft steigern, indem man demütig wird und einen<br />

solchen Ort aufsucht. Diese Orte sind ja auch hochgebetet: durch die vielen<br />

Gebete und positiven Energien wächst dort dann die Wahrscheinlichkeit an,<br />

dass wirklich ein Wunder passiert. Die Kirche betrachtet das Ganze eher<br />

skeptisch, <strong>mit</strong> einer sehr seriösen Zurückhaltung. Das heißt, die<br />

Anerkennung von Wundern kirchlicherseits bedürfen einer langjährigen<br />

Prüfung. Dafür gibt es ein eigenes juristisches Verfahren auf Seiten der<br />

Kirche. Die Kirche ist hier also sehr darauf bedacht, dass man ihr keine<br />

Scharlatanerie nachsagt. Dies ist auch nicht der Fall. Allerdings sind diese<br />

Wunderorte schon auch oft sehr zwielichtig <strong>im</strong> eigentlichen Sinne: Denn sie<br />

sind in der Tat älter als das Christentum. Auch der Apostel Paulus hat sich<br />

ja in vielen seiner Briefe bereits maßlos über den Kult an diesen<br />

Wunderorten wie Ephesus oder z. B. dem "Stein des Teufels" aufgeregt;<br />

das ist eine klassische Heilungsstätte. Wunderorte sind also meistens<br />

magische Orte <strong>mit</strong> dieser Erdenergie, über die wir ja schon gesprochen<br />

haben, die tatsächlich zu Spontanheilungen führen kann. Sie sind aber älter<br />

als das Christentum und sie sind auch oft von anderen Glaubensrichtungen<br />

besetzt.<br />

<strong>Habermeyer</strong>: Was würde denn da das Beten noch helfen, wenn das eh funktionieren<br />

würde, wenn es also eh so ist? Ich kann mir vorstellen, dass die Amtskirche<br />

auch deshalb etwas dagegen hat, weil dort ja das Beten und der spezielle<br />

christliche Glauben sozusagen nur hinzugefügt ist und ganz einfach nicht<br />

zwingend notwendig ist dafür, dass eine Heilung, dass ein Wunder<br />

geschieht. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Kirche sagt, "Nun ja, das<br />

Beten kann man machen, man kann es aber auch lassen, weil das ja sonst


auch funktioniert".<br />

<strong>Fenzl</strong>: Das Beten funktioniert überall, es funktioniert jedoch besser an Stätten, die<br />

zum Beten geeignet sind und an denen bereits die ganzen Utensilien<br />

vorhanden sind. Aber das ist <strong>im</strong>mer eine Mischform, weil die Kirche und<br />

alles das, was Sie ja auch aus der Volkskunde kennen, <strong>mit</strong> Wundern<br />

arbeitet. Wenn man mal nach Altötting geht und sich den Umgang <strong>mit</strong><br />

diesen Wundern ansieht, dann wird man das bestätigt finden. Denken Sie<br />

nur an all die Prothesen, die dort herumstehen, an die Bilder, die z. T. einen<br />

sehr naiven Glauben ausdrücken. All das wirft natürlich auch <strong>im</strong>mer wieder<br />

die Frage auf: "Warum hat Gott dem einen geholfen und einem anderen<br />

nicht?" In einer Kirche sieht man z. B. ein Bild des brennenden München <strong>im</strong><br />

Bombenhagel. Ein Haus wird nicht getroffen und der Besitzer bedankt sich<br />

dann für dieses Wunder. Da kann man sich dann schon fragen, warum da<br />

genau diese und nicht eine andere Person verschont geblieben ist. Da<strong>mit</strong><br />

kommt man natürlich <strong>mit</strong>ten in die Frage der Theodizee. Die letzte Antwort<br />

darauf kann man nicht geben: Man muss einfach demütig sein und <strong>im</strong>mer<br />

wissen, dass ein Wunder nicht erzwingbar ist. Es gibt auch keine<br />

Wunderärzte: Das wäre dann wirklich wie <strong>im</strong> Märchen der Teufel, dieser<br />

