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Steuerung sozialer Systeme - Konstantin Bähr

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mitglieder an sich zu binden bzw. um aus Menschen Gesellschaftsmitglieder<br />

zu machen, spricht viel für die These, dass Funktionssysteme ohne entsprechende<br />

Organisationen zahnlose Tiger wären. 37 Die These ist, dass Funktionssysteme<br />

gesellschaftlich dann entscheidungsführend sind, wenn es<br />

ihnen gelingt, über Organisationen Kommunikationen und Menschen eng an<br />

sich zu binden. 38 Anders gesagt: Organisationen stellen eine weitere Stufe<br />

der Verbindlichmachung von Kommunikation dar.<br />

3.1.2 Organisationssysteme<br />

In einem ersten Schritt werden wir den Zusammenhang bzw. das Verhältnis<br />

zwischen Organisationen und Funktionssystemen prüfen.<br />

Organisationen werden systemtheoretisch als soziale <strong>Systeme</strong> betrachtet,<br />

die sich erst nachfolgend – das heisst im Zuge der Ausdifferenzierung der<br />

Gesellschaft und dem Aufkommen schriftlicher Kommunikation 39 – zwischen<br />

die Ebenen Interaktion und Gesellschaft geschoben haben. Als soziale<br />

<strong>Systeme</strong> modelliert, gelten für Organisationen dieselben grundlegenden<br />

(basalen) Annahmen wie für die Funktionssysteme: Sie operieren entlang<br />

der Leitdifferenz von System/Umwelt, sie sind operativ geschlossen und sie<br />

prozessieren Kommunikationen bzw. bestehen aus Kommunikationen. Im<br />

Unterschied zu den Funktionssystemen bearbeiten Organisationen aus der<br />

Sicht der Theorie <strong>sozialer</strong> <strong>Systeme</strong> nicht unmittelbar ein Problem der<br />

37 Als Funktionssystem ohne eigentliche formale Organisationen operiert das Funktionssystem<br />

Intimität. Die Logik dieses Systems, das mit dem Medium Liebe prozessiert,<br />

verträgt sich schlecht mit Organisationsbildung. Die hier vorherrschende Form, die wie<br />

auch immer formalisierte Beziehung als Partnerschaft, Ehe oder Familie, entzieht sich<br />

m.E. auf Grund der romantischen Fassung von Liebe schlecht mit Organisationsbildung<br />

(vgl. dazu auch: LUHMANN 1982). Die Beziehungen sind in der Form von Interaktionszusammenhängen<br />

organisiert (KIESERLING 1999: 228). In anderer Weise stellt<br />

Renate MAYNTZ den gerade dargestellten Sachverhalt dar. Aus ihrer Sicht sind<br />

„Liebes- und Intimbeziehungen ... zwar auf der situativen Ebene funktionell ausdifferenziert,<br />

haben sich aber nicht zum Teilsystem im sozialstrukturellen Sinn fortentwickelt“<br />

(1997b [1988]: 63). – Gleichwohl muss man sich fragen, ob die bis etwa Mitte<br />

des 20. Jahrhunderts weit verbreitete (alteuropäische) Form der Familie, als von Frauen<br />

massgeblich geleitete Familie, quasi-organisationsförmigen Charakter hatte. Gegenwärtig<br />

ist in Bezug auf die Form der Familie wohl selbst die Anwendung der Begriffs<br />

Interaktionszusammenhang euphemistisch. Neue Leitungsrollen, seien es nach Entscheidungsprozessen<br />

vereinbarte, auf Zeit ausgesprochene, gemeinsame oder einzelne,<br />

müssen sich erst etablieren. Im Zeitalter durchgesetzter Marktgesellschaft liegen hier<br />

sowohl die Probleme sich paarender Professioneller (so der Arbeitstitel eines Projekts<br />

von Ronald Hitzler) als auch die Probleme von Frauen und Männern, die sich mit einigen<br />

junk-jobs gerade noch über Wasser halten.<br />

38 Siehe dazu LUHMANN (1997a: 843): „Um Funktionssysteme mit externer Kommunikationsfähigkeit<br />

auszustatten (...), müssen in den Funktionssystemen Organisationen gebildet<br />

werden.“<br />

39 Vgl. LUHMANN (2000b: 159).<br />

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