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K o n zerte W issen sch aft M u seen - Stiftung Mozarteum Salzburg

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ELISABETH KULMAN<br />

38<br />

»ES GEHT BUCHSTABLICH Ä UM DIE ZWISCHENTONE...«<br />

Ö<br />

elisaBeth kulMan iM GesPräch<br />

mit Teresa Pie<strong>sch</strong>acón Raphael<br />

sie studierten zunächst russi<strong>sch</strong> und<br />

finno-ugristik. warum?<br />

Ich bin an der Grenze zu Ungarn aufgewachsen,<br />

im Burgenland, in dem es<br />

seit eh und je ein Kulturgemi<strong>sch</strong> gibt,<br />

das seit Jahrhunderten gut zusam men -<br />

lebt. Meine Familie zählt zu der kleinen,<br />

alten, fast aussterbenden Minderheit<br />

der Ungarn in Österreich.<br />

Meine Eltern sind Österreicher, doch<br />

sie haben mit mir als Kind Ungari<strong>sch</strong><br />

gesprochen und so bin ich mit der<br />

ungari<strong>sch</strong>en Kultur aufgewachsen.<br />

Russi<strong>sch</strong> lernte ich in der Schule –<br />

ein Zufall, denn eine russi<strong>sch</strong>e Lehrerin<br />

musste wohl be<strong>sch</strong>äftigt werden.<br />

Dann habe ich mich in die Sprachen<br />

regelrecht verliebt und wollte nach<br />

der Matura etwas Exoti<strong>sch</strong>es machen.<br />

So fing ich an, Slawistik, Finno-Ugristik<br />

und Musikw<strong>issen</strong><strong>sch</strong><strong>aft</strong> zu studieren.<br />

