K o n zerte W issen sch aft M u seen - Stiftung Mozarteum Salzburg
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COMPOSER IN RESIDENCE<br />
34<br />
recht unter<strong>sch</strong>iedlicher Länge, die alle<br />
einem übergreifenden Proportionsverhältnis<br />
unterliegen.<br />
apropos Proportionen: es heißt, sie<br />
würden unter einem zählzwang leiden.<br />
Ja. Furchtbar! Meine Hauptutensilien<br />
beim Komponieren sind neben Bleistift<br />
und Radiergummi ein Ta<strong>sch</strong>enrechner<br />
neben mir am Schreibti<strong>sch</strong>.<br />
Aber das wird man in meiner Musik<br />
nicht hören, ähnlich wie bei Alban<br />
Berg oder Béla Bartók. Der Rechner<br />
hilft mir vor allem, Zeitproportionen<br />
zu bestimmen. Die Ebene der Phantasie<br />
braucht eine andere Ebene, welche<br />
die Gedanken fokussiert und <strong>sch</strong>ärft,<br />
formal <strong>sch</strong>lüssig macht. Denn die<br />
Musik ist am besten, wenn sie irgendwo<br />
eingegrenzt ist. Anfangs gebe ich<br />
alles, bin emotional sehr involviert,<br />
dann aber ist es sehr wichtig, die<br />
Kontrolle nicht zu verlieren und zu<br />
w<strong>issen</strong>, wohin ich steuere. Schnelle<br />
Momente werden hörpsychologi<strong>sch</strong><br />
et wa länger wahrgenommen als ruhige.<br />
Ich bin kein Schnell<strong>sch</strong>ießer. Ein<br />
Stück braucht Detailarbeit, erfordert<br />
viel Selbstkritik. Musik aus dem ers -<br />
ten Schaffensrau<strong>sch</strong> funktioniert oftmals<br />
nicht, muss geprüft, von allen<br />
Seiten betrachtet werden, bevor sie<br />
endgültig während der Rein<strong>sch</strong>rift<br />
fixiert wird. Es gibt aber auch Stücke,<br />
die man in wenigen Tagen er<strong>sch</strong>afft<br />
und die trotzdem funktionieren.<br />
wie sieht ihr komponistenalltag aus?<br />
Im Grunde wie der eines Büromen<strong>sch</strong>en.<br />
Es ist wichtig, dass man im<br />
Stück bleibt. Meist sitze ich gegen 9<br />
Uhr am Schreibti<strong>sch</strong> und bleibe dann<br />
bis 14 Uhr. Je nach Fortgang des Stückes<br />
gibt es eine Spät<strong>sch</strong>icht ab 17,<br />
18 Uhr mit Open-End, manchmal bis<br />
weit nach Mitternacht. Dazwi<strong>sch</strong>en<br />
mache ich Kontrastprogramm, gehe<br />
laufen, <strong>sch</strong>wimmen oder essen, treffe<br />
Leute, gehe in Kon<strong>zerte</strong>, Ausstellungen<br />
oder Filme.<br />
Mit „segue“ knüpfen sie an eine skiz -<br />
ze von Mozart an, mit der orches -<br />
trierung der fantasie c-Moll für klavier<br />
kV 475, dessen autograph sich<br />
ebenfalls im Besitz der stiftung<br />
<strong>Mozarteum</strong> befindet, an ein ganzes<br />
werk.<br />
Die c-Moll-Fantasie, eines der un -<br />
glaublichsten Stücke Mozarts, wollte<br />
ich <strong>sch</strong>on lange, eigentlich <strong>sch</strong>on seit<br />
meiner Studienzeit, einmal orchestrie -<br />
ren. Ich bin sehr glücklich darüber,<br />
dass sich nun die Chance dazu bietet.<br />
Mir ist bewusst, dass es vielleicht vermessen<br />
klingen könnte, sich an ein<br />
solches Vorhaben zu setzen. Dennoch<br />
ist es, so finde ich, den Versuch allemal<br />
wert. In Mozarts „Fantasie“ wird<br />
das Klavier oft wirklich ‚orchestral‘<br />
behandelt. Es ist zudem eine <strong>sch</strong>öne<br />
und herausfordernde Gelegenheit,<br />
SUMMARY<br />
mein Orchestrierungshandwerk auf<br />
die Probe zu stellen, es zu <strong>sch</strong>ärfen und<br />
von Mozart zu lernen.<br />
was ist für sie ein komponist: ein<br />
„handwerker“, wie sich J. s. Bach<br />
sah, im sinne von „componere“, zu -<br />
sammensetzen, oder nehmen sie<br />
den l’art pour l’art-standpunkt ein?<br />
Das Handwerk muss man, zumindest<br />
