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Bezirkseinteilung im Allgemeinen Sozialen Dienst unter ...

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<strong>Bezirkseinteilung</strong> <strong>im</strong> <strong>Allgemeinen</strong> <strong>Sozialen</strong> <strong>Dienst</strong><br />

<strong>Bezirkseinteilung</strong> <strong>im</strong><br />

<strong>Allgemeinen</strong> <strong>Sozialen</strong> <strong>Dienst</strong><br />

<strong>unter</strong> Berücksichtigung<br />

spezifischer Sozialraumbelastungen<br />

Wie eine Jugendhilfeplanerin<br />

und ein Controller als interdisziplinäres Team <strong>unter</strong>schiedlich<br />

„schwere“ Einwohner erfinden<br />

Von Ulrike Gfrörer und Michael Rautland, Villingen-Schwenningen<br />

Neue <strong>Bezirkseinteilung</strong>en <strong>im</strong> <strong>Allgemeinen</strong> <strong>Sozialen</strong> <strong>Dienst</strong> des Jugendamtes werfen<br />

<strong>im</strong>mer wieder die gleichen Fragen auf. Ist die Einteilung der Bezirke nach Einwohnern<br />

gerecht? Bildet sie die Arbeitsbelastung adäquat ab oder werden Ungerechtigkeiten<br />

in Kauf genommen? Haben die einen Mitarbeiter mehr Möglichkeiten,<br />

gemeinwesenorientiert tätig zu werden? Sind andere tatsächlich durch die<br />

Sozialstruktur mit Alltagsfällen überhäuft? Oder versteckt sich Kollege X mit seinen<br />

vielen He<strong>im</strong><strong>unter</strong>bringungen hinter der angeblich so hohen <strong>Sozialen</strong>belastung<br />

seines Bezirkes?<br />

Im Schwarzwald-Baar-Kreis wollte man die Notwendigkeit der Neuverteilung der<br />

Bezirke auch dazu nützen, den Gedanken der Sozialraumorientierung, der Verstärkung<br />

von gemeinwesenorientierter Arbeit auch in der Neugliederung der Bezirke<br />

konsequenter zu verfolgen. Gleichzeitig sollte die Bezirksverteilung möglichst so<br />

erfolgen, dass die Mitarbeiter/innen eine gleich hohe Belastung in den nächsten<br />

Jahren an Fällen und problematischen Grundstrukturen zu bearbeiten haben. Einige<br />

der Kriterien der ja schon seit längerem diskutierten Sozialraumanalysen sollten<br />