Doktor Allwissend. Denn wenn einer von sich behauptet, er könne auf Abruf<br />

Wunderheilung vollbringen, dann behauptet er da<strong>mit</strong> gleichzeitig, er könne<br />

in den Schöpfungsgedanken von Gott eingreifen. Diese Freiheit oder diese<br />

Allmacht Gottes wäre dann wirklich aufgehoben. Ansonsten ist es aber so,<br />

dass es empirisch nachweisbar ist, dass es Spontanheilungen gibt und<br />

dass sie an ausgewiesenen Kraftorten und Wunderstätten gehäuft<br />

auftreten, an Stätten, die dann übrigens auch von der Kirche sehr anerkannt<br />

sind. Denken Sie nur an Fat<strong>im</strong>a, Lourdes usw., also an all die<br />

weltbekannten und berühmten Marienheiligtümer. Da muss es wirklich<br />

unglaubliche Wunder gegeben haben und <strong>im</strong>mer noch geben, Wunder, die<br />

auch einer strengen Prüfung standhalten.<br />

<strong>Habermeyer</strong>: Aber die Logik – insofern man hier überhaupt <strong>mit</strong> Logik argumentieren kann<br />

– ist ja Folgende: Es kann Wunder geben, aber es ist dafür nicht unbedingt<br />

notwendig, dass man selbst gläubig ist. Denn es sind ja auch schon<br />

Menschen Wunder widerfahren, die nicht gläubig waren. Andersherum ist<br />

es aber auch so, dass selbst dann, wenn man wirklich und aufrichtig sehr<br />

gläubig ist und an solche Orte pilgert oder fährt, das Wunder schlicht und<br />

ergreifend ausbleiben kann.<br />

<strong>Fenzl</strong>: Ja, das ist möglich. Das Wunder ist nicht erzwingbar! Man befindet sich hier<br />

<strong>im</strong>mer auf dem Gebiet des Glaubens. Das ist übrigens mein Lebensziel:<br />

Glauben <strong>im</strong> positiven Sinne weitergeben. Man kann meiner Meinung nach<br />

den Glauben nie <strong>mit</strong> der Logik, <strong>mit</strong> der Verstandesschärfe untermauern:<br />

Das ist vielmehr eine Art von Hingabe. Der eigene Verstand bringt einen<br />

nämlich <strong>im</strong>mer auf andere Dinge und es ist leichter, den Glauben <strong>mit</strong> dem<br />

Verstand zu widerlegen als ihn zu begründen. Das machen wir ja auch<br />

gerade <strong>im</strong> Gymnasium in der K12, denn da geht es um diese großen<br />

Glaubenskritiker wie Freud, Marx, Sartre usw. Das geht alles runter wie Öl:<br />

Der Verstand tut sich sehr leicht, etwas zu widerlegen, was empirisch nicht<br />

beweisbar ist. Der Glaube ist also sozusagen schon so etwas wie ein<br />

Sprung aus dem Fenster. Wenn man jedoch dieses Abenteuer wagt – und<br />

hier sind wir wieder be<strong>im</strong> Jakobsweg – und diesen Weg geht und dabei von<br />

Station zu Station zu Glaubensinhalten angeregt wird, dann passiert etwas<br />

<strong>mit</strong> einem. Ich möchte fast sagen, hier passiert in jedem Fall etwas. Die<br />

Spontanheilung eines körperlichen Leidens ist selten, kommt aber auch<br />

<strong>im</strong>mer wieder vor. Aber es müssen ja nicht so große Dinge sein, sondern es<br />

ist ja auch schon ein Wunder und eine Heilung, wenn man in der inneren<br />

Einstellung wächst oder eine Sucht überwinden oder verzeihen lernen kann<br />

usw. Das sind diese kleinen, aber wichtigen Schritte.<br />

<strong>Habermeyer</strong>: Ist das wirklich alles als Wunder zu bezeichnen? Besteht da nicht die


Gefahr – in dieser Sichtweise –, dass man da<strong>mit</strong> Wunder quasi inflationär<br />

macht? Ist es denn ein Wunder, wenn man verzeihen lernt oder wenn man<br />

innerlich wächst? Denn das Wandern, das Pilgern, das In-sich-Gehen ist ja<br />

<strong>im</strong>mer etwas, das völlig unabhängig vom Glauben, in dem man das tut, hilft.<br />

