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hier - Matthäus-Gemeinde

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INHALTSVERZEICHNIS<br />

5


INHALTSVERZEICHNIS<br />

Die „wilden“ 70er und 80er Jahre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67<br />

Innenansichten der <strong>Matthäus</strong>kirche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118<br />

Informationen . . . . . . . . . . . . . � 120<br />

6


VORSITZENDER DES GEMEINDEKIRCHENRATS ERNST KRIEG<br />

Zum Geleit<br />

Mit Dankbarkeit und Freude dürfen wir in diesen Tagen der Einweihung<br />

unserer <strong>Matthäus</strong>kirche vor 125 Jahren gedenken.<br />

Der Kirchbau war damals notwendig geworden, um der schnell wachsenden<br />

Bevölkerung einen würdigen Gottesdienstbesuch zu ermöglichen. Die<br />

Kirche war keinesfalls zu groß geplant, sie entsprach den Bedürfnissen der<br />

damaligen <strong>Gemeinde</strong>.<br />

Heute nach 125 Jahren nutzt die <strong>Gemeinde</strong> nur noch an wenigen Sonn- und<br />

Feiertagen das Angebot und die Möglichkeiten ihrer Kirche: Heilig Abend mit<br />

vier Gottesdiensten, bei Familiengottesdiensten und bei Konfirmationen.<br />

Das Titelbild der Festschrift zeigt den Konfirmationsgottesdienst am 24. April<br />

dieses Jahres. Nicht nur ein schönes Bild, sondern auch ein hoffnungsfrohes<br />

Zeichen, dass Kirche noch im Bewusstsein der Menschen vorhanden ist und<br />

dass diese auf Ansprache warten.<br />

Unsere <strong>Matthäus</strong>kirche ist ein Zeugnis der christlichen <strong>Gemeinde</strong>. Sie will<br />

einladen als ein Ort der Stille, zum Hören guter geistlicher Musik und natürlich<br />

zur Teilnahme am Gottesdienst.<br />

Die <strong>Matthäus</strong>kirche soll aber auch verstanden werden als ein Schatz der bürgerlichen<br />

<strong>Gemeinde</strong>. Um diesen Schatz zu bewahren, wurde im Laufe dieses<br />

Jahres das Kirchendach neu eingedeckt mit gotischen Bibern nach der Vorgabe<br />

des Denkmalschutzes.<br />

ZUM GELEIT<br />

7


ZUM GELEIT<br />

8<br />

Spezieller Dank an<br />

die anderen Steglitzer<br />

Kirchengemeinden<br />

<strong>Gemeinde</strong>kichenratsvorsitzender Ernst Krieg<br />

Das Vorhaben war nur möglich durch die Mithilfe aller Steglitzer Kirchengemeinden,<br />

die zu unseren Gunsten auf Teile ihres Bauetats verzichtet haben.<br />

Die <strong>Matthäus</strong>gemeinde dankt dem Kirchenkreis dafür herzlich.<br />

Die Autoren haben sich sehr viel Mühe gegeben. Die Beiträge dieser Schrift<br />

enthalten teilweise bisher unbekanntes oder noch nicht veröffentlichtes Material.<br />

Wir danken den Autoren und hoffen, dass ihnen ihre Arbeit Freude<br />

und Befriedigung bereitet hat.<br />

Den Lesern wünsche ich eine anregende Lektüre und dass Ihre Neugier auf<br />

Kirche und <strong>Gemeinde</strong> geweckt werden.<br />

Lamm Gottes


BISCHOF DR. WOLFGANG HUBER<br />

Grusswort zum 125. Jubiläum<br />

der <strong>Matthäus</strong>kirche in Berlin Steglitz<br />

am Sonntag, dem 1. Advent, 27. November 2005<br />

Im Anfang war das Wort. Und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort.<br />

Dasselbe war im Anfang bei Gott. Alle Dinge sind durch dasselbe gemacht,<br />

und ohne dasselbe ist nichts gemacht, was gemacht ist. In ihm war das Leben,<br />

und das Leben war das Licht der Menschen... Und das Wort ward Fleisch und<br />

wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit.<br />

Jedes Kirchengebäude ist ein besonderer Raum für das Wort, von dem der Anfang<br />

des Johannesevangeliums spricht. Denn dieses Wort bleibt nicht bei sich<br />

und für sich. Es sucht sich einen Ort in dieser Welt, um in ihr zu wohnen.<br />

Diese Einwohnung Gottes trägt einen Namen und hat eine Gestalt: Jesus<br />

Christus. Um Jesu Namen, um seine Gestalt und sein Wort ging es, als vor<br />

125 Jahren in Steglitz darüber nachgedacht wurde, wie es gelingen könnte,<br />

der schnell wachsenden <strong>Gemeinde</strong> neue Räume zu eröffnen. Was erst<br />

Vision war, konnte am 1. Advent des Jahres 1880 mit der Einweihung der<br />

<strong>Matthäus</strong>kirche verwirklicht werden.<br />

Als Menschen, als Glieder einer Kirchengemeinde brauchen wir die umgrenzten<br />

Wohn- und Schutzräume, die uns vertraut sind und denen wir uns<br />

anvertrauen. Sie stiften Beziehungen, geben uns Heimat und stärken unsere<br />

Identität.<br />

GRUSSWORT<br />

9


GRUSSWORT<br />

10<br />

Der Weg in den<br />

Kirchenraum ist<br />

heilsam und nötig<br />

Bischof Wolfgang Huber<br />

Ihre Kirche ist ein Erinnerungsraum und zugleich ein Hoffnungsraum. Ihre<br />

Kirche ist eine gebaute Predigt und eine gestaltete Liturgie. Der Weg in den<br />

Kirchenraum ist heilsam und nötig. Wir brauchen die Begegnung mit der<br />

Fremdheit des Kirchenraums, weil dieser Raum das Gewohnte unterbricht,<br />

uns innehalten lässt, unseren eigenen Worten Einhalt gebietet, uns öffnet für<br />

das Wort, das uns Wahrheit und Leben bringt. Wir sind auf den Kirchenraum<br />

angewiesen. Er will uns das Wort lebendig werden<br />

lassen. Und gleichzeitig gilt, dass das Wort den Kirchenraum<br />

als sakralen Raum erkennbar werden<br />

lässt. So ist es gut, dass die <strong>Matthäus</strong>kirche ihren<br />

Platz mitten in Steglitz hat und dass der Turm dieser<br />

Kirche immer wieder über den Horizont der eigenen<br />

Lebenswelt hinaus weist.<br />

Ich danke allen, die auf den 125. Geburtstag hingearbeitet<br />

haben, und beglückwünsche die <strong>Matthäus</strong>-Kirchengemeinde<br />

zu ihrer wunderschönen<br />

Kirche. Ich denke voller Dankbarkeit an alle, die<br />

das Wort Gottes in den vergangenen 125 Jahren<br />

durch Predigtdienst, in der Feier der Taufe und im<br />

Abendmahl, durch die Kirchenmusik und in den<br />

Kinder- und Familiengottesdiensten weitergegeben<br />

haben. Ich danke allen, die auch in schweren Zeiten<br />

der <strong>Gemeinde</strong> Jesu Christi die Treue gehalten<br />

haben. Möge die Gewissheit unseres Glaubens<br />

Ihre <strong>Gemeinde</strong> tragen und geleiten. Nutzen Sie diesen<br />

Raum in der Gewissheit: Einen anderen Grund<br />

kann niemand legen als den, der gelegt ist, welcher<br />

ist Jesus Christus.<br />

Eingang zur <strong>Matthäus</strong>kirche


BEZIRKSBÜGERMEISTER HERBERT WEBER<br />

Grusswort<br />

Ein Grußwort zum 125jährigen Kirchweihjubiläum hat natürlich mit einer<br />

Gratulation zu beginnen! Und die soll auch nicht versagt werden; war es<br />

doch eine weise Schlußfolgerung, der sich abzeichnenden Einwohnerentwicklung<br />

des später größten Dorfes in Preußen Rechnung zu tragen: 6 476<br />

Einwohner zum Zeitpunkt des Kirchweihfestes 1880, 12 530 bereits zehn<br />

Jahre später und 21 425 zur Jahrhundertwende. Ja, Steglitz „boomte“.<br />

Hätten doch bloß die <strong>Gemeinde</strong>vertreter des Dorfes Steglitz die gleiche Weitsicht<br />

gezeigt! War den Steglitzern das Rathaus von Groß-Lichterfelde Vorbild<br />

und zugleich Stein im Schuh, fiel die Entscheidung für das Rathaus Steglitz<br />

doch eher bescheiden aus. Die Folge, es war schon zum Zeitpunkt der Einweihung<br />

(1898) zu klein.<br />

War das Kirchweihfest auch ein Schritt in die Selbständigkeit?<br />

Sie wissen: das einst größte Dorf Preußens war einst „Filia“ oder eben Tochterkirche<br />

der Giesensdorfer Parochie. Wie das? Am 18. April 1539 beschlossen<br />

die Besitzer von Dahlem und Steglitz, <strong>hier</strong>: die Familie von Spiel ab dem<br />

1. November zum protestantischen Glauben zu konvertieren; also noch zu<br />

Lebzeiten Martin Luthers, († 1546). Die Herren von Spiel verfügten nämlich<br />

neben der Patrimonialgerichtsbarkeit auch über das Kirchenpatronat. Mit<br />

dem Konvertieren jenes Christoph von Spiel hatten auch die Dorfbewohner,<br />

die gutsherrlichen Untertanen und der Dorfgeistliche seinem Beispiel zu folgen.<br />

Doch weigerte sich der Steglitzer Priester Cyriacus Lufft standhaft, dem<br />

GRUSSWORT<br />

11


GRUSSWORT<br />

12<br />

1893 Steglitz wieder<br />

eigene Kirchengemeinde<br />

<strong>Gemeinde</strong>haus<br />

und Kirche.<br />

Ansicht von der<br />

Schloßstraße<br />

Bezirksbürgermeister Herbert Weber<br />

neuen Glauben beizutreten und zog 1540 in das zu jener Zeit katholische<br />

Hildesheim. Ein neuer Pfarrer wurde nicht eingesetzt, sondern Steglitz fungierte<br />

fortan als „Filia“ der Giesensdorfer Kirche, deren Pfarrer nun auch für<br />

das Seelenheil der Steglitzer sorgen durften. Erst 1893 erhielt Steglitz wieder<br />

eine eigene Kirchengemeinde!<br />

Der letzte Geistliche der gemeinsamen Parochie Giesensdorf-Steglitz war<br />

Karl-Friedrich Stephanie (6.5.1812–27.12.1894). Trotz schwächlicher Gesundheit<br />

leitete er von 1840 bis 1893 seine <strong>Gemeinde</strong>. Ein kleiner Weg südlich<br />

der Brauerstraße<br />

erinnert an ihn. War<br />

er der Impulsgeber<br />

für den Kirchenneubau<br />

an der Steglitzer<br />

Schloßstraße?<br />

Ich wünsche mir, der<br />

Festschrift zu diesem<br />

Jubiläum interessante<br />

Beiträge zur heimatkundlichenEntwicklung<br />

des „alten“<br />

Steglitzer Zentrums<br />

entnehmen zu dürfen.


REGINE ZINKE<br />

Die Entstehungsgeschichte<br />

der <strong>Matthäus</strong>kirche<br />

Gehen wir heute die Schloßstraße hinunter, zur rechten Seite am alten Rathaus<br />

vorbei, so stoßen wir auf Teile einer wiedererrichteten Friedhofsmauer,<br />

hinter der einige Grabsteine und Kreuze von den Vorfahren aus dem 18.<br />

Jahrhundert zeugen. Die alte Dorfkirche und die dazugehörigen Bauernhäuser<br />

sind schon lange verschwunden. An ihrer Stelle steht heute die <strong>Matthäus</strong>kirche,<br />

die bei ihrer Einweihung am ersten Advent 1880 schlicht nur<br />

„neue“ Kirche genannt wurde. Wie kam es, dass die <strong>Gemeinde</strong> Steglitz ein<br />

so beeindruckend großes Gotteshaus erhielt, das mit seinem 68 Meter hohen<br />

Turm weithin sichtbar war?<br />

Das Dorf Steglitz<br />

GESCHICHTE DES KIRCHBAUS UND UNSERER GEMEINDE<br />

Alter Grabstein auf<br />

dem Kirchengelände<br />

Die alte Steglitzer Dorfkirche ist sehr wahrscheinlich Mitte des 13. Jahrhunderts<br />

errichtet worden. Die Mauern des Gotteshauses waren fest gefügt und<br />

besaßen einen Durchmesser von nahezu einem Meter. Kein Wunder, dass<br />

das Gebäude trotz aller Kriege und Unwetter rund 650 Jahre überdauerte.<br />

Es gibt keine Zeugnisse darüber, wie die Kirche im Mittelalter ausgesehen<br />

hat. Die früheste Darstellung stammt von Heinrich Wohler aus dem Jahre<br />

1834. Das steinerne Kirchenschiff dürfte so ausgesehen haben wie auf der<br />

Zeichnung, doch waren die Fenster kleiner und unverglast. Es ist anzunehmen,<br />

dass sie im 17. Jahrhundert vergrößert wurden. Der Turm mit seinem<br />

Fachwerk war zweifellos ebenfalls eine Zutat späterer Jahrhunderte, vorher<br />

war allenfalls ein einfacher Dachreiter für die Glocke vorhanden. Die alte Kirche im Jahre 1834<br />

13


GESCHICHTE DES KIRCHBAUS UND UNSERER GEMEINDE<br />

14<br />

55 Einwohner im<br />

17.Jahrhundert<br />

1801 waren schon 137<br />

Steglitzer zu verzeichnen<br />

Regine Zinke … Entstehungsgeschichte der <strong>Matthäus</strong>kirche<br />

Was wissen wir über das damalige Dorf Steglitz? Die früheste namentliche<br />

Erwähnung des Ortes finden wir im Landbuch der Mark Brandenburg aus<br />

dem Jahre 1375/76, doch erst aus dem Schlossregister vom Jahre 1450, als<br />

die Hohenzollern als neue Landesherren abermals ein Abgabenverzeichnis<br />

anlegten, ist eine nähere Beschreibung zu entnehmen. Mit 43 Hufen gehörte<br />

Steglitz im Vergleich zu den umliegenden Dörfern zu den kleineren Orten.<br />

Bis zum Jahre 1540 hatte <strong>hier</strong> ein katholischer Geistlicher sein Amt versehen.<br />

Danach versorgten evangelische Pfarrer aus Giesensdorf Steglitz als<br />

Tochtergemeinde. Sehr groß war die Anzahl der Anwohner wohl nicht. Genauere<br />

Angaben können wir erst aus dem Steglitzer Kirchenbuch mit Eintragungen<br />

von 1605 bis 1810 zu den Getauften, Gestorbenen und Begrabenen,<br />

später zu den Hochzeiten und Konfirmationen entnehmen. Im Dorf lebten<br />

demnach im 17. Jahrhundert durchschnittlich etwa 55 Erwachsene, deren<br />

Lebensmittelpunkt die kirchliche Gemeinschaft war.<br />

Die Wahl des Pfarrers oblag den Grundbesitzern, wobei es zwischen den<br />

Patronen von Giesensdorf und Steglitz zuweilen zu Streitigkeiten kam, die<br />

dann das Konsistorium schlichten musste. Die Geistlichen erhielten neben<br />

einigen Hufen zur eigenen Bebauung Abgaben von den Bauern und Kossäten,<br />

also solchen Leuten, die einen Garten bzw. etwas Land zur Verfügung<br />

hatten. Dem Pfarrer standen zusätzlich Einkünfte aus den Amtshandlungen<br />

zu. Besonders in den Zeiten schlechter Ernten, Kriegs- und Teuerungszeiten<br />

kam es jedoch dazu, dass sie – ebenso wie alle anderen - ein Leben in Armut<br />

führen mussten.<br />

Von der kleinen Dorfkirche zum imposanten Neubau<br />

Die Versorgung der <strong>Gemeinde</strong>n Giesensdorf, Steglitz und ab 1693 auch von<br />

Lichterfelde durch die Pfarrer wurde im Laufe der Zeit immer schwieriger,<br />

denn im 18. Jahrhundert stieg die Bevölkerungszahl erheblich an. 1801<br />

waren schon 137 Steglitzer zu verzeichnen. Deutlich zu viel für die kleine<br />

Kirche, die lediglich 72 Sitzplätze vorwies. Zunehmend machten sich Verfallserscheinungen<br />

an der Kirche bemerkbar. In einem Visitationsbericht aus<br />

dem Jahre 1853 heißt es, dass die Kirche zu klein und sehr schmutzig sei,


Regine Zinke … Entstehungsgeschichte der <strong>Matthäus</strong>kirche<br />

und dass sie einzufallen drohe. Als erste Maßnahme trug man ein Jahr später<br />

den Turm ab.<br />

Aber nicht der renovierungsbedürftige Zustand läutete ihr Ende ein, sondern<br />

die Tatsache, dass das kleine Dorf Steglitz nach dem Bau eines größeren<br />

Bahnhofs 1873 an der Eisenbahnstrecke Berlin-Potsdam buchstäblich aus<br />

den Nähten zu platzen drohte: 1855 lag die Zahl der Einwohner bei 648, im<br />

Jahre 1875 waren es schon 5.462. Längst hatte man daran gedacht, die alte<br />

Kirche umzubauen, aber der Neubau des direkt an den Kirchhof angrenzenden<br />

Schulhauses, das 1871 feierlich eingeweiht wurde, hatte die Geldmittel<br />

verschlungen. Doch am Bau einer größeren Kirche kam man trotzdem nicht<br />

mehr vorbei.<br />

Im Jahre 1873 ordnete die Königliche Regierung zu Potsdam an, dass ein<br />

Neubau für etwa 1.200 Sitzplätze in Angriff genommen werden sollte. Landesbauinspektor<br />

Emil Gette sollte den Bau entwerfen und schließlich wurde<br />

sein Projekt im März 1876 vom <strong>Gemeinde</strong>kirchenrat angenommen. Die<br />

Kosten von rund 300.000 Reichstalern trug zur einen Hälfte die Königliche<br />

Regierung in ihrer Eigenschaft als Kirchenpatronin, die andere musste von<br />

der <strong>Gemeinde</strong> aufgebracht werden: Eine nicht ganz einfache Aufgabe, die<br />

noch viel Kopfzerbrechen bereiten sollte.<br />

Die Einweihung der „neuen“ Kirche am 28.11.1880<br />

Am 28. November 1880 war es endlich soweit: An diesem Sonntag wehten<br />

von zahlreichen Dächern Flaggen; auf dem Vorplatz zur Kirche versammelte<br />

sich morgens eine festlich gekleidete Menge. Gegen 10 Uhr trafen dann mit<br />

Eisenbahn und Kutschen aus Berlin die Ehrengäste und aktiven Teilnehmer<br />

an der Festlichkeit ein: Es waren Honoratioren wie Oberregierungsräte und<br />

Ministerialdirektoren, darunter der Kultusminister von Puttkammer, aber<br />

auch die Präsidenten des evangelischen Oberkirchenrates und des Konsistoriums.<br />

Unter den feierlichen Klängen eines vor der Orgel aufgestellten Posaunenchors<br />

erfolgte der Einzug in die Kirche.<br />

GESCHICHTE DES KIRCHBAUS UND UNSERER GEMEINDE<br />

1855 lag die Zahl der Einwohner<br />

bei 648, im Jahre<br />

1875 waren es schon 5.462<br />

Abbildung der Kirche auf der<br />

Jubiläumskarte 1880–1930<br />

15


GESCHICHTE DES KIRCHBAUS UND UNSERER GEMEINDE<br />

16<br />

Abriss der alten<br />

Dorfkirche im Jahr 1881<br />

Regine Zinke … Entstehungsgeschichte der <strong>Matthäus</strong>kirche<br />

Nach der Einweihung wurde sehr schnell das gewohnte <strong>Gemeinde</strong>leben aufgenommen.<br />

Schon am nächsten Tag fand die erste Taufe statt. Eine Hebamme<br />

trug zwei Knaben durch die Tür zur neuen Kirche hinein: Der eine war als<br />

letzter in der alten Kirche getauft worden, der andere sollte als erster in der<br />

neuen das heilige Sakrament empfangen. Ein symbolischer Akt, der das Alte<br />

mit dem Neuen verbinden sollte.<br />

Die Dorfkirche wurde Anfang des Jahres 1881 abgerissen, da die Kirchengemeinde<br />

angesichts des eindrucksvollen, aber kostspieligen Baues des neuen<br />

Gotteshauses meinte, sie sei nunmehr überflüssig geworden. Die alten<br />

Materialien wie Feld-, Mauer- und Dachsteine wurden versteigert, so dass<br />

der Erlös für die Rückzahlung des aufgenommenen Darlehens verwendet<br />

werden konnte. Die Vergangenheit fand ihren Abschluss, während für die<br />

<strong>Gemeinde</strong>glieder mit der neuen Kirche gleichzeitig eine hoffnungsvolle Zukunft<br />

begann.<br />

Das alte Kreuz aus<br />

dem Altarraum


KATHARINA HOERNICKE<br />

Zur Baugeschichte der <strong>Matthäus</strong>kirche<br />

in Steglitz<br />

Aus dem Berliner Stadtbild von heute sind die im neugotischen Stil zumeist<br />

in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts erbauten Kirchen kaum wegzudenken.<br />

Dazu gehören unter anderen die Kirche zum Heiligen Kreuz (1888) in Kreuzberg,<br />

die Luther-Kirche (1894) auf dem Schöneberger Dennewitzplatz oder die<br />

Kirche zum Guten Hirten (1894) am Friedrich-Wilhelm-Platz in Friedenau.<br />

Aber wie kam es dazu, dass in Steglitz 1880 sogar noch vor diesen <strong>Gemeinde</strong>n<br />

ein Kirchenneubau im modernsten Baustil der Zeit errichtet wurde?<br />

Der Kirchen-Neubau als königlicher Beschluss<br />

Zunächst waren nur Renovierung bzw. Umbau der alten Dorfkirche im Gespräch<br />

gewesen. Hierfür hatte der preußische König Friedrich Wilhelm IV.<br />

1843 höchstselbst Skizzen gefertigt und diese zuerst seinem Hofbaurat Ludwig<br />

Persius, später in einem erneuten Anlauf Friedrich August Stüler zur weiteren<br />

Ausarbeitung vorgelegt. Zur praktischen Umsetzung dieser Pläne fehlte<br />

es an den nötigen Geldmitteln. Doch als die bauliche Situation durch weiteren<br />

Verfall der Dorfkirche und die rasant wachsende Zahl neuer <strong>Gemeinde</strong>mitglieder<br />

nicht mehr tragbar erschien, einigten sich Kirchen- und Ortsgemeinde<br />

nach Klärung der Finanzierung auf die Bildung einer Baukommission, die mit<br />

prominenten Steglitzer Vertretern aus Politik und Kirche besetzt wurde. Da<br />

die Königliche Regierung seit dem Kauf des alten Rittergutes Steglitz 1840<br />

das Patronat der Kirche innehatte, war sie zwar verpflichtet, die Grundbau-<br />

GESCHICHTE DES KIRCHBAUS UND UNSERER GEMEINDE<br />

Zunächst nur Renovierung<br />

vorgesehen<br />

17


GESCHICHTE DES KIRCHBAUS UND UNSERER GEMEINDE<br />

18<br />

Bauinspektor Gette<br />

Baustil der Neugotik<br />

Katharina Hoernicke … Baugeschichte der <strong>Matthäus</strong>kirche<br />

materialien zu bezahlen, durfte aber andererseits in eigener Verantwortung<br />

– ohne öffentlichen Wettbewerb – den Architekten benennen.<br />

Für den Neubau wurde der Potsdamer<br />

Bauinspektor Emil Gette (* 1840 † 1887)<br />

ausgewählt. Dies ist aus heutiger Sicht etwas<br />

überraschend, da Gette vor diesem<br />

Auftrag mit keinem großen Bauprojekt<br />

in Erscheinung getreten war. Obwohl<br />

die nach seinen Plänen gebaute Steglitzer<br />

Kirche ein überaus positives Echo bei<br />

den Zeitgenossen gefunden hat, war er<br />

danach nur noch an kleineren Bauten<br />

beteiligt. Als Bauplatz wurde ein nordwestlich<br />

der Dorfkirche und dem alten<br />

Kirchhof gelegenes Gelände ausgewählt.<br />

Dieses brachte den Vorteil mit sich, den<br />

alten Dorfkern, der sich parallel zur heutigen<br />

Schloßstraße erstreckte, mit der um 1860 entstandenen Villenkolonie<br />

auf dem Fichtenberg zu verbinden.<br />

Am 1. Juli 1877 war es soweit: der Grundstein konnte unter das Fundament<br />

der (heute nicht mehr existierenden) Kanzel gelegt werden. In traditioneller<br />

Weise wurden ihm verschiedene lokale und überregionale Zeitungen des Tages,<br />

je ein Stück damals gültiger Münzen, Photographien der alten Dorfkirche<br />

und eine Urkunde beigelegt, die über die Entstehungsumstände des neuen<br />

Baus berichtet.<br />

Gettes Kirche als Vorbild für ein modernes Steglitz<br />

Emil Gette hatte sich für den damals hochmodernen, aber für Berlin und seine<br />