deshalb mit in die Neugestaltung der Bezirke einfließen.<br />

Bisher wurden die Bezirke des <strong>Allgemeinen</strong><br />

<strong>Sozialen</strong> <strong>Dienst</strong>es lediglich anhand<br />

des Kriteriums der Einwohnerzahlen<br />

festgelegt. Demnach hatte der Mitarbeiter,<br />

der drei Gemeinden à 5000 Einwohner<br />

zugeordnet erhielt, theoretisch<br />

die gleiche Belastung wie der Kollege<br />

mit einer 15 000 Einwohner zählenden<br />

Stadt (geographische Aspekte wie Fahrstrecken<br />

etc. ausgeblendet). Das 10 000<br />

Einwohner starke Kurstädtchen mit einer<br />

eher älteren Bevölkerung war theoretisch<br />

vergleichbar mit dem gleichgroßen<br />

in jüngerer Zeit stark gewachsenen Arbeiterstädtchen.<br />

Neben der Einwohnerzahl sollten deshalb<br />

weitere Kriterien als Grundlage für<br />

die Bemessung der Bezirke eingesetzt<br />

werden. Orientiert haben wir uns bei der<br />

Bemessung der <strong>Sozialen</strong> Belastung auch<br />

an den fachlich diskutierten Indikatoren<br />

der Sozialraumanalysen 1 und den Erfahrungen<br />

aus den kleinräumlichen Jugendhilfeplanungsprozessen<br />

<strong>im</strong> Landkreis<br />

selbst. Die von uns definierten Kriterien<br />

orientierten sich zudem stark an Erfahrungen<br />

mit den hohen Arbeitsanfall<br />

auslösenden Indikatoren in den <strong>unter</strong>schiedlichen<br />

Bezirken <strong>im</strong> Landkreis und<br />

unseren Thesen dazu. Unstrittig waren<br />

in der Diskussion die Kriterien Anzahl<br />

junger Menschen <strong>unter</strong> 18 Jahren und<br />

Anzahl der Hilfen zur Erziehung. Im Gegensatz<br />

zu anderen Modellen 2 , die zum<br />

Zwecke der Sozialraumanalyse und nicht<br />

der <strong>Bezirkseinteilung</strong> (und damit vor<br />

allem der Verteilung des Arbeitsanfalls)<br />

entwickelt wurden, <strong>unter</strong>schieden wir in<br />

213


Landkreisnachrichten 42. Jahrgang<br />

der Diskussion <strong>im</strong> Jugendamt nicht die<br />

einzelnen Formen der Hilfen, um keine<br />

Anreize zu schaffen die eine oder andere<br />

Hilfeart <strong>im</strong> Sinne der Arbeitsverteilung in<br />

den Bezirken zu belohnen. Da wir davon<br />

ausgehen, dass die jeweils richtige Maßnahme<br />

gewährt wird, sollten auch alle<br />

ambulanten und teilstationären Hilfen<br />

genauso gewichtet werden wie vollstationäre<br />

Hilfen. Damit wurde von Seiten<br />

der Jugendamtsführung auch eine strategische<br />

Marke gesetzt, ebenso durch<br />

den Einbezug der Anzahl der Kontaktpartner<br />

<strong>im</strong> Bezirk. Sowohl die gemeinwesenorientierte<br />

als auch die <strong>im</strong>mer<br />

differenziertere, auf ambulante und teilstationäre<br />

Hilfen ausgerichtete Beratung<br />

und Hilfeplanung wurde somit abgebildet.<br />

Die Sozialstruktur des Bezirks wird<br />

lediglich durch die offizielle Arbeitslosenquote<br />

und die Quote der Kinder,<br />

die Hilfe zum Lebens<strong>unter</strong>halt erhalten,<br />

beschrieben. Weitere Daten mit einzubeziehen,<br />

hieße umfassender zu recherchieren<br />

und die Datenpflege nur mit<br />

hohem Aufwand zu bewältigen. In der<br />

Beurteilung des Systems nach der Modellphase<br />

von 3 Jahren werden wir sicher<br />

genau diesen Aspekt noch einmal ausgiebig<br />

diskutieren.<br />

Folgende Kriterien wurden durch die<br />

Jugendhilfeplanerin und das Jugendamt<br />

definiert:<br />

● Anzahl der Kindergärten und Schulen<br />

<strong>im</strong> Bezirk<br />

● die Anzahl der Bevölkerung <strong>unter</strong><br />

18 Jahren<br />

● die Arbeitslosenquote<br />

● die Quote der Soziahilfeempfänger<br />