Wenn man ruhiger wird, dann kann es sehr wohl sein, dass man zu<br />

Erkenntnissen kommt, die man sonst in der Hektik des Alltags nicht hat. Ich<br />

frage einfach mal: Wenn man so etwas bereits als Wunder bezeichnet, wird<br />

dann das Wunder nicht inflationär, kann man das noch von Wundern<br />

unterscheiden, wie Sie sie bezeichnen?<br />

<strong>Fenzl</strong>: Wenn man nach Wundern fragt, dann bekommt man so viele Antworten<br />

darauf, wie man Leute befragt. Ich persönlich gehe ganz bewusst so weit,<br />

auch schon von kleinen Wundern zu sprechen und ich sehe darin<br />

überhaupt keine Inflation, denn auch die sind ja schon selten genug; man<br />

muss oft ganz hart darum kämpfen. Wenn ein Mensch sein Leben ändert,<br />

dann ist das ein Wunder. Diese großen Vorbilder gibt es ja bei den Heiligen:<br />

Wenn einer wie Ignatius von Loyola vom Haudegen, Raufbold und Krieger<br />

zum Krieger Christi wird, dann sind das große Umwälzungen, oder wenn<br />

ein Saulus zum Paulus wird. Aber auch schon, wenn man <strong>im</strong> Kleinen, wenn<br />

man <strong>im</strong> persönlichen Bereich eine Untugend durch beständiges sich<br />

hingeben an Gott und durch Beten und durch das Aufsuchen dieser Orte<br />

ablegen kann, schon dann benütze ich hierfür durchaus den Begriff<br />

"Wunder". Denn die Folge dieser kleinen Überwindungen des eigenen Ego<br />

führt eben auch zu Heilungsprozessen.<br />

<strong>Habermeyer</strong>: In dem Buch "Wahre Wunder", in dem Sie über die Aufzeichnungen des<br />

Pater Frumentius berichten, kommt eine Geschichte vor, an der ich das<br />

gerne ein wenig näher explizieren möchte. Das ist eine Geschichte, die<br />

un<strong>mit</strong>telbar nach dem Zweiten Weltkrieg in der Ohmstraße in München<br />

spielt. Ein Auto <strong>mit</strong> zwei Erwachsenen und einem kleinen Kind fährt in die<br />

Ohmstraße hinein. München ist völlig ausgebombt und dort in der<br />

Ohmstraße steht von einem Haus nur mehr die Fassade. Der Rest des<br />

Hauses ist zerstört. In dem Moment, in dem dieses Auto in die Straße fährt,<br />

fällt diese Fassade um: genau auf das Auto drauf. Die beiden<br />

Erwachsenen, also die Eltern, sind tot. Dort, wo das kleine Kind sitzt, war in<br />

dieser Fassade eine Tür, sodass diesem Kind überhaupt nichts passiert ist.<br />

Das Kind ist ein Jahr alt und überlebt dieses Unglück mehr oder wenig<br />

unverletzt. Sie und Pater Frumentius sagen nun, dass das ein Wunder sei.<br />

Sie können sich sicher vorstellen, dass es dafür auch andere Erklärungen<br />

gibt: Das kann schlicht und ergreifend einfach auch nur Glück oder Zufall<br />

gewesen sein. In seinem Buch "Tante Jolesch" lässt Friedrich Torberg<br />

diese Tante u. a. auch folgenden Satz sagen: "Gott behüte uns vor allem,<br />

was noch ein Glück ist." Denn wenn man Glück <strong>im</strong> Unglück hat, dann, so<br />

sagt sie, hat man ja dennoch auch <strong>im</strong>mer dieses Unglück. In diesem Fall<br />

sind zwei Menschen zu Tode gekommen, ein Mensch hat überlebt: Wie ist<br />

hier die Abgrenzung zwischen Glück und Wunder? Denn ich z. B., der<br />

zugegebenermaßen <strong>mit</strong> Wundern nichts anfangen kann, würde sagen,<br />

dass das einfach Glück gewesen ist: Da hat jemand schlicht und ergreifend<br />

einfach Glück gehabt.<br />

<strong>Fenzl</strong>: Das ist auch der klassische Begriff von Glück als bayerisches bzw.<br />

jüdisches Massel, als ein Noch-einmal-davon-Gekommen. An diese<br />

Geschichte <strong>im</strong> Archiv von Pater Frumentius erinnere ich mich ganz<br />

besonders: Sie steht ganz am Anfang. Alle diese Geschichten bergen<br />

<strong>im</strong>mer auch eine gewisse Schlitzohrigkeit oder haben einen doppelten<br />