Umgebung noch wenig typischen Baustil der Neugotik entschieden. Ihm<br />

unterwarf er die gesamte Gestaltung des Baus: von der Gebäudeaußenhaut,<br />

über die Ausstattung und reiche Bemalung des Innenraumes bis hin zur


Katharina Hoernicke … Baugeschichte der <strong>Matthäus</strong>kirche<br />

Form des Abendmahlsgerätes wurde<br />

alles der lokal-märkischen gotischen<br />

Formensprache nachempfunden. Er<br />

wollte so ein geistlich ergreifendes,<br />

ausdrucksstarkes „Gesamtkunstwerk“<br />

erschaffen.<br />

Es entstand ein mächtiger, kreuzförmiger,<br />

sich dem Zentralbau annähernder,<br />

in roten Backsteinen ausgeführter Bau.<br />

Damit orientierte er sich an den Regeln<br />

des Eisenacher Regulativs, einer Richtschnur<br />

des Gesamtdeutschen Kirchentages,<br />

die 1861 für den evangelischen<br />

Kirchenbau erlassen worden war. Aber<br />

Gette wollte, dass die Kirche ein moderner<br />

Bau wird, und dass dieser Stil<br />

für Steglitz Vorbild werden sollte. So<br />

dienten Werke des damals bedeutendsten<br />

Vertreters der norddeutschen<br />

Neugotik – Conrad Wilhelm Hase – als<br />

Vorlage. Als Beispiel für die enge Anlehnung<br />

an Hase soll <strong>hier</strong> der mächtige,<br />

schräggestellte Triumphbogen, der vom<br />

Hauptraum in den schmaleren Chor<br />

überleitet, genannt werden. Dieses Motiv<br />

wurde erstmals von C. W. Hase in<br />

der Kalefelder Kirche im Harz verwendet<br />

und sollte im nachfolgenden Kirchenbau<br />

ein beliebtes Motiv werden.<br />

GESCHICHTE DES KIRCHBAUS UND UNSERER GEMEINDE<br />

Es ließen sich noch viele weitere Beispiele<br />

zeigen, die die hochmoderne Urkunde für die Turmkugel der <strong>Matthäus</strong>kirche (Ausriß s. S. 20)<br />

19


GESCHICHTE DES KIRCHBAUS UND UNSERER GEMEINDE<br />

20<br />

Orientierung des Neubaus zeigen. Erst 1911 wurde sie im Zuge der Neuerrichtung<br />

weiterer Kirchen in Steglitz als „<strong>Matthäus</strong>kirche“ benannt.<br />

Im Kontext des Berliner Kirchenbaus der Zeit zeigt sich die besondere Qualität<br />

unserer <strong>Matthäus</strong>kirche. Sie liegt weniger in den ausgeführten Bauformen,<br />

als vielmehr in der Tatsache, dass ein einfacher, preußischer, an der<br />

Berliner Bauakademie ausgebildeter Baubeamter den Stil der hochmodernen<br />

Neugotik wählte und sich an den wichtigsten Vertretern dieses Stils orientierte,<br />

während in Berlin und Umgebung noch viele Jahre<br />

später der Rundbogenstil der Schinkelschule bevorzugt<br />

wurde. So war die Steglitzer Kirche von 1880 eine der<br />

ersten Kirchen im Berliner Raum, die im einheitlich<br />

durchgehaltenen, modernen neugotischen Stil errichtet<br />

wurde.<br />

Innenraum vor 1956<br />

Katharina Hoernicke … Baugeschichte der <strong>Matthäus</strong>kirche<br />

Umgestaltung des Kircheninneren<br />

entsprechend des jeweiligen Zeitgeistes<br />

Dem heutigen Kirchenbesucher aber wird schnell auffallen,<br />

daß der Innenraum nicht mehr in dem Zustand<br />

ist, den Gette einst ausgeführt hatte. Ab dem 50jährigen<br />

Jubiläum begann man über mehrere Jahre hinweg<br />

mit der Neugestaltung einiger Fenstergruppen eine<br />

Veränderung des Innenraumes. Im Zweiten Weltkrieg<br />

blieb die Kirche von schweren Bombentreffern verschont.<br />

Der Umbau in den Jahren 1956-58 brachte jedoch<br />

die entscheidenden Einschnitte: Nach dezidierten<br />

Vorstellungen der <strong>Gemeinde</strong> gestaltete der Architekt<br />

Werner Gabler den gesamten Innenraum neu. Die verputzten<br />

und in rotbraun sowie grün gehaltenen Muster<br />

der Wandflächen, der dunkelblaue und mit Messingsternen<br />

besetzte „Sternenhimmel“ des Gewölbes, der<br />

Altarraum, die Kanzel, die Emporen – (beinahe) alles<br />

Originale wurde entfernt und nach zeitgemäßen Vor-


Katharina Hoernicke … Baugeschichte der <strong>Matthäus</strong>kirche<br />

stellungen neu gestaltet. Lediglich zwei Gemeinsamkeiten mit den Ideen<br />

Gettes blieben: Die Grundstruktur der Kirche wurde nicht verändert, und<br />

die neue Ausstattung war in sich in Form und Material einheitlich. Doch die<br />

Wirkung des Innenraumes war nach dem Umbau eine grundlegend andere<br />

als zuvor.<br />

Lassen wir nun zum Schluß unsere Vorfahren mit einem Zitat aus der Urkunde,<br />

die 1877 dem Grundstein beigegeben worden ist, zu Wort kommen:<br />

„Der allmächtige Gott und Vater unsers<br />

Herrn Jesu Christi wolle […] unsere<br />

<strong>Gemeinde</strong> ferner gnädiglich in Seinen<br />

Schutz nehmen, zu dem begonnenen<br />

Bau Seinen Segen verleihen und die neu<br />

zu errichtende Kirche dazu dienen lassen,<br />

daß innerhalb der <strong>Gemeinde</strong> kirchliches<br />

Leben wachsen und gedeihen,<br />

das Bewußtsein der Zusammengehörigkeit<br />

in Verbindung mit werkthätiger<br />

Nächstenliebe immer festere Wurzeln<br />

schlagen und das Evangelium Jesu<br />

Christi unseres Heilandes bei uns und<br />

unsern Nachkommen stets auf einen<br />

guten, fruchtbaren Boden fallen möge<br />

zum wahren Trost und zum ewigen Heil<br />

unserer Seelen.“<br />

Innenraum nach 1956<br />

GESCHICHTE DES KIRCHBAUS UND UNSERER GEMEINDE<br />

21


GESCHICHTE DES KIRCHBAUS UND UNSERER GEMEINDE<br />

22<br />

Fensterbild Abendmahl


HILDEGARD VOLLMER<br />

Aus der Geschichte unserer Kirchenfenster<br />

Als Landesbauinspektor Emil Gette die große neugotische Kirche für Steglitz<br />

entwarf, war es für ihn klar, dass nur die besten Künstler der Zeit zur Mitwirkung<br />

in Frage kamen, denn in diesem durchweg sakralen Bau sollten sich<br />

alle Einzelteile zu einem harmonischen, geistlich ausdrucksstarken Gesamtwerk<br />

zusammenfügen. Für die Kirchenfenster schlug Gette der Oberbaubehörde<br />

Seiner Kaiserlichen Majestät (Wilhelm I) den namhaften Kölner Maler<br />

Michael WeIter vor, der auf kaiserliche Ordre den Auftrag auch erhielt.<br />

Die von ihm gestalteten Fenster wurden bei den Luftangriffen<br />

der Jahre 1943/44 so zertrümmert, daß nichts<br />

mehr gerettet werden konnte. Doch <strong>Matthäus</strong> ist in der<br />

alten Tradition geblieben und hat auch den neuen Fenstern<br />

wieder biblische Texte zugrundegelegt. Ja, sogar<br />

eine Abendmahlsdarstellung, wie es sie im Zentrum<br />

der Altarfenster einst gegeben hatte, finden wir heute<br />

wieder, und zwar im linken Triptychon.<br />

Neue Kirchenfenster in alter Tradition<br />

Einer der ersten, die sich nach dem Krieg um die Wiederherstellung<br />

der Kirche bemühten, war der spätere<br />

Bischof Otto Dibelius, der auch bei den Kirchenfenstern<br />

den Anfang machte. Irgendwo müsse man – selbst<br />

bei geringen finanziellen Möglichkeiten – beginnen, Fensterbild Altarraum<br />

GESCHICHTE DES KIRCHBAUS UND UNSERER GEMEINDE<br />

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GESCHICHTE DES KIRCHBAUS UND UNSERER GEMEINDE<br />

Sakristeifenster seitlich: Moses betet<br />

24<br />

Hildegard Vollmer … Aus der Geschichte unserer Kirchenfenster<br />

meinte er, und sorgte dafür, dass bereits 1957 die Fenster<br />

der Sakristei erneuert wurden und ein richtiger Andachtsraum<br />

entstand, in dem seelsorgerliche Gespräche und kleine<br />

Gebetszusammenkünfte gehalten werden konnten. Gettes<br />

Grundgedanke der harmonischen Zusammenfügung aller<br />

Einzelteile zu einem sakralen Raum wurde auch <strong>hier</strong> wieder<br />

neu verwirklicht.<br />

Die ersten Nachkriegsfenster wurden durch den Hamburger<br />

Künstler Götz Löpelmann gestaltet. Er verwendete eine einfache,<br />

preisgünstige Klebetechnik. Gestalterisch folgte er dem<br />

wunderschönen mittelalterlichen Kirchenfensterprinzip der<br />

Gegenüberstellung von aufeinander bezogenen Geschichten<br />

aus dem alten und dem neuen Testament. In der Sakristei seitlich<br />

links betet Mose in Verzweiflung, in den Fenstern über<br />

dem kleinen Altar Jesus mit Jüngern in Gethsemane. Es gibt<br />

Besucher, die diese Fenster, die allerdings nur bei Führungen<br />

zugänglich sind, für die schönsten in unserer Kirche halten.<br />

Vollendung der Kirchenfenster<br />

erst 22 Jahre nach Kriegsende<br />

Bereits zwei Jahre später, 1959, konnten auch im Kirchenschiff<br />

die neuen Altarfenster eingefügt werden. Sie sind das<br />

Werk des Steglitzer Glasmalers Erich Waske und zeigen apokalyptische<br />

Szenen aus der Offenbarung Johannis, die sich<br />

mit der Schieferwand des KYRIE ELEISON zu einem harmonischen<br />

Gesamtkunstwerk ergänzen.<br />

Acht Jahre später, 1967, kamen an den Seiten die ersten der<br />

eindrucksvollen Fenster aus der Marburger Werkstatt von Erhardt<br />

Klonk dazu: die beiden Triptychen, links das Abendmahl<br />

und rechts Jesu Taufe, eingerahmt von Pfingstdarstellungen.<br />

Sehr zu Unrecht bleiben Klonks vier kleine Auferstehungsfenster<br />

im Kirchenschiff häufig wenig beachtet.


FLORIAN KUNZ<br />

Eine klingende Kirche<br />

Wenn man „Rathaus Steglitz“ aus der S-Bahn steigt oder beim Einkaufen<br />

die Schloßstraße entlang bummelt, kann man sie hören: Die Glocken der<br />

<strong>Matthäus</strong>kirche. Sie sind das schlagende Herz des roten Backsteingebäudes<br />

und künden schon von weitem, was in der <strong>Gemeinde</strong> gerade passiert: Zu<br />

jeder vollen Stunde wird die Zahl der vergangenen Stunden geschlagen. Das<br />

morgendliche, mittägliche und abendliche Läuten geben dem Tagesverlauf<br />

Struktur. Es hat seinen Ursprung im Mittelalter und markierte die drei Gebetszeiten<br />

des Tages.<br />

Jeden Sonntag, 5 Minuten vor dem Beginn um 9.30 Uhr, rufen die Glocken<br />

zum Gottesdienst. Spricht die <strong>Gemeinde</strong> dann am Schluss das Vaterunser,<br />

läuten sie, damit die, die z.B. krank zuhause bleiben müssen, mitbeten können.<br />

Wenn in der <strong>Matthäus</strong>kirche eine Trauerfeier stattfindet, hört man in<br />

langen Abständen den tiefen cis-Ton der größten und schwersten Glocke.<br />

Früher wurde sie auch im Kriegsfall geläutet. Die Glocke trägt, passend zu<br />

ihren Funktionen die Inschrift: „Unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden<br />

hat.“ In beschwingtem Rhythmus erklingen alle drei Glocken bei<br />

fröhlichen Anlässen und besonderen Festgottesdiensten. Wenn fein angezogene<br />

Jugendliche am Tag ihrer Konfirmation in die Kirche einziehen, genauso,<br />

wie wenn ein Brautpaar blumen- und reisbestreut nach der Trauung die<br />

Vortreppe hinabschreitet. Auch in der Sylvesternacht läuten die Glocken. Sie<br />

GESCHICHTE DES KIRCHBAUS UND UNSERER GEMEINDE<br />

Die Glocken der <strong>Matthäus</strong>kirche:<br />

Das Geläut der Kirche besteht<br />

aus drei Stahlgussglocken,<br />

die 1919 vom Bochumer<br />

Verein, einer heute nicht mehr<br />

existierenden Stahlhütte,<br />

gegossen wurden.<br />

1. Glocke: Höhe 140 cm, ø 158<br />

cm, Gewicht 1750 kg, Ton cis’<br />

Inschrift: UNSER GLAUBE<br />

IST DER SIEG, DER DIE WELT<br />

ÜBERWUNDEN HAT.<br />

2. Glocke: Höhe 130 cm, ø 150<br />

cm, Gewicht 1360 kg, Ton e’<br />

Inschrift: DIE LIEBE HÖRET<br />

NIMMER AUF.<br />

3. Glocke: Höhe 98 cm, ø 126<br />

cm, Gewicht 980 kg, Ton fis’<br />

Inschrift: HOFFNUNG LÄSST<br />

NICHT ZUSCHANDEN WERDEN.<br />

Kantor Joh. W. Küsgen<br />

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GESCHICHTE DES KIRCHBAUS UND UNSERER GEMEINDE<br />

26<br />

Florian Kunz … Eine klingende Kirche<br />

begrüßen das neue Jahr, wie sie sonst Menschen begrüßen und durch ihren<br />

Klang zum Glauben einladen wollen.<br />

Die Orgel der <strong>Matthäus</strong>kirche<br />

Eine Königin sitzt in der Kirche. Direkt über dem Eingang, auf einer Empore<br />

thront sie: Die Orgel der <strong>Matthäus</strong>kirche. Und der, der weiß, wie es geht,<br />

kann ihr schöne Töne entlocken. „Königin der Instrumente“ nannte man<br />

die Orgel im Mittelalter. Und in der Tat, auch die in ihren kubischen Formen<br />

und ihrem hellen Holzton recht modern anmutende <strong>Matthäus</strong>-Orgel<br />

hat etwas Majestätisches. Den Titel: „Königin“ trägt die Orgel aber auch,<br />

weil sie mehrere Instrumentalstimmen in sich vereinigt bzw. ihren Klang<br />

imitiert. Deshalb findet man an den Registerknöpfen<br />

der <strong>Matthäus</strong>-Orgel auch Aufschriften wie: „Flöte“,<br />

„Bläser“ oder „Oboe“. Die Orgel der <strong>Matthäus</strong>kirche<br />

wurde 1957/58 von der Firma E. F. Walcker & Cie<br />

in Ludwigsburg nach Plänen von H. Schulze und K.<br />

Th. Kühn erbaut. Der Entwurf des Gehäuses ist von<br />

Ernst Bitcher, die Disposition verantwortete Frank<br />

Michael Beyer.<br />

Nach 1962 wurde das Instrument mehrmals erweitert<br />

und umgebaut. Sie erhielt einen neuen Spieltisch<br />

und mehrere Register wurden ausgetauscht. Die Orgel<br />

besitzt 3 Manuale (Tastaturen), 1 Pedal und 42 Register<br />

(Orgelstimmen). Trotz kleinerer Mängel hat die<br />

Orgel der <strong>Matthäus</strong>kirche einen satten und dennoch<br />

differenzierten Klang, den man jeden Sonntag und<br />

in zahlreichen kirchenmusikalischen Veranstaltungen<br />

erleben kann. Die Orgel ist Mitarbeiterin bei der<br />

Verkündigung, mit Orgelvor- und Nachspiel rahmt sie<br />

den Gottesdienst und begleitet die Lieder, die die <strong>Gemeinde</strong><br />

singt. So ist ihr Klang musikalischer Ausdruck<br />

des Glaubens, klingendes Wort Gottes.


REINHARD SADECKI<br />

Das theologische Anliegen<br />

des Evangelisten <strong>Matthäus</strong><br />

Vorbemerkung<br />

<strong>Matthäus</strong>, dessen Namen unsere Kirche trägt, erscheint in allen Apostellisten<br />

des Neuen Testaments als ein Jünger Jesu. Ihm wurde in der kirchlichen<br />

Überlieferung das erste der vier Evangelien zugeschrieben, was jedoch kaum<br />

zutreffend ist. Denn das <strong>Matthäus</strong>evangelium ist wahrscheinlich gegen Ende<br />

des 1. Jahrhunderts in Syrien verfaßt worden. Der <strong>Matthäus</strong>evangelist wendet<br />

sich mit einem deutlich erkennbaren katechetischen Interesse an bereits<br />

getaufte Christen, die ohne ihr eigenes Zutun Gottes Gnade empfangen haben,<br />

und ruft sie auf, alles zu tun, um die ihnen geschenkte Gnade nicht zu<br />

verlieren. Eindringlich ermahnt er sie, alles zu halten, was Jesus den Jüngern<br />

befohlen hat. Und er unterstreicht die Mahnung dadurch, dass er auf<br />

das kommende Gericht hinweist, auf den Tag, an dem auch und gerade wir<br />

Christen Rechenschaft darüber ablegen müssen, ob wir den Willen Gottes<br />

getan haben. Dieser Hinweis auf das Gericht ist das eigentliche Anliegen des<br />

Evangelisten <strong>Matthäus</strong>, das wir als <strong>Matthäus</strong>gemeinde besonders ernst zu<br />

nehmen haben. In den folgenden Ausführungen beziehe ich mich auf ein<br />

Buch, in dem Beiträge zur Theologie des <strong>Matthäus</strong>evangeliums gesammelt<br />

sind: Günther Bornkamm, Gerhard Barth, Heinz Joachim Held, Überlieferung<br />

und Auslegung im <strong>Matthäus</strong>evangelium, 5.Auflage, Neukirchen 1968.<br />

GESCHICHTE DES KIRCHBAUS UND UNSERER GEMEINDE<br />

Der Evangelist <strong>Matthäus</strong> vor der<br />

Kanzel der Martin-Luther-Kirche<br />

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GESCHICHTE DES KIRCHBAUS UND UNSERER GEMEINDE<br />

28<br />

Reinhard Sadecki … Das theologische Anliegen des Evangelisten <strong>Matthäus</strong><br />

1. Hinweis auf das Gericht<br />

und Aufruf zum Gehorsam<br />

Die von <strong>Matthäus</strong> gestaltete Bergpredigt<br />

mit dem zentralen Wort von der „besseren<br />

Gerechtigkeit“, ohne die keiner in<br />

das Himmelreich eingehen wird (5,20),<br />

schließt mit der Schilderung des Weltgerichts<br />

(7,21ff.). Im 13. Kapitel wird<br />

deutlich, „dass die ‚Kirche‘ nicht schon<br />

Sammlung der Auserwählten und ewig<br />

Geborgenen, sondern ein corpus mixtum<br />

ist, das der Scheidung zwischen<br />

Guten und Bösen im Endgericht erst<br />

entgegengeht“ (G. Bornkamm, S.17).<br />

Im Blick auf 13,36 ff. schreibt G. Barth<br />

(S.55): „Die von <strong>Matthäus</strong> geschaffene<br />

Deutung des Gleichnisses vom Unkraut<br />

unter dem Weizen ist charakteristisch...<br />

Zugehörigkeit zur Kirche bedeutet keine<br />

Sicherheit vor dem Gericht, das die<br />

Täter der Gesetzlosigkeit vernichten<br />

wird... Über den Eingang ins Reich<br />

entscheidet der Menschensohn-Weltenrichter<br />

nach einem für alle gültigen<br />

Maßstab: „ob der Wille Gottes getan<br />

Der Evangelist <strong>Matthäus</strong>.<br />

Miniatur im fränkischsächsischen<br />

Stil, entstanden<br />

in der Abtei von Sint-Amand,<br />

etwa 870. Köln, Schnütgen-<br />

Museum, Inv. Nr. G 531


Reinhard Sadecki … Das theologische Anliegen des Evangelisten <strong>Matthäus</strong><br />

wurde.“ Was Gottes Wille ist, kommt im Gleichnis vorn „Schalksknecht“<br />

(18,23 ff.) zur Sprache: Wer die Barmherzigkeit Gottes überaus reichlich erfahren<br />

hat, soll auch barmherzig mit seinem Bruder umgehen; wer aber die<br />

empfangene Barmherzigkeit nicht weitergibt, sondern äußerst unbarmherzig<br />

und selbstsüchtig missbraucht, muss mit einer ganz schweren und schlimmen<br />

Strafe rechnen. Am Ende des Gleichnisses von den bösen Weingärtnern<br />

(21,33 ff.) formuliert <strong>Matthäus</strong> die „Norm des künftigen Gerichtes“ (G. Bornkamm,<br />

S.18), die auch und gerade für die zur Kirche Gehörenden gilt. Genau<br />

das wird auch in der Schlußszene des Gleichnisses vorn königlichen Hochzeitsmahl<br />

(22,11 ff.) betont. Die Hochzeitsfeier hat schon begonnen, das Heil<br />

ist in Christus angebrochen. Und doch wird die bereits „erfolgte Entscheidung<br />

überraschend in Richtung auf die noch ausstehende Zukunft des Gerichtes<br />

wieder geöffnet“ (G. Bornkamm, S.40). Der Unwürdige, der kein hochzeitliches<br />

Gewand anhat, wird schließlich hinausgeworfen.<br />

<strong>Matthäus</strong> ruft die Christen zum Gehorsam auf. Doch führt die starke Betonung<br />

des Gerichtes und die damit verbundene Mahnung zum Tun des Willens Gottes<br />

durchaus nicht dazu, dass der Christ sich auf seine eigene Leistung stützt.<br />

Von Werkgerechtigkeit kann im <strong>Matthäus</strong>evangelium überhaupt keine Rede<br />

sein. Die Christen rühmen sich nicht ihrer selbst. Vielmehr sind sie die Kleinen<br />

(Kap. 18), die mit ihrem Bemühen, den Willen Gottes zu tun, immer wieder<br />

scheitern und sich verirren und die allein davon leben, dass der gute Hirte<br />

ihnen nachgeht und sie sucht und findet. In Kap. 5 werden die seliggepriesen,<br />

die geistlich arm sind, die nichts von sich selbst, sondern alles von Gott erwarten,<br />

die nach Gottes Kraft und Hilfe hungern und dürsten. Die Christen sind<br />

hinsichtlich ihres Gehorsams gegenüber Gott die Schwachen, die mit Furcht<br />

und Zittern dem Gericht entgegengehen und um Gottes Gnade flehen.<br />

2. Gericht und Gnade<br />

Christus ist unser Retter (1,21) und zugleich unser Richter (25,31 ff.). In ihm<br />

sind Gericht und Gnade miteinander verbunden. Für <strong>Matthäus</strong> gibt es keine<br />

Gnade ohne Gericht. Daraus folgt ganz konkret: Wenn wir das Gericht Gottes<br />

nicht ernst nehmen, missbrauchen wir seine Gnade zur Durchsetzung<br />

GESCHICHTE DES KIRCHBAUS UND UNSERER GEMEINDE<br />

Selbstsucht wird schwer bestraft<br />

Flehen um Gottes Gnade<br />

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GESCHICHTE DES KIRCHBAUS UND UNSERER GEMEINDE<br />

30<br />

Altarwand der <strong>Matthäus</strong>kirche<br />

unserer eigenen Wünsche und Interessen. Das Gericht dient dazu, diesem<br />

Missbrauch zu wehren. Es hilft uns, mit der Gnade richtig umzugehen. Das<br />

Gericht ist das Mittel, durch das die Gnade zu ihrem Ziel kommt. Darum<br />

darf, wo das Evangelium gepredigt wird, das Gericht nicht verschwiegen<br />

und nicht verdrängt werden. Luther sagt: „Wer Gottes Gericht nicht ansieht,<br />

der fürchtet sich nicht. Wer sich nicht fürchtet, der schreit nicht. Wer nicht<br />

schreit, der findet keine Gnade.“<br />

Nachwort<br />

Reinhard Sadecki … Das theologische Anliegen des Evangelisten <strong>Matthäus</strong><br />

Kyrie eleison! Herr, erbarme dich! So steht es geschrieben an der Altarwand<br />

unserer <strong>Matthäus</strong>kirche. Und so hat unsere <strong>Gemeinde</strong> immer wieder gebetet,<br />

besonders in den Nöten und Bedrängnissen der beiden Weltkriege. Die<br />

zum Gottesdienst Versammelten riefen den Herrn an, und ihr Flehen wurde<br />

erhört. Gerade in den ganz schweren Zeiten wurde unserer <strong>Gemeinde</strong> ein<br />

blühendes geistliches Leben zuteil.<br />

Auch heute will Gott uns seine Gnade reichlich schenken. Die Frage ist nur, wie<br />

wir mit diesem kostbaren Geschenk umgehen. Bonhoeffer hat vor der „billigen<br />

Gnade“ nachdrücklich gewarnt. Deshalb ist es dringend nötig, das Gericht so<br />

klar und deutlich zu verkündigen, wie es im <strong>Matthäus</strong>evangelium geschieht.