<strong>unter</strong> 18 Jahren<br />

● die Anzahl der Hilfen zur Erziehung<br />

Um aus dieser Idee nun ein Berechnungssystem<br />

zu entwickeln, wurde die<br />

Controllingstelle des Landkreises miteinbezogen,<br />

da die dort vorhandenen<br />

Kenntnisse aus der Betriebswirtschaftslehre<br />

geeignet schienen, den sozialplanerischen<br />

Ansatz quasi mathematisch<br />

umzusetzen. Sollte am Ende doch<br />

am besten eine objektive Formel zur<br />

214<br />

Berechnung der Bezirksaufteilung stehen.<br />

„Ich habe den Sauerteig angesetzt –<br />

mach Du ein Brot daraus.“<br />

Das Zusammenspiel der Disziplinen<br />

Betriebswirtschaft und Jugendhilfeplanung<br />

war nicht <strong>im</strong>mer ganz einfach, da<br />

<strong>im</strong>merhin die ganz <strong>unter</strong>schiedlichen<br />

Denksysteme der Pädagogik und der<br />

Mathematik zu einem Gedankengang<br />

verwoben werden mussten.Wir – die Hilfeplanerin<br />

und der Controller – sind überzeugt<br />

davon, dass es uns vor allem deshalb<br />

gelang eine gute Lösung zu finden,<br />

weil wir die Methoden der <strong>unter</strong>schiedlichen<br />

Disziplin des jeweils anderen<br />

grundsätzlich akzeptierten und wertschätzten<br />

und auf beiden Seiten das<br />

Vertrauen da war, dass weder die Planerin<br />

zum Schaden des Controllings<br />

noch der Controller zum Schaden der<br />

Planung agierten. Wir sind überzeugt<br />

davon, dass dies nicht <strong>im</strong>mer so einfach<br />

der Fall ist.<br />

Die gemeinsame Kreativität gipfelte<br />

darin, dass wir uns – bildlich vorgestellt –<br />

<strong>unter</strong>schiedlich „schwere“ Einwohner<br />

erdachten. Das „Gewicht“ des Einwohners<br />

richtet sich nach der Sozialbelastung<br />

seiner Wohngemeinde. Die Ausgangsidee<br />

war die, den Bezirk je Mitarbeiter<br />

nicht an der tatsächlichen Einwohnerzahl<br />

des Bezirkes zu bemessen,<br />

sondern eine, nach den oben genannten<br />

Kriterien gewichtete Zahl zu entwickeln,<br />

die die <strong>unter</strong>schiedliche Sozialbelastung<br />

der jeweiligen Gemeinde widerspiegelt.<br />

Wir nennen diese Zahl „Einwohnerwert“.<br />

Anders gesagt: Ein Einwohner einer problemlosen<br />

Gemeinde soll bei der Bezirksbemessung<br />

weniger zählen, als ein Einwohner<br />

aus einer problembehafteteren<br />

Gemeinde. Lösung brachte uns hier die<br />

Nutzungswertanalyse aus der Betriebswirtschaftslehre.<br />

Die Nutzwertanalyse, ein Instrument der<br />

Steuerungs<strong>unter</strong>stützung in Entscheidungssituationen,<br />

gewichtet und bewertet<br />

qualitative Aspekte (die aufgeführten<br />

Kriterien), in unserem Fall bei der Bezirksabgrenzung.<br />

Die Schritte der Nutzwertanalyse<br />

wurden nun auf die festgelegten<br />

Kriterien und die Bezirksabgrenzung angewendet.<br />

1. Schritt: Kriterien festlegen:<br />

Den 1. Schritt, die Kriterien festzulegen,<br />

anhand derer die Alternativen bewertet<br />

werden sollten, war schon erfolgt. Unsere<br />

Alternativen, die bewertet werden<br />

sollten, sind die einzelnen Gemeinden.<br />

Sie bilden, einzeln oder <strong>im</strong> Verbund,<br />

abgegrenzte Bezirke für den <strong>Allgemeinen</strong><br />

<strong>Sozialen</strong> <strong>Dienst</strong>. Die Kriterien waren<br />

die oben genannten.<br />

2. Schritt: Kriterien gewichten:<br />

Der Anteil der Kriterien zum Gesamtnutzen<br />

wird in einem zweiten Schritt ermittelt.<br />

Unser Gesamtnutzen soll das Errechnen<br />

einer nach den oben genannten<br />

Kriterien gewichteten Einwohnerzahl,<br />

der „Einwohnerwert“, sein. Es musste<br />

