Die Verwaltungsreform in Baden-Württemberg – ein ...
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Landkreisnachrichten 45. Jahrgang<br />
<strong>Die</strong> <strong>Verwaltungsreform</strong> <strong>in</strong><br />
<strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong> <strong>–</strong> e<strong>in</strong> Zwischenresümee<br />
Zum 1. Januar 2005 wurden mit<br />
dem Verwaltungsstruktur-Reformgesetz<br />
(VRG) nahezu alle Sonderbehörden<br />
aufgelöst und ihre Aufgaben auf<br />
der mittleren Ebene den Regierungspräsidien,<br />
auf der unteren den Landratsämtern<br />
übertragen. Etwas über e<strong>in</strong><br />
Jahr nach e<strong>in</strong>er der größten Reformen<br />
der Verwaltungsstrukturen <strong>in</strong> <strong>Baden</strong>-<br />
<strong>Württemberg</strong> zieht der folgende Artikel<br />
nach e<strong>in</strong>er knappen Darstellung<br />
der Entstehungsgeschichte und der<br />
Zielsetzungen aus der Sicht der Landkreise<br />
e<strong>in</strong>e erste Zwischenbilanz.<br />
Entstehungsgeschichte und<br />
Zielsetzung des VRG<br />
In <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong> liegen die letzten<br />
großen <strong>Verwaltungsreform</strong>en bereits<br />
Jahrzehnte zurück. Sowohl die Kreisreform<br />
als auch die Geme<strong>in</strong>dereform<br />
wurden Anfang bzw. Mitte der 70er Jahre<br />
durchgeführt. Seitdem gab es nicht nur<br />
seitens des Landkreistages immer wieder<br />
Forderungen nach weitergreifenden<br />
Reformen. <strong>Die</strong>se Stimmen mehrten<br />
sich <strong>in</strong> der jüngeren Vergangenheit. E<strong>in</strong><br />
weiterer Impuls g<strong>in</strong>g vom f<strong>in</strong>anzwissenschaftlichen<br />
Institut des Bundes der<br />
Steuerzahler <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong> e.V.<br />
im Rahmen e<strong>in</strong>er Begutachtung durch<br />
den Staatswissenschaftler Prof. Dr. Joachim<br />
Jens Hesse aus, das für e<strong>in</strong>e Modernisierung<br />
von Regierung und Verwaltung<br />
e<strong>in</strong>trat und den Abbau des komplizierten<br />
Geflechts von Verwaltungsebenen zwischen<br />
Landesregierung und Kommunen<br />
forderte.<br />
Nach e<strong>in</strong>er Grundsatzentscheidung der<br />
Haushaltsstrukturkommission des Landes<br />
<strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong>, bestehend aus<br />
dem M<strong>in</strong>isterpräsidenten, se<strong>in</strong>em Stellvertreter,<br />
dem Vorsitzenden der Re-<br />
10<br />
Von Landrat Bernhard Wütz, Waldshut<br />
gierungsfraktionen im Landtag und dem<br />
F<strong>in</strong>anzm<strong>in</strong>ister, vom März 2003 wurde<br />
e<strong>in</strong>e Strukturreform der Verwaltung <strong>in</strong><br />
<strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong> zum erklärten Ziel<br />
der Landesregierung. In e<strong>in</strong>em bemerkenswerten<br />
Kraftakt ist es allen an der<br />
Reform beteiligten Stellen gelungen,<br />
diese <strong>in</strong> sehr kurzer Zeit <strong>in</strong> Gesetzesform<br />
zu gießen. Bereits am 30. Juni 2004<br />
konnte das VRG verabschiedet werden.<br />
Beide Fraktionen der Regierungskoalition<br />
haben das Projekt von Anfang an<br />
mitgetragen.<br />
Das VRG zielt auf e<strong>in</strong>e fortschrittliche<br />
und effektive Verwaltung, die, den Bedürfnissen<br />
von Bürgern und Wirtschaft<br />
entsprechend, schlanker und effizienter<br />
werden soll. E<strong>in</strong>fachere Abläufe und<br />