REGINE ZINKE<br />

75 Jahre <strong>Gemeinde</strong>haus von O.R. Salvisberg<br />

Die stark anwachsende Zahl der Glieder der <strong>Matthäus</strong>gemeinde in den zwanziger<br />

Jahren machte eines deutlich: Es konnte nicht mehr so weitergehen<br />

mit dem Konfirmandenunterricht in den Kellerräumen der Rothenburgstraße<br />

und in dem kirchlichen Heim in der Mittelstraße. Vier Pfarrstellen gab es in<br />

<strong>Matthäus</strong>, aber nur zwei Dienstwohnungen im Pfarrhaus, in dem auch noch<br />

die Küsterei untergebracht war. Der Bau eines <strong>Gemeinde</strong>hauses war unumgänglich<br />

geworden.<br />

Der Schweizer Architekt des <strong>Gemeinde</strong>hauses<br />

lebte in Steglitz<br />

Wenigen ist geläufig, dass mit der Beauftragung des 1882 bei Bern geborenen<br />

Otto Rudolf Salvisberg ein sehr geschätzter und berühmter Architekt gewonnen<br />

werden konnte. Er hatte nicht nur viele Wohn- und Geschäftshäuser in<br />

Berlin, in Deutschland und in der Schweiz gebaut, sondern sich auch mit<br />

dem Siedlungsbau befasst. Als ein Beispiel sei nur die Werksiedlung Piesteritz<br />

bei Lutherstadt Wittenberg genannt, deren Besuch zu empfehlen ist.<br />

Salvisberg hatte jedoch auch persönliche Bindungen an Steglitz. Hier hatte er<br />

1912 geheiratet und auch eine Wohnung gehabt.<br />

Viel Platz bot sich für den Bau des <strong>Gemeinde</strong>hauses nicht an: Der Kirche vorgelagert<br />

war der alte Friedhof, der möglichst erhalten bleiben sollte. Dadurch<br />

war es notwendig, den Bau in die Nähe der Kirche zu rücken. Die <strong>Matthäus</strong>kirche<br />

sollte ihren Mittelpunktcharakter behalten. So entschied man sich für<br />

GESCHICHTE DES KIRCHBAUS UND UNSERER GEMEINDE<br />

Geschätzt und berühmt<br />

31


GESCHICHTE DES KIRCHBAUS UND UNSERER GEMEINDE<br />

32<br />

Regine Zinke … 75 Jahre <strong>Gemeinde</strong>haus von O. R. Salvisberg<br />

einen horizontal gelagerten Baukörper, der die Höhenwirkung der Kirche<br />

noch steigern sollte. Durch zwei parallele Baukörper, die zur Schloßstraße<br />

durch einen dritten Trakt verbunden sind, wurde der Vorhof zur Kirche umfasst<br />

und es entstand ein ruhiger Bezirk, der vom Lärm der Schlossstraße<br />

abgeschirmt war.<br />

Theologische Bezüge bei der räumlichen Gliederung<br />

des Baus<br />

Das Gebäude enthielt im Mittelbau hauptsächlich die Verwaltungsräume: Hier<br />

lagen die Geschäftszimmer der Hauptverwaltung, der Raum für die Küsterei<br />

und der für die <strong>Matthäus</strong>-Diakonissen. Im ersten Stock, im Lutherzimmer, sollten<br />

die Sitzungen des <strong>Gemeinde</strong>kirchenrats stattfinden. Im rechten Flügel lagen<br />

die Wohnung für den Hausmeister bzw. den Rendanten (Rechnungsführer) und<br />

die beiden neuen Pfarrwohnungen. Der linke Flügel enthielt vier Konfirmandenzimmer<br />

und den großen <strong>Gemeinde</strong>saal, der mit seinen farbigen Fenstern<br />

dem Raum eine besondere Prägung gab. Bemerkenswert war der leuchtendrote<br />

Vorhang, dessen Farblichkeit von<br />

dem taubenblau-schwarzen Gebälk<br />

und den grauen Fenstervorhängen aufgefangen<br />

wurde. Die Konfirmandenzimmer<br />

wurden zur Unterscheidung<br />

nach je einem evanglischen Musiker,<br />

Dichter, Maler und einem großen Theologen<br />

der Inneren Mission benannt:<br />

Bach, Paul Gerhardt, Dürer und Wichern<br />

wurden ausgewählt.<br />

Richtfest des <strong>Gemeinde</strong>hauses am 28. März 1930<br />

Neben dem Eingang zum <strong>Gemeinde</strong>haus,<br />

über einer Sitzbank aus dichtem<br />

Kalkstein, Travertin genannt, der auch<br />

die Säulen des Durchgangs und die<br />

Eingangstüren umkleidet, befindet sich<br />

eine Keramik des Steglitzer Bildhauers


Regine Zinke … 75 Jahre <strong>Gemeinde</strong>haus von O. R. Salvisberg<br />

Rhades: „Die törichten Jungfrauen“. Sie<br />

trägt den Spruch: „Wachet, denn ihr wisset<br />

weder Zeit noch Stunde, welcher des<br />

Menschen Sohn kommen wird.“<br />

Vielfältige Nutzung<br />

im Lauf der Zeiten<br />

GESCHICHTE DES KIRCHBAUS UND UNSERER GEMEINDE<br />

Relief am Eingang zum <strong>Gemeinde</strong>haus<br />

Diese Worte sollten bald eine besondere<br />

Bedeutung bekommen, als sich in den dreißiger Jahren der Widerstand<br />

in der <strong>Gemeinde</strong> gegen die Deutschen Christen regte und von der Bekennenden<br />

Kirche Kindergottesdienste angeboten wurden. In den späteren<br />

Kriegsjahren hatte man den linken Flügel des <strong>Gemeinde</strong>hauses als Lazarett<br />

genutzt. Der große helle Fleck an der Vorderseite zeigt an, dass sich <strong>hier</strong><br />

ein rotes Kreuz befand. Bei einem Bombenangriff 1943 wurden Teile des<br />

Gebäudes zerstört und es brach ein Brand aus.<br />

In den neunziger Jahren erfuhr das <strong>Gemeinde</strong>haus im Zuge einer Asbestsanierung<br />

eine Grunderneuerung. Der Saal, dessen Anstrich mit dem Amt<br />

für Denkmalschutz abgestimmt wurde, erhielt einen Parkettfußboden. Die<br />

hellen, schönen Räume dienen Veranstaltungen wie Vorträgen und Seminaren,<br />

dem Konfirmandenunterricht und<br />

zeitweilig auch Gottesdienstfeiern. Bei<br />

dem jährlichen Adventsbasar und den<br />

noch häufiger stattfindenden Baby-Trödeln<br />

wandelt sich das <strong>Gemeinde</strong>haus<br />

in eine Markthalle. Viele Feste der <strong>Gemeinde</strong><br />

haben <strong>hier</strong> ihren Mittelpunkt:<br />

scheidende Pfarrer und Pfarrerinnen<br />

werden im großen Saal feierlich verabschiedet,<br />

neue würdevoll empfangen.<br />

Im <strong>Gemeinde</strong>haus hat das vielfältige<br />

<strong>Gemeinde</strong>leben wahrhaftig einen<br />

guten Ort. <strong>Gemeinde</strong>haus zur Einweihung am 26. November 1930<br />

33


GESCHICHTE DES KIRCHBAUS UND UNSERER GEMEINDE<br />

34<br />

Steglitz wird selbstständige <strong>Gemeinde</strong>.<br />

Urkunde aus dem Jahr 1893


REGINE ZINKE<br />

Das <strong>Gemeinde</strong>leben bis 1945<br />

Die Jahre nach der Einweihung der Kirche waren geprägt davon,<br />

die Schuldenlast abzutragen, die mit dem Neubau der Kirche entstanden<br />

war. Gestern wie heute waren Ideen dazu gefragt, und so<br />

vermietete man die Plätze in der Kirche monatlich, jährlich und<br />

sogar auf Lebenszeit. Erst 1914 wurde dieser Brauch eingestellt,<br />

doch noch heute kann man die Löcher vor allem an den seitlichen<br />

Plätzen der Bankreihen sehen: Hier waren die Namensschilder<br />

der Gottesdienstbesucher befestigt. Die nächste Belastung traf die<br />

<strong>Gemeinde</strong> 1898 durch die Errichtung eines Pfarrhauses, das wiederum<br />

mit Hilfe von Darlehen finanziert wurde.<br />

Im Nachhinein erwiesen sich diese Probleme im Vergleich zu den<br />

schweren Zeiten, die auf die <strong>Gemeinde</strong> zukommen sollten, noch als gering.<br />

Vorerst war man mit dem Aufbau des <strong>Gemeinde</strong>lebens beschäftigt. Für Pfarrer<br />

Carl Friedrich Stephani aus Giesensdorf war die Versorgung der Tochtergemeinde<br />

Steglitz längst nicht mehr zu bewältigen. So wurde schon 1873<br />

Arthur Wuthenow als Hilfsprediger hinzugezogen. Doch erst 1893 wurde<br />

die Verbindung mit Giesensdorf gelöst und Prediger Wuthenow als Pfarrer<br />

eingeführt.<br />

Nicht nur der Kindergottesdienst erfuhr mit den Jahren einen großen Zulauf,<br />

sondern das kirchliche Vereinsleben insgesamt blühte auf. Es gab einen Frauen-<br />

sowie einen Kindermissionsverein, einen Suppen- und Nähverein, einen<br />

„vaterländischen Frauenverein“, der für die Armen- und Krankenpflege zuständig<br />

war, und die evangelische Frauenhilfe. 1890 wurde ein Kirchenchor<br />

GESCHICHTE DES KIRCHBAUS UND UNSERER GEMEINDE<br />

Spuren von Namensschildern<br />

an den Kirchenbänken<br />

Reges kirchliches Vereinsleben<br />

Ende des 19. Jahrhunderts<br />

35


GESCHICHTE DES KIRCHBAUS UND UNSERER GEMEINDE<br />

36<br />

Politisierung des<br />

<strong>Gemeinde</strong>lebens durch<br />

den 1. Weltkrieg<br />

Regine Zinke … <strong>Gemeinde</strong>leben bis 1945<br />

gegründet, der in den Berliner Zeitungen mit anerkennenden Worten gewürdigt<br />

wurde.<br />

Angesichts des Kriegsgeschehens 1914–1918 und seiner Auswirkungen<br />

bemühten sich die <strong>Gemeinde</strong>glieder, mit den vielfachen Notständen der Lebensmittelknappheit<br />

fertig zu werden. Die Menschen suchten jedoch auch<br />

seelischen Trost, denn die Verlustlisten gefallener Angehöriger wurden länger<br />

und verschärften die Not in den Familien. Gleichzeitig wuchs die <strong>Gemeinde</strong><br />

an, besonders die Jugendarbeit in dem Evangelischen Verein junger Männer<br />

und dem junger Frauen „Wartburg“ nahm zu.<br />

Auch der von Pfarrer Bogan 1912 getaufte spätere Diakon Fritz Sturz trat mit<br />

10 Jahren in die Jungschar des Wartburg-Vereins ein. In seinen Erinnerungen<br />

aus dem Jahre 1988 beschreibt er die schönen Fahrten, die sie unternahmen,<br />

und dass sie zu allen möglichen Ehrendiensten in der Kirche oder bei Veranstaltungen<br />

im <strong>Gemeinde</strong>haus herangezogen worden seien und so in das<br />

<strong>Gemeinde</strong>leben hineinwuchsen. Er erlebte als Zeitzeuge die Anfänge der Nationalsozialisten,<br />

die versuchten, die evangelische Kirche auf ihre Seite zu ziehen.<br />

Er beteiligte sich aktiv am „Kirchenkampf“, der zwischen der Fraktion der<br />

Deutschen Christen, die von den Nationalsozialisten<br />

unterstützt wurden, und Mitgliedern<br />

der Bekennenden Kirche ausgetragen wurde.<br />

Heldengedenkfeier in der <strong>Matthäus</strong>kirche 1934<br />

Der Leiter der Steglitzer Gruppe der Deutschen<br />

Christen war der 1929 an die <strong>Matthäus</strong>kirche<br />

berufene Pfarrer Werner Rogge. Fritz Sturz<br />

schreibt dazu: „Er war Offizier im ersten Weltkrieg<br />

und Träger des Eisernen Kreuzes I, er entwickelte<br />

bald ein reges <strong>Gemeinde</strong>leben und<br />

war wegen seiner sozialen Einstellung beliebt.<br />

Es war damals eine recht schlechte Zeit, viele<br />

Arbeitslose und kinderreiche Familien lebten<br />

in seinem Pfarrbezirk. Er half ihnen, soweit es<br />

möglich war. Seine politische Einstellung als


Regine Zinke … <strong>Gemeinde</strong>leben bis 1945<br />

ehemaliger Offizier war national. Ab 1932 zeigte er Interesse am Nationalsozialismus<br />

und wurde Mitglied der NSDAP ... Die politisch Desinteressierten<br />

wurden Mitläufer des braunen Kultes. Die braune Uniform beherrschte das<br />

Straßenbild. Die Nazis besuchten zunächst auch die Gottesdienste, die SA erschien<br />

mit Fahnen in der Kirche und ließ diese sogar vom Geistlichen weihen.<br />

Pastor Rogge hatte nun Gelegenheit, sich aktiv zu zeigen.<br />

Recht bald sah man hinter die Kulissen und die kirchlich eingestellten Leute<br />

begannen sich vom Nazirummel in der Kirchenleitung zu distanzieren ...<br />

Die Bekenntnispfarrer wurden von der Gestapo überwacht. In den Gottesdiensten<br />

saßen Polizeispitzel, die teilweise die Predigten mitschrieben; die<br />

Pfarrer erhielten daraufhin eine Vorladung von der Gestapo; wenn etwas<br />

beanstandet wurde, bekamen sie Hausarrest oder wurden vom Dienst suspendiert.“<br />

Der 1917 an die <strong>Matthäus</strong>kirche berufene Pfarrer Moldaenke zählte zur Bekennenden<br />

Kirche und stellte sich den Deutschen Christen entgegen. Er war<br />

häufigen Vorladungen durch die Gestapo ausgesetzt. Harald Hasper, früherer<br />

Vikar und späterer Pfarrer an der <strong>Matthäus</strong>kirche, erinnert sich: „An einem<br />

Sonntag durfte Moldaenke nicht predigen, er hatte Hausarrest. Und so stand<br />

die <strong>Gemeinde</strong> vor seinem Haus in der Rothenburgstraße und hat gesungen:<br />

‚Ach bleib mit deiner Gnade‘ und Moldaenke stand oben<br />

am Fenster!“<br />

Die Haltung der <strong>Gemeinde</strong><br />

während des Faschismus<br />

GESCHICHTE DES KIRCHBAUS UND UNSERER GEMEINDE<br />

Bei den Kirchenwahlen in Steglitz vom Juli 1933 hatten<br />

die Deutschen Christen zwei Drittel aller Stimmen<br />

erhalten, doch war diese anfängliche Mehrheit bald verschwunden.<br />

Pfarrer Gottfried Garten, der als Mitglied der<br />

NSDAP und der Deutschen Christen die Pfarrstelle in der<br />

<strong>Matthäus</strong>kirche erhalten hatte, distanzierte sich und trat<br />

aus der Bewegung aus. Später wurde er in die Bekennenden<br />

Kirche aufgenommen. Trauerzug für Pfarrer Garten<br />

Grab von Pfarrer<br />

Moldaenke (1880–1947)<br />

37


GESCHICHTE DES KIRCHBAUS UND UNSERER GEMEINDE<br />

38<br />

Kirchenkampf in Steglitz<br />

Widerstand gegen die Vereinnahmung der Kirche durch die Nationalsozialisten<br />

regte sich auch unter den <strong>Gemeinde</strong>gliedern. Die Mitglieder der Bekennenden<br />

Kirche fanden zunehmend Unterstützung.<br />

So berichtet Fritz Sturz, dass ihn im Herbst 1934 einer seiner Freunde unter<br />

einem Vorwand telefonisch nach Steglitz gerufen hätte: „Am folgenden Sonntag<br />

sollte der Reichsbischof [Ludwig Müller] in der <strong>Matthäus</strong>kirche predigen,<br />

wofür schon viel Propaganda gemacht wurde. Wir überlegten, auf welche<br />

Weise dieser Gottesdienst verhindert bzw. gestört werden könnte. Einer von<br />

den jungen Leuten konnte einen Briefbogen mit Kopf der <strong>Matthäus</strong>kirche<br />

besorgen, darauf wurde an den Steglitzer Anzeiger geschrieben, dass die geplante<br />

Veranstaltung wegen anderweitiger Verpflichtung des Reichsbischofs<br />

ausfallen müßte und man bitte um entsprechende Veröffentlichung. Diese<br />

Nachricht brachte der Steglitzer Anzeiger prompt am Sonnabend vorher. Als<br />

dies die Deutschen Christen, besonders P. Rogge erfuhren, gerieten sie in<br />

Aufregung und sie dementierten diese Zeitungsmeldung ... Die Kirche war<br />

voll mit Hakenkreuzfahnen dekoriert, auch die Wände der Emporen waren<br />

behangen. Etwa die Hälfte der Gotttesdienstbesucher waren in der braunen<br />

Uniform erschienen ... Außer Müller war auch Hossenfelder [Reichsleiter der<br />

Kirchenfachberater der NSDAP] zugegen, der an der Liturgie beteiligt war.<br />

Von ihm ist mir folgendes Zitat in Erinnerung: ‚ Wir haben zwei Führer, Adolf<br />

Hitler und Gott‘.“<br />

Neubeginn nach 1945<br />

Regine Zinke … <strong>Gemeinde</strong>leben bis 1945<br />

Der Zweite Weltkrieg brachte Not und Elend für die Menschen in der <strong>Gemeinde</strong>.<br />

Bei Bombenangriffen wurden 1943 die Fenster der <strong>Matthäus</strong>kirche<br />

zerstört; der Bau diente als Auffanglager für Möbel, die aus den umliegenden<br />

Häusern gerettet wurden. Es galt, den Menschen nicht nur mit Worten, sondern<br />

auch mit Taten beizustehen. Nach dem Krieg musste man sich nicht nur<br />

aus den umliegenden Trümmern hervorarbeiten, sondern auch die <strong>Gemeinde</strong>arbeit<br />

auf eine neue Basis stellen. Der Neuanfang zwang viele, sich mit der<br />

eigenen Vergangenheit auseinander zu setzen. Nicht immer konnten klare<br />

Trennungslinien zwischen „Täter“ und „Opfer“, zwischen „schuldig“ und<br />

„nicht schuldig“ zwischen „Nazi“ und „Widerstand“ gezogen werden.


ERIKA REIHLEN<br />

Dieser Ort ist ein Geschenk<br />

Die Steglitzer Spiegelwand<br />

GESTERN ERST – GEMEINDELEBEN IN DER 2. HÄLFTE DES 20. JAHRHUNDERTS<br />

Mitten im pulsierenden Leben von Steglitz, in Sichtweite gelegen zu unserer<br />

<strong>Matthäus</strong>kirche, zur katholischen Rosenkranzbasilika, ein paar Schritte entfernt<br />

von der Baptistengemeinde steht auf dem Hermann-Ehlers-Platz die Spiegelwand:<br />

Mahnmal, Denkzeichen, Kunstwerk – ein mit Informationen beidseitig<br />

beschriebener Spiegel aus Edelstahl, 9 m lang, 3.50 m hoch, 20 cm breit.<br />

Im Hof des Hauses Düppelstraße 41 liegt, verborgen hinter der Häuserfront<br />

des Platzes, das alte, kleine, heute nicht mehr als Bethaus genutzte Synagogengebäude.<br />

Geplant und errichtet wurde die Spiegelwand von den Architekten<br />

Wolfgang Göschel und Joachim von Rosenberg und dem Historiker Hans-Norbert<br />

Burkert. Die festliche Übergabe an die Öffentlichkeit war 1995.<br />

Wer liest und lernen will, erfährt auf der Spiegelwand<br />

• von der Geschichte der kleinen Synagoge<br />

• von der Geschichte der jüdischen Bevölkerung in Steglitz<br />

• von den Schikanen, Diskriminierungen und Deportationen, die die jüdische<br />

Bevölkerung während der Zeit des Nationalsozialismus erlitten hat.<br />

„Man hat ihnen die Berufe genommen, das Besitztum gestohlen, sie durften<br />

nicht erben oder vererben, sie durften nicht auf Parkbänken sitzen oder einen<br />

Kanarienvogel halten, keine öffentlichen Verkehrsmittel benutzen, keine<br />

Restaurants, keine Konzerte, Theater oder Kinos besuchen, für sie galten bestimmte<br />

Rassengesetze, ihnen wurden sämtliche staatsbürgerlichen Rechte<br />

Erinnerung an die Steglitzer<br />

Juden auf dem Marktplatz<br />

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GESTERN ERST – GEMEINDELEBEN IN DER 2. HÄLFTE DES 20. JAHRHUNDERTS<br />

40<br />

entzogen, die Freizügigkeit wurde ihnen genommen, ihre Menschenrechte<br />

und ihre Menschenwürde wurden in den Staub getreten, bis sie in Konzentrationslager<br />

deportiert wurden und in die Gaskammern kamen …..Die<br />

Opfer waren Juden…..<br />

Der gelbe Stern kennzeichnete sie.“<br />

Dieser Text auf der Spiegelwand stammt von Robert M.W. Kempner (1899–<br />

1993), ehemaliger jüdischer Lichterfelder Bürger, einer der Hauptankläger<br />

am Internationalen Gerichtshof 1947 in Nürnberg.<br />

Auch einige wenige Bilder sind in die Spiegelwand hinein komponiert., z.B.<br />

das von der zerstörten und wieder aufgebauten Synagoge in der Oranienburger<br />

Straße. 1.723 Namen jüdischer Bürgerinnen und Bürger mit Geburtsdaten,<br />

Stadtteil- und Straßenangaben sind zu lesen, darunter 231 Namen aus<br />

Steglitz. Es sind Deportationslisten, ein Ausschnitt nur aus der Gesamtzahl<br />

von mehr als 55.000 Berliner Deportierten.<br />

Und heute ? So fragt die Spiegelwand.<br />

Erika Reihlen … Die Steglitzer Spiegelwand<br />

Konfrontation als Mahnung<br />

Im pulsierenden Leben des Marktplatzes<br />

bewegen sich spiegelnd Menschen,<br />

Vögel, Wolken, Bäume, Fahrzeuge.<br />

„Die Namen der Spiegelwand laufen<br />

den Menschen über die Haut. Guckst<br />

du in Richtung Synagoge, siehst du dich<br />

selbst. Die Juden sind fast alle weg, aber<br />

du bist da“, hat ein Journalist geschrieben.<br />

„Und die Straßen, in denen sie<br />

wohnten, kennst du genau.“ Namen<br />

und Straßennamen sind festgehalten,<br />

eingeschrieben in die Spiegelwand.<br />

Und sie wohnten mitten unter uns, in<br />

der Albrechtstraße 38, in der Zimmer-


Erika Reihlen … Die Steglitzer Spiegelwand<br />

GESTERN ERST – GEMEINDELEBEN IN DER 2. HÄLFTE DES 20. JAHRHUNDERTS<br />

mannstraße 7, am Hindenburgdamm 80, am Gardeschützenweg 96, Unter<br />

den Eichen 63. All diese Straßen sind bekannt und nicht weit weg.<br />

Und viele von damals hatten gesagt: wir haben es nicht gewusst. Aus der<br />

Heinersdorfer Straße 40 in Berlin-Lichterfelde, so steht es auf der Spiegelwand,<br />

wurden 26 ältere Menschen am 21. Juli 1942 nach Theresienstadt<br />

deportiert, alle zusammen an dem selben Tag – hat das niemand gemerkt ?<br />

„Gedenke“, dieses Wort ist in Deutsch und in Hebräisch eingraviert.<br />

Die Steglitzer Spiegelwand ist gerade 10 Jahre alt geworden.<br />

Bis zur Vollendung hat sie einen weiten Weg hinter sich bringen müssen.<br />

Es hat Jahrzehnte gedauert, bis die Erinnerung an das jüdische Bethaus in<br />

Steglitz und die Zeit der Verfolgung öffentlich gemacht wurden.<br />

Geschichte der Synagoge in der Düppelstraße<br />

Im Anfang war eine Remise, ein Pferdestall,<br />

1873 eingeschossig errichtet<br />

und zugehörig zum Wohn- und Geschäftshaus<br />

des jüdischen Textilhändlers<br />

Moses Wolfenstein (1838-1907),<br />

in der heutigen Düppelstraße 41.<br />

Wolfenstein, preußischer Soldat im<br />

deutsch-französischen Krieg 1870/71,<br />

Vorsteher des Steglitzer Religiösen Vereins<br />

Jüdischer Glaubensgenossen, ließ<br />

1897 die Remise umbauen und aufstocken.<br />

Der untere Raum mit der kleinen<br />

Apsis wurde als Betraum genutzt. In<br />

der Pogromnacht 1938 wurde die kleine<br />

Synagoge verwüstet, 1943 wurde<br />

sie durch Bomben geschädigt.<br />

Der Hermann-Ehlers-Platz mit Spiegelwand.<br />

Links im Bild das Gelände Düppelstraße 41<br />

41


GESTERN ERST – GEMEINDELEBEN IN DER 2. HÄLFTE DES 20. JAHRHUNDERTS<br />

42<br />

1945 gab es in Steglitz noch 150 Bürger/innen jüdischer Herkunft, 1933<br />

waren es 3.186 gewesen.<br />

Nach dem Krieg wurde das Synagogengebäude wieder hergestellt. Es diente<br />

als Wohnhaus. Auf dem Gelände entstanden eine Eisdiele und ein Biergarten,<br />

frei zugänglich vom Platz her, das ganze rechts und links von fünfgeschossigen<br />

Wohnhäusern eingerahmt, ein ungeordnetes Provisorium bis 1991.<br />

Die Spiegelwand – ein politischer Streitfall im Bezirk<br />

Anfang der neunziger Jahre beschloss die Steglitzer Bezirksverordnetenversammlung<br />

die Neugestaltung des Hermann-Ehlers-Platzes. Ein Wettbewerb<br />

für ein Mahnmal wurde, mit bestimmten Bedingungen verknüpft, ausgeschrieben:<br />

das Mahnmal sollte den Bezug herstellen zu der verborgenen<br />

Synagoge. Es sollte hinweisen auf die Geschichte der jüdischen Bevölkerung<br />

von Steglitz, auf den nationalsozialistischen Völkermord und unsere heutige<br />

Verantwortung, und es sollte mitten in das geschäftige Steglitzer Leben hinein<br />

gestellt werden.<br />

Die Aufbauphase war gekennzeichnet von einem fast 2 Jahre dauernden blamablen<br />

und hinhaltenden politischen Streit in unserem Bezirk, in der Steglitzer<br />

Bezirksverordnetenversammlung und in der politischen Öffentlichkeit.<br />

Es ging um das „Wie“, das „Warum“, die Ausmaße und schließlich das „Ob<br />

überhaupt“ dieses Mahnmals, so lange, bis der Berliner Senat von seinem<br />

Eingriffsrecht Gebrauch machte und das Verfahren an sich zog.<br />

Im September 1994 wurden die Fundamente gelegt, die Spiegelwand wurde<br />

gebaut und am 7. Juni 1995 mit einer bewegenden Feier eingeweiht.<br />

Die israelische Partnergemeinde von Steglitz, Kiriat Bialik, und die Jüdische<br />

<strong>Gemeinde</strong> zu Berlin waren vertreten, und die Stimme des unvergessenen<br />

jüdischen Kantors Estrongo Nachama erfüllte den Marktplatz.<br />

Die Spiegelwand – ein Ort des Gedenkens<br />

Immer wieder – immer noch geht es um diese Fragen :<br />

Erika Reihlen … Die Steglitzer Spiegelwand<br />

• Die Shoah ist Realität und nicht zu leugnen. Aber wie finden wir Vergebung,<br />

wie Entlastung von der Schuld unseres Volkes ?