nun festgelegt werden, welcher Aspekte<br />

wie stark gewichtet werden sollte.<br />

Dies wurde <strong>im</strong> Jugendamt gemeinsam<br />

mit den Sachgebietsleitern diskutiert,<br />

da wir <strong>unter</strong>schiedliche Möglichkeiten<br />

der konzeptionellen Ausrichtung berücksichtigen<br />

wollten. Das Jugendamt<br />

des Schwarzwald-Baar-Kreises entschied<br />

sich, die Anzahl der Arbeitslosen und<br />

die Zahl der Empfänger der Hilfe zur<br />

Erziehung mit dem Faktor 1, die Anzahl<br />

der Kontakte und die Zahl der Sozialhilfeempfängern<br />

mit dem Faktor 2,<br />

sowie die Anzahl der <strong>unter</strong> 18-Jährigen<br />

mit dem Faktor 3 zu gewichten. Dies<br />

bedeutet, das letztgenannte Kriterium<br />

zählt dre<strong>im</strong>al so stark wie die zuerst<br />

genannten zwei.<br />

Die Gemeinwesenorientierung wurde<br />

mittelstark bewertet, durch die Anzahl<br />

der Kontakte zu Schulen und Kindergärten.<br />

Die Anzahl der Hilfen zur Erziehung<br />

wurde nicht <strong>unter</strong>schieden in<br />

kostenintensive oder ambulante Hilfen<br />

und wurde nur mit der Gewichtung 1<br />

versehen. Auch damit wurde einer gemeinwesenorientierten<br />

Arbeit auf der<br />

konzeptionellen Ebene <strong>im</strong> Bezirk Be-


deutung verliehen, da nicht vorwiegend<br />

die Anzahl der eingesetzten Hilfen<br />

als von großer Bedeutung angesehen<br />

wurde.<br />

3. Schritt: Alternativen bewerten:<br />

Um die Alternativen bewerten zu können,<br />

mussten nun die gesamten Daten<br />

erhoben werden, und durch Multiplikatoren<br />

zu einer Gewichtung geführt<br />

werden. Dies erfordert ein recht<br />

kompliziertes mathematisches Berechnungssystem,<br />

das <strong>im</strong> Anhang genauer<br />

erklärt wird. Die notwendigen Berechnungen<br />

lassen sich jedoch alle leicht<br />

in Excel durchführen. Am Ende der Berechnungen<br />

steht der von uns als Einwohnerwert<br />

definierte Indikator, der als<br />

Grundlage zur Gestaltung der Bezirke<br />

dient.<br />

Einem durchschnittlichen ASD-Bezirk<br />

wird, losgelöst von seiner tatsächlichen<br />

Einwohnerzahl, ein errechneter durchschnittlicher<br />

Einwohnerwert zugewiesen,<br />

bspw. 15 000 Einwohnerwerte je<br />

Mitarbeiter, wobei die Durchschnittsgröße<br />

des ASD-Bezirks jedes Jugendamt<br />

für sich festlegt. Das <strong>im</strong> Beispiel angeführte<br />

12 224 Einwohner zählende Kurstädtchen<br />

A mit vergleichsweise geringer<br />

Zahl von Sozialhilfeempfängern<br />

und <strong>unter</strong> 18-Jährigen wird nunmehr<br />

nur noch mit 9817 Einwohnern bewertet,<br />

das Arbeiterstädtchen B mit tatsächlich<br />

10 654 Einwohnern wird aufgrund der<br />

höheren Zahl von Sozialhilfeempfängern<br />

und <strong>unter</strong> 18-Jährigen hingegen wie eine<br />

knapp 12 000 Einwohner starke Gemeinde<br />

behandelt.<br />

Was die Einwohner angeht, sind nun die<br />

Bezirke sehr <strong>unter</strong>schiedlich groß, eine<br />

Annäherung gibt es jedoch in der Anzahl<br />

der 0- bis 18-Jährigen, dadurch, dass dieser<br />

Faktor mit dem höchsten Multiplikator<br />

gewichtet wurde. Der Mitarbeiter <strong>im</strong><br />

Arbeiterstädtchen B hat nun, anders als<br />

bei der Bezirksaufteilung nach tatsächlichen<br />

Einwohnern, mehr Zeit für die<br />

Arbeit <strong>im</strong> Gemeinwesen, aber auch <strong>im</strong><br />

Einzelfall mit den Familien zu arbeiten,<br />

da er zusätzlich zum Arbeiterstädtchen B<br />

<strong>Bezirkseinteilung</strong> <strong>im</strong> <strong>Allgemeinen</strong> <strong>Sozialen</strong> <strong>Dienst</strong><br />

