Literatur - Universalie und Kulturenspezifikum - Oapen
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Pavel Knápek (Pardubice)<br />
Vorträge war es, die Idee des übernationalen österreichischen Staates im neutralen<br />
Skandinavien während des Ersten Weltkriegs zu präsentieren. Die „Aufzeichnungen<br />
zu Reden in Skandinavien“ enthalten einige Notizen zur Bedeutung Ibsens für<br />
Hofmannsthal sowie anderer skandinavischer Autoren wie Strindberg <strong>und</strong> Kierkegaard.<br />
Noch mehr Aufmerksamkeit gilt in dieser Schrift allerdings Goethe <strong>und</strong> der<br />
Reflexion Hofmannsthals eigener Werke sowie der kulturellen Stellung Deutschlands<br />
<strong>und</strong> Österreichs in Europa.<br />
Von Ibsens Werken befasst sich Hofmannsthal in den „Aufzeichnungen“ am<br />
gründlichsten mit dem Stück „Brand“, das, wie bereits erwähnt, Hofmannsthals<br />
Lieblingswerk war. In „Brand“ geht es um den gleichnamigen norwegischen Priester,<br />
der seine christliche Gesinnung um jeden Preis in Taten umsetzen will. Hofmannsthals<br />
Konzeption der Tat 4 als der einzigen Verbindung des Menschen mit<br />
der Welt passt hervorragend zur Hauptidee Brands. Hofmannsthal würdigt den in<br />
„Brand“ enthaltenen Gedanken der „absolute[n] Hingabe [...] als absolute[r] Selbstbehauptung“<br />
(Hofmannsthal 1979b:28).<br />
Als eines der wenigen Werke von Ibsen wurde „Brand“ von Hofmannsthal in<br />
seinem Aufsatz „Die Menschen in Ibsens Dramen“ (1893) nicht erwähnt. Der<br />
Gr<strong>und</strong> liegt höchstwahrscheinlich darin, dass Brand als Figur überhaupt nicht dem<br />
Menschentypus des Dilettanten entspricht, den Hofmannsthal in seinem Ibsen-<br />
Aufsatz schildert. Der tatkräftige Brand könnte sogar als Gegenpol zu diesem Typus<br />
bezeichnet werden. Zu Brand notiert Hofmannsthal: „Der Wille als göttliche<br />
Kraft im Menschen“ <strong>und</strong> zitiert anschließend folgende Stelle aus dem Werk: „daß<br />
du nicht kannst, wird dir vergeben, doch nimmermehr, daß du nicht willst.“ (Hofmannsthal<br />
1979b:29) Trotzdem fühlt er sich anscheinend durch Brands religiöse<br />
Kompromisslosigkeit <strong>und</strong> Härte abgestoßen, wenn er schreibt: „die harte böse<br />
norwegische Natur, die harten kleinen <strong>und</strong> kleinlichen Menschen; aber der, welcher<br />
gegen sie stritt, auch ihresgleichen.“ (Hofmannsthal 1979b:28)<br />
Die Beziehung anderer Hauptfiguren Ibsens zu ihren Taten ist tatsächlich problematisch,<br />
wie Hofmannsthal schon in seinem frühen Ibsen-Aufsatz zeigte. Trotz<br />
der proklamierten Sehnsucht dieser Figuren nach Taten, die von großer positiver<br />
Wirkung für andere Menschen wären, sind ihre Bemühungen gewöhnlich zum Scheitern<br />
verurteilt. Bei Ibsens männlichen Helden wie Solness, Rubek (in „Wenn wir Toten<br />
erwachen“), Rosmer oder Allmers (in „Klein Eyolf“) zeigt sich, dass ihr proklamiertes<br />
Trachten nach Taten im Widerspruch zu ihrem praktischen Handeln steht.<br />
scheinen seine persönlichen Kontakte zur skandinavischen Welt erfreulich. Seine Vortragsreise nach<br />
Norden, bei der er Norwegen <strong>und</strong> Schweden 1916 besuchte, bewertet er als sehr positiv. Besonders<br />
die fre<strong>und</strong>liche Aufnahme <strong>und</strong> Aufmerksamkeit in Schweden hat ihn sehr beeindruckt. 1916 schreibt<br />
er in einem Brief aus Schweden: „Ich habe hier in diesem Land so viel Gutes <strong>und</strong> Fre<strong>und</strong>liches erfahren,<br />
so sehr gefühlt was Menschen einander sein können.“ (Ebd. 848)<br />
4 In den „Aufzeichnungen zu Reden in Skandinavien“ kommentiert Hofmannsthal ebenfalls sein eigenes<br />
Werk. Zum Phänomen der „Tat“ äußert er sich folgendermaßen im Hinblick auf seine Dramen<br />
„Elektra“ <strong>und</strong> „Jedermann“: „[...] in beiden [Dramen] wird gefragt, was bleibt vom Menschen übrig,<br />
wenn man alles abzieht? – in beiden [Dramen] wird geantwortet: das, wodurch sich der Mensch der<br />
Welt verbinden kann, ist die Tat oder das Werk.“ (1979b:31)