Erika Reihlen … Die Steglitzer Spiegelwand<br />

GESTERN ERST – GEMEINDELEBEN IN DER 2. HÄLFTE DES 20. JAHRHUNDERTS<br />

• Der Völkermord ist kein anonymes Ereignis. Mit Namen, Geburtsdaten<br />

und Adressen rücken uns die ermordeten Nachbarn auf den Leib. Das tut<br />

weh und macht Relativierung und Verdrängung unmöglich. Der Spiegel<br />

weist auf mich selbst : Was hätte ich getan – was würde ich tun ?<br />

• Die Spiegelwand ist Teil von Steglitz geworden. Kratzer auf dem Spiegel,<br />

Farbspuren sind Ausnahmen. Manchmal stellt jemand Blumen hin. Unsere<br />

Kinder und Enkelkinder stellen uns Fragen. Sie hören unsere Antworten,<br />

gucken auf die Wand, schneiden Grimassen und amüsieren sich über<br />

die Spiegeleffekte.<br />

Die Spiegelwand ist Ort regelmäßiger Gedenkveranstaltungen am 9. November,<br />

dem Tag der Pogromnacht 1938, am 27. Januar, dem Tag der Befreiung<br />

von Auschwitz 1945, und jüngst am 10. Jahrestag der Einweihung der Spiegelwand,<br />

im Juni 2005.<br />

Dieser Ort ist Geschenk und Verpflichtung<br />

So sehen es die <strong>Gemeinde</strong>kirchenräte und der Ökumenische Arbeitskreis<br />

unserer drei <strong>Gemeinde</strong>n. So sieht es der Kirchenkreis Steglitz. So sieht es<br />

die „Initiative Haus Wolfenstein“, deren aktiver Einsatz seit Ende der 80er<br />

Jahre zum Erhalt der kleinen Synagoge und zur Errichtung der Spiegelwand<br />

Erhebliches zu Stande gebracht hat. So sehen es einige Schulen im Umkreis,<br />

und so sehen es auch die Schwestern vom Heiligen Herzen Jesu im heutigen<br />

Haus Nazareth in der Wrangelstraße 6- 7. Dieses Haus wurde 1910 als Jüdische<br />

Blindenanstalt für Deutschland erbaut, mit einer Synagoge in ihren vier<br />

Wänden.<br />

Lebendige Auseinandersetzung mit der Geschichte muss diesen Ort kennzeichnen.<br />

Erstarrung in Trauer und Reue bewirken Gleichgültigkeit und Widerwillen<br />

und verhindern, dass „unsere Kinder uns morgen fragen“ (5. Mose 6, 20).<br />

Dieser Ort ist ein Lernort.<br />

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GESTERN ERST – GEMEINDELEBEN IN DER 2. HÄLFTE DES 20. JAHRHUNDERTS<br />

44<br />

Inschrift an der Synagoge<br />

Berlin-Steglitz:<br />

Die 10 Gebote<br />

Erika Reihlen … Die Steglitzer Spiegelwand


RAINER BORRMANN UND DIETMAR PERTSCH<br />

Christlich-jüdischer Dialog<br />

in der <strong>Matthäus</strong>gemeinde<br />

GESTERN ERST – GEMEINDELEBEN IN DER 2. HÄLFTE DES 20. JAHRHUNDERTS<br />

Es begann mit den Vorbereitungen zu einer <strong>Gemeinde</strong>reise nach Israel.<br />

Eine Gruppe aus der <strong>Matthäus</strong>gemeinde plante im Frühjahr 1980 nach Israel<br />

zu fahren, um das Land der Bibel, seine abwechslungsreiche Landschaft, die<br />

wichtigsten Orte, seine Menschen und heiligen Stätten kennen zu lernen.<br />

Diese Studienreise, an der 34 Personen teilnahmen, wurde durch eine<br />

Reihe von Seminaren intensiv vorbereitet. Wir beschäftigten uns mit<br />

der Geschichte Israels, mit der Geschichte der Juden in der nachbiblischen<br />

Zeit, mit dem Zionismus und dem Staat Israel. Es gab Informationen<br />

über das Judentum, seine Feste und Riten. Wir besuchten einen<br />

Gottesdienst in der Synagoge Pestalozzistraße und hatten ein Gespräch<br />

mit einem Rabbiner. In diesem Zusammenhang lernte ich Estrongo<br />

Nachama, den Oberkantor der Jüdischen <strong>Gemeinde</strong> zu Berlin kennen.<br />

Nichtjuden war er vor allem durch die seit über 30 Jahren vom RIAS<br />

ausgestrahlten Sabbatfeiern und durch Konzerte bekannt.<br />

Ich träumte von einem Gottesdienst zusammen mit Kantor Nachama in unserer<br />

<strong>Matthäus</strong>kirche. Nachdem einige Fragen mit dem Vorstand der Jüdischen<br />

<strong>Gemeinde</strong> geklärt waren – ein solcher gemeinsamer Gottesdienst war Neuland<br />

–, fand am 12. Oktober 1980 der erste Gottesdienst mit Estrongo Nachama<br />

in unserer Kirche statt. Harry Foß begleitete ihn auf der Orgel, und weitere<br />

Menschen jüdischen Glaubens waren unsere Gäste. Die herrliche Stimme<br />

des Oberkantors und die schönen Gesänge blieben allen unvergesslich.<br />

Die Initialzündung unter<br />

Pfarrer Borrmann (1979-1985)<br />

1982: <strong>Gemeinde</strong>fahrt<br />

nach Israel; in der<br />

Altstadt von Jerusalem<br />

45


GESTERN ERST – GEMEINDELEBEN IN DER 2. HÄLFTE DES 20. JAHRHUNDERTS<br />

46<br />

Der erste jüdischchristliche<br />

Gottesdienst<br />

in der <strong>Matthäus</strong>kirche<br />

Estrongo Nachama, Oberkantor<br />

der Jüdischen <strong>Gemeinde</strong> Berlin<br />

Fortführung des Dialoges<br />

(1986-2004)<br />

Rainer Borrmann und Dietmar Pertsch … Christlich-Jüdischer Dialog in der <strong>Matthäus</strong>gemeinde<br />

In diesem Gottesdienst sollte „in besonderer Weise die Verbundenheit zwischen<br />

Juden und Christen deutlich werden“: Als Lesung dienten Verse aus<br />

dem Römerbrief, in denen Paulus sich mit dem Verhältnis Juden-Christen<br />

beschäftigt. Anstelle des Glaubensbekenntnisses wurden einige der 13 Glaubensartikel<br />

des Rabbi Maimonides (12. Jhd.) gelesen, die uns Christen mit<br />

den Juden verbinden. In der Predigt wurden vor allem die Dinge hervorgehoben,<br />

die Juden und Christen gemeinsam sind: Juden und Christen bekennen<br />

sich zu ein und demselben Gott und gründen ihren Glauben auf ein gemeinsames<br />

Buch, das für beide Heilige Schrift ist. Juden und Christen verbindet<br />

der Gottesdienst und sie sind in ihrem Handeln gemeinsam bestimmt durch<br />

das Gebot der Liebe.<br />

Juden und Christen schließlich verbindet Jesus von Nazareth, der in seinem<br />

Leben und Denken von Anfang bis Ende Jude war. Sicherlich, die Frage, ob<br />

Jesus der Messias sei, trennt uns von den Juden; die Person Jesu aber verbindet<br />

uns. Mancher Jude steht dem Juden Jesus durch die gemeinsame Geschichte<br />

und den gemeinsamen Glauben so nahe, wie wir Christen aus anderen<br />

Völkern es nie sein könnten. Zum Abschluss sang Nachama den Segen „Der<br />

Herr segne dich und behüte dich“ in der hebräischen Ursprache. Manchen<br />

Gottesdienstbesucher hat es erstaunt und zum Nachdenken gebracht, wie tief<br />

das Christentum im Judentum verwurzelt ist.<br />

Es folgten später weitere Gottesdienste mit Estrongo Nachama, auch weitere<br />

Israelreisen und Seminare über das Judentum, Besuche von Jugendlichen in<br />

der Synagoge, die Teilnahme von <strong>Gemeinde</strong>gliedern an Freitagabendgottesdiensten<br />

und andere Aktivitäten.<br />

Am Rande sei noch erwähnt, dass durch die gemeinsamen Gottesdienste, die<br />

ich mit Estrongo Nachama vorbereitete und durchführte, im Laufe der Zeit<br />

eine tiefe Freundschaft entstand.<br />

Rainer Borrmann<br />

Auch nachdem Pfarrer Borrmann 1986 in Britz eine neue Pfarrstelle angetreten<br />

hatte, sollte der christlich-jüdische Dialog in unserer <strong>Gemeinde</strong> fortgeführt<br />

werden. Jetzt waren die Laien gefragt. Pfarrer und Pfarrerinnen der


GESTERN ERST – GEMEINDELEBEN IN DER 2. HÄLFTE DES 20. JAHRHUNDERTS<br />

Rainer Borrmann und Dietmar Pertsch … Christlich-Jüdischer Dialog in der <strong>Matthäus</strong>gemeinde<br />

<strong>Gemeinde</strong> bejahten die Empfehlungen der Kirchenleitungen wie das „Wort<br />

zum 9. November 1988“:<br />

„Wir haben die Pflicht, wahrheitsgetreue Kenntnisse über das Judentum, die<br />

jüdische Religion, Geschichte und Kultur zu verbreiten und zu vertiefen. Der<br />

christlich-jüdische Dialog über zentrale Fragen unseres Glaubens verdient auf<br />

allen Ebenen Förderung und Unterstützung.“<br />

Da traf es sich gut, dass zwei Menschen aus dem <strong>Gemeinde</strong>kirchenrat sich<br />

über Jahre hinaus dem Bemühen um Fortsetzung des christlich-jüdischen<br />

Dialogs verpflichtet fühlten: Ursula Brennecke, die einige Wahlperioden hindurch<br />

Vorsitzende bzw. stellv. Vorsitzende des <strong>Gemeinde</strong>kirchenrats war,<br />

und der Verfasser dieses Artikels.<br />

Die Schwerpunkte lagen auf zwei Gebieten: bei der Seminararbeit und in<br />

der Redaktion der <strong>Gemeinde</strong>zeitung Treffpunkt <strong>Matthäus</strong>. Leider gelang es<br />

nicht, wieder einen Gottesdienst mit jüdischer Mitwirkung zu gestalten, aber<br />

Frau Brennecke ging in ihren Predigten auf das christlich-jüdische Verhältnis<br />

ein. Der „Arbeitskreis Gottesdienst“ bereitete dann zum 9. November 1986<br />

einen Gottesdienst zum Thema „Juden – Christen“ vor. Zwei Jahre später<br />

führten wir aus Anlass der 50. Wiederkehr des Pogroms vom 9. November<br />

1938 ein <strong>Gemeinde</strong>seminar durch: „Christen und Juden: Trauerarbeit an einem<br />

verdrängten Stück unserer Lebens-Geschichte“ vom 11.-13. November<br />

1988, zu dem wir als Referent Prof. Dr. F.-W. Marquardt und als Prediger im<br />

Sonntagsgottesdienst Prof. Dr. J. Hoppe (beide vom FU-Seminar für Ev. Theologie)<br />

gewinnen konnten.<br />

Auch in Artikeln unserer <strong>Gemeinde</strong>zeitung nahmen wir Themen des christlichjüdischen<br />

Dialogs auf. So wurden berühmte Persönlichkeiten aus jüdischen Familien<br />

vorgestellt (z.B. Felix Mendelsohn-Bartholdy) und Buchempfehlungen<br />

ausgesprochen, Lebensschicksale von Verfolgten während der Nazizeit veröffentlicht<br />

(die Lebenserinnerungen unseres Kirchenältesten Dr. Horst Hartwich<br />

oder die des während der Nazizeit in der Illegalität lebenden Manfred Friedländer).<br />

Parallel zum Christen-und-Juden-<strong>Gemeinde</strong>seminar 1988 informierte der<br />

„Treffpunkt“ über die Berliner Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit<br />

und über Juden in Steglitz am 9. November 1938.<br />

Jüdisch-christliche Seminare<br />

Fortsetzung des Dialogs<br />

im „Treffpunkt“<br />

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GESTERN ERST – GEMEINDELEBEN IN DER 2. HÄLFTE DES 20. JAHRHUNDERTS<br />

48<br />

Dialog im Wohnzimmer<br />

Rainer Borrmann und Dietmar Pertsch … Christlich-Jüdischer Dialog in der <strong>Matthäus</strong>gemeinde<br />

Selbstverständlich wurde auch ein Bericht über die Studienfahrt nach Israel<br />

gegeben. Zur Woche der Brüderlichkeit 1993 gab es ein Themenheft „Juden<br />

und Christen: Kinder eines Vaters“ mit einem zentralen Artikel über das<br />

Verhältnis von Juden und Christen in neutestamentlicher Zeit von Prof. Dr.<br />

Walter Schmithals, gefolgt von einem Plädoyer für einen christlich-jüdischen<br />

Dialog: „Gott hat sein Volk nicht verstoßen“. In anderen Treffpunkt-Ausgaben<br />

erschienen Berichte über die Arbeitsgemeinschaft Juden und Christen<br />

auf dem Kirchentag in München, über die „Denkzeichen“-Spiegelwand auf<br />

dem Hermann-Ehlers-Platz, und das Schwerpunktthema Religionsunterricht<br />

stand unter dem Motto „Religionsunterricht muss dem Antisemitismus<br />

wehren.“<br />

Seit Ende meiner Berufstätigkeit 1994 führe ich das Engagement für den<br />

christlich-jüdischen Dialog in einer anderen Form: Meine Frau und ich laden<br />

zum monatlichen Hauskreis „Christsein im Dialog“ ein. In dem Hauskreis<br />

wechseln theologische und literarische Themen: Da geht es um Martin Buber<br />

und Franz Rosenzweig, um Schalom Ben-Chorin, um Heinrich Heine als<br />

jüdischen Dichter, um jüdische Schriftsteller aus Polen wie Isaac Bashevis<br />

Singer, Julian Stryjkowski und Bruno Schulz, aus Galizien und der Bukowina<br />

wie Karl Emil Franzos, Paul Celan und Rose Ausländer, aber auch um quicklebendige<br />

Autoren wie Maxim Biller und Barbara Honigmann.<br />

Aber wir wagen uns auch an diffizilere Themen wie einen Vergleich der<br />

deutschen Übersetzungen der hebräischen Bibel von Moses Mendelsohn,<br />

Buber/Rosenzweig und Tur-Sinai. Der Antisemitismus auch nach der Schoah<br />

ist genauso Thema wie der blutige Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern.<br />

Dann und wann haben wir jüdische Gäste wie den Klarinettisten<br />

Prentki aus Brasilien oder das Ehepaar Griesert aus der jüdischen <strong>Gemeinde</strong><br />

in der Pestalozzistraße. Dass dieser praktizierte jüdisch-christliche Dialog<br />

nicht nur auf einen kleinen Hauskreis beschränkt bleibe, sondern wieder in<br />

<strong>Gemeinde</strong>seminaren und anderen <strong>Gemeinde</strong>veranstaltungen unterschiedlicher<br />

Art den gebührenden Platz findet, das wünscht sich<br />

Dietmar Pertsch


BERND WILDEMANN<br />

GESTERN ERST – GEMEINDELEBEN IN DER 2. HÄLFTE DES 20. JAHRHUNDERTS<br />

Die Prägung des <strong>Gemeinde</strong>lebens durch die<br />

Pfarrer der <strong>Matthäus</strong>gemeinde<br />

Von den 125 Jahren, die die <strong>Matthäus</strong>kirche in Berlin-Steglitz jetzt steht, übersehe<br />

ich die letzten 23 durch den eigenen Dienst, den ich <strong>hier</strong> getan habe (seit<br />

1982). Die Jahrzehnte davor stehen mir durch das Vikariat 1969/1970 bei<br />

Pfarrer Wolfgang Günther Friedrich (in der <strong>Matthäus</strong>gemeinde 1949–1973)<br />

in mancher Hinsicht ebenfalls vor Augen. In der Volkskirche ist der Pfarrer<br />

der wichtigste Repräsentant der <strong>Gemeinde</strong>.<br />

So will ich einen Blick auf den Dienst der Pfarrer werfen, die ich persönlich<br />

kennen gelernt habe. Es kann dabei weder um eine Beurteilung noch<br />

um eine vollständige Darstellung gehen, sondern nur um die Nennung von<br />

Schwerpunkten, wie ich sie persönlich in Erinnerung habe. Ich kann auch<br />

nicht auf die Rolle der Ehefrauen und vieler wichtiger Helfer eingehen, da<br />

dies den Rahmen dieser Darstellung überschreiten würde.<br />

Es sei daran erinnert, dass der Bereich der <strong>Matthäus</strong>gemeinde seit der Abtrennung<br />

der neu errichteten Patmosgemeinde 1963 in drei Pfarrbezirke<br />

eingeteilt worden war: der Bezirk südlich der S-Bahn (Friedrich, Goebel, Sadecki),<br />

der Bezirk um die Schloßstraße (Borrmann, Marsen, Braeuer) und der<br />

nördliche Bezirk vom Fichtenberg bzw. der Brentanostraße im Westen bis<br />

zur Herderstraße im Osten (Krusche, Wildemann).<br />

Um 1980 hatte jeder dieser Bezirke ca. 3000 <strong>Gemeinde</strong>glieder. Der jeweilige<br />

Pfarrer war zuständig für Taufen, Trauungen und Beerdigungen sowie für<br />

persönlicher Rückblick<br />

auf 24 Dienstjahre<br />

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GESTERN ERST – GEMEINDELEBEN IN DER 2. HÄLFTE DES 20. JAHRHUNDERTS<br />

50<br />

Arbeitstage von<br />

7 Uhr früh bis 22 Uhr<br />

Bernd Wildemann … Die Prägung des <strong>Gemeinde</strong>lebens durch die Pfarrer der <strong>Matthäus</strong>gemeinde<br />

die Seelsorge, das heißt hauptsächlich die Geburtstagsbesuche. Jeder Pfarrer<br />

hatte auch seine eigene Konfirmandengruppe sowie einen Teil der Seniorenarbeit<br />

(Frauenhilfe, Bibelstunde).<br />

Pfarrer Wolfgang Günther Friedrich (1949-1973) wurde nach der Beendigung<br />

seines Dienstes fast so etwas wie eine Legende, und das nicht zu<br />

Unrecht. Er zeigte mir im Vikariat (ich war von ca. 20 Vikaren, die Pfr. Friedrich<br />

hatte, einer der letzten) das Heft, in das er seine Hausbesuche eintrug.<br />

Es waren in jedem Jahr mehrere hundert. Die Hausbesuche sah er als unverzichtbaren<br />

Teil seiner Arbeit an. Aber auch in seine Dienstwohnung im alten<br />

Pfarrhaus Rothenburgstr. 32, das ihm wie vielen Vorgängern und Nachfolgern<br />

als schöner Rahmen für seine Arbeit diente, strömten täglich Rat- und<br />

Hilfesuchende und nahmen wartend in der Diele Platz wie bei einem Arzt.<br />

Sein Arbeitstag reichte nicht selten von einer Konfirmandenstunde früh um 7<br />

Uhr bis zu Kreisen und Sitzungen, die bis gegen 22 Uhr dauerten. Nach diesen<br />

späten Kreisen konnte es vorkommen, dass er zu mir sagte: „So, Bruder<br />

Vikar, nun wollen wir noch ein Glas Rotwein trinken!“ Die Konfirmanden<br />

und Jugendlichen, mit denen er bis zu seinem Dienstende Fahrten unternahm,<br />

nannten ihn liebevoll „Fritze“.<br />

Wenn man ihn im „Comeniuszimmer“ im Souterrain des Pfarrhauses im<br />

Kreis seiner Konfirmanden sah, so hatte man den Eindruck, dass <strong>hier</strong> ein<br />

Vater liebevoll mit seinen Kindern sprach. Bei allem Schwerpunkt auf der<br />

Seelsorge, so hatte er doch auch eine gründliche theologische Bildung, die er<br />

durch Rezensionen von Büchern auf dem Laufenden hielt. Er gehört zu den<br />

Glücklichen, die die Sternstunde der Theologie und Philosophie im Marburg<br />

der Zwanzigerjahre miterlebt haben. In einem Buch, das mir Frau Friedrich<br />

schenkte, fanden wir eine von der Hand Rudolf Bultmanns geschriebene<br />

Postkarte, mit der er dem Studenten zu seiner Verlobung gratulierte! Nach<br />

seinem Ausscheiden aus dem Pfarramt der <strong>Matthäus</strong>kirche tat er noch zehn<br />

Jahre lang Dienst in der Ausflüglerkirche St. Peter und Paul in Nikolskoe und<br />

hat dort oft mich und andere um das Halten von Gottesdiensten gebeten.<br />

Er wohnte mit seiner Frau im Ruhestand in einer Wohnung des <strong>Gemeinde</strong>-


GESTERN ERST – GEMEINDELEBEN IN DER 2. HÄLFTE DES 20. JAHRHUNDERTS<br />

Bernd Wildemann … Die Prägung des <strong>Gemeinde</strong>lebens durch die Pfarrer der <strong>Matthäus</strong>gemeinde<br />

hauses und wenn man ihn mit seinen weißen Haaren und den buschigen<br />

weißen Augenbrauen bei einer Runde um die Kirche traf, so war das so recht<br />

das Bild eines gesegneten Alters.<br />

Nach dem Ausscheiden von Pfarrer Friedrich entstand mit der Berufung seines<br />

Nachfolgers Goebel die Pfarrerschaft, die die <strong>Gemeinde</strong> rund zehn Jahre<br />

lang betreute (1973-1982): Borrmann, Krusche, Goebel.<br />

Mit Pfarrer Rainer Borrmann (1964-1984), der auch Vikar bei Pfarrer<br />

Friedrich gewesen war, kamen neue Arbeitsformen in die traditionell geprägte<br />

<strong>Matthäus</strong>gemeinde. Er ließ sich besonders Geschäftsführung und<br />

Verwaltung angelegen sein, wo er alles sorgfältig vorbereitete. Er verteilte<br />

die Verantwortung auf mehrere Schultern, indem er für die Mitsprache von<br />

Ausschüssen sorgte, für die er gerade auch jüngere Mitglieder der <strong>Gemeinde</strong><br />

bzw. des <strong>Gemeinde</strong>kirchenrates vorschlug. Im theologischen Bereich fühlte<br />

er sich, auch aufgrund der hauptamtlichen Mitarbeit seiner Frau, für die Arbeit<br />

mit jüngeren Menschen zuständig. Er hat etliche Jahre den Kindergottesdienst<br />

geleitet und hat mehrmals im Jahr Familiengottesdienste angeboten.<br />

Er war bekannt für neue Wege in der Konfirmandenarbeit. Er lud auch zu<br />

<strong>Gemeinde</strong>seminaren ein, auf denen theologische Fragen ausführlich besprochen<br />

wurden.<br />

Auf sein besonderes Engagement für das christlich-jüdische Gespräch wird<br />

an anderer Stelle dieses Heftes (S. 45 ff.) eingegangen. Um ein lebendiges<br />

Bild von den Freuden und Nöten des <strong>Gemeinde</strong>lebens zu geben, ist auch an<br />

das kirchenpolitische Engagement von Pfarrer Borrmann zu erinnern. Infolge<br />

der 68-er-Bewegung war die Berliner Kirche in den siebziger und achtziger<br />

Jahren stark polarisiert über der Frage der „politischen Diakonie“ der Kirche.<br />

Streitfrage war, in welchem Maße und mit welchen Grundlinien die Kirche<br />

auf das politische Geschehen, z. B. die Debatte über die Nachrüstung, Einfluss<br />

nehmen sollte. Pfarrer Borrmann gehörte zu denen, die nachdrücklich<br />

für eine „politische Diakonie“ eintraten, worüber es in der <strong>Gemeinde</strong> und<br />

auch unter den Pfarrern verschiedene Ansichten gab.<br />

Besonderes Engagement für<br />

den christlich-jüdischen Dialog<br />

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GESTERN ERST – GEMEINDELEBEN IN DER 2. HÄLFTE DES 20. JAHRHUNDERTS<br />

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Bernd Wildemann … Die Prägung des <strong>Gemeinde</strong>lebens durch die Pfarrer der <strong>Matthäus</strong>gemeinde<br />

Demgegenüber war Pfarrer Franz Krusche (1967-1982) „ein Konservativer“.<br />

Als Nachfolger in seinem Pfarrbezirk hörte ich bei sehr vielen Besuchen,<br />

dass Pfarrer Krusche ein treuer Seelsorger war. Auch auf seiner <strong>Gemeinde</strong>gliederkartei,<br />

die ich übernehmen konnte, fanden sich viele hilfreiche Eintragungen<br />

über Besuche. Vor der Gründung der Sozial- bzw. Diakoniestationen<br />

1981 waren die <strong>Gemeinde</strong>schwestern unmittelbar in den Straßen der <strong>Gemeinde</strong><br />

tätig. Wenn nun die <strong>Gemeinde</strong>schwester Pfr. Krusche von besonderen<br />