nur noch eine Gemeinde mit 3000<br />

Einwohnerwerten zur Erreichung des<br />

Durchschnitts von 15 000 Einwohnerwerten<br />

zugewiesen erhält. Der Mitarbeiter<br />

des Kurstädtchens bekommt hingegen<br />

zuständigkeitshalber weitere 5000<br />

Einwohnerwerte aus anderen Gemeinden<br />

dazu (bei Betrachtung der tatsächlichen<br />

Einwohnerzahl wäre die Verteilung<br />

umgekehrt erfolgt).<br />

Der Amtsleiter des Kreisjugendamtes<br />

Schwarzwald-Baar-Kreis hat die Idee und<br />

Umsetzung dieser neuen Art, Bezirksgrößen<br />

zu bilden, von Anfang an sehr <strong>unter</strong>stützt<br />

und damit vor allem auch zur<br />

Akzeptanz und konstruktiven Diskussion<br />

des neuen Weges innerhalb des Amtes<br />

beigetragen. Grundlage unserer Diskussionen<br />

waren einerseits die Erfahrungen<br />

aus der Praxis des <strong>Allgemeinen</strong> <strong>Sozialen</strong><br />

<strong>Dienst</strong>es, andererseits die Ideen der<br />

Neuen Steuerung und der Sozialraumanalyse,<br />

sowie unsere strategischen<br />

Max<strong>im</strong>en bezüglich der Betonung der<br />

Gemeinwesenorientierung und der konsequenten<br />

Nutzung ambulanter und<br />

teilstationärer Hilfen.<br />

Der Allgemeine Soziale <strong>Dienst</strong> <strong>im</strong><br />

Schwarzwald-Baar-Kreis hat sich von<br />

dieser Methode der Bezirksaufteilung<br />

überzeugen lassen und zugest<strong>im</strong>mt, dieses<br />

Modell für zunächst drei Jahre auszuprobieren.<br />

Gerade der Modellcharakter<br />

ermöglicht es u. E. auch in der jugendamtsinternen<br />

Diskussion die <strong>unter</strong>schiedlichen<br />

Bedürfnisse und Erfahrungen<br />

einzubeziehen und je nach Bedarf<br />

neu zu bewerten. Dadurch, so unsere Erfahrung,<br />

kann man sich auch eher auf ein<br />

neues System einlassen. Die grundsätzliche<br />

Zust<strong>im</strong>mung des <strong>Allgemeinen</strong> <strong>Sozialen</strong><br />