e<strong>in</strong>heitliche Ansprechpartner <strong>in</strong> komplexen<br />
Verfahren,Verlagerung von Entscheidungsprozessen<br />
und Verantwortung<br />
nach unten, Vere<strong>in</strong>heitlichung von Tätigkeitsfeldern<br />
und e<strong>in</strong> Aufgabenabbau<br />
s<strong>in</strong>d dabei die Schlagworte.<br />
<strong>Die</strong> Gesetzesbegründung nennt folgende<br />
vier Grundsätze:<br />
1. Der dreistufige Verwaltungsaufbau<br />
wird zum prägenden Strukturelement.<br />
Er berücksichtigt die notwendige Zentralisierung<br />
und jede mögliche Dezentralisierung.<br />
Er ist <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Flächenland<br />
mit 10 Mio. E<strong>in</strong>wohnern wie <strong>Baden</strong>-<br />
<strong>Württemberg</strong> nötig, um e<strong>in</strong>e sachgerechte,<br />
bürgernahe und leistungsfähige<br />
Verwaltung sicherzustellen.<br />
2. <strong>Die</strong> Bündelungsfunktion der Regierungspräsidien,<br />
der Landratsämter<br />
und der Stadtkreise zur Erfüllung<br />
staatlicher Aufgaben wird wesentlich<br />
erweitert und gestärkt.<br />
3. Landesoberbehörden und höhere<br />
Sonderbehörden werden <strong>in</strong> die Regierungspräsidien<br />
e<strong>in</strong>gegliedert, gegebenenfalls<br />
durch Vorort-Zuständigkeiten.<br />
4. <strong>Die</strong> unteren Sonderbehörden werden<br />
grundsätzlich <strong>in</strong> die Landkreise und<br />
Stadtkreise <strong>in</strong>tegriert. <strong>Die</strong> Landesregierung<br />
knüpft damit an die erfolgreichen<br />
E<strong>in</strong>gliederungen <strong>in</strong> der<br />
Gesundheitsverwaltung, der Wasserwirtschaftsverwaltung<br />
und dem Veter<strong>in</strong>ärwesen<br />
an.<br />
Motor der längst überfälligen Reform<br />
war freilich auch die F<strong>in</strong>anznot des Landes.<br />
Mit den neuen Strukturen ergibt sich<br />
die Möglichkeit, Aufgaben zu bündeln,<br />
sie mit weniger Personal und damit kostengünstiger<br />
zu erfüllen. <strong>Die</strong>ser Erwartung<br />
entsprechend werden die Kompensationszahlungen<br />
des Landes, die die<br />
Stadt- und Landkreise für die Erfüllung<br />
der „neuen“ staatlichen Aufgaben und<br />
die Übernahme des Personals erhalten,<br />
<strong>in</strong>nerhalb von sieben Jahren um 20 %<br />
reduziert.<br />
E<strong>in</strong> von der SPD-Landtagsfraktion vorgelegtes<br />
zweistufiges Alternativkonzept<br />
konnte sich nicht durchsetzen. Es sah die<br />
Bildung von nur noch ca. acht Regionalkreisen<br />
vor. <strong>Die</strong>se sollten die Stellung<br />
der bisherigen Landkreise erhalten. In die<br />
zu bildenden Regionalkreisverwaltungen<br />
sollten die staatlichen Aufgaben und<br />
das staatliche Personal der 4 Regierungspräsidien,<br />
der 4 Oberschulämter, des<br />
Landesamts für Flurneuordnung und<br />
Landentwicklung, der neun Gewerbeaufsichtsämter,<br />
der 19 Flurbere<strong>in</strong>igungsämter,<br />
der 20 Straßenbauämter, der<br />
30 Schulämter, der 35 Ämter für Landwirtschaft,<br />
Landschafts- und Bodenkultur<br />
und der 163 Forstämter sowie die<br />
der staatlichen Vermessungsämter übernehmen.<br />
<strong>Die</strong>ses Modell wurde zu Recht<br />
verworfen. Es hätte zu Megabehörden<br />
und zu e<strong>in</strong>er Verwaltung der weiten<br />
Wege führt. Bürgernähe wäre nicht<br />
mehr möglich gewesen. E<strong>in</strong> Regionalkreis<br />
hätte im Schnitt 140 Geme<strong>in</strong>den
mit über e<strong>in</strong>er Mio E<strong>in</strong>wohner umfasst<br />