Fällen berichtete, so machte er sich baldmöglichst zu einem Besuch auf,<br />

wie er sich auch bemühte, Zugezogene nicht nur anzuschreiben, sondern<br />

persönlich zu begrüßen. Andere Schwerpunkte seiner Arbeit waren der Kindergottesdienst<br />

und die Bibelstunde, beides Arbeitsbereiche, die er in gutem<br />

Zustand an seine Nachfolger weitergab. Noch als ich den Kindergottesdienst<br />

1985 von Pfr. Borrmann übernahm, war bei vielen Kindern der „Sender Jerusalem“<br />

in guter Erinnerung, der zu Pfr. Krusches Zeiten Reportagen vom Wirken<br />

Jesu gebracht hatte. Die wöchentliche Bibelstunde am Dienstagabend<br />

war und ist nun über Jahrzehnte ein Treffpunkt geistlich und theologisch Interessierter.<br />

In seinem Ruhestand ist Pfr. Krusche nach Wilmersdorf gezogen<br />

und hat dort noch vielerlei geistliche Dienste übernommen.<br />

Mit Pfarrer Eberhard Goebel (1973-1988) wohnte ich sechs Jahre lang<br />

zusammen im schönen alten Pfarrhaus in der Rothenburgstraße 32, er im<br />

Hochparterre, ich im ersten Stock. Es war ein angenehmes Zusammenleben<br />

mit manchem Gedankenaustausch im Treppenhaus und manchem Gespräch<br />

über die Predigttexte in unseren Amtszimmern. Es herrschte ein fröhliches<br />

Treiben im Pfarrhaus, da einige seiner fünf Kinder noch zu Hause waren und<br />

meine drei gerade aufwuchsen. Dieses Treiben ging akustisch oft über die<br />

Grenzen der Wohnung hinaus, so wenn meine Drei oben durch die Wohnung<br />

jagten und Matthias und Markus Goebel unten ihre Trompetenübungen<br />

machten. Diese beiden haben mit viel Können und Freundlichkeit unzählige<br />

Gottesdienste mitgestaltet. Pfarrer Goebel kam von den Methodisten<br />

und wurde durch ein Colloquium in die Landeskirche übernommen. Seine<br />

freikirchliche Prägung bedingte wohl auch eine besondere Geistigkeit. Er<br />

liebte das Kirchengebäude, in dem er nicht selten allein betete. Er scheute


GESTERN ERST – GEMEINDELEBEN IN DER 2. HÄLFTE DES 20. JAHRHUNDERTS<br />

Bernd Wildemann … Die Prägung des <strong>Gemeinde</strong>lebens durch die Pfarrer der <strong>Matthäus</strong>gemeinde<br />

sich nicht, auf <strong>Gemeinde</strong>veranstaltungen im hochgeschlossenen frackartigen<br />

Lutherrock zu erscheinen. Es gingen von ihm immer Ruhe und stille Freundlichkeit<br />

aus. Diese Ruhe erfüllte sein Arbeitszimmer, in dem eine schön<br />

klingende Standuhr die Stunde schlug. Diese Ruhe ging auch von ihm aus,<br />

wenn er zur Erholung, besonders am Montag, in seinem Pfarrgärtchen arbeitete,<br />

in dem es manche schöne Blumenanlage und einen sehr nützlichen<br />

Sauerkirschbaum gab. In seinen ersten <strong>Matthäus</strong>jahren hat er sich intensiv<br />

um die Jugend gekümmert. So gab es manche Erzählungen von den Weihnachtsfeiern<br />

der Jugendlichen in seinem Wohnzimmer, die wohl bis in die<br />

frühen Morgenstunden dauerten. Später lag das Schwergewicht auf seiner<br />

Bibelstunde und besonders der Frauenhilfe, deren Mitglieder ihm besonders<br />

herzlich verbunden waren. Sehr bald nach meinem Dienstantritt nahm er<br />

mich mit auf die Reisen der Frauenhilfe. Wir füllten stets einen Bus mit 48<br />

Plätzen und haben im Weserbergland und in Silberbach südlich von Selb sehr<br />

schöne Tage mit Bibelstunden, Wanderungen und Spielen erlebt. So konnte<br />

ich später die Frauenhilfe nahtlos übernehmen und die Tradition der Reisen<br />

fortsetzen. Leider musste Pfarrer Goebel vorzeitig aus gesundheitlichen<br />

Gründen den Dienst beenden. Ein Jahr später, 1989, ist er im Alter von 60<br />

Jahren gestorben.<br />

Wenn ich in der Abfolge des Dienstantritts bleiben will, so wäre nun ich,<br />

Pfarrer Bernd Wildemann (seit 1982), an der Reihe. Als ich im Alter von<br />

39 Jahren an die <strong>Matthäus</strong>kirche kam, lag eine kurze, aber schöne Übergangszeit<br />

an der Lutherkirche in Schöneberg hinter mir, eine vierjährige Assistentenzeit<br />

bei dem Neutestamentler Walter Schmithals an der Kirchlichen<br />

Hochschule in Berlin-Zehlendorf, die damals die Funktion einer theologischen<br />

Fakultät wahrnahm, sowie eine sechsjährige Zeit als Pfarrer an der Kirche am<br />

Hohenzollernplatz in Wilmersdorf. Da man über sich selbst schlecht schreiben<br />

kann, darf ich <strong>hier</strong> zwei längere Abschnitte aus dem sehr wohlwollenden<br />

Artikel zitieren, den Julia Upmeier aus Anlass meines 20-jährigen Dienstjubiläums<br />

an der <strong>Matthäus</strong>kirche im „Treffpunkt <strong>Matthäus</strong>“ geschrieben hat:<br />

„Die schönste seiner Pflichten sei der Sonntagmorgen-Gottesdienst, sagt<br />

Pfarrer Dr. Bernd Wildemann. Die Predigtvorbereitung ist ihm lieb und teuer,<br />

Enger Kontakt mit Jugendlichen<br />

und gemeinsame Reisen<br />

mit der Frauenhilfe<br />

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GESTERN ERST – GEMEINDELEBEN IN DER 2. HÄLFTE DES 20. JAHRHUNDERTS<br />

Verbindung von<br />

<strong>Gemeinde</strong>arbeit und Theologie<br />

54<br />

Bernd Wildemann … Die Prägung des <strong>Gemeinde</strong>lebens durch die Pfarrer der <strong>Matthäus</strong>gemeinde<br />

rund zehn Stunden Vorbereitung pro Gottesdienst investiert er gern dafür:<br />

‚Das Evangelium hören und weitersagen zu dürfen – da wird jeder Sonntag<br />

zum Fest.’ Seit zwanzig Jahren steht Wildemann nach dem Gottesdienst am<br />

pompösen neogotischen Haupteingang der <strong>Matthäus</strong>kirche, schüttelt Hände,<br />

grüßt und verabschiedet seine Gottesdienstbesucher. Um eine ‚original Wildemann-Predigt’<br />

zu hören, rücken seine Fans aus dem ganzen Südwesten<br />

Berlins an ... Der Wissenschaft ist Wildemann auch nach seiner Assistentenzeit<br />

treu geblieben: Wiederholt hatte er Lehraufträge in Bibelkunde und Praktischer<br />

Theologie. Er war als Sekretär in der Arbeitsgemeinschaft der ‚Alten<br />

Marburger’ tätig und nach deren Neukonstituierung als ‚Rudolf-Bultmann-<br />

Gesellschaft’ im Vorstand. Für die ‚Göttinger Predigtmeditationen’ schrieb er<br />

mehrmals Beiträge. Die Betreuung von vier Vikaren und einer Vikarin in<br />

seiner <strong>Matthäus</strong>-Zeit versteht er als Bereicherung, da er so die Freuden und<br />

Nöte der kommenden Pfarrergeneration kennenlernte. Als Vikars-Mentor ist<br />

er Beisitzer im mündlichen Examen, so regelmäßig im Fach Philosophie, das<br />

ihm besonders lieb ist.“<br />

Der nicht ganz leichten Aufgabe, <strong>Gemeinde</strong>arbeit und Theologie zu verbinden,<br />

konnte ich vor allem in den Predigten, der Bibelstunde und den <strong>Gemeinde</strong>seminaren<br />

nachkommen. Erwähnen möchte ich aber auch, dass ich 13<br />

Jahre lang jeden Sonntag den Kindergottesdienst (mit Hilfe der treuen Sabine<br />

Schorler) gehalten, sowie jedes Jahr eine einwöchige Konfirmandenfahrt (oft<br />

zusammen mit Pfarrerin Dorothea Braeuer und Diakon Heiko Reschke), eine<br />

Wochenendfahrt mit ehemaligen Konfirmanden und eine Fahrt der Frauenhilfe<br />

unternommen habe. Mein Ziel war stets die Vermittlung von Theologie<br />

in die <strong>Gemeinde</strong>.<br />

1985 wurde die Pfarrstelle von Herrn Borrmann mit Pfarrer Wolf-Rüdiger<br />

Marsen (1985-1989) besetzt. Er galt vielen als „der große Blonde aus dem<br />

Norden“, da er aus Schleswig-Holstein kam. In einer kirchenpolitisch immer<br />

noch recht bewegten Zeit strahlte er Ruhe aus und konnte sehr geduldig zuhören.<br />

Das konnte manchmal fast ironische Züge annehmen, so wenn er<br />

nach leidenschaftlichen Ausführungen jüngerer Mitglieder des <strong>Gemeinde</strong>-


GESTERN ERST – GEMEINDELEBEN IN DER 2. HÄLFTE DES 20. JAHRHUNDERTS<br />

Bernd Wildemann … Die Prägung des <strong>Gemeinde</strong>lebens durch die Pfarrer der <strong>Matthäus</strong>gemeinde<br />

kirchenrates, was man alles tun könnte, sollte, müsste kurz bemerkte: „Bitte,<br />

könnt ihr machen!“ Jemand sagte von ihm treffend: „Er kann so qualifiziert<br />

schweigen!“ Er kam aus der Erwachsenenarbeit im Haus der Kirche<br />

und brachte manche neue Arbeitsform mit. Kurz nach seinem Amtsantritt<br />

gestaltete er einen Erntedankgottesdienst, in dem er selber in einer Art Ballettanzug<br />

das Aufgehen von Pflanzen darstellte. Manche ältere <strong>Gemeinde</strong>glieder<br />

fanden das schockierend, andere waren begeistert. Für ihn persönlich<br />

brachten die Jahre an der <strong>Matthäus</strong>kirche einen Höhepunkt: Er heiratete die<br />

Kindertagesstättenleiterin Sabine Bräuer und adoptierte mit ihr zusammen<br />

zwei Kinder. Es scheint, dass er immer eine gewisse Sehnsucht nach seiner<br />

norddeutschen Heimat hatte. Jedenfalls nahm er die Wahl zum Pfarrer von<br />

Lensahn nahe der Ostseeküste bei Grömitz und Dahme gerne an und verabschiedete<br />

sich von uns Anfang 1989.<br />

Pfarrer Reinhard Sadecki (1989-1999) entsprach genau dem Bild, das<br />

man sich über lange Zeit von einem evangelischen Pfarrer machte, das Ende<br />

des vorigen Jahrhunderts aber schon sehr selten geworden war. Für ihn<br />

stand die Predigt von Gesetz und Evangelium, von Sünde und Gnade ganz<br />

im Mittelpunkt seiner Predigttätigkeit, ja seiner <strong>Gemeinde</strong>arbeit überhaupt.<br />

So hat er wie kein zweiter die lutherische Theologie vergegenwärtigt und<br />

wieder lebendig werden lassen. Zu seinem Verständnis des Pfarrberufes gehörte,<br />

dass er den Pfarrer im Gegenüber von Amt und <strong>Gemeinde</strong> und zum<br />

Wahrnehmen des Wächteramtes verpflichtet sah. So konnten seine Predigten<br />

scharf sein und einen geradezu prophetischen Ton annehmen. Oft und<br />

gerne wies er auf das Lutherwort hin: „Wenn das Wort Gottes kommt, so<br />

läuft es unserm Denken und unserm Verlangen zuwider.“ Dementsprechend<br />

hat er Konflikte nicht gescheut, wo er die Reinheit der Lehre gefährdet sah.<br />

Da man ihm anmerkte, dass es ihm um die Sache und nicht um seine Person<br />

ging, haben die jeweils anders Denkenden die Konflikte nicht persönlich<br />

genommen. Er sprach dem Leiden eine besondere Rolle im Gottesverhältnis<br />

des Christen zu, da es die Augen für die Wahrheit öffnet und zum Glauben<br />

führt. Trotz, oder besser: zusammen mit diesen ernsten Gedanken hat Reinhard<br />

Sadecki auch den Trost des Evangeliums weitergegeben: Er lud nach-<br />

Neue Arbeitsformen und<br />

Ideen zur Gestaltung<br />

von Gottesdiensten<br />

Verkündigung von Gesetz<br />

und Evangelium<br />

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GESTERN ERST – GEMEINDELEBEN IN DER 2. HÄLFTE DES 20. JAHRHUNDERTS<br />

56<br />

Charisma und Fröhlichkeit<br />

beim <strong>Gemeinde</strong>aufbau<br />

Bernd Wildemann … Die Prägung des <strong>Gemeinde</strong>lebens durch die Pfarrer der <strong>Matthäus</strong>gemeinde<br />

drücklich zu einem persönlichen Verhältnis zu Christus ein und gebrauchte<br />

gegen Ende seiner Predigten gerne die Formulierung, dass uns Christus in<br />

Leid und Tod in seine Arme nimmt. Dieses Evangelium vermittelte er bei<br />

seinen ungezählten Seelsorgebesuchen, zu denen er stets schnellen Schrittes<br />

unterwegs war.<br />

Wenige Monate nach Pfarrer Sadecki kam Pfarrerin Dorothea Braeuer<br />

(1989-2004), damals noch mit dem Familiennamen Laage-Braeuer, zu uns;<br />

zunächst im sogenannten Entsendungsdienst, später wurde sie als Pfarrerin<br />

gewählt. Sie war die erste Frau im Pfarramt der <strong>Matthäus</strong>kirche und<br />

hat gleich gezeigt, dass die evangelische Kirche gut beraten war, endlich<br />

auch Frauen zum Pfarrdienst zuzulassen! Durch ihre vielen Gaben hat sie<br />

das <strong>Gemeinde</strong>leben stark gefördert. Da war zunächst der Bereich der Familienarbeit,<br />

dem sie sich intensiv gewidmet hat. Die im Team vorbereiteten<br />

vier oder fünf Familiengottesdienste im Jahr waren stets ein Höhepunkt der<br />

„missionarischen“ Arbeit, da sie viele <strong>Gemeinde</strong>glieder in die Kirche führten,<br />

die dort sonst selten zu sehen waren. Die Verbindung zu diesen Familien<br />

wurde durch Gottesdienste zum Taufgedenken und durch Familienfreizeiten<br />

aufrecht erhalten. Oft konnte Pfarrerin Braeuer ehemalige Kinder dann als<br />

Konfirmanden wiedersehen, wo ein weiterer Schwerpunkt ihrer Arbeit lag.<br />

Hier erprobte sie neue Wege und arbeitete eng mit Diakon Heiko Reschke<br />

zusammen. Wie schon erwähnt gab es eine Reihe von Jahren, in denen wir<br />

zu dritt mit Helfern („Teamern“) und großen Gruppen von 35 bis 50 Konfirmanden<br />

auf Fahrt gingen. Das waren erlebnisreiche Tage mit Unterricht,<br />

Ausflügen und nächtlichen Gesprächen über Kirche und Theologie unter uns<br />

Leitern. Ein anderer Schwerpunkt des Wirkens von Frau Braeuer war die<br />

Kirchenmusik. Sie hatte selber viel Erfahrung in Chorgesang und sang sehr<br />

schön die gottesdienstliche Liturgie. Sie ermunterte die Kirchenmusiker zur<br />

Aufführung größerer Konzerte und lud verschiedene Chöre zu Darbietungen<br />

ein. Gerne organisierte sie <strong>Gemeinde</strong>feste, auf denen sie zu Tanz und Gesang<br />

anleiten und überhaupt sehr fröhlich sein konnte. Große Stärken hatte sie<br />

im Bereich der <strong>Gemeinde</strong>leitung, die sie zusammen mit kompetenten Ehrenamtlichen<br />

sehr effektiv wahrnahm. Diese Fähigkeiten wurden auch im


GESTERN ERST – GEMEINDELEBEN IN DER 2. HÄLFTE DES 20. JAHRHUNDERTS<br />

Bernd Wildemann … Die Prägung des <strong>Gemeinde</strong>lebens durch die Pfarrer der <strong>Matthäus</strong>gemeinde<br />

Kirchenkreis und auf Landesebene erkannt, so dass sie 2002 zur stellvertretenden<br />

Superintendentin gewählt und im Dezember 2004 als Oberkonsistorialrätin<br />

in die Personalabteilung des Konsistoriums berufen wurde.<br />

Im Zuge der Sparmaßnahmen wurde 1998 die <strong>Matthäus</strong>gemeinde mit der<br />

Martin-Luther-<strong>Gemeinde</strong> in Lichterfelde zum Sprengel <strong>Matthäus</strong> und<br />

Martin-Luther zusammengelegt. Da die Pfarrstelle dort im Blick auf die Finanzen<br />

des Kirchenkreises nicht neu mit einer Person von außerhalb des<br />

Kirchenkreises besetzt werden konnte, hatte ich von 1998 bis 2001 je zur<br />

Hälfte in beiden <strong>Gemeinde</strong>n gearbeitet. Anfang 2001 kam dann eine gute<br />

langfristige Lösung: Zunächst im Entsendungsdienst und zwei Jahre später<br />

fest wurde Pfarrer Jörg Zabka (mit dem Schwerpunkt Martin-Luther-<strong>Gemeinde</strong>)<br />

mit 75 % Dienstumfang eingestellt. Die Zusammenarbeit im Sprengel<br />

geschieht bisher in den drei Bereichen Jugendarbeit (Diakon Reschke),<br />

kirchenmusikalischer Dienst (Kantor Küsgen) und Pfarrdienst. Im Blick auf<br />

die Beweglichkeit der Pfarrer und auf Vertretungen in Urlaubs- und Krankheitszeiten<br />

wurden neue Gottesdienstzeiten eingeführt, so dass ein Pfarrer<br />

und ein Kirchenmusiker beide Gottesdienste halten können: in <strong>Matthäus</strong> um<br />

9.30, in Martin-Luther um 11.00 Uhr.<br />

Mit Pfarrer Jörg Zabka, Geburtsjahrgang 1968, ist die junge Generation in<br />

das Pfarramt von <strong>Matthäus</strong> und Martin-Luther eingetreten. Von handwerklichen<br />

und Renovierungsarbeiten bis zu den Gottesdiensten macht er alles.<br />

Aufgrund seines stillen und sehr freundlichen Wesens ist er bei den Älteren<br />

ein beliebter Seelsorger, bei den Jüngeren ein beliebter Gruppenleiter und<br />

Erzähler. Mitbetreuung der Kinderarbeit und Familiengottesdienste lässt<br />

er sich besonders angelegen sein. Da die Küsterei nur teilweise besetzt<br />

ist, hat er die Akten der <strong>Gemeinde</strong> selber im Griff. Aufgrund seiner Ruhe<br />

und Klarheit im Bereich der Verwaltung wurde er in den Kreiskirchenrat<br />

gewählt.<br />

Nur wenig älter als Jörg Zabka ist Pfarrerin Regine Becker, die 2004 von<br />

den <strong>Gemeinde</strong>kirchenräten des Sprengels <strong>Matthäus</strong> und Martin-Luther als<br />

Nachfolgerin von Dorothea Braeuer gewählt wurde. Sie hat sich mit viel Mut<br />

Pfarrer heute: Handwerker,<br />

Verwalter und Seelsorger<br />

Mit Umsicht neue<br />

Visionen entwickeln<br />

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GESTERN ERST – GEMEINDELEBEN IN DER 2. HÄLFTE DES 20. JAHRHUNDERTS<br />

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Bernd Wildemann … Die Prägung des <strong>Gemeinde</strong>lebens durch die Pfarrer der <strong>Matthäus</strong>gemeinde<br />

und Fleiß der Schwerpunktgebiete von Frau Braeuer in der <strong>Matthäus</strong>gemeinde<br />

angenommen, also insbesondere der Kinder- und Konfirmandenarbeit und<br />

der Familiengottesdienste. Seit der Konstituierung des neu gewählten <strong>Gemeinde</strong>kirchenrates<br />

im Dezember 2004 hat sie die Geschäftsführung übernommen,<br />

die sie zusammen mit den kompetenten Ehrenamtlichen sorgfältig<br />

wahrnimmt. Sie erweist sich in allem als eine würdige Nachfolgerin von Frau<br />

Braeuer. Wie Jörg Zabka verbindet sie mit einem liebenswürdigen und eher<br />

zurückhaltenden Wesen ein fleißiges und effektives Arbeiten.<br />

Das Zusammenarbeiten mit der jungen Kollegin und dem jungen Kollegen<br />

macht mir viel Freude; freilich tauchen für mich als Dienstältesten auch einmal<br />

Gedanken auf, wie sie Theodor Fontane in seinem Gedicht: „Die Alten<br />

und die Jungen“ zum Ausdruck bringt, das mit den beiden Zeilen endet: „Der<br />

Mohr kann gehen, neu Spiel hebt an, / sie beherrschen die Szene, sie sind<br />

dran.“<br />

Am Schluss soll, wie es sich für einen Rückblick auf Pfarramtsarbeit gehört,<br />

ein Bibelwort stehen. Der Apostel Paulus schreibt (1.Korinther 3, 10+11):<br />

„Nach der mir verliehenen Gnade habe ich als ein weiser Baumeister den<br />

Grund gelegt; ein andrer aber baut darauf weiter. Doch jeder sehe zu, wie er<br />

darauf weiterbaut. Denn einen anderen Grund kann niemand legen als den,<br />

der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus.“


GERHARD POSER<br />

Die Jugend in der <strong>Matthäus</strong>gemeinde<br />

von 1880 bis zur <strong>Gemeinde</strong>teilung 1963<br />

GESTERN ERST – GEMEINDELEBEN IN DER 2. HÄLFTE DES 20. JAHRHUNDERTS<br />

Diese Rückschau auf die Jugendarbeit vergangener Jahrzehnte entstand zu<br />

einer Zeit, als wir in Deutschland gerade des 8. Mai, des Kriegsendes und<br />

des Zusammenbruchs des 3. Reichs und unserer Befreiung gedachten. Daher<br />

blieb es nicht aus, dass diese Betrachtung nicht nur zeitliche Rückschau,<br />

sondern auch Reflektion wurde für eine Beeinflussung unseres christlichen<br />

Wollens durch den jeweiligen Zeitgeist.<br />

Versuchen wir, uns zurückzuversetzen in das Jahr 1880, als unsere Kirche<br />

eingeweiht wurde:<br />

Preußen reichte weit nach Osten bis nach Russland. Der deutsch-französische<br />

Krieg lag gerade 9 Jahre zurück, durch den Deutschland sich das Elsass<br />

und Lothringen von Frankreich hatte abtreten lassen. In Versailles hatten sich<br />

die deutschen Kleinstaaten zum Deutschen Reich vereinigt und den preußischen<br />

König Wilhelm I zum Kaiser gekrönt. Eine Zeit, die vermutlich national<br />

berauscht war von der kommenden Großmacht Deutschland.<br />

Sehr viele und große Neuerungen hatte die Bevölkerung zu verkraften: Es<br />

entstanden völlig neue Gesetze für das private und das Wirtschaftsleben.<br />

Einheitliche Maße und Gewichte und eine einheitliche Währung wurden<br />

eingeführt. Die evangelische Kirche war nicht mehr Staatskirche, doch durch<br />

die Zeit vor 1871 stark geprägt. Reichskanzler Bismarck ließ die durch die<br />

1873 beginnende Wirtschaftskrise und durch die Verstädterung und Verelen-<br />

Udo Kelch widme ich in dankbarer Erinnerung<br />

meine Betrachtung. Er war in den<br />

Endvierziger- und Fünfziger-Jahren ungefähr<br />

10 Jahre lang ein sehr aktiver und kreativer<br />

ehrenamtlicher Jugendleiter in unserer <strong>Gemeinde</strong>.<br />

Er starb im Frühjahr 2005 im Alter<br />

von 75 Jahren.<br />

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GESTERN ERST – GEMEINDELEBEN IN DER 2. HÄLFTE DES 20. JAHRHUNDERTS<br />

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Gerhard Poser … Die Jugend in der <strong>Matthäus</strong>gemeinde von 1880 bis zur <strong>Gemeinde</strong>teilung 1963<br />

dung der Menschen stärker werdende Sozialistische Arbeiterpartei (einer der<br />

Vorläufer der SPD) verbieten. Den sogenannten „Kirchenkampf“ gegen den<br />

politischen Katholizismus brach er jedoch aus wahltaktischen Gründen ab.<br />

Von den neuen Ordnungen der Endachtziger-Jahre des 19. Jahrhunderts blieben<br />

bis heute u.a. die staatliche Schulaufsicht und die obligatorische Zivilehe<br />

(Eheschließung beim Standesamt) erhalten.<br />

Am Rande der neuen Hauptstadt war Steglitz bis zur Einweihung der neuen<br />

Kirche 1880 sprunghaft auf 6.500 Einwohner angewachsen. Teile des<br />

Bürgertums verließ die Großstadt und siedelten sich „im Grünen“ an. Die<br />

Mehrzahl der Jugendlichen lebte in gut situierten Familien und besuchte in<br />

großer Zahl brav den Kindergottesdienst. Und kamen Einzelne vor obigem<br />

Hintergrund wegen sozialer Not in den Blick der <strong>Gemeinde</strong>, so wurde es als<br />

diakonische Arbeit verstanden. Eine „Jugendarbeit“ im heutigen Sinne kannte<br />

man in den Kirchengemeinden noch nicht.<br />

Wie stark das Reichsdenken und die Anerkennung der Obrigkeit in bürgerlichen<br />