<strong>Dienst</strong>es bedeutet jedoch nicht,<br />

dass alle Mitarbeiter/innen mit dieser Art<br />

der <strong>Bezirkseinteilung</strong> restlos zufrieden<br />

sind.Durch die Möglichkeit,die einzelnen<br />

Erfahrungen über eine Zeit hinweg zu<br />

sammeln und auszuwerten, konnte eine<br />

konstruktive Akzeptanz jedoch schnell<br />

hergestellt werden, zumal die <strong>Bezirkseinteilung</strong><br />

lediglich nach Einwohner auch<br />

kein Einteilungssystem ist, das von den<br />

Koleginnen und Kollegen für gerecht und<br />

inhaltlich richtig erachtet wird.<br />

Die Zwischenbilanz der <strong>Bezirkseinteilung</strong><br />

nach den von uns so genannten<br />

„Einwohnerwerten“ ist bisher positiv,<br />

es wurde lediglich <strong>im</strong>mer wieder der<br />

Wunsch geäußert, die Anzahl der Alleinerziehenden,<br />

die eine hohe Betreuungshäufigkeit<br />

aufweisen, mit als Kriterium<br />

in das System einzuführen. Fachlich halten<br />

wir dies für richtig, leider haben wir<br />

bis jetzt noch keine Datenbasis gefunden,<br />

die uns diesen Wunsch mit wenig<br />

Aufwand realisieren lässt. Mit einem integrierten<br />

Berichtswesen, wie es zur Zeit<br />

in Württemberg-Hohenzollern eingeführt<br />

wird, könnten wir eventuell auch<br />

diese Möglichkeit schaffen. 3<br />

Unser Modell haben wir inzwischen<br />

einem anderen Landkreis weitergegeben,<br />

der zwar die Idee, Sozialraumbelastungen<br />

mit einzuberechnen und<br />

Einwohnerwerte zu gestalten, übernommen<br />

hat, jedoch das System für seine<br />

eigenen Zwecke und konzeptionellen<br />

Gewichtungen wieder verändert hat. Inhaltlich<br />

wurde in der Diskussion <strong>im</strong> dortigen<br />

Landkreis beispielsweise Wert auf<br />

das Einbeziehen der Anzahl der geleisteten<br />

Jugendgerichtshilfen und Familiengerichtshilfen<br />

gelegt, was durch eine einfache<br />

Erweiterung des Systems möglich<br />

ist. Dies zeigt, dass die <strong>Bezirkseinteilung</strong><br />

nach Sozialraumbelastung und <strong>unter</strong>schiedlich<br />

„schweren“ Einwohnern ein<br />

sehr flexibles und auf die örtliche Planungsebene<br />

übertragenes Modell sein<br />

könnte. Wir sind gespannt, ob sich der<br />

einmal ins Wasser geworfene Stein weiterentwickelt<br />

und wir vielleicht dann,<br />

aus dem sich so weiterentwickelten Modell,<br />

wieder Neues lernen können.<br />

Wenn Sie nun an der genauen Berechnung<br />

der Nutzwertanalyse Interesse<br />

haben, können Sie sich anhand von<br />

einem Modellbeispiel und detaillierten<br />

Erklärungen einlesen.<br />

Wir versprechen Ihnen ein wenig Denkverwirrung<br />

(warum sollte es Ihnen besser<br />

gehen als uns . . . ), aber auch viel<br />

Kreativität.<br />

215


Landkreisnachrichten 42. Jahrgang<br />

Und nun der Einblick ins<br />

mathematische Detail<br />

Modellbeispiel zur Berechnung des Einwohnerwertes:<br />

Aus Vereinfachungsgründen beschränken<br />

wir uns <strong>im</strong> folgenden Beispiel auf<br />

zwei Kriterien, die Vorgehensweise <strong>unter</strong>scheidet<br />

sich nicht durch die Anzahl<br />

der Kriterien. (Vereinfachtes Beispiel<br />

siehe Tab. 1)<br />

Wir stoßen jedoch auf das Problem,<br />

dass die Zahl z. B. des zweiten Kriteriums<br />

unseres Beispiels, die Zahl der <strong>unter</strong><br />

18-Jährigen (ungeachtet ob als absolute<br />

Zahl, z. B. bei der Gemeinde D 4438 oder<br />

als gewichtete Zahl 13 314) nichts darüber<br />

aussagt, ob Gemeinde D z. B. <strong>im</strong> Vergleich<br />

zur Gemeinde B <strong>im</strong> Verhältnis zur Einwohnerzahl<br />

wirklich mehr Kinder und<br />

Jugendliche in ihren Gemeindegrenzen<br />

hat. Lösung bringt die Umrechnung der<br />

absoluten Zahl der <strong>unter</strong> 18-Jährigen in<br />

die Zahl pro Tausend Einwohner. Gleiches<br />

gilt entsprechend für das erste Kriterium<br />

unseres Beispiels, der Zahl der<br />

Sozialhilfeempfänger. (Erweitertes Beispiel<br />

siehe Tab. 2)<br />

Es wird deutlich, dass in B <strong>im</strong> Verhältnis<br />

zur Einwohnerzahl mehr Kinder und Jugendliche<br />

<strong>unter</strong> 18 Jahren leben als in D.<br />

Die Gewichtung des Kriteriums (hier:<br />

mit Faktor 3) könnte nun nicht mehr von<br />

der absoluten Zahl (hier: 2453) sondern<br />

von der zur Einwohnerzahl relativen Zahl<br />

(hier: 230,24) vorgenommen werden,<br />

aber . . .<br />

. . . ein weiteres Problem wird sichtbar.<br />

Das Kriterium 2 überlagert das Kriterium<br />

1 völlig. Das Abschneiden der Gemeinden<br />

be<strong>im</strong> ersten Kriterium (Unter-<br />

Alternativen<br />

Tab. 1<br />

216<br />

schied zwischen dem höchsten und dem<br />

tiefsten Wert ca. 18 Punkte) ist <strong>im</strong> Vergleich<br />

zum zweiten Kriterium (hier liegt<br />

der Unterschied bei beinahe 192 Punkten)<br />

vollkommen zu vernachlässigen. Die<br />

Kriterien können <strong>unter</strong>einander infolge<br />

der rein zahlenmäßigen Unterschiede<br />

nicht vernünftig verglichen bzw. ins Verhältnis<br />

gesetzt werden. Eine Gewichtung<br />

macht, da kaum Auswirkungen, keinen<br />

Sinn. Lösung bringt eine weitere zu entwickelnde<br />

relative Zahl. Relativ daher,<br />

weil nun die Zahl „je Tausend Einwohner“<br />

(z.B. Zahl der <strong>unter</strong> 18-Jährigen je Tausend<br />

Einwohner) der einzelnen Gemeinde für<br />

jedes Kriterium in das Verhältnis zum zu<br />

errechnenden Mittelwert aller Gemeinden<br />

desselben Kriteriums gesetzt wird.<br />

Es wird also je Kriterium das Verhältnis<br />

der einzelnen Gemeinde zum Mittelwert<br />

aller Gemeinden in Prozent ermittelt.<br />

Bsp.: Kriterium 2 „Zahl der <strong>unter</strong> 18-Jährigen<br />

je 1000 Einwohner“:<br />

Gemeinde B hat hier den Wert 230,24<br />

Der Mittelwert aller Gemeinden<br />

ergibt 201,91<br />

((166,23 + 230,24 + 202,60 + 208,56)/4)<br />

B hat somit (230,24/201,91 x 100) ein<br />

Verhältnis von 114,03 %, liegt also ca.<br />

14 % über dem Mittelwert<br />

Gemeinde Einwohner- Kriterium 1 Kriterium 2<br />

zahl Sozialhilfeempfänger Zahl der <strong>unter</strong> 18-Jährigen<br />

Anzahl Gewichtung Wert Anzahl Gewichtung Wert<br />

A 12 224 62 2 124 2 032 360<br />

Alternativen<br />

Tab. 2<br />

B 10 654 77 2 154 2 453 3 7 359<br />

C 3 618 9 2 18 733 3 2 199<br />

D 21 279 244 2 488 4 438 3 13 314<br />

Ge- Einwoh- Kriterium 1 Kriterium 2<br />

meinde nerzahl Sozialhilfeempfänger Zahl der <strong>unter</strong> 18-Jährigen<br />