und wäre damit viermal so groß wie e<strong>in</strong><br />
Bundestagswahlkreis und rund achtmal<br />
so groß wie e<strong>in</strong> Landtagswahlkreis.<br />
E<strong>in</strong> Regionalkreis Stuttgart würde beispielsweise<br />
179 Städte und Geme<strong>in</strong>den<br />
und über 2,6 Mio E<strong>in</strong>wohner umfassen.<br />
Damit wäre dieser Kreis mehr als doppelt<br />
so groß wie das Saarland und würde<br />
nach der Anzahl der E<strong>in</strong>wohner der Größe<br />
Thür<strong>in</strong>gens, Brandenburgs oder Sachsen-Anhalts<br />
entsprechen.<br />
Mit der <strong>Verwaltungsreform</strong> wurde auch<br />
e<strong>in</strong>e lang erhobene Forderung des Landkreistags<br />
erfüllt. Der Landkreistag begrüßt<br />
es deshalb außerordentlich, dass<br />
se<strong>in</strong>e Vorstellungen zu e<strong>in</strong>er <strong>Verwaltungsreform</strong><br />
aufgegriffen wurden und<br />
ist nach gut e<strong>in</strong>em Jahr seit Inkrafttreten<br />
überzeugt, dass die Reform auf der unteren<br />
Ebene bereits heute zu e<strong>in</strong>em effizienteren<br />
Verwaltungshandeln und zu<br />
mehr Bürgernähe geführt hat. Auch das<br />
Ziel e<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>sparung von 20 % <strong>in</strong> sieben<br />
Jahren wird erreicht werden. In diesem<br />
Zusammenhang ist die hervorragende<br />
Arbeit der Geschäftsstelle des Landkreistags<br />
im Vorfeld der Reform nochmals<br />
deutlich hervorzuheben. Durch die kompetente<br />
Vorbereitung zahlreicher Gremienentscheidungen<br />
hat sie wesentlich<br />
dazu beigetragen, dass die Reform rasch<br />
umgesetzt werden konnte und dass<br />
wichtige Belange der Landkreise E<strong>in</strong>gang<br />
<strong>in</strong> das Gesetzgebungsverfahren gefunden<br />
haben.<br />
Umsetzung der Reform<br />
<strong>Die</strong> Umsetzung der Reform bei den<br />
Stadt- und Landkreisen basiert auf drei<br />
Grundideen: Auflösung der Sonderbehörden,<br />
Übertragung der Aufgaben auf<br />
die unteren Verwaltungsbehörden und<br />
Übergang des Personals (Abordnung<br />
beim höheren <strong>Die</strong>nst, im übrigen Kommunalisierung).<br />
Landesweit waren davon<br />
450 Behörden und rund 20 000<br />
Beschäftigte betroffen. <strong>Die</strong> früher staatlichen<br />
Schulämter, Ämter für Flurneuordnung<br />
und Landentwicklung, Forstämter,<br />
Versorgungsämter, Gewässerdirektionen,<br />
Gewerbeaufsichtsämter, Straßenbauämter,<br />
Vermessungsämter, Ämter<br />
für Landwirtschaft, Landschafts- und Bodenkultur<br />
und die Lebensmittelüberwachung<br />
s<strong>in</strong>d heute Bestandteil der Kreisverwaltungen.<br />
<strong>Die</strong> Übernahme der Beschäftigten durch<br />
die Stadt- und Landkreise erfolgte zum<br />
1. Januar 2005. <strong>Die</strong> Vorgaben des VRG<br />
nach e<strong>in</strong>er sozialverträglichen Umsetzung<br />
wurden beachtet. Sowohl bei der<br />
aufnehmenden als auch bei der abgebenden<br />
<strong>Die</strong>nststelle wirkten die Personal-,<br />
die Schwerbeh<strong>in</strong>derten- und die<br />
Frauenvertretung mit. Bis zur nächsten<br />
regelmäßigen Personalratswahl traten<br />
Übergangspersonalräte, gebildet aus<br />
Beschäftigten der früheren Sonderbehörden,<br />
neben die bereits vorhandenen<br />
Personalräte.<br />
Erfolge der Reform<br />
Heute kann festgestellt werden, dass<br />
die <strong>Verwaltungsreform</strong> nicht nur <strong>in</strong> ihrer<br />
organisatorisch-formalen Umsetzung<br />
gelungen ist, sondern dass sich die erhofften<br />