Kreisen verankert waren, zeigen exemplarisch die nebenstehenden<br />

Auszüge aus einem Gesangbuch von 1895 für den Kindergottesdienst:<br />

Ausgehend von der Erweckungsbewegung in der Mitte des 19. Jahrhunderts<br />

bildeten sich gegen Ende des Jahrhunderts christliche Vereine. Sie standen<br />

der verfassten Kirche zwar nahe und hatten teilweise personelle Verknüpfungen,<br />

waren jedoch in ihrem Wollen und ihrer inhaltlichen Ausrichtung<br />

völlig autark. Mit heutigen Begriffen könnte man sie als evangelikal bezeichnen.<br />

Auch in Steglitz wurde 1893 zunächst ein „Jünglingsverein“ gegründet.<br />

Ihm folgten ein „Kindermissionsverein“ und ein „Jungfrauenverein“ (1899).<br />

Ab 1895 entwickelte sich unter Leitung des Studenten Hermann Hoffmann<br />

als Protestbewegung gegen die verkrustete bürgerliche Großstadtzivilisation<br />

der „Ausschuss für Schülerfahrten“, dem 1901 der Abiturient Karl Fischer am<br />

Steglitzer Gymnasium die Bezeichnung „Wandervogel“ gab. Die jungen Menschen<br />

versuchten, einen eigenen jugendspezifischen Lebensstil zu entwickeln<br />

mit Wandern, Zeltlager und Volksliedersingen und Tanzen. Das bekannte erste<br />

Liederbuch der Jugendbewegung, der „Zupfgeigenhansl“, entstand 1908


GESTERN ERST – GEMEINDELEBEN IN DER 2. HÄLFTE DES 20. JAHRHUNDERTS<br />

Gerhard Poser … Die Jugend in der <strong>Matthäus</strong>gemeinde von 1880 bis zur <strong>Gemeinde</strong>teilung 1963<br />

durch den Mitschüler Fischers, Hans Breuer. Diese Protestbewegung nahm<br />

einen stürmischen Verlauf, so dass ihr bereits 1913 zum Fest auf dem Hohen<br />

Meissner über 25 000 Mitglieder in ganz Deutschland angehörten.<br />

Parallel zu dieser Bewegung kam es in Steglitz ab 1909 zur Gründung der<br />

Schülerbibelkreise, die ausschließlich männlichen Gymnasiasten vorbehalten<br />

waren. Breitere Schichten (Schüler anderer Schulen, Handwerker,<br />

Lehrlinge) erfassten die 1912 in Steglitz gegründeten „Evangelischer Verein<br />

junger Mädchen – Wartburg“ und „Evangelischer Verein junger Männer<br />

– Wartburg“. 1913 konnte in der Mittelstr. 28 ein Haus erworben werden,<br />

das endlich ausreichend Raum für die vielen Jugendgruppen der „Vereine“<br />

aller drei Steglitzer <strong>Gemeinde</strong>bereiche (<strong>Matthäus</strong>, Markus, Lukas) bot. Zu<br />

den Schülerbibelkreisen in Steglitz gehörten in den Zwanziger und Dreißiger<br />

Jahren beispielsweise Theodor Heuss (1. Bundespräsident 1949-1959) und<br />

Hermann („Männe“) Ehlers (Bundestagspräsident von 1950-1954).<br />

Die suchende Generation<br />

Durch die Wirren des 1.Weltkriegs und die aus heutiger Sicht falschen Ideale,<br />

mit der die Jugend aller politischen und geistigen Richtungen begeistert in<br />

den Krieg gezogen war, kam es ab 1919 zu vielen neuen Versuchen in der<br />

Jugendarbeit, zur Differenzierung und zu enormen Wachstum.<br />

Unter oft ehrenamtlicher Leitung älterer Jugendlicher zeigten sich auch in der<br />

christlichen Jugendarbeit viele Umbrüche: Entstehung der christlichen Pfadfinder<br />

(CP) 1921, der Mädchenpfadfinder (EMP), 1919 Zusammenschluss<br />

aller Jungmädchenvereine zum „Deutschen Bund der Mädchenbibelkreise“<br />

(MBK) und Aufnahme von Mädchen in die bis dahin reinen Jungen-Schülerbibelkreise<br />

(BK) für Gymnasiasten.<br />

Doch wie weit das Denken dieser Zeit heute von uns entfernt ist, belegt exemplarisch<br />

wieder der nebenstehende Liedtext von 1921.<br />

Mitte der zwanziger Jahre entstanden erste gemeinsame Aktivitäten der<br />

vereinsmäßig organisierten christlichen Jugend mit den von der <strong>Gemeinde</strong><br />

„betreuten“ Jugendlichen. 1925 hielt Pfarrer Lic. Moldaenke den ersten Jo-<br />

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GESTERN ERST – GEMEINDELEBEN IN DER 2. HÄLFTE DES 20. JAHRHUNDERTS<br />

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Johannes-Kurrende<br />

Wartburgbund<br />

Gerhard Poser … Die Jugend in der <strong>Matthäus</strong>gemeinde von 1880 bis zur <strong>Gemeinde</strong>teilung 1963<br />

hannes-Gottesdienst mit anschließendem Feuer vor der Kirche.<br />

Auch die junge liturgische Bewegung (z.B. 1923 Berneuchener<br />

Dienst/Michaelsbruderschaft) führte die Jugendlichen<br />

zusammen. Wie stark die musikalischen und liturgischen Impulse<br />

in der wirtschaftlich sehr schwierigen Lage seit 1930<br />

auch in <strong>Matthäus</strong> waren, ist u.a. an der in dieser Zeit durch<br />

Pfarrer Dr. Quittschau wieder gegründeten Johannes-Kurrende<br />

ablesbar. Sie zog in der Adventszeit zum öffentlichen Singen<br />

von Platz zu Platz im Bereich von <strong>Matthäus</strong> Nord (spätere<br />

Patmos-<strong>Gemeinde</strong>).<br />

Nachdem gegen Ende des 1. Weltkriegs Pfarrer Wendland<br />

(Markuskirche) den Vorsitz im „Evangelischen Verein junger Mädchen<br />

– Wartburg“ und Pfarrer Lic. Moldaenke (<strong>Matthäus</strong>kirche) den Vorsitz im<br />

„Evangelischen Verein junger Männer – Wartburg“ übernommen hatten,<br />

kam es im Zuge der allgemeinen Jugendbewegung zu einem beachtlichen<br />

Aufschwung, der zwangsläufig nicht immer konfliktfrei war. Auch in diesen<br />

Jahren spürte man, dass radikalere Gedanken und eine gewisse Abgrenzung<br />

gegenüber der verfassten Kirche und/oder ihrer älteren Mitglieder notwendige<br />

Bedingungen für erfolgreiche Jugendarbeit sind. Die immer weiter<br />

wachsende Zahl von Gruppen erforderte mehr Hilfe. Und so wurden Ende<br />

der Zwanziger Jahre die Jugendleiterin Schweitzer und der Jugendleiter<br />

Krüger eingestellt.<br />

Die äußerlichen Darstellungsmittel dieser Zeit stoßen bei uns<br />

heute jedoch mindestens auf Verwunderung. Wie das Bild<br />

zeigt, unterschied sich der Wartburgbund nur durch die Farbgebung<br />

der Kleidung (violettes Hemd mit goldgelbem Halstuch)<br />

von der Hitlerjugend.<br />

Jugend im Dritten Reich<br />

1932 übernahm die <strong>Gemeinde</strong>helferin Anna Zschiesche unter<br />

Leitung von Pfarrer Johannes Zippel (Lukas) hauptamtlich<br />

die Arbeit mit der weiblichen Jugend. Die männliche Jugend


GESTERN ERST – GEMEINDELEBEN IN DER 2. HÄLFTE DES 20. JAHRHUNDERTS<br />

Gerhard Poser … Die Jugend in der <strong>Matthäus</strong>gemeinde von 1880 bis zur <strong>Gemeinde</strong>teilung 1963<br />

traf sich meist noch unter ehrenamtlichen Leitern, über die Pfarrer Jahn (Lukaskirche)<br />

seine schützende Hand hielt. Nach der „Machtergreifung“ 1933<br />

wurden in den Jahren 1933/34 auch alle christlichen Jugend-Vereine aufgelöst<br />

bzw. zwangsweise in die Hitlerjugend (HJ) oder den Bund deutscher Mädel<br />

(BDM) eingegliedert. Die Auflagen des NS-Staats waren streng und ließen<br />

in der Jugendarbeit nur noch das Singen christlicher Lieder, Bibelarbeiten und<br />

allenfalls die Aufführung von Krippenspielen zu. Dennoch war die Arbeit<br />

mit den vielen weiblichen Gruppen so umfangreich, dass Frau Zschiesche ab<br />

1936 in der Mädchenarbeit als zweite Hauptamtliche die <strong>Gemeinde</strong>helferin<br />

Irmgard Rump an die Seite gestellt wurde.<br />

In diese Zeit fällt auch die Einführung des Kugelkreuzes als Zeichen der evangelischen<br />

Jugendarbeit. Es wurde 1935 von der Jugendkammer der Bekennenden<br />

Kirche (BK) unter ihrem Vorsitzenden Otto Riethmüller kreiert, erlangte<br />

jedoch erst nach dem 2. Weltkrieg seine Bedeutung als Bekenntniszeichen.<br />

Wer konfirmiert war und mindestens ein Jahr einer evangelischen<br />

Jugendgruppe angehörte, bekam diese Anstecknadel feierlich verliehen.<br />

Große Teile der drei Steglitzer <strong>Gemeinde</strong>n hielten sich in der Nazizeit<br />

zur Bekennenden Kirche (BK). Da jedoch die Bevölkerung eher den<br />

Deutschen Christen (DC) zuneigte, war die Arbeit in diesen <strong>Gemeinde</strong>n<br />

insgesamt sehr schwierig. Die Ergebnisse der noch freien politischen<br />

Wahlen 1930, 1932 und Anfang 1933 lassen das erahnen: Fast 50%<br />

wählten in Steglitz die NSDAP, während der Durchschnitt in Gesamt-<br />

Berlin etwa bei 35-40% lag.<br />

Wie verwirrend die „Frontstellung“ zwischen BK und DC war und welcher<br />

Geist teilweise in der Kirche herrschte, soll stellvertretend wieder<br />

ein Lied von 1933 aus dem bekannten Jugend-Singebuch (Ausgabe<br />

1938) belegen (s. nebenstehende Abb.), das immerhin von dem genannten<br />

Vorsitzenden der Jugendkammer der BK und bekannten Liederdichter<br />

dieser Zeit, Otto Riethmüller, stammt.<br />

Über die Ausrichtung der Jugend an <strong>Matthäus</strong> in dieser Zeit ist nichts zu<br />

finden. Sie dürfte wohl auch gespalten gewesen sein. In der Lukaskirche<br />

standen die Jugendgruppen jedoch aktiv zur BK. Wurden im Gottesdienst<br />

63


GESTERN ERST – GEMEINDELEBEN IN DER 2. HÄLFTE DES 20. JAHRHUNDERTS<br />

64<br />

Gerhard Poser … Die Jugend in der <strong>Matthäus</strong>gemeinde von 1880 bis zur <strong>Gemeinde</strong>teilung 1963<br />

Verlautbarungen der BK verlesen, standen die Mitglieder des Wartburgbundes<br />

und der Schülerbibelkreise demonstrativ auf, um stehend zuzuhören.<br />

In der Zeit des 2. Weltkriegs wurde Jugend- und Konfirmandenarbeit immer<br />

schwieriger. Ein Teil der Kinder und Jugendlichen war wegen der sich seit<br />

dem Frühjahr 1943 häufenden Bombenangriffe evakuiert. Die Verbliebenen<br />

mussten oft die Treffzeiten wechseln. Denn Stromsperren, wechselnder Vor-<br />

oder Nachmittagsunterricht in noch intakten Schulgebäuden und die Beschlagnahme<br />

von Räumen als Hilfslazarett behinderten die Arbeit.<br />

Der Druck des Staates hörte auch in dieser Zeit nicht auf. So wurde u.a. der<br />

Jugendpfarrer der drei Steglitzer <strong>Gemeinde</strong>n, Johannes Zippel, mehrfach von<br />

der Gestapo verhaftet und verhört. Auch die <strong>Gemeinde</strong>helferin Irmgard Rump<br />

musste sich 1943 mehrere Tage lang vor der Gestapo wegen „Wehrkraftzersetzung“<br />

verantworten und wurde danach von dem kommissarischen GKR-<br />

Vorsitzenden Geheimrat von Bahrfeld entlassen.<br />

Aufbruch nach 1945<br />

Welche Erlösung, als im Mai 1945, wenn auch unter schweren Bedingungen,<br />

wieder ein normales Leben begann! Unter dem Eindruck der durchgestandenen<br />

schlimmen Jahre hielten die Jugendlichen von Kriegsende bis 1956(!)<br />

täglich um 7.15 Uhr 15-minütige „Morgenwachen“ in der Kirche. Nach dem<br />

Wissen und Können zur Durchführung derartiger Andachten befragt, sagte<br />

die gleich nach dem Krieg wieder eingestellte Irmgard Rump: „Wir hatten ja<br />

durch „Adolf“ eine hervorragende Ausbildung genossen. Jahrelang nur Gruppenabende<br />

mit geistlichen Gesängen und Bibellesen. Das prägt!“<br />

Jahrelange Prägung der vergangenen Jahre und überkommene Riten zeigen<br />

sich allerdings auch wieder in den benutzten Fahnen und Wimpel und in<br />

dem Liedgut der Endvierziger und Fünfziger. Die nebenstehenden Bilder und<br />

Lieder aus einer frühen „Mundorgel“ belegen dies:<br />

Kreuzesfahnen sollen uns bahnen den Weg durch die finstere Nacht.<br />

Mutig wir schreiten, Seiten an Seiten, denn Christus ist unsere Macht.<br />

Christ Kyrie, Dir weihen wir Jugend und Leben, Christ Kyrie, Dir singen wir hell unser Lied.<br />

… (und weitere zwei Strophen)


GESTERN ERST – GEMEINDELEBEN IN DER 2. HÄLFTE DES 20. JAHRHUNDERTS<br />

Gerhard Poser … Die Jugend in der <strong>Matthäus</strong>gemeinde von 1880 bis zur <strong>Gemeinde</strong>teilung 1963<br />

Die Doppelgleisigkeit in der Jugendarbeit aus der Weimarer Zeit (<strong>hier</strong> eigenständige<br />

Vereine, dort <strong>Gemeinde</strong>jugend) war weitgehend aufgehoben. Nur<br />

die christlichen Pfadfinder (CP) und Pfadfinderinnnen (EMP) bildeten noch<br />

teilselbstständige Verbände.<br />

Insgesamt nahm die Jugendarbeit einen großen Aufschwung. Viele Mädchengruppen<br />

entstanden gleich in den Endvierziger Jahren unter Irmgard Rumps<br />

Leitung. Sie verließ uns 1953 und wurde 1954 von Marlies Welz abgelöst.<br />

Ab 1950 kamen Mädchen- und Jungen-Gruppen unter Leitung des neuen,<br />

sehr aktiven Pfarrers Friedrich dazu, der dabei tatkräftig von Heinz Hiller unterstützt<br />

wurde. 1953 bildeten sich unter Leitung von Jürgen Friedrich männliche<br />

Pfadfindergruppen und später die Pfadfinderinnen u.a. unter der Leitung<br />

von Helga Bernhardt. Auch aus einem gemischten Singkreis von Frau Kapler<br />

(Pfarrfrau) ging frühzeitig eine Reihe neuer Gruppen hervor.<br />

Frau Kaplers Jugend-Singkreis half neben dem Kirchenchor mit, die Gottesdienste<br />

auszugestalten, und sang wöchentlich im nahegelegenen städtischen<br />

Krankenhaus in der Rothenburgstraße (heute wieder Schule: Fichtenberg-Gymnasium).<br />

Dieser Kreis scheint die Wurzel der späteren Franziskuskreise zu sein,<br />

die sich (noch ohne Namen) 1948 bildeten. Der Ehrenamtliche Udo Kelch leitete<br />

sie bis zu seinem Fortgang aus <strong>Matthäus</strong> 1959. Die Namensgebung erfolgte<br />

erst Mitte der Fünfziger Jahre nach mehreren Italienfahrten der älteren Jungen.<br />

Die ersten Fahrten der Gruppen führten innerhalb Berlins ins Johannesstift,<br />

nach Sonnenland, Konradshöhe und Kladow. Gleich nach der Blockade begannen<br />

für alle auch die ersten Fahrten in das fast unerreichbare Bundesgebiet.<br />

Laienspiel hatte in den Nachkriegsjahren einen hohen Stellenwert. Aus Irmgard<br />

Rumps bzw. Marlies Welz‘ Mädchenkreisen und Udo Kelchs Franziskuskreisen<br />

kam man gruppenübergreifend zusammen, um immer wieder<br />

neue Stücke einzuüben. Das jährlich im Advent gebrachte Worpsweder Hirtenspiel<br />

von 1946 (nach Manfred Hausmann) wurde zur Tradition.<br />

Die vielfältigen Jugendaktivitäten in den Fünfzigern wurden bis zu einem gewissen<br />

Grad auch aus der Konkurrenz und dem Ehrgeiz der Leiter gespeist.<br />

Wie umfangreich die Zahl der Gruppen war, zeigen die Auszüge aus dem<br />

„<strong>Matthäus</strong>-Boten“ vom Mai 1958 (s. rechts und nächste Seite oben).<br />

65


GESTERN ERST – GEMEINDELEBEN IN DER 2. HÄLFTE DES 20. JAHRHUNDERTS<br />

66<br />

Gerhard Poser … Die Jugend in der <strong>Matthäus</strong>gemeinde von 1880 bis zur <strong>Gemeinde</strong>teilung 1963<br />

Leider ging Marlies Welz bereits 1957, und ab 1958 übernahm Helga Reichardt<br />

die Leitung der weiblichen Jugend. 1957 erfolgte auch der Wechsel<br />

von Pfarrer Wolfgang Friedrich zu Pfarrer Fritz Kraatz als neuem Gesamtleiter<br />

für die Jugendarbeit der <strong>Gemeinde</strong>. Die aktive Mitarbeit vieler Ehrenamtlicher<br />

ging weiter. Die Einberufung eines „<strong>Gemeinde</strong>jugendrats“ gab der<br />

Jugendarbeit noch mehr Struktur.<br />

Der Chronist übernahm nach Udo Kelchs und Uwe Günthers Fortgang 1959,<br />

zusammen mit Gisela Schütze und Renate Wolf, die Leitung des Franziskuskreises<br />

I und folgte bei der <strong>Gemeinde</strong>teilung 1963 mit diesem Kreis dem<br />

ebenfalls wechselnden Pfarrer Kraatz in die Patmos-<strong>Gemeinde</strong>. Der Chronist<br />

beschließt seine Betrachtungen mit zwei Bildern von der gemeinsamen Fahrt<br />

der beiden ältesten Franziskus-Kreise nach Hemeln/Weser 1958 und der ersten<br />

und letzten Strophe eines damals gern gesungenen Liedes:<br />

Herr, wir stehen Hand in Hand, Herr, wir gehen Hand in Hand,<br />

die Dein Hand und Ruf verband, Wandrer nach dem Vaterland;<br />

stehn in Deinem großen Heer laß Dein Antlitz mit uns gehen,<br />

aller Himmel, Erd und Meer. Bis wir ganz im Lichte stehn.


DETLEF BRÜSSE<br />

Die „wilden“ 70er und 80er Jahre<br />

GESTERN ERST – GEMEINDELEBEN IN DER 2. HÄLFTE DES 20. JAHRHUNDERTS<br />

Auf der Suche nach neuen Ausdrucksformen des Glaubens<br />

Für uns damals Jugendliche im Alter zwischen 14 unbd 30 Jahren waren die<br />

70er Jahre die „wilde Zeit“ unserer Jugend, in der man verschiedene Dinge<br />

ausprobierte – mal mit Erfolg, mal mit Misserfolg –, in der man Positionen vereinfachte<br />

und mitunter polarisierte. So richtig „wild“ waren wir wohl gar nicht,<br />

aber für die bürgerlich-braven <strong>Matthäus</strong>-Verhältnisse reichte es schon aus.<br />

1969 wurden für Jugendliche 7 bereits gemischte Kreise angeboten. Außer<br />

dem Franziskuskreis wurden alle Kreise von Pfarrern (Wolfgang G. Friedrich,<br />

Rainer Borrmann) oder Hauptamtlichen (Frau Russow) geleitet.<br />

Diejenigen, die in den Kinder- und Jugendkreisen von Pfarrer Wolfgang G.<br />

Friedrich waren, wurden durch seine lebendige Art der Glaubensvermittlung<br />

stark geprägt. Unter den älteren Jugendlichen machte sich jedoch Unzufriedenheit<br />

mit Form und Inhalt der Kreisabende breit. Dieter Tag, damals Vikar<br />

der <strong>Matthäus</strong>gemeinde, ermunterte die Unzufriedenen, ihr „Schicksal“ selbst<br />

in die Hand zu nehmen. Daraus bildete sich eine Aktionsgruppe, deren Reformvorschläge<br />

die Jugendarbeit der nächsten zwei Jahrzehnte prägte: einerseits<br />

sollte die Arbeit in den Kreisen unter Leitung von Ehrenamtlichen mit<br />

thematischer Arbeit verstärkt werden, andererseits sollten sich Interessengruppen<br />

als Teil der kirchlichen Jugendarbeit bilden.<br />

Hatten bisher die meisten Entscheidungen in den Händen der Pfarrer und<br />

Hauptamtlichen gelegen, so konnten ab Ende der 60er Jahre die Jugendlichen<br />

über ihre Angelegenheiten und ihren Finanzetat selbst entscheiden.<br />

Eine Zeit des Umbruchs<br />

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GESTERN ERST – GEMEINDELEBEN IN DER 2. HÄLFTE DES 20. JAHRHUNDERTS<br />

68<br />

Starkes Engagement von<br />

jungen Ehrenamtlichen<br />

22.4.1973: Pfarrer Friedrich<br />

mit Mitgliedern des<br />

„Donnerstagkreises“<br />

Detlef Brüsse … Die wilden 70er und 80er Jahre<br />

Am 23.2.1969 wurde in <strong>Matthäus</strong> ein <strong>Gemeinde</strong>jugendrat (GJR) gebildet,<br />

der sich nach anderthalb Jahren aber wieder auflöste. An seine Stelle trat ab<br />

31.1.1971 der „Arbeitskreis Jugend“, der die Arbeit der Jungen <strong>Gemeinde</strong><br />

aktivieren wollte.<br />

Im Juni 1972 traf sich zum ersten Mal der Donnerstagkreis, dessen Mitglieder<br />

zum größten Teil aus den Jugendkreisen von Pfarrer Friedrich stammten.<br />

Das Programm hatte eine starke Betonung auf geistige und geistliche Themen.<br />

Die erlebte Gemeinschaft ermutigte viele, in der <strong>Gemeinde</strong> aktiv zu<br />

werden und verantwortungsvolle Aufgaben zu übernehmen.<br />

Eine Vielzahl von Gottesdiensten wurden über die Jahre von einzelnen oder<br />

mehreren Kreisen gemeinsam, mit oder ohne Pfarrer, in moderner oder in<br />

eher traditioneller Form, in Früh- oder „Haupt-“Gottesdiensten gehalten.<br />

Die bestehende Tradition, Gottesdienste zur Osternacht und zum Johannistag<br />

für die bzw. von der Jungen <strong>Gemeinde</strong> zu gestalten, wurde weitergeführt.<br />

Hinzu kam der Mitternachts-Gottesdienst zum Heilig Abend mit anschließendem<br />

Beisammensein der Jugendlichen.<br />

Es entstanden neue, weltliche Angebote. Für Jugendliche bot ab 1972 Olaf<br />

Seeger z. B. die Tischtennis-, die Tanz- und die Gitarrengruppe an.<br />

Mit seiner Pensionierung im Mai 1973 gab Pfarrer Wolfgang G. Friedrich<br />

nach über zwei Jahrzehnten die Redaktion des „<strong>Matthäus</strong>-Boten“ in die<br />

Hände des Donnerstagkreises. Das Redaktionsteam bildeten unter anderen<br />

Bernd-Joachim Giese, Michael Koesling und Thomas Karzek bis zur Einstellung<br />

des Boten im Dezember 1981.<br />

1973 wurde die im „Kirchengesetz zur Ordnung der Jugendarbeit“ vorgesehene<br />

Jugendvertretung gewählt: die <strong>Gemeinde</strong>jugendversammlung. Zu den Treffen<br />

wurden alle Jugendlichen eingeladen. Jeder, der Interesse hatte, sollte über<br />

die Belange der Jugend mitbestimmen dürfen. Als Problem erwies sich im Laufe<br />

der Jahre, dass die Teilnahme an den Versammlungen unverbindlich blieb.<br />

Mit einigen <strong>Gemeinde</strong>gliedern und Pfarrern gab es Auseinandersetzungen<br />

darüber, auf welche Weise Jugendliche ihren Weg zum Glauben finden sollten.<br />