Anzahl je Gewich- Wert Anzahl je Gewich- Wert<br />

1000 Ew. tung 1000 Ew. tung<br />

A 12 224 62 5,07 2 10,14 2032 166,23 3 498,69<br />

B 10 654 77 7,23 2 14,45 2453 230,24 3 690,73<br />

C 3 618 9 2,49 2 4,98 733 202,60 3 607,79<br />

D 21 279 244 11,47 2 22,93 4 438 208,56 3 625,69<br />

Diesen Schritt haben wir für sämtliche<br />

o. g. Kriterien durchgeführt mit der Folge,<br />

dass durch das „Verhältnis“ der einzelnen<br />

Gemeinden „zum Mittelwert in %“ eine<br />

Unabhängigkeit zur absoluten Zahl des<br />

einzelnen Kriteriums (Erfüllungsgrad)<br />

entsteht. Relevant ist vielmehr das Verhältnis<br />

zwischen den Gemeinden, also<br />

die Unterschiede zueinander und zum<br />

Mittelwert. Ein zahlenmäßiges Übergewicht<br />

eines einzelnen Kriteriums wird<br />

hierdurch ausgeschlossen, gleichzeitig<br />

jedoch die Unterschiede zwischen den<br />

Gemeinden je Kriterium gewahrt.(Erweitertes<br />

Beispiel siehe Tab. 3)<br />

Die Gewichtung (be<strong>im</strong> Kriterium „Zahl<br />

der <strong>unter</strong> 18-Jährigen“ um den Faktor 3)<br />

wird nun nicht bei der Zahl „je Tausend<br />

Einwohner“, sondern bei unserer neuen<br />

relativen Zahl „Verhältnis“ vorgenommen.<br />

Sie macht nun Sinn, da das zweite<br />

Kriterium das erste zahlenmäßig nicht<br />

mehr überlagert.<br />

In einem nächsten Schritt werden die<br />

Werte (= „Verhältnis“ x Gewichtungsfaktor)<br />

aller Kriterien jeder einzelnen Gemeinde<br />

zusammengezählt (<strong>im</strong> o. g. Beispiel<br />

bei A 154,55 + 246,99 = 401,54). Die<br />

Summe haben wir „Summe der Sozialindikatoren“<br />

genannt. So erhält nun jede<br />

Gemeinde ihren aufsummierten Sozialindikatorwert.<br />

Anschließend wird der Mittelwert aller<br />

Sozialindikatorwerte der Gemeinden gebildet.In<br />

unserem Beispiel ergibt dies den<br />

Mittelwert 500,0. Dieser Mittelwert entspricht<br />

dem durchschnittlichen Sozialindikatorwert<br />

aller Gemeinden <strong>im</strong> Kreis,<br />

also dem durchschnittlichen „Zustand“ in<br />

einer Gemeinde (= 100 %). Nachdem wir


Alternativen<br />

Tab. 3<br />

Ge- Einwoh- Kriterium 1 Kriterium 2<br />

meinde nerzahl Sozialhilfeempfänger Zahl der <strong>unter</strong> 18-Jährigen<br />

