Download PDF - Pastoral für Menschen mit Behinderung
Download PDF - Pastoral für Menschen mit Behinderung
Download PDF - Pastoral für Menschen mit Behinderung
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
40 _ <strong>Behinderung</strong> & <strong>Pastoral</strong> / Aus Kirche und Gesellschaft<br />
AUS KIRCHE UND GESELLSCHAFT<br />
Sexuelle Gewalt in der Behindertenhilfe und Psychiatrie<br />
Caritas-Fachverband legt erstmals Leitlinien zum Umgang und zur Prävention<br />
eines hochsensiblen Themas vor<br />
Thorsten Hinz*<br />
Der Bundesfachverband Caritas Behindertenhilfe und<br />
Psychiatrie e.V. (CBP) hat auf seiner Mitgliederversammlung<br />
im November 2011 in Freiburg im Breisgau nahezu<br />
einstimmig die „Leitlinien zum Umgang <strong>mit</strong> und zur<br />
Prävention von sexueller Gewalt“ beschlossen. Das fast<br />
30 Seiten umfassende Werk ist eine grundlegende<br />
Diskussions- und Arbeitsgrundlage zum Thema sexuelle<br />
Gewalt an <strong>Menschen</strong>, die körperliche, seelische, geistige<br />
oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, welche sie an der<br />
vollen gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft hindern<br />
können (vgl. UN-Behindertenrechtskonvention<br />
Artikel 1).<br />
Die Leitlinien sind ein Versuch, in einer aktuell<br />
schwierigen Debatte eine Orientierung zu<br />
bieten, ausgelöst durch erwiesene Missbrauchsfälle<br />
wie auch durch eine stellenweise leidvolle<br />
Geschichte der Heimbetreuung von <strong>Menschen</strong><br />
<strong>mit</strong> <strong>Behinderung</strong> und psychischen Erkrankungen.<br />
Der CBP bezieht sich dabei auch auf die bereits<br />
vorliegenden Empfehlungen des Deutschen<br />
Caritasverbandes (vgl. www.caritas.de) und der<br />
Deutschen Bischofskonferenz zum Thema sexueller<br />
Missbrauch (vgl. www.dbk.de). Entscheidend <strong>für</strong> die<br />
Leitlinien ist aber der dezidierte Blick auf die Situation von<br />
<strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> <strong>Behinderung</strong> und psychischer Erkrankung,<br />
die bisher wenig beleuchtet worden ist. Auch die<br />
Wissenschaften haben hierzu bislang wenig Daten und<br />
Belege vorgelegt. Eine vierköpfige Expertengruppe (Prof.<br />
Dr. Julia Zinsmeister, Astrid Schäfers, Walter Krug u. Dr.<br />
Thorsten Hinz) hat die Leitlinien in einem nahezu einjährigen<br />
Prozess erarbeitet und war dabei immer im fachlichen<br />
Austausch <strong>mit</strong> Einrichtungen und Diensten des<br />
CBP.<br />
Mit dem Beschluss empfiehlt der CBP seinen<br />
Mitgliedern – den rund 1.000 Diensten und Einrichtungen<br />
– die Anwendung der Leitlinien in die Praxis. Eine rechtliche<br />
Verbindlichkeit kann aber nicht beansprucht werden,<br />
da der CBP als Verband keine un<strong>mit</strong>telbare Einrichtungsoder<br />
Trägerverantwortung innehat.<br />
Der CBP legt seinen Ausführungen den Artikel 16<br />
„Freiheit von Ausbeutung, Gewalt und Missbrauch“ des<br />
Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte<br />
von <strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> <strong>Behinderung</strong> zu Grunde. In Absatz 1<br />
heißt es dazu: „Die Vertragsstaaten treffen alle geeigneten<br />
(…) Maßnahmen, um <strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> <strong>Behinderung</strong> sowohl<br />
innerhalb als auch außerhalb der Wohnung vor jeder Form<br />
von Ausbeutung, Gewalt und Missbrauch, einschließlich<br />
ihrer geschlechtsspezifischen Aspekte, zu schützen.“<br />
Gerade in Bezugnahme auf Artikel 16 wird deutlich, dass<br />
die Leitlinien Teilaspekte von Gewalt in der Behindertenhilfe<br />
und Psychiatrie thematisieren. Weitere Erarbeitungen<br />
müssen folgen, um das vielfach noch tabuisierte Thema<br />
Gewalt in seiner ganzen Komplexität zu erfassen.<br />
Die Leitlinien sind ein Versuch, in<br />
einer aktuell schwierigen Debatte<br />
eine Orientierung zu bieten.<br />
Der CBP verfolgt das Ziel, sexuelle Gewalt in den Diensten<br />
und Einrichtungen vorzubeugen. Die Leitlinien greifen dabei<br />
schon länger praktizierte Initiativen zur Missbrauchsund<br />
Gewaltprävention aus den Diensten und Einrichtungen<br />
des CBP auf und bündeln diese.<br />
Die Sorge um das Wohl von <strong>Menschen</strong>, die in<br />
Einrichtungen und Diensten der Behindertenhilfe und der<br />
Psychiatrie leben und arbeiten, hat <strong>für</strong> den CBP höchste<br />
Priorität. Sexuelle Gewalt kann gravierende Verletzungen<br />
und Folgen <strong>für</strong> die Opfer haben. Deshalb muss alles getan<br />
werden, um diese zu verhindern. Opfer von sexueller<br />
Gewalt müssen ernst genommen, bei Bedarf vor weiteren<br />
Übergriffen geschützt und bei der Aufarbeitung unterstützt<br />
und begleitet werden.<br />
Der CBP erwartet, dass seine Mitglieder sich systematisch<br />
<strong>mit</strong> den verschiedensten Aspekten rund um das<br />
Thema sexuelle Gewalt befassen, dies im Rahmen von<br />
Teambesprechungen und Fortbildungen diskutieren und<br />
<strong>für</strong> ihren Verantwortungsbereich konkrete Maßnahmen<br />
zur Prävention von und zum Verhalten bei sexueller<br />
Gewalt treffen. Die Leitlinien sollen dazu beitragen, das<br />
Thema aus dem Tabubereich zu nehmen und es offen diskutierbar<br />
zu machen. Die Einrichtungen und Dienste wer-