Boden. Natürlich fällt hier diese Häuserfassade um und – diese Geschichte<br />

ist ja auch wirklich verbürgt – genau dort, wo in der Fassade eine Tür oder<br />

ein Fenster ausgespart war, überlebt ein Kind in diesem Auto. Das ist genau<br />

so, wie man ja auch sonst <strong>im</strong> Alltagsleben oft merkt: "Jetzt wäre fast etwas<br />

passiert!" Da steigt meinetwegen jemand aus irgendwelchen nichtigen<br />

Gründen in ein Flugzeug nicht ein, das dann abstürzt. Oder jemand hat


einen Zug nicht erwischt, der dann verunglückt usw. Diese Art von Glück ist<br />

das Glück <strong>im</strong> Sinne von "noch einmal davongekommen". Es gibt daneben<br />

ja noch viele andere Glücksbegriffe. Der blödeste Glücksbegriff meint den<br />

Lottogewinn und der schönste Glücksbegriff die innere Zufriedenheit. Und<br />

genau in diese Richtung würde ich nun gerne gehen, wenn wir über<br />

Wunder reden. Hier geht es also sehr in Richtung Glück. Es ist vielleicht<br />

sogar eine gewisse Überheblichkeit dabei, wenn man sagt, "Ich bin jetzt<br />

beschützt worden, während die anderen, die unter dieser Mauer liegen,<br />

schlichtweg platt sind". Nein, diese Geschichte geht ja weiter. Darüber habe<br />

ich jedoch nicht mehr geschrieben: Dieses Kind, das diesen Mauersturz<br />

überlebt hat, lebt heute noch. Sie ist eine erwachsene Frau, die auch wieder<br />

sehr viel Gutes tut und <strong>mit</strong> Pater Frumentius sehr vertraut gewesen ist.<br />

Darum ist er überhaupt zu dieser Geschichte gekommen. Wenn man ihr<br />

Leben nach diesem Vorfall betrachtet und sieht, was sie alles hat tun<br />

können aufgrund dieses Überlebens, dann kommt man dem Wunder schon<br />

näher. Denn sie lebt einfach den Menschen dienend und sie lebt, so viel ich<br />

weiß, bis heute. Es gibt jedenfalls verschiedene Arten von Glück und ich<br />

würde so einen Vorfall nun auch nicht unbedingt ein Wunder nennen. Das<br />

ist mehr eine sehr anschauliche und bilderreiche Geschichte. Mir ist es bei<br />

der Auswahl aus diesen vielen Geschichten oder Wundern, die der Pater<br />

Frumentius in seinem Archiv hatte, um diejenigen Geschichten <strong>mit</strong> starkem<br />

Symbolwert gegangen, sodass sich der Leser diese Bilder <strong>im</strong>aginieren,<br />

visualisieren kann. Jeder kann sich vorstellen, wie das damals zugegangen<br />

ist. Da stand nur noch die Fassadenwand, ansonsten war das Haus eine<br />

völlige Ruine. Die ausgesparten Fenster lassen diese Fassade fast wie<br />

einen Totenschädel erscheinen. Wenn diese Wand dann umfällt, das Auto<br />

platt gedrückt ist und nur das Kind in all dem Staub überlebt, dann schien<br />

mir das ein wunderbares Bild zu sein: die Symbolik der Fenster, die Öffnung<br />

zum Jenseits usw.<br />

<strong>Habermeyer</strong>: Ich habe auch deswegen danach gefragt, weil Sie sich in Ihren Büchern<br />

auch doch recht eindeutig gegen die in der heutigen Zeit ja ganz massiv<br />

vorhandene Esoterikbewegung abgrenzen.<br />

<strong>Fenzl</strong>: Ja, das versuche ich.<br />

<strong>Habermeyer</strong>: Bei diesem Beispiel könnte man ja als Esoteriker hergehen und sagen:<br />