Wirkungen bereits zum großen<br />
Teil e<strong>in</strong>gestellt haben. <strong>Die</strong>s zeigt sich<br />
schon dar<strong>in</strong>, dass der 1. Januar 2005 von<br />
der Bevölkerung weitgehend unbemerkt<br />
vorüber g<strong>in</strong>g, was mit Fug und Recht als<br />
Zeichen für e<strong>in</strong>en reibungslosen Übergang<br />
gewertet werden kann.<br />
Am Beispiel des Landkreises Waldshut<br />
lässt sich dieser für das ganze Land belegen.<br />
Begleitet durch zahlreiche Aktivitäten,<br />
die das Zusammenwachsen von<br />
Landratsamt „alt“ und „neu“ fördern<br />
sollen, ist das Landratsamt auf dem Weg<br />
zu e<strong>in</strong>em geme<strong>in</strong>samen Haus e<strong>in</strong> gutes<br />
Stück vorangekommen. Dabei stand von<br />
Anfang an das Bemühen, die <strong>Verwaltungsreform</strong><br />
nicht nach dem Vorbild<br />
von 1995 als re<strong>in</strong>e „E<strong>in</strong>gliederung“ von<br />
Sonderbehörden zu betrachten. Gegen<br />
e<strong>in</strong>e solche Sichtweise sprach schon die<br />
schiere Zahl der neuen Mitarbeiter<strong>in</strong>nen<br />
und Mitarbeiter, die der Zahl des Personals<br />
beim Landratsamt „alt“ entsprach.<br />
Schwerpunkt <strong>Verwaltungsreform</strong><br />
Vielmehr musste es angesichts dieses<br />
Verhältnisses darum gehen, den Fokus<br />
auf das Zusammenführen und die Integration<br />
vieler Ämter mit ganz unterschiedlichen,<br />
gewachsenen Strukturen<br />
und vor allem auch Kulturen zu richten.<br />
Dass das Landratsamt als aufnehmende<br />
Behörde „gesetzt“ war, durfte nicht den<br />
Blick dafür versperren, dass die staatlichen<br />
Sonderbehörden <strong>in</strong> der großen<br />
Mehrzahl der Fälle gut geführt, ihrerseits<br />
<strong>in</strong>folge von Reformen gut aufgestellt und<br />
damit den an sie gerichteten Anforderungen<br />
gewachsen waren. Es konnte also<br />
sofort damit begonnen werden,die Möglichkeiten<br />
der Zusammenarbeit unter<br />
e<strong>in</strong>em Dach konsequent zu nutzen.<br />
Regelmäßige Besprechungen mit allen<br />
Amts- und Dezernatsleitungen, jour fixes<br />
auf Dezernatsebene und themenbezogene<br />
Besprechungen über Dezernate<br />
h<strong>in</strong>weg s<strong>in</strong>d Ideenwerkstatt und Forum<br />
für kritische Ause<strong>in</strong>andersetzungen<br />
zugleich und lassen e<strong>in</strong> geme<strong>in</strong>sames<br />
Verständnis vom Landratsamt entstehen.<br />
Gelegenheiten zu <strong>in</strong>formellen Begegnungen,<br />
etwa bei Betriebsausflügen,<br />
<strong>in</strong> der Cafeteria oder bei feierlichen Anlässen<br />
fördern das Geme<strong>in</strong>schaftsgefühl<br />
und bilden so den Boden für die erwarteten<br />
Synergieeffekte.Term<strong>in</strong>e s<strong>in</strong>d rasch<br />
vere<strong>in</strong>bart, der Bürger erhält auch <strong>in</strong><br />
facettenreichen Verfahren e<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>heitlichen<br />
Ansprechpartner, Personal kann<br />
leicht über verschiedene Ämter h<strong>in</strong>weg<br />
e<strong>in</strong>gesetzt werden, geme<strong>in</strong>same Projekte<br />
entstehen. So arbeiten im Landkreis<br />
Waldshut „alte“ und „neue“ Ämter <strong>in</strong><br />
vielen Bereichen, etwa bei Schule und<br />
Jugendhilfe, bei Gewässerschutz und<br />
Landwirtschaft oder bei Forst und Naturschutz<br />
eng zusammen. <strong>Die</strong> Fachkompetenz<br />
der Vermessungsverwaltung <strong>in</strong><br />
Sachen Geo<strong>in</strong>formationssysteme (GIS)<br />
