Book of Abstracts. - Sound und Performance
Book of Abstracts. - Sound und Performance
Book of Abstracts. - Sound und Performance
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
48<br />
Sabine Huschka<br />
Freitag, 05.10.2012, 15.00-16.30<br />
S 123 (GW I)<br />
Der <strong>So<strong>und</strong></strong> der Moderne.<br />
Zum choreographischen Widerhall<br />
von Le sacre du printemps<br />
Nicht von Ungefähr markiert Igor Stravinskys Komposition Le<br />
sacre du printemps in der cho-reographischen Realisierung<br />
durch Waslaw Nijinsky (1913) einen entscheidenden Einsatzmoment<br />
der tanzästhetischen Moderne: Ritual, Gemeinschaft<br />
<strong>und</strong> Opferung werden mit rhythmischem Stampfen <strong>und</strong> perkussiven<br />
Bewegungsgesten materiell als Kult eines archaischen<br />
Ordnungsgefüges vor Augen gestellt. Tanz <strong>und</strong> Musik verstärken<br />
sich in einem Hör- <strong>und</strong> Sichtraum, der mit Elementen des<br />
Perkussiven <strong>und</strong> Erdigen Fragen nach der gemeinschaftlichen<br />
Verankerung des Individuums ausspielt <strong>und</strong> damit – metaphorisch<br />
gesprochen – den <strong>So<strong>und</strong></strong> der Moderne prägt. Die massiv<br />
körperhafte Choreographie von Nijinsky ist ebenso wie die<br />
komplexe Komposition von Stravinsky zum Ausgangspunkt <strong>und</strong><br />
zur Reibungsfläche zahlreicher choreografischer Bearbeitungen<br />
geworden, die neben Realisierungen durch Mary Wigman<br />
(1957), Maurice Béjart (1959), Hans von Manen (1974), Pina<br />
Bausch (1975), Martha Graham (1984) <strong>und</strong> Mats Ek (1984)<br />
ebenso postmoderne Reflektionen etwa von Marie Choinard<br />
(1993), Yvonne Rainer (2007) oder Xavier le Roy (2007) erfahren<br />
haben. Mit der neuen Produktion von Laurent Chétouane<br />
Sacré Sacre du Printemps soll das Opfer nunmehr in seinem atmosphärischen<br />
wie tönernden Gemeinschaftsritual einer kritischen<br />
Wendung unterzogen werden. Vor dem Hintergr<strong>und</strong> einer<br />
historiographischen Skizze moderner wie postmoderner Positionen,<br />
die nach den leiblich-sinnlichen Dimension ihrer choreografischen<br />
Realisierungen im Sinne des <strong>So<strong>und</strong></strong>s der Moderne<br />
fragt, stellt der Vortrag Chétoaunes Stück, das im September<br />
diesen Jahres auf der Ruhrtriennale 2012 im PACT Zollverein<br />
Essen Premiere feiert, in den Mittelpunkt: eine ‚Opferung‘ von<br />
Le sacre du printemps im Klangraum einer fremd-belassenen<br />
Fremde von sich im Winde reibenden Körperlichkeiten.<br />
Sabine Huschka (Dr. phil.) lehrt Tanzwissenschaft u.a. am Institut<br />
für Theaterwissenschaft der Freien Universität Berlin. Ihre<br />
Forschungsschwerpunkte sind kulturtheoretische Zugänge zur<br />
Geschichte des Bühnentanzes (Tanz <strong>und</strong> Wissen) sowie ästhetische<br />
Theorien der Moderne, Postmoderne <strong>und</strong> des Zeitgenössischen<br />
Tanzes unter besonderer Berücksichtigung aisthesiologischer<br />
<strong>und</strong> aufführungsanalytischer Zugänge.<br />
Stefanie Husel<br />
Freitag, 05.10.2012, 17.00-19.00<br />
S 124 (GW I)<br />
‚Aufschreibefragen‘ in der Analyse<br />
musikalischer Dramaturgien<br />
Die „durchgängige Tendenz zur Musikalisierung“ ist, wie Hans-<br />
Thies Lehmann formuliert, „tatsächlich (...) ein bedeutendes<br />
Kapitel des Zeichengebrauchs im postdramatischen Theater.“<br />
(Lehmann 2001) Anstatt aus einer narrativen Logik entwickeln<br />
sich viele postdramatische Aufführungen als Abfolge spezifischer<br />
Intensitäten, Atmosphären <strong>und</strong> Rhythmen. Inszenierungen<br />
ohne Dramenvorlage lassen sich also <strong>of</strong>tmals stimmig<br />
als Komposition szenischer Sequenzen mit je spezifischem<br />
„<strong>So<strong>und</strong></strong>“ beschreiben. (Roesner 2003) Auch „Forced Entertainments“<br />
Bloody Mess wirkt in seiner Anneinanderreihung<br />
unterschiedlicher Nummern wie symphonisch gesetzt. Zehn<br />
Darstellerfiguren veranstalten beim angeblichen Versuch, eine<br />
unterhaltende Show zu improvisieren, ein sorgfältig strukturiertes<br />
Chaos. Dabei wechseln sich Crescendos großer Aktivität<br />
auf der Bühne mit fast meditativ anmutenden Phasen ab.<br />
Die Aufführung erscheint als ein organisches Ganzes, das die<br />
Wahrnehmung der Zuschauerin wie in spontan emergierenden<br />
Wellenbewegungen stimmig mit sich zu führen weiß. Das Text-<br />
Transkript, das die Gruppe zu Bloody Mess vertreibt, kann diese<br />
musikalischen Qualitäten der Inszenierung keinesfalls wiedergeben.<br />
Daher ist die wissenschaftliche Beobachterin von Bloody<br />
Mess mit ‚Aufschreibefragen’ konfrontiert, wie sie sonst eher<br />
in der Untersuchung von Tanztheater auffällig werden: Wie kann<br />
die musikalische Qualität der Aufführung wiedergegeben werden,<br />
um die Dramaturgie der Inszenierung einer ästhetischen<br />
Untersuchung zugänglich zu machen? Und welche Rolle können<br />
dabei beispielsweise Videoaufzeichnungen spielen?<br />
In meinem Vortrag werde ich die in meiner Dissertation erprobte<br />
ethnographische Methode der Aufführungsanalyse an einigen<br />
Beispielen zu Bloody Mess diskutieren.<br />
Stefanie Husel promoviert unter der Betreuung von Pr<strong>of</strong>. Hans-<br />
Thies Lehmann (Theater-. Film- <strong>und</strong> Medienwissenschaft,<br />
Universität Frankfurt) <strong>und</strong> Pr<strong>of</strong>. Stefan Hirschauer (Soziologie<br />
Universität Mainz). Ihr Thema sind Inszenierungen von „Forced<br />
Entertainment“ <strong>und</strong> deren Aufführungssituationen. Sie arbeitete<br />
in unterschiedlichen Theaterberufen, z.B. als Festivalproduzentin,<br />
Dramaturgin <strong>und</strong> Beleuchterin. Die Gruppe „Forced<br />
Entertainment“ hat sie seit 2003 immer wieder ethnographisch<br />
begleitet.