"Selbstverständlich musste dieses Kind überleben, man muss sich ja nur<br />

mal ansehen, zu welcher Stunde dieses Kind auf die Welt gekommen ist.<br />

Denn da standen der Jupiter und der Mars in diesem und jenem Haus usw.<br />

Aus diesem Grund ist vollkommen klar, dass dem Kind nichts passieren<br />

konnte." Ich frage also, wie man von diesem spezifischen Ereignis - es<br />

passiert etwas ganz Konkretes und jemand hat dabei großes Glück – in<br />

Ihrem Fall zum christlichen Glauben kommt, zu einem Glauben, der das<br />

sozusagen aufhebt und in dem diese Geschichte und die Menschen<br />

geborgen sind, oder eben zu einer dieser esoterischen Überzeugungen,<br />

gemäß der jemand beispielsweise sagen kann, dass man das als<br />

Sterndeuter sogar hat voraussagen bzw. vorausberechnen können. Denn<br />

es gibt in diesen Fällen ja <strong>im</strong>mer diesen Übergang zwischen dem, was real<br />

und sichtbar ist, und dem, was an Gedankengebäuden und weiteren<br />

Überlegungen da<strong>mit</strong> verbunden wird. Wie können Sie sich denn z. B. gegen<br />

so eine esoterische Erklärung eines solchen Phänomens abgrenzen?<br />

<strong>Fenzl</strong>: Ich freue mich wirklich sehr, dass Sie sagen, ich würde mich gegen die<br />

Esoterik abgrenzen. Denn das tue ich tatsächlich. Ich sehe hier für mein<br />

Schreiben wirklich eine Lebensaufgabe. Denn neben dieser Freude am<br />

Schreiben habe ich schon auch eine "message", eine Botschaft. Meine<br />

Botschaft wäre: "Was suchst du denn eigentlich in diesem Supermarkt der<br />

Esoterik und kunterbunten Mischungen?" Denn da wird man ja z. T. auch<br />

sehr ausgenützt oder auf Ideologien gebracht, die man zunächst einmal gar<br />

nicht durchschauen kann. Und oft sind diese Ideologien auch sehr


sozialdarwinistisch. Ich kann da nur sagen: "Es ist doch alles da in deinem<br />

ganz klassischen christlichen Glauben oder in unserer Literatur wie<br />

meinetwegen in Goethes ‚Faust‘, wo sich das alles bereits auf den ersten<br />

Seiten findet. Warum rennst du also dieser Esoterik hinterher?" Und ich<br />

meine auch, nehmen Sie mich hier bitte ein bisschen als einen<br />

He<strong>im</strong>atliebenden: Ich bin ein Bayer, ein Münchner, und wir haben das doch<br />

alles auch in Bayern. Da kann man spazieren gehen und sich eine Kirche<br />

ansehen: Da ist bereits all das, was einem die Esoterik bietet, längst da. Ich<br />

schaue mir da meinetwegen ein Engerl an und wie das auf seiner Wolke<br />

sitzt und warum es da sitzt usw. und habe meine Erklärungen dafür. Genau<br />

das wollte ich hier genau wie bei den anderen Geschichten auch ver<strong>mit</strong>teln:<br />

Das ist eine Abgrenzung gegenüber der Numerologie, der Sterndeuterei<br />

usw., gegenüber dieser arroganten Haltung, die <strong>mit</strong> "mein Brahna, mein<br />

Schicksal, meine Vorleben usw." verbunden ist. Ich halte es hier wirklich <strong>mit</strong><br />

dem christlichen Modell: Man hat dieses eine Leben und man muss sich in<br />

diesem Leben bewähren. Wir können <strong>im</strong> nächsten Moment tot sein und<br />

dann wird eben geschaut, wie man gelebt hat. "Lebe <strong>im</strong>mer so, als wäre es<br />

deine letzte Minute!" Das heißt: Verhalte dich anständig. Ich gehe nicht<br />

davon aus, dass ich schon mal eine Katze oder ein Tempelritter gewesen<br />

bin. Darum geht es eben auch hier bei dieser Geschichte ums Weiterleben.<br />

Das Kind lebt einfach deshalb weiter, weil das gottgewollt ist.<br />

<strong>Habermeyer</strong>: Ein Teil der Gründe, warum es heutzutage diese Esoterikwelle gibt, liegt ja<br />

auch daran, dass die Kirche – Sie haben das vorhin schon erwähnt – einen<br />

sehr strengen Maßstab anlegt, wenn es um Wunder geht. Das, was man<br />

als Wunder bezeichnet, hängt ja – zumindest in unserer Zivilisation – vor<br />

allem auch davon ab, was die Menschheit an Wissen akkumuliert, also<br />

aufgebaut hat. Während man früher best<strong>im</strong>mte Dinge nicht erklären konnte<br />

und daher die Nähe zum Wunder relativ groß war, gehört die Erklärung<br />

dieser Phänomene heute ganz einfach schon zum Schulwissen. Das<br />

wissen Ihre Kinder in der Schule bereits und kein Mensch würde heute bei<br />

einem solchen Phänomen mehr auf die Idee kommen, dass das <strong>mit</strong> einem<br />