je Ver- Gewich- Wert je Ver- Gewich- Wert<br />

1000 Ew. hältnis tung 1000 Ew. hältnis tung<br />

A 12 224 5,07 77,28 % 2 154,55 166,23 82,33 % 3 246,99<br />

B 10 654 7,23 110,12 % 2 220,23 230,24 114,03 % 3 342,10<br />

C 3 618 2,49 37,90 % 2 75,80 202,60 100,34 % 3 301,12<br />

D 21 279 11,47 174,71 % 2 349,41 208,56 103,30 % 3 309,89<br />

Mittelwert 6,56 100,00 % 201,91 100,00 %<br />

so den „Durchschnitt“ unserer Sozialkriterien<br />

definiert haben, können wir <strong>im</strong><br />

Folgenden die über- bzw. <strong>unter</strong>durchschnittliche<br />

„Belastung“ jeder einzelnen<br />

Gemeinde (in Prozent) berechnen. Bei der<br />

Gemeinde A ergibt dies (401,54/500,00)<br />

eine <strong>unter</strong>durchschnittliche Belastung<br />

von 80,31 %. Diese über- bzw. <strong>unter</strong>durchschnittliche<br />

Belastung jeder Gemeinde<br />

nehmen wir als Grundlage, die Einwohnerzahl<br />

der Gemeinde zu gewichten.<br />

Alternativen<br />

Tab. 4<br />

Bei A, die mit ihrem Sozialindikatorwert<br />

80,31 % der durchschnittlichen Sozialindikatorwerte<br />

erreicht, werden deren<br />

Einwohner auch nur zu 80,31 % gewichtet<br />

(12 224 x 80,31 %).<br />

Als Basis für die Bezirksbemessung für<br />

einen ASD-Mitarbeiter wird nunmehr<br />

nicht mehr die tatsächliche Einwohnerzahl,<br />

sondern die gewichtete Einwohnerzahl<br />

(bei A somit 9817) herangezogen.<br />

Ermittlung der gewichteten Einwohnerzahl,<br />

dem sog. Einwohnerwert (siehe<br />

Tab. 4).<br />

<strong>Bezirkseinteilung</strong> <strong>im</strong> <strong>Allgemeinen</strong> <strong>Sozialen</strong> <strong>Dienst</strong><br />

Das Ergebnis zeigt: das 12 224 Einwohner<br />

zählende Kurstädtchen A mit vergleichsweise<br />

geringer Zahl von Sozialhilfeempfängern<br />

und <strong>unter</strong> 18-Jährigen wird nur<br />

noch mit 9817 Einwohnern bewertet.<br />

Das Arbeiterstädtchen B mit tatsächlich<br />

10 654 Einwohnern wird aufgrund der<br />

höheren Zahl von Sozialhilfeempfängern<br />

und <strong>unter</strong> 18-Jährigen hingegen wie<br />

eine knapp 12 000 Einwohner starke Gemeinde<br />

behandelt.<br />

tatsächliche Kriterium 1 Kriterium 2 Summe Über/ gewichtete<br />

Gemeinde Einwohner- Sozialhilfeempfänger Zahl der <strong>unter</strong> 18-Jährigen der Sozial- Unterdurch- Einwohnerzahl<br />

Wert Wert<br />

indikatoren schnitt zahl<br />

A 12 224 154,55 246,99 401,54 80,31 % 9 817<br />

B 10 654 220,23 342,10 562,33 112,47 % 11 982<br />

C 3 618 75,80 301,02 376,82 75,36 % 2 727<br />

D 21 279 349,41 309,89 659,30 131,86 % 28 059<br />

Mittelwert 500,00 100,00 %<br />

bei 3,5 ASD-Mitarbeitern hat der durchschnittliche Bezirk je Mitarbeiter in Einwohnerwerten: 15 024<br />

Entsprechend der gewichteten Einwohnerzahl<br />

wurde die durchschnittliche<br />

ASD-Bezirksgröße definiert (hier: Summe<br />

der gewichteten Einwohnerzahlen geteilt<br />

durch ASD-Mitarbeiter: 15 024), der<br />

Personaleinsatz und die ASD-Bezirke bemessen<br />

und eingeteilt. Die Auswahl der<br />

einzelnen Kriterien und deren Gewichtung<br />

kann jedes Jugendamt individuell<br />

vornehmen. Die oben geschilderten Berechnungen<br />

lassen sich leicht in Excel<br />

durchführen.<br />

Nur gemeinsam waren wir kreativ!<br />

1 Vgl. Jordan/Schone (HG) Handbuch Jugendhilfeplanung,<br />

Münster 2000<br />

2 Jordan/Schone (HG) Handbuch Jugendhilfeplanung,<br />

Münster 2000<br />

3 Berner/Maykus:Kommunale Jugendhilfe- und Sozialberichterstattung<br />

– Bausteine einer modernisierten<br />

Kinder- und Jugendhilfe. Beispiele eines<br />

Berichtswesens in Jugendämtern Württemberg-<br />

Hohenzollern. In: Nachrichtendienst des Deutschen<br />

Vereins;Teil 1: 2002 (H. 12), S. 441 – 445,Teil 2:<br />

(H. 1), S. 21 – 24<br />

Ulrike Gfrörer ist Sozial- und Jugendhilfeplanerin<br />

<strong>im</strong> Landkreis Schwarzwald-<br />

Baar-Kreis, Michael Rautland ist Controller<br />

be<strong>im</strong> Landkreis Schwarzwald-<br />

Baar-Kreis.<br />

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