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Die Fernbusse sind da! Und jetzt?

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Foto: © Lars Unger<br />

Verkehr & Politik derFahrgast<br />

Sachsen-Anhalt<br />

Ist der städtische Nahverkehr<br />

in Halberstadt noch zu retten?<br />

Halberstadt ist eine ca. 40.000 Einwohner<br />

zählende Kreisstadt am Nordrand<br />

des Harzes im südwestlichen Sachsen-<br />

Anhalt. Es ist Taktknoten der Bahnlinien<br />

Magdeburg – Thale, Halle(S) – Vienenburg<br />

und Halberstadt – Blankenburg, die größtenteils<br />

im Stundentakt bedient werden.<br />

Auf dem Bahnhofsvorplatz gibt es<br />

direkt vor dem vorzüglich sanierten Empfangsgebäude<br />

die Möglichkeit, mit der<br />

Straßenbahn in die ca. zwei Kilometer entfernte<br />

Innenstadt weiterzufahren – noch!<br />

Denn der Stadtrat der Stadt Halberstadt<br />

hat im Juni 2011 im Rahmen der<br />

Haushaltskonsolidierung beschlossen, die<br />

Straßenbahn einzustellen – ersatzlos!<br />

Das heißt, es würden anstelle der Straßenbahn<br />

keine Busse fahren, sondern den<br />

Fahrgästen blieben lediglich die bereits<br />

<strong>jetzt</strong> fahrenden Regionalbusse, die nur an<br />

sehr wenigen Haltestellen im Stadtgebiet<br />

halten und die in ihren Taktabständen in<br />

keiner Weise den Bedürfnissen im Stadtverkehr<br />

Rechnung tragen!<br />

Nun stellt sich die Frage: Sind die Einsparungen<br />

im städtischen Haushalt so<br />

groß, <strong>da</strong>ss sie die komplette Einstellung<br />

des Nahverkehrs in der flächenmäßig<br />

recht ausgedehnten Stadt rechtfertigen<br />

würden?<br />

<strong>Die</strong> Antwort lautet hier ganz klar: Nein,<br />

denn die Straßenbahn wird im Verband<br />

der städtischen Holding „Nosa“, die verschiedene<br />

städtische Beteiligungen bündelt,<br />

quersubventioniert. Würde die Straßenbahn<br />

eingestellt, würden die <strong>da</strong>nn<br />

höheren Gewinne der „Nosa“ voraussichtlich<br />

soweit durch höhere Steuern wieder<br />

aufgefressen, <strong>da</strong>ss der verbleibende Rest<br />

nicht einmal für einen adäquaten Busersatz<br />

reichen würde.<br />

Hinzu kommt, <strong>da</strong>ss erst in den Jahren<br />

2006/2007 neue Niederflurbahnen der<br />

Marke „Leoliner“ angeschafft wurden,<br />

für die die Stadt Fördermittel vom Land<br />

Sachsen-Anhalt erhalten hat. Im Falle einer<br />

Stilllegung müssten diese und weitere<br />

Fördermittel für die Infrastruktur zurückgezahlt<br />

werden. Nur weil diese Fördermittel<br />

in Millionen-Höhe zurückgezahlt werden<br />

müssten, die Stadt sich also praktisch<br />

für die Stilllegung verschulden müsste,<br />

fährt die Bahn erst einmal auf absehbare<br />

Zeit weiter. Allerdings wird <strong>da</strong>s Angebot<br />

zunehmend eingeschränkt.<br />

Am 2. September 2012 wurde die<br />

Linie 1 zum Friedhof an Sonn- und Feiertagen<br />

eingestellt. <strong>Die</strong>se Linie stellt allerdings<br />

auch die direkte Verbindung vom<br />

Bahnhof ins Zentrum <strong>da</strong>r. <strong>Die</strong> Fahrgäste<br />

müssen <strong>jetzt</strong> entweder mit der im 30-Minuten-Takt<br />

verkehrenden Linie 2 einen<br />

Umweg durch die gesamte Oberstadt fahren<br />

oder die nur im 60-Minuten-Takt verkehrende<br />

Buslinie 11 nutzen, die allerdings<br />

auch schon gekürzt wurde.<br />

<strong>Die</strong> Fahrgastzahlen, die vor der Wende<br />

bei ca. sechs bis sieben Millionen pro Jahr<br />

lagen, haben sich in den letzten Jahren –<br />

trotz weiter sinkender Einwohnerzahl –<br />

bei ca. zwei Millionen pro Jahr eingependelt,<br />

d.h. die verbleibenden Einwohner<br />

Noch fährt die Straßenbahn durch die Innenstadt von Halberstadt. Das könnte sich bald schon<br />

ändern und die Straßenbahn könnte ersatzlos wegfallen.<br />

Müssen die Gleise bald raus? <strong>Die</strong> Straßenbahn<br />

in Halberstadt ist in Gefahr.<br />

nutzen die Straßenbahn häufiger. Außerdem<br />

schöpft der Betrieb sein Potenzial bei<br />

weitem nicht aus.<br />

Ein eigener Bahnkörper bzw. ÖPNV-<br />

Spuren <strong>sind</strong> so gut wie nicht vorhanden,<br />

obwohl viele Straßen breit genug <strong>da</strong>für<br />

wären. Ampelvorrangschaltungen <strong>sind</strong><br />

kaum vorhanden. So müssen die Bahnen<br />

im mehr oder weniger fließenden Autoverkehr<br />

mitfahren, was sich wiederum negativ<br />

auf die Pünktlichkeit und auf die sowieso<br />

dürftigen Anschlüsse auswirkt.<br />

Fazit: <strong>Die</strong> Straßenbahn ist in Halberstadt<br />

ein attraktives Verkehrsmittel, <strong>da</strong>s<br />

durchaus noch attraktiver werden kann.<br />

Man braucht nur ein gutes Konzept. Dazu<br />

gehört auch, <strong>da</strong>ss sich Stadtbusse und<br />

Straßenbahnen optimal ergänzen und<br />

nicht mehr oder weniger nebeneinander<br />

herfahren. <strong>Die</strong> derzeitige Entwicklung ist<br />

weder gut für die Stadt Halberstadt noch<br />

für den öffentlichen Verkehr insgesamt.<br />

Eine Kreisstadt mit dementsprechenden<br />

Ämtern und Einrichtungen braucht ein<br />

gutes Nahverkehrsnetz, <strong>da</strong>mit diese auch<br />

gut erreicht werden können. Fußwege<br />

von über 30 Minuten für einen Behördenbesuch<br />

<strong>sind</strong> einfach nicht zumutbar! Es ist<br />

also fraglich, wie lange Halberstadt ohne<br />

Nahverkehr seinen Status als Kreisstadt<br />

noch halten kann, zumal <strong>da</strong>s nahe gelegene<br />

Wernigerode mit einem gut ausgebauten<br />

Busnetz punkten kann.<br />

Eine Stilllegung der Straßenbahn in<br />

Halberstadt wäre ein kommunalpolitischer<br />

Schildbürgerstreich ersten Ranges,<br />

der keinerlei Nutzen hat, <strong>da</strong>für aber immensen<br />

Schaden anrichtet!<br />

Lars Unger<br />

derFahrgast 1/2013 27<br />

Foto: © Michael Brunsch

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