Wunder zusammenhängt. Wenn man heute Kopfweh hat und ein Aspirin<br />

n<strong>im</strong>mt, dann geht in der Regel das Kopfweh weg und das ist kein Wunder –<br />

auch wenn das ab und zu nicht funktioniert. Vor 300 oder 400 Jahren hätte<br />

man bei einer Heilung nach der Einnahme von so ganz kleinen Pillen<br />

womöglich schon noch von einem Wunder gesprochen. Die Kirche, der Sie<br />

angehören, wehrt sich ja oder ist zumindest sehr vorsichtig <strong>mit</strong> dem, was<br />

man als Wunder bezeichnet. Wenn sich die Kirche also wehrt und sagt,<br />

"Nein, das muss alles zuerst ganz nachhaltig untersucht werden, da muss<br />

es eine erste Kommission und eine zweite Kommission geben usw.", dann<br />

ist es doch in dieser Logik quasi ganz normal, dass die Leute sagen: "Das<br />

ist mir alles viel zu kompliziert, da glaube ich doch lieber an etwas anderes,<br />

das mir all diese Dinge einfacher erklärt!" Wenn Sie also diese Wunder so<br />

stark betonen, ist das dann nicht doch eine Form von Ant<strong>im</strong>oderne, die da<br />

<strong>mit</strong> drinhängt? Mit Moderne meine ich hier: Man weiß etwas und deshalb<br />

kann man sich das auch erklären. Deshalb werden die Wunder weniger,<br />

werden eingegrenzter. Sie jedoch sagen, dass es Wunder <strong>im</strong>mer gibt, dass<br />

sie z. T. so gar mehr werden. Ist dann Ihre Haltung nicht in gewisser Weise<br />

ant<strong>im</strong>odern?<br />

<strong>Fenzl</strong>: Ganz bewusst sogar. Ich habe ja von dieser meiner Lebensaufgabe bereits<br />

gesprochen. Ich sehe hier eine Lücke klaffen, auch in dem, was die Kirche<br />

anbietet. Ich sehe ganz deutlich in meinem Bekanntenkreis, bei meinen<br />

Schülern, bei den Menschen, die mich pausenlos anrufen, und bei meinen<br />

zigtausenden von Lesern, dass es da eine klaffende Lücke gibt, die man<br />

möglicherweise doch schließen kann. Die Kirche hat da nämlich etwas<br />

aufgegeben, was es durchaus einmal auch innerhalb der Kirche gegeben<br />

hat, nämlich die Mystik. Es geht mir also darum, den Glauben sinnlich<br />

erfahrbar zu machen. Das ist eine Sache, die mir selbst auch sehr


nachgeht. Ich will den Glauben auch erfahren und ich durfte ihn auch<br />

erfahren. Daher möchte ich das auch gerne weitergeben. Die Mystik gab es<br />

ja lange, bis hinein ins Mittelalter. Heute sind wir alle Kinder der Aufklärung:<br />

Diese Aufklärung ist ja wunderbar, wir haben alle studiert und wir können<br />

unseren Verstand gebrauchen wie ein Brotmesser. Aber das ist dennoch zu<br />

wenig. Ich sage <strong>im</strong>mer, der Verstand ist dazu da, um die Steuererklärung<br />

ausfüllen zu können, um den Führerschein zu machen, um Mathematik zu<br />

kapieren, um dieses Studio richtig betreiben zu können usw. Aber der<br />

Glaube ist einfach etwas, wo man <strong>mit</strong> dem Verstand schlichtweg scheitert.<br />

Befreundete Ärzte haben mir ja auch Bücher zu diesem Thema in die Hand<br />

gedrückt: Inzwischen ist nämlich sogar die Glaubenssehnsucht des<br />

Menschen wirklich wissenschaftlich und schulmedizinisch begründet. Es<br />

gibt da best<strong>im</strong>mte Gehirnlappen, die dafür verantwortlich sind. Im<br />

Fernsehen war vor kurzem auch eine Sendung darüber zu sehen. Das<br />

menschliche Gehirn ist also darauf angelegt, glauben zu wollen. Und das<br />

glaube ich auch. Feuerbach hat ja <strong>im</strong> 19. Jahrhundert diesen wunderbaren<br />