trifft das für meine musikali<strong>sch</strong>e Äs -<br />
thetik zu, beherr<strong>sch</strong>en. Wenn ich eine<br />
Idee optimal, durch und durch persön -<br />
lich ausdrücken will, muss ich w<strong>issen</strong>,<br />
wie Puccini oder Ravel, Schönberg<br />
oder Varèse eine große Steigerung<br />
instrumentiert haben.<br />
Wenn ich komponiere, muss ich et -<br />
was von der Instrumentation und den<br />
Instrumenten verstehen, so, dass es<br />
“We have nuclei, and we watch how they develop; a texture<br />
emerges and comes to life.” The composer Johannes Maria<br />
Staud (b 1974), this year’s Composer in Residence,<br />
describes his creative work almost like a scientist. He grew<br />
up in Innsbruck and soon set his sights on Vienna and<br />
Berlin, where he studied Music Theory, Composition and<br />
Philosophy, and attended Brian Ferneyhough’s master<br />
classes. An avid reader, he draws his inspiration from literature,<br />
the visual arts, from surrealist, concrete poetry or<br />
from a particular theory. His fondness for meticulous detail<br />
shows in his precise notation. His compositions, developed<br />
in a long, self-critical process, are performed worldwide<br />
(even in the Far East) by first-class musicians such as the<br />
Ensemble Modern, the Berlin and the Vienna Philharmonic,<br />
and here at the 2013 Mozart Week by Pierre-Laurent<br />
Aimard, Thomas Zehetmair, Ensemble intercontemporain<br />
and Marc Minkowski.<br />
nicht nur auf dem Papier funktioniert.<br />
Ich habe mich auch mit akusti<strong>sch</strong>en<br />
Fragen und aufführungstechni<strong>sch</strong>en<br />
Problem stellungen zu be<strong>sch</strong>äfti -<br />
gen. Darüberhinaus suche ich immer<br />
den Kontakt zu den Interpreten und<br />
löchere sie mit Fragen.<br />
„lagrein“ von 2008 für Violine, klarinette,<br />
Violoncello und klavier ist<br />
ein auftragswerk für das weingut<br />
alois lageder.<br />
Mit der Weinbe<strong>sch</strong>reibung einer Südtiroler<br />
Rotweinsorte leitete ich meine<br />
Werkeinführung ein: „Mitteltiefe, in -<br />
ten sive, kir<strong>sch</strong>rote Farbe mit rubinrotem<br />
Schimmer. Reiches, fruchtiges<br />
(Zwet<strong>sch</strong> ke), würziges Aroma mit Ge -<br />
ruchsnoten von Leder, Teer und Ka -<br />
kao, aber auch floralen Nuancen (Veil -<br />
chen). Voller, ziemlich milder Ge -<br />
<strong>sch</strong>mack mit ,erdigem‘ Nachhall und<br />
spürbarem Gerbstoff.“ Ja... alle haben<br />
das dann übernommen und von der<br />
dionysi<strong>sch</strong>en Kr<strong>aft</strong> des Weines ge -<br />
<strong>sch</strong>rie ben.<br />
Mögen sie solche kulinarik?<br />
Die Lichtreflexe des Weines, seinen<br />
milden Ge<strong>sch</strong>mack mit ,erdigem‘<br />
Nachhall und spürbarem Gerbstoff<br />
wollte ich tatsächlich in eine musikali<strong>sch</strong>e<br />
Textur und Struktur <strong>sch</strong>affen.<br />
Doch eigentlich ist das Werk eine<br />
Verneigung vor Olivier Messiaen und<br />
seinem wunderbaren „Quatuor pour<br />
la Fin du Temps“, auch wegen der<br />
Besetzung Violine, Klarinette, Violoncello,<br />
Klavier.<br />
„towards a brighter hue“ ist eine auf -<br />
tragskomposition für den internatio -<br />
na len Musikwettbewerb der ard.<br />
Ein hochvirtuoses, zunächst heftig<br />
vorantreibendes Violinstück, von der<br />
Virtuosität eines Paganini inspiriert,<br />
das Thomas Zehetmair, wie ich glaube,<br />
liegen wird. Angeregt dazu wurde<br />
ich durch die Holzskulpturen des<br />
engli<strong>sch</strong>en Künstlers David Nash, die<br />
ich bei einer Ausstellung in der Galerie<br />
Tate St. Ives entdeckte.<br />
Ich habe lange an dem Werk gearbeitet,<br />
