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Brandenburgisches Ärzteblatt 01/2008 - Landesärztekammer ...

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28<br />

Aktuell<br />

Ihr Kinderlein „ver“kommet?<br />

Ohne kinderärztliche Präsenz kippen Kinderkrippen<br />

Per Stiksrud<br />

Foto: privat<br />

Kinderkrippen werden<br />

zuerst sichtbar in unseren<br />

Kinderkliniken!!! –<br />

Kinder-„Unfall“ ist kein<br />

Kinder-„Zufall“! Jeder<br />

reife Kinderarzt kann<br />

spätestens nach zehn<br />

Tagen Verweildauer<br />

das familiäre Umfeld<br />

eines kranken Kindes<br />

abschätzen. Und dies<br />

nicht so knapp! Die Kin-<br />

der- und Jugendpsychiatrie kann über dieses<br />

„kreative“ Umfeld „ein Lied davon singen“.<br />

Nur ist bei ihr zu oft das Wort „Kreativität“<br />

auch nur ein Zauberwort. Schade, schade<br />

und nochmals schade. – Und damit sind wir<br />

schon mitten in der aktuellen Debatte. Willkommen<br />

im Dialog! Noch vor einigen Monaten<br />

klagte der Ärztliche Direktor einer<br />

Universitäts-Kinderklinik den Zustand der<br />

Klinikkosten in der Kinderheilkunde an, denn<br />

der Ärger ist dort besonders ausgeprägt:<br />

Man kann selbstverständlich die kleinen<br />

Patient(inn)en nicht in den Maßstäben der<br />

Erwachsenen-Medizin abbilden. Die Uneinsichtigkeit<br />

besonders deutscher Bundesländer<br />

könnte schlimme Folgen haben. Die<br />

universitäre Kinderheilkunde in der gesamten<br />

Bundesrepublik Deutschland ist ernstlich<br />

gefährdet. Die derzeitige Praxis, Erlösdefizite<br />

in der Versorgung von Kindern und Jugendlichen<br />

durch profitable Erwachsenenbereiche<br />

zu kompensieren, wird angesichts<br />

des künftigen Kostendrucks unserer Länderfinanzminister(innen)<br />

nicht mehr haltbar<br />

sein. Unabhängig davon ist diese Art von<br />

Quersubventionierung ein Eingeständnis der<br />

Unterfinanzierung unserer Kinderheilkunde<br />

im gegenwärtigen System. Darüber hinaus<br />

stärkt die inadäquate Abbildung der Kosten<br />

in den Vergütungen die Tendenz, Kinder aus<br />

Erlösgründen in Erwachsenenbereichen zu<br />

behandeln. Dies widerspricht dem einstimmigen<br />

Beschluss aller Bundestagsfraktionen<br />

aus dem Jahr 2002, demzufolge Kinder und<br />

Jugendliche nicht in Erwachsenenbereichen<br />

Deutschlands versorgt werden sollen. Es ist<br />

zu befürchten, dass die Versorgung chronisch<br />

kranker Kinder in Deutschland mit<br />

seltenen Erkrankungen abgeschafft wird, da<br />

es die Unikliniken sind, die mit ihrer hohen<br />

Spezialisierung einen entscheidenden Anteil<br />

an der Grundversorgung von chronisch<br />

kranken Kindern mit seltenen Erkrankungen<br />

haben. Tausende von Patient(inn)en werden<br />

ihre Spezialbetreuung verlieren. Kinder<br />

werden in ihren Spezialambulanzen nicht<br />

mehr betreut werden, obwohl diese geziel-<br />

<strong>Brandenburgisches</strong> <strong>Ärzteblatt</strong> 1/<strong>2008</strong> · 18. Jahrgang<br />

ten Therapien wegen der besonderen Empfindlichkeit<br />

des noch wachsenden Organismus’<br />

für Kinder nötig sind. – Ihr Kinderlein<br />

„ver“kommet?<br />

Qualität der Kinderbetreuung wichtig<br />

Da kommt eine Diskussion hier in Deutschland<br />

geradezu als verkommen vor! Deutschland<br />

diskutiert zur Zeit über die Betreuung<br />

der unter Dreijährigen, von denen heute im<br />

Bundesdurchschnitt etwa jedes 7. Kind einen<br />

Platz hat. Bis 2<strong>01</strong>0 sollen nach dem Tagesbetreuungs-Ausbaugesetz<br />