Im September 1974 wurde in Mölln ein Seminar zum Thema „Aufga-


Detlef Brüsse … Die wilden 70er und 80er Jahre<br />

GESTERN ERST – GEMEINDELEBEN IN DER 2. HÄLFTE DES 20. JAHRHUNDERTS<br />

ben, Ziele und Methoden evangelischer Jugendarbeit und persönliche Motivation“<br />

veranstaltet. Die <strong>Matthäus</strong>-Jugend kam zu dem Ergebnis, dass es<br />

den einen Weg für die evangelische Jugendarbeit in <strong>Matthäus</strong> nicht gäbe. Es<br />

wurde das sogenannte „Mölln-Papier“ verfasst.<br />

Durch ihren Glauben fühlten die Jugendlichen sich aufgerufen, am Schicksal Not<br />

leidender Menschen auch in anderen Regionen der Welt Anteil zu nehmen:<br />

• Ab 1975 besuchten auf anfängliche Initiative von Pfarrer<br />

Eberhard Goebel Jugendliche aus <strong>Matthäus</strong> Gleichaltrige<br />

in unserer Partnergemeinde Fredersdorf bei Berlin (damals<br />

DDR). Zeitweise mussten die Besuche ruhen, da die Fredersdorfer<br />

Jugendlichen aufgrund ihrer „West“-Kontakte<br />

Repressalien durch staatliche Stellen unterworfen waren.<br />

• Mit großer Anteilnahme verfolgte die <strong>Gemeinde</strong>jugend ab<br />

1976 die durch die Apartheid verursachten Lebensbedingungen<br />

in unserer Partnergemeinde Mosselbaai in Südafrika.<br />

• Im Dezember 1978 wurde eine Chile-Woche veranstaltet,<br />

in der über die Diktatur berichtet und für die Menschen<br />

gebetet wurde. Auch wurden Veranstaltungen zum Gedenken<br />

an die Opfer der Naziherrschaft und Friedenswochen<br />

durchgeführt.<br />

Der Donnerstagkreis aus <strong>Matthäus</strong> beteiligte sich 1977 am<br />

Deutschen Evangelischen Kirchentag mit einer Fotopräsentation<br />

an einem Medienwettbewerb zum Kirchentagsmotto „Einer<br />

trage des anderen Last“ und gewann immerhin einen Preis.<br />

1978 hielt mit der „Liturgischen Nacht“ – einer „modernen“<br />

Gottesdienstfeier mit stärkerer Einbeziehung der <strong>Gemeinde</strong><br />

und viel Musik – eine neue Veranstaltungsform in der <strong>Matthäus</strong>gemeinde<br />

Einzug, die von Pfarrer Rainer Borrmann über<br />

mehrere Jahre (bis 1982) für alle Altersgruppen und mit großem<br />

Zuspruch angeboten wurde.<br />

Die von Manuela Stödtke 1977 gegründete Sportgruppe bot<br />

einmal wöchentlich Gelegenheit, sich nach geistigen Ertüchti-<br />

Die Suche nach neuen<br />

Orientierungen<br />

Das „Mölln-Papier“, 3/1975<br />

69


GESTERN ERST – GEMEINDELEBEN IN DER 2. HÄLFTE DES 20. JAHRHUNDERTS<br />

70<br />

Neue Formen der<br />

Jugendarbeit – die<br />

Sportangebote<br />

Neue Form der Öffentlichkeitsarbeit:<br />

<strong>Matthäus</strong>-Streusel<br />

1. Titelbild des „Streusel“,<br />

entworfen von Birgit Schwesig<br />

Detlef Brüsse … Die wilden 70er und 80er Jahre<br />

gungen auch körperlich zu betätigen. Zeitweilig existierten eine Kirchenliga-<br />

Fußballmannschaft, eine Handballmannschaft und gelegentlich Freizeit-Volleyballmannschaften.<br />

Als sportliche Aktivitäten im weiteren Sinne wurden<br />

jährlich Skat- und Flipperturniere organisiert, bei denen es neben vielen Preisen<br />

jeweils einen Wanderpokal gab.<br />

Das Tischtennisspielen („chinesisch“) war ebenso fester Bestandteil der<br />

meisten Abende wie das gemeinsame Singen. In den 70er Jahren nahmen<br />

Jugendliche an kirchlichen Tischtennis-Turnieren teil. Diese sportlichen Aktivitäten<br />

trugen dazu bei, Schwellenängste zu überwinden und Jugendliche<br />

für die <strong>Gemeinde</strong> zu gewinnen bzw. sie dort zu halten.<br />

Den Leitern der Sportarbeit war es wichtig, den kirchlichen Bezug herzustellen.<br />

Der „Sport unterm Kreuz“ war ein anerkannter Arbeitsbereich der Evangelischen<br />

Kirche. Saisoneröffnungsgottesdienste und Andachten zu Beginn<br />

der Turniere waren fester Bestandteil der Arbeit. Den Jugendlichen einen Ort<br />

zu geben, an dem sie ihre Probleme besprechen konnten, war den Leitern<br />

wichtiger als das Erringen sportlicher Höchstleistungen.<br />

Der „<strong>Matthäus</strong>-Bote“ wurde Anfang der 70er Jahre noch an 2.000 Abonnenten<br />

verkauft (Kaufpreis 20 Pfennige). Da die Abonnentenzahlen durch<br />

Kirchenaustritte zurückgingen, sollte ein <strong>Gemeinde</strong>blatt nun verstärkt eine<br />

missionarische Aufgabe erfüllen.<br />

Diese Idee versuchten Mitglieder des Donnerstagkreises und des Jugendkreises<br />

„Zwieback“ Anfang 1979 umzusetzen: Der „<strong>Matthäus</strong>-Streusel“ war<br />

geboren. 2.000 Exemplare wurden alle 2 Monate kostenlos an Haushalte im<br />

<strong>Gemeinde</strong>bereich verteilt. Dies wurde dadurch möglich, dass er selbst gedruckt<br />

und Inserate eingeworben wurden. Jugendliche halfen beim Zusammenlegen,<br />

Kleben, Schneiden und Verteilen des Blattes.<br />

Welch eine Aufregung rief die erste Ausgabe des „Streusels“ hervor, in der<br />

<strong>Gemeinde</strong>glieder versuchten, auch gemeindeferne Menschen anzusprechen!<br />

Anfangs wollte der GKR dem Blatt verbieten, „<strong>Matthäus</strong>“ im Namen<br />

zu führen. Es musste der Hinweis, dass „der ‚<strong>Matthäus</strong>-Streusel‘ außerhalb<br />

des Verantwortungsbereichs der <strong>Matthäus</strong>gemeinde herausgegeben wird”,<br />

aufgenommen werden.


Detlef Brüsse … Die wilden 70er und 80er Jahre<br />

GESTERN ERST – GEMEINDELEBEN IN DER 2. HÄLFTE DES 20. JAHRHUNDERTS<br />

Zum 100-jährigen Kirchweihfest im Jahre 1980 war seitens des GKR nur die<br />

Herausgabe eines kleineren Bildbandes geplant. Dies war Ansporn für die<br />

„Streusel“-Redaktion (unter Mitarbeit von Dietmar Pertsch), eine eigene 90seitige<br />

Festschrift zu fertigen. Es wurden Interviews geführt, Artikel geschrieben<br />

und historische Fotografien zusammengetragen. Nach dem Tippen der<br />

Artikel und dem manuellen Layout begannen die Wochen unermüdlichen<br />

Druckens bei Tag und Nacht. Aber als die fertige Festschrift endlich vorlag<br />

und der damalige Bischof Martin Kruse beim Fest einige Exemplare signierte,<br />

waren alle Strapazen des vorangegangenen halben Jahres vergessen.<br />

Im darauf folgenden Jahr reifte im GKR die Einsicht, dass die positiven Aspekte<br />

des offiziellen „<strong>Matthäus</strong>-Boten“ und des Alternativblattes „<strong>Matthäus</strong>-Streusel“<br />

zu einem einzigen, neuen <strong>Gemeinde</strong>blatt gebündelt werden sollten.<br />

Das neue <strong>Gemeinde</strong>blatt erhielt den Namen „<strong>Matthäus</strong>-Treffpunkt“ und erschien<br />

erstmalig im Februar 1982 mit einer Auflage von 8.000 Exemplaren,<br />

die in zweimonatigem Rhythmus kostenlos an alle Haushalte im <strong>Gemeinde</strong>bereich<br />

verteilt werden. Über viele Jahre hielt man an der farbigen Aufmachung,<br />

dem Zusammenlegen, Kleben und Schneiden – jetzt unter tatkräftiger<br />

Mitarbeit des von Herrn Przybylski geleiteten Seniorenklubs – fest.<br />

Als Teamer nahmen verstärkt Jugendliche an Konfirmanden- und Freizeitfahrten<br />

teil und weckten bei den übrigen Teilnehmern Interesse an der Jugendarbeit.<br />

Bisherige Mitglieder von Kreisen gründeten neue Kreise bzw. leiteten<br />

diese mit. Altbewährte Kreise blieben weiterhin bestehen. Zwischen den verschiedenen<br />

Richtungen der Jugendarbeit gab es keine Konfrontationen mehr.<br />

Die Zahl der Angebote wuchs bis 1979 auf 20 Jugendkreise und -gruppen<br />

an. Als Jugendlicher konnte man nun von Montag bis Sonnabend an kirchlichen<br />

Aktivitäten teilnehmen – und sich auch am Sonntag beim Gottesdienst<br />

mit Gleichgesinnten auf der Jugendbank (rechts unter der Seitenempore) und<br />

abends bei der Filmgruppe treffen. Neben der Kantorei und anderen Chören<br />

(z. B. Junger Chor <strong>Matthäus</strong>) gab es weitere Angebote von Ehrenamtlichen<br />

wie die Gitarrengruppe, den Bläserchor und die Jugendgruppen Folkgroup<br />

For Folkfans, Singalong und Orpheus.<br />

1986: Eigene Druckwerkstatt<br />

„Druckknopf“. V.l.n.r.:<br />

D. Brüsse, L. Ausserfeld,<br />

S. Czerlinski, D. u. G. Mohaupt<br />

Ende der 70er Jahre blühte<br />

die Jugendarbeit auf.<br />

71


GESTERN ERST – GEMEINDELEBEN IN DER 2. HÄLFTE DES 20. JAHRHUNDERTS<br />

72<br />

Platzmangel trotz<br />

eigener Jugendräume<br />

Eine Generation wird<br />

erwachsen – die 80er Jahre<br />

Kirchentag 1989 in <strong>Matthäus</strong>:<br />

Der Autor sagt die holländische<br />

Sing-Gruppe „Joy for People“ an<br />

Detlef Brüsse … Die wilden 70er und 80er Jahre<br />

Die Junge <strong>Gemeinde</strong> bekam Ende der 70er Jahre ein bisher nicht bekanntes<br />

Problem bei der Gründung neuer Kreise: Neben den zeitlichen Grenzen (nur<br />

wochentags und nur bis 22 Uhr) war auch das Raumangebot voll ausgeschöpft.<br />

Glücklicherweise boten Pfarrer Rainer Borrmann und Pfarrer Franz Krusche<br />

ihre Kreise in den eigenen Dienstwohnungen an. Das <strong>Gemeinde</strong>haus war für<br />

die Jugendkreise zu Beginn der 70er Jahre noch tabu. Erst als mit John Meyer<br />

ein ehemaliger <strong>Gemeinde</strong>jugendlicher Haus- und Kirchwart wurde, konnte<br />

das <strong>Gemeinde</strong>haus auch von den Jugendkreisen genutzt werden.<br />

1982 löste sich nach 10-jähriger Existenz der Donnerstagkreis auf.<br />

Mit Diakon Michael Koesling, der bereits langjährig in der <strong>Gemeinde</strong> ehrenamtlich<br />

aktiv gewesen war, erhielt die Jugendarbeit wieder einen eigenen<br />

Hauptamtlichen. Er rief einen der beiden Bibelkreise für Jugendliche<br />

– „Jugend*Bibel* Glaube“ – ins Leben, der zweite – „Ichthys“ – wurde von<br />

Volker Gebhard und Pfarrer Dr. Bernd Wildemann, der gerade die Nachfolge<br />

von Pfarrer Franz Krusche angetreten hatte, geleitet.<br />

Neben dem Weinfest im Herbst gab es ab 1983 im Frühjahr die Oldiesfete<br />

zum gemeinsamen Feiern für Jung und Alt. Die Dekoration des Doppelzimmers<br />

entsprach dem jährlich wechselnden Motto. Verschiedene Live-Gruppen<br />

sowie das Duett der Initiatoren – Michael Koesling und Olaf Seeger<br />

– amüsierten die Gäste jedes Mal köstlich.<br />

1984 erhielt die <strong>Gemeinde</strong>jugend endlich auch die letzten beiden Räume der<br />

Kellerwohnung Ro 32 zur Nutzung. Im Rahmen des 1. Konfirmandenpraktikums<br />

entstand dort die Zweiradwerkstatt. Später zog in diese Räume mit<br />

dem „Druckknopf <strong>Matthäus</strong>“ die Druckwerkstatt mit ihren Maschinen ein.<br />

Im Oktober/November 1984 versuchte die Junge <strong>Gemeinde</strong> mit drei Gottesdiensten<br />

junge Menschen anzusprechen, die sonst nicht den Weg in die<br />

Kirche fanden. Angeboten wurden unter dem Motto „Kirche für junge Leute“<br />

jeweils ein Gottesdienst in Form einer „Elektronik-Meditation“ sowie zu den<br />

Themen „Arbeitslos – was nun?“ und „Wer ist Gott?“.<br />

Aus den Kreisen und Gruppen zogen sich – sofern durch Beruf und Familie<br />

bisher noch nicht geschehen – die letzten „Alt-Jugendlichen“ zurück. Im Oktober<br />

1986 war kein „Alt-Jugendlicher“ mehr im GJR-Vorstand.


CLAUDIA WEIN<br />

Von der <strong>Gemeinde</strong>schwester<br />

zur Diakonie-Station<br />

GESTERN ERST – GEMEINDELEBEN IN DER 2. HÄLFTE DES 20. JAHRHUNDERTS<br />

Bei <strong>Matthäus</strong> heißt es im 25. Kapitel: „Kommt her, ihr Gesegneten meines<br />

Vaters, ererbet das Reich, das euch bereitet ist von Anbeginn der Welt! Denn<br />

ich bin hungrig gewesen, und ihr habt mich gespeist. Ich bin durstig gewesen,<br />

und ihr habt mich getränkt. Ich bin ein Fremdling gewesen, und ihr habt<br />

mich beherbergt. Ich bin nackt gewesen, und ihr habt mich bekleidet. Ich bin<br />

krank gewesen, und ihr habt mich besucht. Ich bin gefangen gewesen, und<br />

ihr seid zu mir gekommen.“ Das ist eine bis heute gültige Auflistung kirchlicher<br />

Aufgabenfelder in der Diakonie.<br />

Kontinuität in der Sorge für Kranke und Gebrechliche<br />

Die Sorge für kranke und gebrechliche Menschen wurde seit je in der <strong>Matthäus</strong>gemeinde<br />

wahrgenommen. 1982 ist sie auf unsere Diakoniestation in<br />

der Albrechtstraße 82 übergegangen.<br />

Doch zunächst die Frage: „Wie war es vor 25 Jahren?“<br />

Ich habe mit Herrn Karlheinz Przybilski gesprochen, lange Jahre Diakon und<br />

GKR-Mitglied in unserer <strong>Gemeinde</strong>:<br />

„Wir hatten ursprünglich zwei <strong>Gemeinde</strong>schwestern, die ihr Behandlungszimmer<br />

in der Wohnung über dem Clubraum hatten. Ganz früher haben<br />

Diakonissen da gewohnt und behandelt.<br />

73


GESTERN ERST – GEMEINDELEBEN IN DER 2. HÄLFTE DES 20. JAHRHUNDERTS<br />

74<br />

Claudia Wein … Diakonie in der <strong>Matthäus</strong>gemeinde<br />

Bevor 1982 die Station gegründet wurde, wohnte aber schon keine Schwester<br />

mehr dort, die Wohnung konnte vermietet werden, und das Behandlungszimmer<br />

war neben der Küsterei im heutigen Kopierraum untergebracht. Es<br />

war noch eine Schwester, Schwester Marlies, bei uns tätig.<br />

Für die gemeinsame Stationsgründung bildeten dann die vier Steglitzer <strong>Gemeinde</strong>n<br />

<strong>Matthäus</strong>, Markus, Lukas und Südende einen gemeinsamen Stellenpool,<br />

in den alle vorhandenen Schwesternstellen wanderten. Die fünfte<br />

<strong>Gemeinde</strong>, Patmos, stieg aus der gemeinsamen Planung wieder aus, als die<br />

dortige Diakonisse einer Überleitung nicht zustimmte.<br />

Aus jedem beteiligten GKR wurde ein Mitglied in ein gemeinsames Kuratorium<br />

geschickt. Für <strong>Matthäus</strong> war ich das. Das schwierigste Problem am Anfang<br />

war die Entwicklung einer Satzung, denn es sollte ja ein eingetragener<br />

Verein, der Diakonieverein Steglitz-Mitte e.V., gegründet werden.<br />

Zur Eröffnung hatten wir schon ein Auto für die Hausbesuche gekauft, das<br />

holte ich am Tag vorher noch ab und fuhr damit vor. Über meinen Schwiegersohn<br />

hatten wir ein paar Prozente Rabatt darauf bekommen.<br />

Die Eröffnung war feierlich: Es kam sogar der Regierende Bürgermeister,<br />

Eberhard Diepgen; . Wir waren ja nach Lankwitz erst die zweite Station für<br />

die ambulante Hauskrankenpflege in Berlin!<br />

Das fing ja damals erst an. Anfangs hatten wir nur sechs oder sieben Schwestern.<br />

Als die Hauspflegen dazu kamen, wurde der Betrieb immer größer. Die<br />

Hauspflegerinnen waren erst beim Diakonischen Werk Berlin angestellt und<br />

wurden dann an die Station abgegeben. Da mußten wir auch eine Leiterin<br />

einstellen.<br />

Zu Anfang war das alles halbprofessionell. Die Schwestern wollten nur in<br />

ihren bisherigen <strong>Gemeinde</strong>bezirken pflegen, beharrten auf „Ihr’s“.<br />

Sie waren ja bis zur Stationsgründung ganz selbstständig gewesen, hatten<br />

auch nichts mit der Küsterei zu tun. Die Pflegeaufträge kamen direkt aus der


Claudia Wein … Diakonie in der <strong>Matthäus</strong>gemeinde<br />

GESTERN ERST – GEMEINDELEBEN IN DER 2. HÄLFTE DES 20. JAHRHUNDERTS<br />

<strong>Gemeinde</strong>. Eine Aufsicht, geschweige denn so etwas wie Pflegestandards,<br />

gab es nicht.“<br />

Soweit der Blick zurück. Doch wie ist es heute?<br />

Diakonische Arbeit heute<br />

Noch immer sind die genannten vier Steglitzer <strong>Gemeinde</strong>n die Träger des<br />

Diakonievereins Steglitz-Mitte e.V.<br />

Aus dem Kuratorium ist ein erweiterter Vorstand geworden, und die Geschäftsfelder<br />

haben sich ausgedehnt:<br />

Zum Pflegebetrieb sind die Mobilitätshilfedienste Steglitz und am 1.1.2005<br />

Tempelhof hinzugekommen, außerdem die Betreuung einer gerontopsychiatrischen<br />

Wohngemeinschaft und – gemeinsam mit Lankwitz – die Trägerschaft<br />

an dem sehr beliebten Altenpflegeheim Lutherstift.<br />

Der Mobilitätshilfedienst Steglitz betreibt mit dem „Café Markus“ eine Begegnungsstätte<br />

in der Albrechtstraße 82.<br />

Aus den anfänglich sieben Schwestern sind im Haus- und Krankenpflegebereich<br />

fast neunzig MitarbeiterInnen geworden, die meisten allerdings in<br />

Teilzeitanstellung. Sie versorgen mehr als 200 Patienten täglich.<br />

Im Mobilitätshilfedienst Steglitz sind rund 50 MitarbeiterInnen für monatlich<br />

rund 1.150 Einsätze in der Mobilitätshilfe (früher auch „Rollstuhlschiebedienst“<br />

genannt) und für die Betreuung von monatlich rund 450 Gästen in<br />

der Begegnungsstätte verantwortlich.<br />

Natürlich ist mittlerweile in allen Bereichen, von der Pflege bis zu Geschäftsführung<br />

und Verwaltung, eine ausgeprägte Professionalisierung eingetreten.<br />

Als Bestätigung dieser Entwicklung ist das bestandene Audit vom<br />

23./24.5.2005 zur Überprüfung der Pflegequalität bei der Versorgung von<br />

AOK-Patienten anzusehen.<br />

75


GESTERN ERST – GEMEINDELEBEN IN DER 2. HÄLFTE DES 20. JAHRHUNDERTS<br />

76<br />

Claudia Wein … Diakonie in der <strong>Matthäus</strong>gemeinde<br />

Gleichzeitig besteht in vielen Bereichen auch eine große Kontinuität: Zwei<br />

Vorstandsmitglieder sind vom ersten Tag an dabei, und wir haben erst den<br />

dritten Geschäftsführer.<br />

Abschließend möchte ich noch berichten, daß ein wesentliches Merkmal<br />

der christlichen Krankenpflege inzwischen wieder fester Bestandteil unserer<br />

Diakonievereinsarbeit geworden ist: die Kranken-, aber auch die Mitarbeiterseelsorge.<br />

Friederike Pfaff-Gronau, angestellte Pfarrerin und ausgebildete Krankenhausseelsorgerin,<br />

begleitet eine zunehmende Zahl von Menschen und trägt so<br />

wesentlich dazu bei, dass die von uns verantwortete Arbeit tatsächlich etwas<br />

mit dem im <strong>Matthäus</strong>evangelium erteilten Auftrag zu tun hat.<br />

Diakonie Station Steglitz. v.l.: Geschäftsführer M.-W. Jähnig,<br />

Pflegedienstleiterin Yvonne Taranto, Projektleiter Rainer Lenk


SABINE DAVIDS<br />

Senioren – entweder aktiv dabei<br />

oder kaum zu sehen<br />

GESTERN ERST – GEMEINDELEBEN IN DER 2. HÄLFTE DES 20. JAHRHUNDERTS<br />

In unserer <strong>Gemeinde</strong> richten sich nur noch wenige Angebote ausdrücklich<br />

an „Senioren“ bzw. an die „ältere Generation“. Dies sind überwiegend Kreise<br />

mit langer Tradition: Der Seniorenclub, der Donnerstagskreis, der Töpferkreis<br />

und die Frauengruppe bestehen schon viele Jahre. Der „harte Kern“ dieser<br />

Gruppen hat sich schon Ende der 80er Jahre gefunden. Töpferkreis, Seniorenclub<br />

und Donnerstagskreis werden daher überwiegend von Menschen<br />

besucht, die mehrheitlich älter als 75 Jahre sind, in der Frauengruppe liegt<br />

das Durchschnittsalter etwa bei 65 Jahren. Aber auch im „Franziskuskreis“<br />

und im „Spätsommer“ treffen sich Christen, die eher „älter“ als „jünger“ sind.<br />

Diese Kreise wurden von ihren Mitgliedern gegründet, als diese noch zur<br />

jüngeren Generation gehörten, die nun gemeinsam alt geworden sind.<br />

Generationenwandel in den 80ger Jahren<br />

Bis 1992 gab es in der <strong>Matthäus</strong>gemeinde noch eine volle Stelle für einen<br />

<strong>Gemeinde</strong>helfer. Herrn Przybilski leitete von 1982 bis 1997 hauptamtlich<br />

die Seniorenarbeit und nahm auch die Aufgabe des Verwaltungsbeauftragten<br />

wahr. In dieser Funktion war er zuständig für alle Fragen, mit denen sich<br />

heute der Bauausschuss ehrenamtlich in seiner Freizeit beschäftigt: Renovierung,<br />

Reparatur, Überwachung von Handwerksarbeiten etc. Das Angebotsspektrum<br />

für die älteren <strong>Gemeinde</strong>mitglieder war so breit wie die Wünsche<br />

vielfältig. Neben den sich regelmäßig treffenden Kreisen und Gruppen wur-<br />

Durchschnittsalter: 65 Jahre<br />

77


GESTERN ERST – GEMEINDELEBEN IN DER 2. HÄLFTE DES 20. JAHRHUNDERTS<br />

78<br />

Die Dienstagsrunde<br />

Davids … Seniorenarbeit<br />

den auch gemeinsame Reisen und Ausflüge organisiert, die ohne den aus<br />

einer Erbschaft angeschafften VW-Bus undenkbar gewesen wären.<br />

Die Angebote wurden von allem von älteren Frauen wahrgenommen: Es<br />

war vor allem die Kriegsgeneration, die enge Bindung an die <strong>Gemeinde</strong> hatte.<br />

Aber gleichzeitig wurde schon in dieser Zeit deutlich, dass der „Nachwuchs“<br />

ausblieb: Die meisten der „jungen“ Alten waren gesundheitlich und wirtschaftlich<br />

gut gestellt. Wenn sie das Rentenalter erreichten, gingen sie ihren<br />

vielfältigen Interessen nach, machten Reisen oder widmeten sich ihren Hobbies<br />

und ihren Enkelkindern. Sie waren selten verwitwet oder alleinstehend,<br />

sondern hatten Partner für Unternehmungen. Ein Treffpunkt in der <strong>Gemeinde</strong><br />

verlor daher an Bedeutung.<br />

Gesellige Runden<br />

Die heute in der <strong>Matthäus</strong>gemeinde bestehenden Seniorengruppen werden<br />

deshalb überwiegend von Menschen besucht, die mit ihren Kreisen fest verwachsen<br />

sind: Das Treffen am Dienstag und die „Donnerstagsrunde“ werden<br />

von den Pfarrern geistlich begleitet. Die Nachmittage werden mit einer<br />

kurzen Andacht eröffnet und mit einem Lied beendet. Frau Hütter hat als<br />

Ehrenamtliche nach der Pensionierung von Herrn Przybylski die Organisation<br />

der Treffen übernommen. Sie sorgt fürs Programm, und<br />

dafür, dass Kaffee und Kuchen auf den Tischen stehen. Jeden<br />

ersten Dienstag im Monat wird gespielt, die übrigen<br />

Nachmittage werden Vorträge über unterschiedliche Themen<br />

geboten, z.B. mit Lichtbildern über interessante Reisen,<br />

oder über Kriminalität und wie sich ältere Menschen<br />

schützen können. Eingeladen werden Experten, die oft<br />

auch aus der eigenen <strong>Gemeinde</strong> kommen. Und einmal<br />

im Vierteljahr gibt es einen „Geburtstagskaffee“ für alle,<br />

die in dieser Zeit ein neues Lebensjahr begonnen haben.<br />

Die Töpfergruppe wird von Herrn Przybylski betreut, der<br />

seit seiner Pensionierung als hauptamtlicher Mitarbeiter in <strong>Matthäus</strong> diese