Gedanken vorgebracht, dass der Mensch Gott nach seinem Bilde schuf.<br />

Was für eine wunderbare Unverschämtheit! Nicht Gott schuf den Menschen<br />

nach seinem Bilde, sondern der Mensch Gott. Er meinte auch, der ganze<br />

Gottesglaube sei eine Illusion des Menschen, der sich selbst ins Göttliche<br />

hinein projiziert. Da ist best<strong>im</strong>mt auch viel dran: Jeder hat ein Gottesbild,<br />

das seinem eigenen Werdegang entspricht. Dies lässt sich ja quer durch die<br />

Jahrhunderte recht gut nachprüfen: Da ging es vom strafenden Christus bis<br />

zum lieben Jesulein oder zum Sozialrevoluzzer. Aber das sind alles nur<br />

Variationen, das sind nur leichte Schattierungen. Nein, der Glaube will<br />

vielmehr erlebt werden! Das ist ein Urbedürfnis. Das ist so, als wollte man<br />

Liebe oder Sexualität oder den Frühling nur <strong>mit</strong> dem Verstand begreifen.<br />

Das geht nicht! Sie müssen in die Natur gehen und ergriffen sein! Von der<br />

ganzen Seele und vom Herzen ergriffen sein. Genau das will ich in meinen<br />

Büchern weitertragen. Der Glaubensbereite kann dann hingehen und sich<br />

ergreifen lassen. Hier auf diesem Gebiet hat die Kirche wirklich etwas<br />

vernachlässigt: Sie hat sich seit der Aufklärung zu sehr dem Zeitgeist<br />

angepasst. Vor allem seit der 68er-Zeit ist das so. Aber die Leute wollen<br />

doch etwas in ihrem Herzen erleben.<br />

<strong>Habermeyer</strong>: Aber Sie sind doch garantiert auch kein... Nein, ich weiß nicht, ob Sie das<br />

garantiert nicht sind, aber ich nehme einfach mal an, dass Sie kein<br />

Verfechter dessen sind, was man Kreationismus nennt. In den USA wird<br />

nämlich <strong>mit</strong>tlerweile in drei viertel aller Bundesstaaten den jungen Leuten<br />

beigebracht, dass der Mensch von Adam und Eva abstammt – das ist der<br />

Kreationismus –, während die Lehre von Darwin nicht mehr gelehrt wird. Ich<br />

nehme an, dass Sie als zumindest in diesem Sinne aufgeklärter Mensch es<br />

nicht so weit treiben zu behaupten, dass wir auch hier bei uns alle<br />

wissenschaftlichen Erkenntnisse hinter den Glauben zurücktreten lassen<br />

müssen. Ich will aber auf Folgendes hinaus gegen Ende unserer Sendung:<br />

Ist denn diese Rückkehr zum Wunder, zur Mystik, ohne Angst zu haben?<br />

Denn <strong>im</strong> Mittelalter waren ja aufgrund des geringen Wissens Wunder und<br />

Angst un<strong>mit</strong>telbar <strong>mit</strong>einander verbunden. Wir hatten hier in diesem Studio<br />

ja schon einige Theologen sitzen, die gesagt haben: "Wenn man den<br />

Menschen den Glauben <strong>mit</strong> dem Mittel der Angst beibringt, dann befindet<br />

man sich da<strong>mit</strong> von vorneherein auf dem Holzweg!" Können Sie denn Ihre<br />

Hinwendung zur Mystik tatsächlich davon abgrenzen, dass den Menschen<br />

auch wieder Angst eingebläut wird? Denn Kinder, die sich z. B. noch vor<br />

einigen Jahrzehnten <strong>mit</strong> solchen Dingen auseinander setzten, hatten davon<br />

ja Albträume.<br />

<strong>Fenzl</strong>: Ganz <strong>im</strong> Gegenteil, ich will das Gegenteil. Sie haben Recht, <strong>im</strong> Mittelalter<br />

hat diese erfahrbare Glaubenslehre wirklich sehr gekrankt daran, dass sie<br />

<strong>mit</strong> Angst verbunden war. Bis hin zu Loyola ist ja <strong>im</strong>mer ein Szenario<br />

aufgebaut worden, bei dem genau beschrieben wurde, wie heiß die Hölle


lodert usw. Als man merkte, dass man <strong>mit</strong> solchen Horrorszenarien etwas<br />

auslösen kann be<strong>im</strong> Publikum, war natürlich der Weg nicht weit, das<br />