rund 230.000<br />

weitere Kinderkrippenplätze geschaffen<br />

werden. Doch bei der teils heftig, teils auch<br />

ideologisch geführten Debatte über diese<br />

Frage wird oft vergessen, die Qualität der<br />

Kinderbetreuung in den Blick zu nehmen. Es<br />

ist nur zu begrüßen, wenn in gut zweieinhalb<br />

Jahren den knapp zwei Millionen<br />

Kleinstkindern dann tatsächlich insgesamt<br />

500.000 Betreuungsplätze zur Verfügung<br />

stehen würden – aber bitte gegen jede Lösung,<br />

die darauf abzielt, Kinder nur zu verwahren,<br />

statt sie zu fördern. Die notwendige<br />

Qualität der Betreuung hat Konsequenzen.<br />

Beispielsweise besagt der fachlich wünschenswerte<br />

Personalschlüssel in Krippen,<br />

dass auf zehn Kleinkinder möglichst zwei<br />

Fachkräfte kommen sollten. Schon deshalb<br />

müssen bis 2<strong>01</strong>0 auch tausende zusätzliche<br />

Fachkräfte ausgebildet und die Kapazitäten<br />

der Ausbildungsstätten durch qualifiziertes<br />

Lehrpersonal entsprechend erweitert werden.<br />

Es ist eine mitunter favorisierte schnelle<br />

„Schmalspurausbildung“ mit Blick auf die<br />

hohe Verantwortung und die entwicklungspsychologische<br />

Bedeutung dieser frühen Lebensphase<br />

abzulehnen. Zusätzlich ist für den<br />

Ausbau der Plätze ein ehrgeiziges Bauprogramm<br />

zu bewältigen, und darüber hinaus<br />

haben die Jugendämter und freien Träger für<br />

eine gute Fachberatung zu sorgen.<br />

Kindeswohl an erster Stelle<br />

Vor zwei Jahren ergab eine Forsa-Umfrage,<br />

dass sich 58 Prozent der Mütter und 46 Prozent<br />

der Väter (von 0- bis 10-Jährigen) in<br />

Deutschland mehr Betreuungsplätze für den<br />

unter dreijährigen Nachwuchs wünschen.<br />

Nach OECD-Daten sind die Kleinstkinder im<br />

Vergleich zu Deutschland beispielsweise in<br />

Frankreich dreimal und in Dänemark sogar<br />

sechsmal so gut versorgt. Aber auch wenn<br />

sich Eltern daher bei uns berechtigterweise<br />

für eine bessere Vereinbarung von Beruf und<br />

Familie aussprechen – aus Sicht der Kinderförderer(innen)<br />

muss das Wohl der Kinder<br />

und der Wille des Kindes, also die Einhal-<br />

tung und Umsetzung ihrer Rechte, bei jeder<br />

Maßnahme oberste Priorität haben. Diese<br />

Prämisse gilt auch für den geplanten Ausbau<br />

der Tagesbetreuung von Kindern, was allen<br />

politischen Ebenen eine große und vor allem<br />

gemeinsame Anstrengung abverlangt. Es<br />

reicht eben nicht, dass der Bundestag das<br />

Tagesbetreuungs-Ausbaugesetz einfach beschließt<br />

– er muss die Länder und Kommunen,<br />

die das Gesetz umsetzen, auch ausdrücklich<br />

anregen und fördern, damit sie im Sinne des<br />

Kindeswohls und Kinderwillens tätig werden.<br />

Hier fordert Bundesfamilienministerin Ursula<br />

von der Leyen zu Recht die Verantwortung<br />

der gesamten Gesellschaft ein.<br />

In diesen Diskussionen und „Schein“-Diskussionen<br />

fragt sich der Autor hier: Wo sind nun<br />

unsere Kinderärzte und Kinderärztinnen dabei<br />

geblieben? Hier könnte der Autor zum<br />

Schluss kommen, dass die moderne Hirnforschung<br />

zwar wichtige Erkenntnisse liefern<br />

kann. Doch dieses, worauf es wirklich ankommt,<br />

damit dieser komplizierte Entwicklungsprozess<br />

im Gehirn möglichst vieler Kinder<br />

gelingt, dies sind die Verhältnisse,<br />

Beziehungen und Rahmenbedingungen unserer<br />

Gesellschaft, in der Kinder aufwachsen.<br />

Will auch da nur schreiben: Nicht mehr<br />

die klassischen Infektionskrankheiten, sondern<br />

neuartige, komplexe Erkrankungen,<br />

die gleichermaßen Körper, Psyche und soziale<br />

Beziehungen beeinträchtigen, gehören<br />

heute zum Kinderklinik-Alltag. Das Klientel<br />

der Kinder- und Jugendpsychiatrie weist<br />

eine besondere Vulnerabilität (also dem<br />

Grad der Verletzlichkeit gegenüber Gefährdungen)<br />

auf, die sich ausgeprägt an den<br />

gesellschaftlichen Entwicklungen orientiert.<br />

Dementsprechend wird von den kommenden<br />

Kinderärzten und -ärztinnen hohe, sehr<br />

hohe, ja höchste Einfühlsamkeit in gesellschaftlichen<br />

Entwicklungen verlangt. Denn:<br />

Nicht wenige psychisch kranke Kinder stammen<br />

aus einem ausgesprochen disharmonischen<br />

Familienmilieu. Solche Kinder fungieren<br />

nicht selten als Symptomträger ihrer<br />

Eltern. In solchen Fällen müssen manchmal<br />

vorrangig die Eltern und nicht die Kinder<br />

behandelt werden. Frühe Heim- und Klinikaufenthalte,<br />

häufige kurze oder länger anhaltende<br />

Trennungen des Kindes von seiner<br />

Mutter und die Versorgung des Säuglings<br />

oder des Kleinkindes durch andere Bezugspersonen<br />

werden sich stellen.<br />

Lob wirkt stärker als Tadel<br />

Diese Befragungen lassen sich, soweit es sich<br />

um Aufenthalte in Kinderkrippen oder Kin-

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