Erst später, mit 22 Jahren, be -<br />

gann ich mit einem Gesangsstudium.<br />

welche Bedeutung hatte Musik in<br />

ihrer kindheit?<br />

Sie war ganz, ganz wichtig. Ich habe<br />

mit meiner Mutter viel gesungen,<br />

sowohl ungari<strong>sch</strong>e als auch deut<strong>sch</strong>e<br />

Volkslieder und war in einer ungari<strong>sch</strong>en<br />

Tanzgruppe, habe Csárdás ge -<br />

tanzt. Ich komme aus einer einfachen<br />

Familie, meine Mutter war Hausfrau,<br />

mein Vater Beamter. Meine Mutter ist<br />

Organistin, immer aktiv im Chor so -<br />

wie in der Kirchengemeinde gewesen<br />

und hat die Tanzgruppe geleitet. Ich<br />

lernte Musik in einer gew<strong>issen</strong> Ur -<br />

sprünglichkeit kennen; das bedeutet<br />

mir heute sehr viel, gerade weil unser<br />

Beruf so stressig, so großen Belastungen<br />

ausgesetzt ist.<br />

wann spürten sie, dass sie einen<br />

sinn für die Bühne haben?<br />

Viele Kinder singen, und doch ist es<br />

etwas anderes, sich da hinzustellen<br />

und ein Lied vorzutragen. Ich war ein<br />

<strong>sch</strong>üchternes Kind, aber es gibt viele<br />

<strong>sch</strong>üchterne Men<strong>sch</strong>en, die es auf die<br />

Bühne treibt. Es ist eine psychologi<strong>sch</strong>e<br />

Frage, die gar nicht so einfach<br />

zu beantworten ist. Vielleicht ist es<br />

auch ein starkes Gefühl, man hat ein<br />

starkes Talent, man weiß: Da <strong>sch</strong>lummert<br />

etwas in mir, das die anderen<br />

nicht haben – und dann will man das<br />

ausstellen, exhibieren, um die Auf -<br />

merk samkeit zu bekommen, die man<br />

als <strong>sch</strong>üchterner Men<strong>sch</strong> nicht be -<br />

kommt.<br />

sie sangen bereits zu <strong>sch</strong>ulzeiten im<br />

chor, wenig <strong>sch</strong>ien darauf hinzuweisen,<br />

dass sie einmal als solistin auf<br />

der Bühne stehen würden.<br />

Ich liebe es, mit anderen gemeinsam<br />

zu musizieren, das Zusammenspiel<br />

ist mir sehr wichtig. Als Opernsänger<br />

sind wir eher Einzelkämpfer, alleine<br />

in den Hotelzimmern, alleine auf Reisen<br />

und auch alleine verantwortlich<br />

für unsere Leistung. Für mich ist es<br />

der höchste Genuss, wenn alle im<br />

Sinne des Komponisten an einem<br />

Strang ziehen. Wir sind als Interpreten<br />

dazu verpflichtet. Im Chorsingen<br />

habe ich gelernt, dass man zu sam men -<br />

halten muss, um das Bestmögliche zu<br />

erreichen.<br />

wie kam es dann zu der ent<strong>sch</strong>eidung,<br />

das sprachstudium aufzugeben<br />

und ein Gesangsstudium aufzunehmen?<br />

Ich war jeden Abend, neben dem<br />

Sprachstudium an der Uni, in der<br />

Chorprobe. Eigentlich wollte ich nur<br />

w<strong>issen</strong>, wie Singen geht, ohne sich<br />

weh zu tun und habe mich ohne Ausbildung<br />

für die Aufnahmeprüfung an<br />

der Musikhoch<strong>sch</strong>ule in Wien angemeldet;<br />

man hat mich genommen. Ja,<br />

dann studiert man sechs Jahre und<br />

bekommt ein Diplom, auf dem steht:<br />

‚Diplomierte Konzert- und Opernsängerin‘.<br />

Und dann fragt man sich:<br />

‚Wollte ich das werden?‘ Doch man<br />

wächst hinein. Die Oper kam mir an -<br />

fangs etwas zu künstlich vor, alles<br />

wirkte so affektiert und unnatürlich,<br />

damit konnte ich zunächst nichts an -<br />

fangen. Doch im Zuge des Studiums<br />

wurde ich auf die Bühne gejagt und<br />

habe es einfach gemacht. Schließlich<br />

fing es auch an, mir wirklich Spaß zu<br />

machen. Heute könnte ich mir ein<br />

an deres Leben gar nicht mehr vorstellen.<br />

im chor sangen sie noch sopran.<br />

Ja, ich war sogar Erster Sopran. Der<br />

Chorleiter hat mich immer sehr ge -<br />

<strong>sch</strong>ätzt, weil ich dem Sopranklang<br />

Dunkelheit und Wärme gegeben ha -<br />

be. Ausgebildet wurde ich ebenfalls als<br />

Sopran.<br />

was passierte dann?<br />

Erst dachte ich, es sei ein Problem<br />

der Kondition, oder dass ich nicht flei -<br />

ßig genug sei. Ich habe wie wild trainiert.<br />

Doch es half nicht und ich merk -<br />

te, ich mache mir etwas vor. Im Hin -<br />

terkopf wusste ich, dass ich für dieses<br />

Sopranfach nicht gebaut bin.<br />

wie <strong>sch</strong>wierig fiel diese erkenntnis?<br />

Ich habe lange damit gekämpft, die<br />

Komponisten <strong>sch</strong>reiben ja bis heute<br />

die Hauptrollen für Sopran. Es gibt<br />

zwar noch die Carmen und die Dalila,<br />

aber viel mehr Partien fallen einem<br />

auf die Schnelle nicht ein. Ich war als<br />

Sopran mit den Hauptrollen verwöhnt<br />

worden, und plötzlich war das alles<br />

weg. Ich musste in der Mitte ‚herum<br />

singen‘, dort fällt man nur auf, wenn<br />

man nicht da ist oder fal<strong>sch</strong> singt.<br />

Ich war plötzlich die Mutter, die Alte,<br />

die Intrigante aber eben nicht mehr<br />

die junge, <strong>sch</strong>öne Geliebte. Mittlerwei le<br />

habe ich einen solchen Spaß daran,<br />

die Böse zu sein – das ist doch viel<br />

interessanter als die langweilige<br />

Sopranistin, die unter den Männern<br />

leidet. Ich bin froh, den Männern<br />

jetzt auf der Bühne eins auswi<strong>sch</strong>en<br />

zu können. Es ist auch weniger stressig.<br />

Als Sopran wird man immer daran ge -<br />

messen, ob der hohe Ton kommt oder<br />

nicht. Als Mezzo geht es buchstäblich<br />