Publikum zum Spenden oder zu best<strong>im</strong>mten Handlungen aufzufordern.<br />

Auch die Pilgerbewegung ist ja sehr <strong>mit</strong> dem Ablasswesen verbunden<br />

gewesen. Es hieß: "Gehe dorthin und quäle dich, dann musst du ein paar<br />

Stunden weniger in der Hölle schmoren." Aber das, was ich persönlich<br />

erfahren habe, ist genau das Gegenteil davon: Mystik, Glaubenserfahrung<br />

n<strong>im</strong>mt die Angst. Es ist ein liebender Gott, den ich <strong>im</strong>mer suche und finde<br />

und den ich dem Leser oder Zuhörer weitergeben will. Das ist kein<br />

strafender Gott. Vielleicht ist das genau diese Lücke, die es zu schließen<br />

gilt. Vielleicht geht es auch um einen neuen Glauben, der natürlich auf dem<br />

alten aufbauen wird, denn es ändert sich ja <strong>im</strong>mer alles. Mir geht es<br />

jedenfalls um Mystik, um <strong>mit</strong>telalterlichen Glauben ohne Angst. Sie haben<br />

auch den Darwinismus angesprochen: Das ist natürlich nicht von der Hand<br />

zu weisen, aber das schließt sich ja auch gar nicht aus. Ich bin<br />

selbstverständlich kein Anti-Darwinist. Ich kann aber die<br />

Schöpfungsgeschichte, dieses wunderbare Tagewerk <strong>mit</strong> dem Ruhetag am<br />

Schluss, genauso genießen. Es ist ja auch so, dass die Naturwissenschaft<br />

nicht frei von Mystik ist. Man stößt in der Naturwissenschaft heute in Grenzund<br />

Erfahrungsbereiche vor, wo es meiner Meinung nach schon wieder<br />

schön wird und die Wissenschaftler letzten Endes doch auch nur wieder bei<br />

einer höheren Macht ankommen, weil sie nicht wissen, warum etwas so<br />

und so und nicht anders ist.<br />

<strong>Habermeyer</strong>: Die Frage, wie wir uns in unserem Leben einen Sinn geben können, betrifft<br />

den Gläubigen genauso wie den Nichtgläubigen. Wir müssen hier je einzeln<br />

zu einer Antwort kommen, weil diese Frage nach dem Sinn ganz<br />

un<strong>mit</strong>telbar <strong>mit</strong> der Frage zusammenhängt, wie wir einen friedvollen<br />

Umgang <strong>mit</strong>einander pflegen können, wie wir <strong>mit</strong>einander leben können,<br />

ohne uns aufgrund unserer jeweiligen Interessen den Kopf einzuschlagen.<br />

Mir als Atheist fällt in diesem Zusammenhang <strong>im</strong>mer wieder nur Matthäus<br />

25 ein: "Das, was du dem Geringsten meiner Brüder getan hast, das hast<br />

du mir getan." Mir fällt das deshalb ein, weil das eine Wende in der<br />

Glaubensvorstellung bedeutet: Der zentrale Gedanke auch <strong>im</strong> Glauben ist<br />

seit dem die Frage, wie wir Menschen selbst <strong>mit</strong>einander umgehen. Ich<br />

hoffe, zumindest das bleibt auch in Zukunft bestehen. Leider muss ich mich<br />

hier schon wieder von Ihnen verabschieden. Sie werden es nicht glauben...<br />

<strong>Fenzl</strong>: Ist die Zeit schon rum?<br />

<strong>Habermeyer</strong>: Ja, das ist aber kein Wunder, sondern das ist der ganz normale Verlauf der<br />

Zeit. Wir sind also am Ende unserer Sendung angekommen. Ich bedanke<br />

mich bei Ihnen, dass Sie bei uns <strong>im</strong> Studio waren. Und ich bedanke mich<br />

bei Ihnen, liebe Zuschauerinnen und Zuschauer, für Ihre Aufmerksamkeit<br />

und hoffe Sie bleiben uns gewogen. Bis zum nächsten Alpha-Forum, auf<br />

Wiedersehen.<br />

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