kommt der ganzen Verwaltung zugute.<br />
Für e<strong>in</strong> Projekt zum Thema Fettleibigkeit<br />
bei Jugendlichen kann die Kompetenz<br />
von Schul-, Jugend-, Gesundheits- und<br />
Landwirtschaftsamt rasch und unkompliziert<br />
zusammengeführt werden. Im<br />
Bereich der Wiedere<strong>in</strong>gliederung von<br />
11
Landkreisnachrichten 45. Jahrgang<br />
Langzeitarbeitslosen <strong>–</strong> Waldshut ist<br />
Optionskreis <strong>–</strong> können Arbeitsgelegenheiten,<br />
die so genannten 1-Euro-Jobs,<br />
auch von der eigenen, seit der <strong>Verwaltungsreform</strong><br />
erweiterten Behörde angeboten<br />
werden. <strong>Die</strong> Gewerbeaufsicht<br />
steht mit ihrer Kompetenz jederzeit sofort<br />
zur Verfügung. Baugenehmigungen<br />
für Betriebe können somit oft schneller<br />
erteilt oder <strong>in</strong> Aussicht gestellt werden.<br />
Durch die Zusammenführung von Ämtern<br />
der Gesundheits- und der Versorgungsverwaltung<br />
ließen sich Kompetenzen<br />
bündeln. <strong>Die</strong> Flurneuordnung wird<br />
im Realteilungsgebiet Südbaden Landkreis<br />
Waldshut als Instrument von kreispolitischer<br />
Bedeutung gesehen. In der für<br />
unsere Region wichtigen Frage von Planung<br />
und Bau der Autobahn A 98 können<br />
wir uns des Sachverstandes der Straßenbauverwaltung<br />
bedienen. <strong>Die</strong> Reihe der<br />
Beispiele ließe sich fortsetzen.<br />
E<strong>in</strong> Neuzuschnitt e<strong>in</strong>es Teils der Ämter<br />
machte es, verbunden mit <strong>in</strong>nerorganisatorischen<br />
Änderungen, möglich, Personal<br />
effizienter e<strong>in</strong>zusetzen, auf Wiederbesetzungen<br />
<strong>in</strong> der Regel zu verzichten<br />
und damit den E<strong>in</strong>sparungsvorgaben<br />
gerecht zu werden. Augenfällig wird<br />
dies bei der Lebensmittelüberwachung.<br />
Durch die Abkehr vom früher beim Wirtschaftskontrolldienst<br />
der Polizei üblichen<br />
Vieraugenpr<strong>in</strong>zip konnte die Zahl<br />
der von e<strong>in</strong>em Bediensteten besuchten<br />
Betriebe, ohne dass die Arbeit an Qualität<br />
verloren hätte, deutlich gesteigert<br />
werden.<br />
Insgesamt kann bereits heute festgestellt<br />
werden, dass deutlich kürzere Verwaltungswege,<br />
kürzere Bearbeitungsund<br />
Genehmigungszeiten, Aufgabenbündelung<br />
und Zentralität Lösungen aus<br />
e<strong>in</strong>er Hand und ohne langwierige Abstimmungsprozesse<br />
ermöglichen.<br />
Korrekturbedarf<br />
Es wäre <strong>–</strong> das Wortspiel sei gestattet <strong>–</strong><br />
vermessen anzunehmen, e<strong>in</strong>e Reform<br />
dieses Umfangs und dieser Bedeutung<br />
12<br />
ließe sich ohne jede Schwierigkeiten<br />
umsetzen. Angesichts der Größe des Vorhabens<br />
nehmen sich die tatsächlich aufgetretenen<br />
Probleme jedoch ger<strong>in</strong>g aus.<br />
Unwuchten s<strong>in</strong>d besonders dann entstanden,<br />
wenn die Idee der Reform <strong>–</strong> die<br />
Bündelung von Aufgaben und Ressourcen<br />
bei den Stadt- und Landkreisen <strong>–</strong> im<br />
politischen Ausgestaltungsprozess Schaden<br />
genommen hat. Das zeigt sich etwa<br />
bei der Vermessungsverwaltung. In der<br />
Gesetzesbegründung f<strong>in</strong>det sich die<br />
politische Zielvorgabe, den gegenwärtigen<br />
Anteil der unteren Vermessungsbehörden<br />
an den (gebührenfähigen) Vermessungsdienstleistungen<br />
um 60 % auf<br />
dann rund 20 % zu reduzieren. Der Anteil<br />