von Juni bis September 2004 –<br />
gleich nach meiner Oper „Berenice“.<br />
Das ist wichtig, denn mein Violinstück<br />
ba siert auf einer rhythmi<strong>sch</strong><br />
prägnanten Keimzelle aus der Oper,<br />
die dort allerdings von der Kontrabassklarinette<br />
eingeführt wird. In<br />
„Towards a brighter hue“ wird sie<br />
jedoch anders, wesentlich dramati<strong>sch</strong>er<br />
weiterentwickelt und den Möglichkeiten<br />
der Violine angepasst.<br />
das ensemble intercontemporain wird<br />
unter George Benjamin ferner „Par<br />
ici!“ von 2011 aufführen, dem sie ein<br />
zitat von charles Baudelaire aus den<br />
„Blumen des Bösen“ voranstellten.<br />
Aus dem Gedicht „Le Voyage“ von<br />
1859:<br />
Nous nous embarquerons sur la mer<br />
des Ténèbres<br />
Avec le coeur joyeux d’un jeune passager.<br />
Entendez-vous ces voix, charmantes<br />
et funèbres,<br />
Qui chantent: Par ici! vous qui voulez<br />
manger<br />
Le Lotus parfumé! ...<br />
So <strong>sch</strong>iffen wir uns auf dem Meer der<br />
Finsternis ein<br />
Mit dem freudigen Herz eines jungen<br />
Passagiers.<br />
Hört ihr diese Stimmen, die so düster<br />
lockend singen:<br />
„Hierher! ihr, die ihr den süßduftenden<br />
Lotus essen wollt!<br />
die Partitur <strong>sch</strong>reibt vor: „im optimal -<br />
fall ein echter konzertflügel, bei dem<br />
12 töne exakt um einen Viertelton<br />
nach oben gestimmt werden“.<br />
Das ist die Fortsetzung meiner Arbeit<br />
mit mikrotonalen Rastern. Es wird<br />
meine revidierte Neufassung uraufgeführt.<br />
Mit Bleistift und radiergummi können<br />
sie so ein werk nicht komponiert<br />
haben, oder?<br />
Natürlich verwende ich den Computer,<br />
wenn ich vierteltönige Musik <strong>sch</strong>reibe.<br />
Überhaupt kann ich die Be <strong>sch</strong>äfti -<br />
gung mit Elektronik gar nicht mehr<br />
aus meinem Arbeitsalltag wegdenken.<br />
In diesem Fall war es ein MIDI-Klavier,<br />
der MAx-MSP-Patch da für wurde<br />
am IRCAM von Robin Meier speziell<br />
für dieses Werk programmiert.<br />
„celluloid“, ganz konventionell für<br />
fagott-solo, von 2011, ein auftrag<br />
der sächsi<strong>sch</strong>en staatskapelle dresden,<br />
findet ebenfalls eingang in das<br />
Programm der Mozartwoche 2013.<br />
Ich liebe das Instrument, es hat einen<br />
sehr sprachaffinen Ton. Und leider,<br />
ganz zu Unrecht, den Ruf, altmodi<strong>sch</strong><br />
zu sein. Ich wollte ein Stück <strong>sch</strong>reiben,<br />
bei dem das Fagott wie Zel luloid <strong>sch</strong>nell<br />
Feuer fängt, um dann in völlig neue,<br />
virtuos-bizarre Klangwelten aufzubrechen.<br />
Das Stück ist in enger Zusam -<br />
men arbeit mit dem groß artigen Pascal<br />
Gallois entstanden.<br />
ein auftragswerk der stiftung Mozar -<br />
teum <strong>sch</strong>reiben sie für das debütkonzert<br />
des Mozart kinderorches ters<br />
in der Mozartwoche 2013.<br />
Nun, das Werk ist noch nicht komponiert<br />
und deshalb kann ich derzeit<br />
nicht viel dazu sagen.<br />
wie werden sie es angehen?<br />
Ich versuche mich zu erinnern, welche<br />
Musikstücke mir als Klavier<strong>sch</strong>üler<br />
Freude gemacht haben und welche<br />
nicht. Das wird mein Ausgangspunkt<br />
sein. Obwohl das <strong>sch</strong>wierig ist, da ich<br />
selbst noch keine Kinder habe. Und<br />
so kann ich mich nur in meine eigene<br />
Kindheit zurückversetzen und mich<br />
daran erinnern, was mir Freude ge -<br />
macht hat. Es soll auf keinen Fall et -<br />
was pädagogi<strong>sch</strong> Verklemmtes dabei<br />
herauskommen.<br />
COMPOSER IN RESIDENCE<br />
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