um die Zwi<strong>sch</strong>entöne.<br />

sie hatten als sopran viel Mozart ge -<br />

sungen.<br />

Darüber bin ich allerdings sehr traurig:<br />

Dass ich mit meiner Stimmlage<br />

nicht mehr so viel bei Mozart finde.<br />

Selbst seine Partien für „Mezzo“, den<br />

es ja damals so noch nicht gab, liegen<br />

sehr hoch und mir nicht mehr in der<br />

Kehle. Dennoch bin ich dankbar und<br />

glücklich, dass ich meine Karriere mit<br />

Mozart starten durfte, als Österreicherin<br />

hat man ein Liebesverhältnis<br />

zu diesem Komponisten, er ist der<br />

größte Opernkomponist überhaupt;<br />

seine Dramatik, sein Humor, seine<br />

Gefühlstiefe, und dann diese Leichtig -<br />

keit, die eine absolut techni<strong>sch</strong>e Perfektion<br />

vom Sänger erwartet. Jeder<br />

Sänger sollte durch die Mozart<strong>sch</strong>ule<br />

gehen. Durch Verdi kann man sich<br />

vielleicht durch<strong>sch</strong>windeln. Bei Mozart<br />

hört man jede Unsicherheit. Er vereint<br />

alles, ist neben Bach das größte<br />

Genie.<br />

„ich glaube an Gott, Mozart und Beet -<br />

hoven“, sagte richard wagner...<br />

Wagner hat Mozart noch für seinen<br />

Gott halten können, umgekehrt ging<br />

das aber nicht.<br />

na ja, vielleicht hat wagner sich<br />

selbst für einen Gott gehalten.<br />

(lacht) Das ist das beste Statement!<br />

Endlich sagt das mal jemand. Da<br />

kann ich nichts mehr sagen!<br />

Von der finno-ugristik zum stabreim<br />

von wagner; inwiefern beeinflusst<br />

ihre kenntnis von mindestens<br />

sieben sprachen ihre interpretation?<br />

Man ist sensibilisiert, hat ein ge<strong>sch</strong>ultes<br />

Ohr für den Klang ver<strong>sch</strong>iedener<br />

Sprachen, für die Verwendung der<br />

Worte. Und Worte waren Wagner sehr<br />

wichtig. Ich möchte möglichst keinen<br />

Akzent haben. Bei meiner Mussorgsky<br />

Dis-Covered- CD hat man mich für<br />

eine Russin gehalten.<br />

dieses lob kam von anna netrebko.<br />

…Sie kenne keine Russin, die das so<br />

gut machen könnte. Ja, das war ein<br />

riesiges Kompliment. Wir haben da<br />

auch ein ungeheueres Feedback be -<br />

kommen, die Mühe hat sich ge lohnt.<br />

Auch die Deut<strong>sch</strong>en wollen einen<br />

Wagner, den man gut versteht, der<br />

gut gesprochen und gesungen ist. Das<br />

hört man beides gleichzeitig gar nicht<br />

so oft. Mit Riccardo Muti konnte ich<br />

mich bei Glucks „Orfeo“ bei den Salz -<br />

burger Festspielen 2010 im Italieni<strong>sch</strong>en<br />

erproben. Das hilft mir auch<br />

bei Wagner, von dem man weiß, dass<br />

die Sänger seine Musik so singen sollten<br />

wie italieni<strong>sch</strong>e Musik, sprich: ein<br />

großes Legato bei gleichzeitig präziser<br />

Textbehandlung, damit ja auch je -<br />

des Wort verstanden wird.<br />

Bei der Mozartwoche 2013 singen<br />

sie wagners „wesendonck-lieder“.<br />

Die fünf Lieder begleiten mich <strong>sch</strong>on<br />

lange. Sie sind Fingerübungen von<br />

Wag ner gewesen, das dritte und das<br />

fünfte Lied sind Studien zu „Tristan<br />

SUMMARY<br />

und Isolde“. Wagner hat die Lieder für<br />

eine Frauenstimme und Klavier komponiert,<br />

wir werden die orchestrierte<br />

Version von Felix Mottl spielen.<br />

...mit den wiener Philharmonikern.<br />

wie beinflusst das die interpretation?<br />

Bei der Orchesterversion werden die<br />

Tempi automati<strong>sch</strong> langsamer, ich<br />

muss meinen Atem verändern, die<br />

dynami<strong>sch</strong>e Breite ist einge<strong>sch</strong>ränkt.<br />

Mit Klavier kann ich ganz leise Töne<br />

verwenden, komme ich ganz an das<br />

Publikum heran und werde nicht so<br />

laut singen müssen. Mit dem Orchester<br />

muss ich richtig Stoff geben, die<br />

Töne werden getragen von einem großen<br />

Klangkörper. Es ver<strong>sch</strong>iebt sich<br />

die dynami<strong>sch</strong>e Palette, wird alles ein<br />

bis<strong>sch</strong>en vergrößert. Man muss großflächiger<br />

erzählen, dicker auftragen,<br />

andere Farben finden, eine andere<br />

Herausforderung. Ich freue mich auf<br />

die Wiener Philharmoniker und auf<br />

Georges Prêtre. Der hat ja <strong>sch</strong>on<br />

Maria Callas begleitet! Was für eine<br />

Ehre!<br />

Elisabeth Kulman is probably the only mezzo-soprano in the world to<br />

have studied Russian and Finno-Ugric languages, and to speak at least<br />

seven languages – and so well that Anna Netrebko said of Kulman’s<br />

“Mussorgsky Dis-Covered” CD that she knew “no Russian that could<br />

do it so well”. A great compliment, says Kulman; she explains her<br />

polyglot talent: “I grew up in Burgenland. My family belongs to the<br />

tiny, almost extinct Hungarian minority in Austria.” With her outstanding<br />

musical talent, parallel to her language studies she attended<br />

the Academy of Music in Vienna. She had great success as a Mozart<br />

soprano, until in 2004 she realised that she felt more at home in the<br />

mezzo range. “Now I’ve come to enjoy being the bad character – far<br />

more interesting than the boring soprano victimised by men.” At the<br />

2013 Mozart Week, she joins the Vienna Philharmonic for a performance<br />

of Wagner’s Wesendonck Lieder.<br />

ELISABETH KULMAN<br />

39

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