der öffentlich bestellten Vermessungs<strong>in</strong>genieure<br />
(öbV) soll sich dementsprechend<br />
auf ca. 80 % erhöhen.<br />
Allerd<strong>in</strong>gs sollen dafür die Landkreise<br />
den Preis bezahlen. Denn gleichzeitig<br />
wird die vom Land den Kreisen gewährte<br />
Personalkostenerstattung um die zu<br />
erwartenden Gebührene<strong>in</strong>nahmen reduziert.<br />
Zielvorgabe und Rahmenbed<strong>in</strong>gung<br />
bilden e<strong>in</strong>en Widerspruch. Solange<br />
nämlich die Personalkosten nicht voll erstattet<br />
werden, muss der Kreis das Defizit<br />
über die E<strong>in</strong>nahme von Vermessungsgebühren<br />
abzudecken versuchen. Ohne<br />
Änderung dieser Situation wird sich der<br />
Widerspruch nur sehr langfristig auflösen<br />
lassen und dies nur dann, wenn sich<br />
durch Fluktuation das Personal im operativen<br />
Bereich verr<strong>in</strong>gert. Nimmt das Land<br />
die eigene Zielsetzung aber ernst und<br />
will es das privatwirtschaftliche Element<br />
im Vermessungswesen rasch stärken,<br />
muss es dafür die nötigen und für die<br />
Landkreise akzeptablen Rahmenbed<strong>in</strong>gungen<br />
schaffen.<br />
Von großer Bedeutung ist auch e<strong>in</strong><br />
Webfehler bei der Flurneuordnung. Zwar<br />
wurden auch hier die Aufgaben auf die<br />
Stadt- und Landkreise übertragen. <strong>Die</strong><br />
unglückliche Aufteilung des Personals <strong>in</strong><br />
Grundteams bei den Kreisen und Poolteams<br />
bei den Regierungspräsidien führt<br />
aber zu unklaren Verantwortlichkeiten,<br />
aufwändigen Abstimmungsprozessen<br />
und damit zur B<strong>in</strong>dung von Personal, das<br />
für die Facharbeit nicht zur Verfügung<br />
steht. Sie führt aber auch zu e<strong>in</strong>em systemwidrigen<br />
vierstufigen Verwaltungsaufbau.<br />
<strong>Die</strong> Struktur bestehend aus<br />
M<strong>in</strong>isterium, Landesamt für Flurneuordnung<br />
als Abteilung am Vorortregierungspräsidium<br />
Stuttgart, den weiteren Präsidien<br />
mit ihrer Zuständigkeit für den Pool<br />
und schließlich den unteren Flurneuordnungsbehörden<br />
bedarf dr<strong>in</strong>gend e<strong>in</strong>er<br />
Korrektur. Es gilt, den Grundpr<strong>in</strong>zipien<br />
der Reform auch hier zum Durchbruch zu<br />
verhelfen und gemäß dem Grundsatz,<br />
dass das Personal der Aufgabe folgt, die<br />
Bediensteten des Pools ebenfalls den<br />
Landratsämtern zuzuweisen.<br />
Gesamtbetrachtung<br />
Insgesamt kann festgestellt werden,<br />
dass die bereits im Vorfeld der <strong>Verwaltungsreform</strong><br />
durch den Landkreistag und<br />
die Landkreise prognostizierten positiven<br />
Auswirkungen der <strong>Verwaltungsreform</strong><br />
deutlich die mit ihr verbundenen<br />
Schwierigkeiten und Nachteile überwiegen.<br />
<strong>Die</strong>s zeigt auch e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>zelbetrachtung<br />
der e<strong>in</strong>gegliederten Bereiche. Auf<br />
dem Weg, unsere Ämter zu e<strong>in</strong>em noch<br />
leistungsfähigeren und bürgernäheren<br />
Landratsamt zu formen, s<strong>in</strong>d wir bereits<br />
e<strong>in</strong> beträchtliches Stück vorangekommen.<br />
Es gilt, dieses Ziel beharrlich weiter<br />
zu verfolgen.<br />
Dr. Bernhard Wütz hat diesen Artikel als<br />
Vorsitzender des Rechts- und Verfassungsausschusses<br />
des Landkreistages<br />
<strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong> verfasst. Er ist auch<br />
Mitglied des Präsidiums des Landkreistags.