CF im Ausland - Mukoviszidose e.V.
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Liebes Muko-Team,<br />
S<strong>im</strong>ona Hölting spricht mir aus der Seele. “Am Rand des Schaffbaren„, das “gesunde<br />
Aussehen„ täuscht, der zeitweilig gute Zustand fällt einem nicht einfach zu, es nervt,<br />
dass man sich rechtfertigen muss, wenn es mal nicht so geht – und nicht zuletzt der<br />
manchmal hoffnungslos scheinende ewige Kampf mit der Insulinspritze gegen den unberechenbaren<br />
Muko-Diabetes Bravo, das st<strong>im</strong>mt bis aufs i-Tüpfelchen. Die Lebens -<br />
situation von “alten„ Erwachsenen (ich bin 49) ist eben eine völlig andere als die<br />
der Kinder und Jugendlichen. Der Hauptunterschied ist wohl, wir stehen manchmal derart<br />
äußerlich unauffällig mitten <strong>im</strong> Normalo-Leben, dass wir oft zu wenig Verständnis,<br />
Rat und Hilfe bekommen. Denn die Wahrheit über unsere Situation ist eben so selten,<br />
unwahrscheinlich, unglaubwürdig, auch unerwünscht (denn man soll gerade <strong>im</strong> “mittleren„<br />
Lebensalter ja in seinem sozialen Umfeld möglichst funktionieren), dass sie von<br />
Familie, Partner, Chef, Kollegen, auch Ärzten und Therapeuten oft kurzerhand abgewehrt<br />
wird und etwas in Gang kommt, dass die Psychologen bei Therapeuten “Gegen -<br />
übertragung„ nennen. Das bedeutet, bei denen, die eigentlich in besonderem Maße verstehen<br />
und unterstützen sollten, entsteht oft ein unsicheres und unbehagliches Gefühl,<br />
das sie unsere Probleme (die ja gnadenlos real und wissenschaftlich greifbar sind)<br />
entweder ignorieren, abstreiten oder bekämpfen lässt. - Noch mehr auf die Spitze<br />
getrieben wird das Problem, wenn man wie ich zu einem Zeitpunkt diagnostiziert wird,<br />
an dem die Karriere auf dem Höhepunkt ist, eine eigene selbstständige Existenz gegründet<br />
ist, eben geheiratet wurde und das gesamte Leben nun in seinen Grundzügen und<br />
nicht ohne Verluste wieder “rückwärts„ umgestaltet werden muss. Und wenn man es trotzdem<br />
schafft, auch wenn man wie S<strong>im</strong>ona oft genug am “Rand des Schaffbaren„ und auch<br />
knapp darüberhinaus segelt, wenn man wie S<strong>im</strong>ona einen riesigen Opt<strong>im</strong>ismus, Mut und<br />
enorme Willenskraft aufzubringen in der Lage ist und Unmögliches möglich macht – “gut„<br />
auszusehen, eine Familie (ob mit Kindern und ohne eigene Kinder), Haushalt und Job<br />
zu haben etc. - tut man sich in gewisser Weise einen besonderen Bärendienst, denn<br />
dann muss man sich noch mehr nach allen Seiten “rechtfertigen„. Ein ewiger (zusätzlicher)<br />
Kampf, der nicht nur “nervt„ sondern mit ein bisschen mehr Mühewaltung und<br />
Verständnis unserer Umwelt vermeidbar wäre. Respektiert zu werden als ein Mensch der<br />
nun mal ist wie er ist (und eben teilweise auch vor der Diagnosestellung schon “fertig„<br />
so war), mit seinen Begabungen, seiner Willenstärke, seinem Ehrgeiz, seiner<br />
Zähigkeit, aber auch der genetisch bedingten, dem ersten oberflächlichen Blick verborgenen<br />
körperlichen Zerbrechlichkeit und allen damit verbundenen lebenslangen<br />
Behinderungen, Belästigungen, Beschwerden und Schmerzen tagein, tagaus – das wünsche<br />
ich mir, und S<strong>im</strong>ona Hölting und andere Betroffene in ähnlicher Lage sicher auch.<br />
Übrigens, die Gedanken von Prof. Wagner haben mir ebenfalls sehr gut gefallen. Auch<br />
ich liebe Paul Gerhard und seine Lieder, sie geben Kraft und Mut, das haben sie jahrhundertelang<br />
getan, ob <strong>im</strong> Dreißigjährigen Krieg oder <strong>im</strong> KZ. Auch andere Menschen vor<br />
uns waren in schl<strong>im</strong>men Situationen, in denen beispielsweise der Glaube viel Halt geben<br />
kann! Ich wünschte mir eben auch, speziell in der Medizin mehr solch nachdenkliche<br />
Menschen zu treffen wie Prof. Wagner.<br />
Birgit Buchholz<br />
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