Davids … Seniorenarbeit<br />

GESTERN ERST – GEMEINDELEBEN IN DER 2. HÄLFTE DES 20. JAHRHUNDERTS<br />

Gruppe ehrenamtlich fortführt. Außer mit Ton wird auch mit anderen Materialien<br />

gearbeitet, die Seidenmalerei wird bei Interesse ebenso ausgeübt wie<br />

das Emailieren. Im Vordergrund steht der Spaß an handwerklicher Beschäftigung,<br />

das Ausprobieren eigener Fähigkeiten und Fertigkeiten.<br />

Gruppen für Gleichgesinnte<br />

In der Frauengruppe tauschen sich – generationenübergreifend – Frauen aus<br />

unserer <strong>Gemeinde</strong> über aktuelle, theologische und persönliche Fragen aus.<br />

Dieser Kreis wird von Frau Czada-Ahrendt moderiert und versteht sich als<br />

eine Möglichkeit, wo man gemeinsam über wichtige Themen nachdenken<br />

kann. Kirche wird <strong>hier</strong> ein Ort, an dem man sich auch außerhalb von Gottesdienst<br />

begegnen kann. Im Vordergrund steht der Wunsch, in der Kirche auch<br />

zu sich selbst zu finden. Gerade Frauen haben dies nötig, die sich häufig<br />

in erster Linie für andere engagieren. Dieser Kreis ist gekennzeichnet durch<br />

eine enge Verbundenheit und Fürsorge untereinander.<br />

Die Gruppe „Spätsommer“ wird von etwas<br />

jüngeren Seniorinnen und Senioren<br />

besucht. Da sie erst vor ca. 5 Jahren gegründet<br />

wurde, ist dies eine wirklich junge<br />

Gruppe in unserer <strong>Gemeinde</strong>! Auch<br />

im schon lange existierenden „Franziskuskreis“<br />

tummeln sich Menschen, die<br />

eher den „Senioren“ zuzurechnen sind.<br />

Aussichten: Hilfe, wir lassen<br />

die Alten allein!<br />

Zur <strong>Matthäus</strong>-<strong>Gemeinde</strong> gehören rund<br />

5.000 Mitglieder – rund 1.800 sind älter<br />

als 60 Jahre, davon rund 500 sogar älter<br />

als 80 Jahre. Das bedeutet: Ein Drittel<br />

der <strong>Gemeinde</strong>glieder gehört zur Gruppe<br />

der „Senioren“, mehrheitlich alleinle- Franziskuskreis auf Sommerreise<br />

79


GESTERN ERST – GEMEINDELEBEN IN DER 2. HÄLFTE DES 20. JAHRHUNDERTS<br />

80<br />

Die Donnerstagsrunde<br />

Davids … Seniorenarbeit<br />

bende Frauen, besonders in der Gruppe der über 80-jährigen. Das stimmt<br />

nachdenklich: Ja, die Gottesdienste werden mehr von Älteren als von Jüngeren<br />

besucht, aber so richtig viele Ältere sind es nun auch wieder nicht. Bei<br />

Veranstaltungen in der <strong>Gemeinde</strong> sind zwar viele Ältere zu sehen – aber<br />

meistens sind sie aktiv beteiligt, indem sie als Ehrenamtliche zum Gelingen<br />

beitragen. Wo sind die vielen anderen??<br />

Mit dem Abbau von Personalstellen in der Landeskirche und der Verlagerung<br />

von Pflegedienstleistungen in die Diakoniestation gibt es in unserer <strong>Gemeinde</strong><br />

keine hauptamtliche Verankerung der Seniorenarbeit mehr. Im <strong>Gemeinde</strong>bezirk<br />

gibt es keine institutionellen Betreuungsangebote der Kirche für alte<br />

Menschen. Zum staatliche Altenheim in der Rückertstr. ist der Kontakt abgebrochen.<br />

Lediglich im privat geführten Altenheim in der Ermanstraße finden<br />

regelmäßig Gottesdienste statt.<br />

Wer schon lange Jahre nur noch Kirchenmitglied, aber nicht in der <strong>Gemeinde</strong><br />

verwurzelt ist, wer nicht selbständig mehr oder weniger regelmäßig die<br />

<strong>Gemeinde</strong> aufsucht, „verschwindet“ aus dem Blickfeld der <strong>Gemeinde</strong>, sobald<br />

die eigenen Kräfte nachlassen. Hier liegt ein großes Aufgabenfeld für die <strong>Gemeinde</strong><br />

der Zukunft.


DOROTHEA BRAEUER<br />

Arbeit mit Familien als Chance<br />

des <strong>Gemeinde</strong>aufbaus<br />

Erinnerungen an einen besonderen Schwerpunkt<br />

in 15 Jahren Pfarramt in <strong>Matthäus</strong><br />

GESTERN ERST – GEMEINDELEBEN IN DER 2. HÄLFTE DES 20. JAHRHUNDERTS<br />

Als ich im Sommer 1989 meinen Dienst in der <strong>Matthäus</strong>gemeinde begann,<br />

begegnete ich einer Mutter mehrerer kleiner Kinder, die mir als Neuzugezogene<br />

von ihrem ersten Besuch eines Sonntagsgottesdienstes in der <strong>Matthäus</strong>kirche<br />

berichtete. Obgleich sich ihre Kinder fast ruhig verhielten, wurde sie<br />

von einer Besucherin aufgefordert, die Kirche mit den Kindern zu verlassen<br />

und zum Kindergottesdienst wieder zu kommen, weil die Kinder die Verkündigung<br />

des Wortes Gottes störten. Die Mutter ging daraufhin mit ihren<br />

Kindern auf die Empore, konnte sich aber am Gottesdienst nicht mehr freuen<br />

und fühlte sich ausgeschlossen.<br />

Für die, die sich gestört fühlten, war Ruhe in einer Kirche, die immer eine<br />

Predigtkirche mit besonderen Predigern gewesen ist, wichtig. Die Mutter aber<br />

fühlte sich zurechtgewiesen wie die Frauen, die ihre Kinder zu Jesus brachten.<br />

Sie wollte gemeinsam mit der ganzen Familie den Gottesdienst besuchen<br />

und die Kinder auf diese Weise an den christlichen Glauben heranführen.<br />

Diese Begegnung wurde für mich zum entscheidenden Impuls für den Aufbau<br />

einer neuen Familienarbeit in der <strong>Gemeinde</strong>. Dabei hatte ich von Beginn<br />

an alle Generationen im Blick: Wie konnte es gelingen, dass sich die <strong>Matthäus</strong>gemeinde<br />

als christliche Weggemeinschaft aller Generationen begreift,<br />

Stören Kinder den<br />

Gottesdienst?<br />

Alle Generationen im Blick<br />

81


GESTERN ERST – GEMEINDELEBEN IN DER 2. HÄLFTE DES 20. JAHRHUNDERTS<br />

82<br />

Bürgerliche Menschen<br />

der mittleren und<br />

älteren Generation<br />

Taufstein der <strong>Matthäus</strong>kirche<br />

in der Junge und Alte in gegenseitiger Achtung eine Hoffnungsgemeinschaft<br />

bildeten?<br />

Das Bild, das sich mir als Neuer 1989 im Gottesdienst und bei <strong>Gemeinde</strong>veranstaltungen<br />

bot, war vorwiegend von bürgerlichen Menschen der mittleren<br />

und älteren Generation geprägt. Einige Jüngere, um 30 Jahre alt, fanden sich<br />

bald zum Mittendrin-Kreis zusammen. Im Kindergottesdienst versammelte<br />

sich um Pfarrer Wildemann eine treue Gruppe von Kindern und Eltern. Daneben<br />

gingen Kinder und Eltern, die in der Regel durch das gottesdienstliche<br />

Leben nicht erreicht wurden, in der Kindertagestätte und im Miniclub ein<br />

und aus. In der musikalischen Früherziehung, den Kinderchören und zwei<br />

Mutter-Kind-Gruppen kamen junge Familien zusammen.<br />

Wie konnte es gelingen, diese Familien und die, die zahlreich mit ihren Kinderwagen<br />

auf der Schlossstraße beim Einkaufen und auf den nahe gelegenen<br />

Spielplätzen zu finden waren, mit sie ansprechenden geistlichen Angeboten<br />

in die <strong>Gemeinde</strong> einzuladen? Es war ja schon damals deutlich: Die Zukunftsfähigkeit<br />

der Kirche würde auch davon abhängen, ob unsere <strong>Gemeinde</strong>n in<br />

der Lage wären, die neue Generation nicht nur in die alten Formen zu integrieren,<br />

sondern auch so anzusprechen, dass alle spüren, dass Kinder ein<br />

Segen und eine Aufgabe sind.<br />

Die Familienarbeit, die von Beginn an durch eine Gruppe Ehrenamtlicher<br />

und seit 1992 durch Diakon Heiko Reschke mitgetragen wurde, hatte fünf<br />

Schwerpunkte: Taufe und Taufgedenken, Mutter-Kind-Gruppen, Babybasare<br />

und Krabbelgottesdienste, Christliche Erziehung im Kindergarten, Familiengottesdienste<br />

und Familienfreizeiten, Kirchenführungen für Kinder.<br />

Taufe und Taufgedenken<br />

Dorothea Braeuer ... Arbeit mit Familien<br />

In Steglitz, geprägt durch die Westberliner Tradition, gab und gibt es im Verhältnis<br />

zu anderen Gebieten unserer Landeskirche viele Taufen. Mit der zerbrechlichen<br />

Erfahrung des neuen Lebens kommen bei den Eltern, die meist<br />

selbst noch aus großen Konfirmandenjahrgängen stammen, die alten Fragen<br />

nach Sinn und Ziel des Lebens, nach Verantwortung und Begleitung auf. In<br />

jedem Taufgespräch in den 15 Jahren meines Dienstes in <strong>Matthäus</strong> war etwas


Dorothea Braeuer ... Arbeit mit Familien<br />

GESTERN ERST – GEMEINDELEBEN IN DER 2. HÄLFTE DES 20. JAHRHUNDERTS<br />

davon zu spüren, dass Hoffnung, Vertrauen, Freude und Glaube eine viel<br />

größere Rolle im Leben spielen als die vielen Probleme unserer komplizierten<br />

Welt. Und auch Eltern, die der Kirche distanziert gegenüber standen,<br />

wussten, dass sie für ihre Kinder nicht nur die Verantwortung für die<br />

Erziehung, sondern auch für die Eröffnung eines Weges als Christen in der<br />

Gesellschaft haben.<br />

Es war mir wichtig, dass das Versprechen zur christlichen Erziehung von<br />

Eltern und Paten ernsthaft gegeben wurde. Die Antwort der <strong>Gemeinde</strong><br />

auf diese Ernsthaftigkeit waren Einladungen zu Familiengottesdiensten<br />

und zur sonntäglichen Kinderbetreuung während des Hauptgottesdienstes,<br />

von Müttern Anfang der 90er Jahre in Gang gesetzt. Zum jährlichen<br />

Taufgedenken am Ostermontag – einer neu belebten <strong>Matthäus</strong>tradition<br />

– wurden im Familiengottesdienst Tauftag und Taufspruch verlesen, die Taufe mit Pfarrerin Braeuer<br />

Kinder zündeten ihre mitgebrachten Taufkerzen am Osterlicht an und<br />

wurden gesegnet. Das Bild der ernsten Kinderschar mit den leuchtenden<br />

Taufkerzen am österlichen weißen Altar ist für mich unvergesslich.<br />

Mutter-Kind-Gruppen, Babybasare, Krabbelgottesdienste<br />

Bevor sich in Folge der Wende gute Wohnmöglichkeiten für junge Familien im<br />

sog. Speckgürtel Berlins auftaten, wohnten im <strong>Gemeinde</strong>bereich zahlreiche<br />

Familien. Die Mütter hatten oft gute Ausbildungen und blieben nach einigen<br />

Jahren Berufserfahrung nicht selten für eine überschaubare Zeit nach der<br />

Geburt zu Hause. Die neue Situation mit Kind allein in der Wohnung,<br />

der Ehemann tagsüber im Beruf, die ehemaligen Kollegen und Kolleginnen<br />

entfernt, suchten sie einen Ort, an dem ihre Kinder erste Kontakte<br />

zu anderen Kindern knüpfen und sie sich mit anderen Müttern austauschen<br />

konnten. Anfang und Mitte der 90er Jahre, als es kaum weitere<br />

Angebote für junge Mütter in Steglitz gab, wurde die <strong>Matthäus</strong>gemeinde<br />

überrannt mit Anfragen. Bald gab es 10 Mutter-Kind-Gruppen im Wredezimmer<br />

des <strong>Gemeinde</strong>hauses. Babybasare wurden ins Leben gerufen.<br />

Das waren Märkte der Kommunikation nach außen und nach innen. Die<br />

Ehrenamtlichen, darunter rüstige Seniorinnen, die beim Kuchenverkauf<br />

und beim Abwasch halfen, berichteten begeistert von der Lebendigkeit Kindergottesdienst in <strong>Matthäus</strong><br />

83


GESTERN ERST – GEMEINDELEBEN IN DER 2. HÄLFTE DES 20. JAHRHUNDERTS<br />

84<br />

Zusammenarbeit mit der<br />

Rosenkranzgemeinde<br />

Kindertagesstätte<br />

dieses Treibens. Manche Mutter kam über dieses sozial-diakonische Angebot<br />

in Kontakt mit der <strong>Gemeinde</strong>, andere nahmen das Angebot dankbar an und<br />

verabschiedeten sich mit Beginn der Berufstätigkeit wieder.<br />

Zu den Krabbelgottesdiensten, die es seit 1990 gab, kamen erstaunlicherweise<br />

nur wenige Familien. Eine Ausnahme war der Martinsgottesdienst, der<br />

als Krabbelgottesdienst mit kleinem Laternenlauf um die Kirche begann und<br />

zum ökumenischen Höhepunkt der Familienarbeit wurde. Mitte der 90er<br />

Jahre schlossen wir uns auf Initiative der Leiterin des katholischen Kindergartens<br />

mit der Rosenkranzgemeinde zusammen, begannen mit einem ökumenischen<br />

Familiengottesdienst in der <strong>Matthäus</strong>kirche und meldeten unseren<br />

Umzug selbstbewusst mitten über die Schlossstraße an. Von nun an stand<br />

der Verkehr dank des guten Einsatzes der Steglitzer Polizei für eine halbe<br />

Stunde am Martinstag still: Hunderte Steglitzer Familien zogen unter der Anführung<br />

des durch Prozessionslautsprecher in die Menge übertragenen Gesangs<br />

des katholischen Pfarrers und unter der Begleitung der <strong>Matthäus</strong>-Bläser<br />

von der evangelischen <strong>Matthäus</strong>kirche zum Martinsfeuer der katholischen<br />

Rosenkranzbasilika. Dort wurden Martinsbrezeln geteilt, die Eltern und ältere<br />

<strong>Gemeinde</strong>glieder gebacken hatten.<br />

Christliche Erziehung im Kindergarten<br />

Dorothea Braeuer ... Arbeit mit Familien<br />

„Kommt ein Lichtlein, leise, leise, leise, leuchtet freundlich in die Welt; leuchtet<br />

still auf seine traute Weise, bis es Herz um Herz erhellt“. Mit diesem Lied<br />

begann die Runde jeden zweiten Freitag im Kindergarten in der Schützenstraße.<br />

Nach dem Lied wurde das Licht in der Tonschale von Kind zu Kind<br />

weitergereicht. Jedes Kind sah dabei dem nächsten in die Augen und sagte:<br />

„Ein Licht für dich, ...“ und setzte den entsprechenden Namen dazu. Anschließend<br />

spielten wir eine biblische Geschichte nach und beteten zum Schluss<br />

im Kreis. Bald schon hatten die Mitarbeiterinnen im Kindergarten die Idee,<br />

einen monatlichen Kitagottesdienst in der Kirche zu feiern: Da kamen aus<br />

der Kindertagesstätte die Krippen-, Vorschul- bzw. und Hortkinder mit allen<br />

Erzieherinnen und Wirtschaftskräften eine halbe Stunde lang in die Kirche.<br />

Die Kinder saßen auf dem Teppich vor dem Altar und feierten ihren Gottes-


Dorothea Braeuer ... Arbeit mit Familien<br />

GESTERN ERST – GEMEINDELEBEN IN DER 2. HÄLFTE DES 20. JAHRHUNDERTS<br />

dienst. Die Verantwortung für den Gottesdienst wechselte im Pfarrkollegium,<br />

so dass die Kinder bald alle Pfarrer kannten.<br />

Durch die Kindertagesstätte ist der <strong>Matthäus</strong>gemeinde ein Schatz gegeben.<br />

Diejenigen, deren Fehlen in den Gottesdiensten von manchen beklagt wurde,<br />

waren <strong>hier</strong> zusammen: 85 Familien, die, wenn man nur hinhörte, das<br />

bunte Leben ihrer Generation mit Neugier und Offenheit, mit Zweifeln und<br />

Fragen in die <strong>Gemeinde</strong> brachten. Ich halte es für den <strong>Gemeinde</strong>autbau für<br />

unverzichtbar, die Bedürfnisse dieser Familien ernst zu nehmen. Ich erinnere<br />

mich gerne an Taufseminare mit Eltern der Kindertagesstätte, an gemeinsam<br />

vorbereitete Erntedankgottesdienste und auch an ernste seelsorgerliche<br />

Situationen, die wir behutsam begleiten durften.<br />

Familiengottesdienst und Familienfreizeiten<br />

Seit 1989 wurden regelmäßig vier Familiengottesdienste im Jahr gefeiert:<br />

Heilig-Abend mit Krippenspiel, Ostermontag mit Taufgedenken, am letzten<br />

Sonntag vor den Sommerferien mit Reisesegen und am Erntedankfest mit<br />

dem Schmücken des Altars während des Dankliedes „Wir pflügen und wir<br />

streuen ...“. Dazu kam ein Schulanfängergottesdienst an einem Sonnabend<br />

zur Einschulung. Von Anfang an sollten diese Gottesdienste die ganze <strong>Gemeinde</strong><br />

erreichen und nicht spezielle Kindergottesdienste sein. Eine feste<br />

Liturgie und eine Kurzpredigt gehörten wie neue Lieder und ein Anspiel<br />

oder eine Aktion dazu. Fröhlich und feierlich, besinnlich<br />

und ermutigend sollten sie sein. Zunächst blieb die Gottesdienstgemeinde<br />

weg oder wich in den Frühgottesdienst aus.<br />

Nach und nach kamen aber immer mehr wieder dazu. Einige,<br />

denen die Predigt im normalen Sonntagsgottesdienst zu<br />

lang war, bevorzugten sogar diese Gottesdienstform, andere<br />

freuten sich über die Abwechslung und das bunte Leben der<br />

nächsten Generation. Alle lernten von der Klarheit und der<br />

Ernsthaftigkeit des Glaubens der Kinder. Das Zusammensein<br />

nach den Gottesdienstes gehörte zu Ostern mit dem Ostereiersuchen<br />

und im Sommer mit einem Hoffest für Alt und Jung dazu.<br />

Familienfreizeit 2001 Güstrow<br />

85


GESTERN ERST – GEMEINDELEBEN IN DER 2. HÄLFTE DES 20. JAHRHUNDERTS<br />

86<br />

Familienfreizeit 2001 Güstrow<br />

„Wenn diese Kirche<br />

sprechen könnte....“<br />

Einmal im Jahr fuhr ein großer Teil der Familiengottesdienstgemeinde<br />

ein paar Tage zu einer Freizeit in das Umland.<br />

Spielen und Wandern, Singen und Beten, Hören und<br />

Schweigen, Tanzen und Feiern standen auf dem Programm.<br />

Die Erwachsenen konnten sich dank der Kinderbetreuung<br />

durch unsere Jugendlichen zu eigenen Gesprächsgruppen<br />

treffen. Lagerfeuer und Gräuelparty rundeten diese Tage ab.<br />

Wer einmal mitgefahren war, kam meist wieder.<br />

Kirchenführungen für Kinder<br />

Dorothea Braeuer ... Arbeit mit Familien<br />

Die Initiative der Kirchenführungen ging von den Lehrerinnen<br />

und Lehrern der benachbarten Schulen aus, die<br />

sich mit ihren Klassen anmeldeten. Kinder, die laut angestürmt kamen, wurden<br />

in der Kirche still. Die Größe und Schönheit des Kirchraums verkündigte<br />

die Gegenwart Gottes auf seine Weise. „Wenn diese Kirche sprechen könnte,<br />

was würde sie uns erzählen...“, so begann oft ein tiefes Gespräch mit den<br />

Kindern und Jugendlichen. Die Vorstellung, dass in dieser Kirche Hunderttausende<br />

vor uns gebetet und gesungen haben, beeindruckte alle. Die Stimme<br />

im großen Raum auszuprobieren, auf die Kanzel zu steigen, alte Schriften zu<br />

entziffern, die Bilder der Kirchenfenster zu entschlüsseln,<br />

das Taufbecken anzufassen, auf die Orgelempore zu gehen<br />

und zuzuhören, wie ein kundiges Kind unter Anleitung<br />

die Königin der Instrumente zum Klingen bringt – das waren<br />

große Erlebnisse..<br />

15 Jahre Familienarbeit in <strong>Matthäus</strong> – eine reiche und<br />

intensive Zeit. Ich freue mich, dass meine Pfarrstelle wieder<br />

besetzt und die Familienarbeit in die Hände einer<br />

kompetenten Kollegin gelegt werden konnte, die neue<br />

Schritte gehen wird. Ich wünsche noch vielen Familien<br />

in Steglitz, dass ihnen auf der Suche nach Orientierung<br />

die <strong>Matthäus</strong>kirche ein Ort der christlichen Begegnung<br />

und der Geborgenheit im Glauben werden kann.


FLORIAN KUNZ<br />

Was bedeutet <strong>Matthäus</strong> für dich?<br />

Geborgenheit,<br />

Gemeinschaft,<br />

christlich miteinander<br />

leben<br />

... und gute<br />

Würstchen!<br />

Ein Rückhalt!<br />

Ein Hort, wo<br />

man immer das<br />

Gefühl hat, man<br />

gehört dazu, weil<br />

wir Ähnliches<br />

denken und Ähnliches<br />

glauben!<br />

MATTHÄUSGEMEINDE HEUTE – AM ANFANG DES 21. JAHRHUNDERTS<br />

<strong>Matthäus</strong> bleibt, trotz<br />

aller Höhen und Tiefen<br />

im Laufe der vielen<br />

Jahre meine Heimat!<br />

Viel Spaß, Freude<br />

und Arbeit!<br />

<strong>Matthäus</strong> ist für mich<br />

wie eine Familie mit<br />

viel Geborgenheit<br />

und Sicherheit!<br />

Eine zweite Heimat,<br />

viele neu gewonnene<br />

freundschaftliche<br />

Beziehungen, von<br />

meiner Jugend an Halt!<br />

87


MATTHÄUSGEMEINDE HEUTE – AM ANFANG DES 21. JAHRHUNDERTS<br />

Viel Musik mit<br />

tollen Menschen!<br />

88<br />

Ganz viele<br />

Möglichkeiten<br />

zur Entfaltung!<br />

Viele offene<br />

und freundliche<br />

Menschen und<br />

Herzlichkeit<br />

mitten in Steglitz!<br />

Ich singe in<br />

<strong>Matthäus</strong> gerne<br />

im Jugendchor,<br />

<strong>hier</strong> sind viele<br />

nette Menschen!<br />

Ich bin <strong>hier</strong><br />

getauft worden,<br />

die Lieder<br />

finde ich gut!<br />

Gemeinschaft<br />

zwischen Jung<br />

und Alt!<br />

Da hängt unser<br />

Leben dran!<br />

<strong>Matthäus</strong> ist<br />

unser zweites<br />

Zuhause!<br />

Der Jugendchor<br />

„Closer“ begeistert<br />

mich, solche<br />

Freude gehört in<br />

die <strong>Gemeinde</strong>!<br />

WOW!<br />

Florian Kunz … Was bedeutet <strong>Matthäus</strong> für dich?


GISELA GORETZKI, ANETTE MEIBURG, GERHARD KEINHORST<br />

Ökumene in der <strong>Matthäus</strong>gemeinde<br />

Ökumene, und besonders Ökumene „vor Ort“ gehört zum Selbstverständnis<br />

der <strong>Gemeinde</strong> und zum <strong>Gemeinde</strong>leben. Sie ist das Ergebnis eines langen<br />

Weges.<br />

Als 1880 die <strong>Matthäus</strong>kirche errichtet wurde und sowohl evangelische als<br />

auch katholische Christen in Steglitz lebten, war dies offenbar noch anders.<br />

Aufzeichnungen in der Pfarrchronik unserer katholischen Schwestergemeinde<br />

in Steglitz, der Rosenkranzgemeinde, aus der Wende vom 19. zum 20.<br />

Jahrhundert lassen wenig Harmonie zwischen Protestanten und Katholiken<br />

in Steglitz erkennen: So wird in einer Sonntagspredigt aus dem Jahre 1895<br />

davon berichtet, dass katholische Schulkinder bei einer Veranstaltung am<br />

2. September an einem Umzug nicht teilnahmen, weil ein evangelischer<br />

Feldgottesdienst in das Programm aufgenommen worden war. Bis zum Kirchenkampf<br />

in der Nazi-Zeit hatte sich diese reservierte Einstellung zueinander<br />

nicht wesentlich geändert.<br />

Zwei Schritte vor, einer zurück<br />

Doch nach dem 2. Weltkrieg finden sich im <strong>Gemeinde</strong>blatt „<strong>Matthäus</strong>bote”<br />

immer mehr Anmerkungen zum Thema Ökumene: Im November 1952<br />

etwa wird ein <strong>Gemeinde</strong>abend „Können Christen einig werden?“ angekündigt.<br />

1954 wird auf den Weltgebetstag der Frauen hingewiesen. 1966 lädt<br />

die Rosenkranzgemeinde zu einem „Ökumenischen Gesprächsabend“ ein.<br />

1972 wird über die Gründung eines interkonfessionellen Arbeitskreises be-<br />

MATTHÄUSGEMEINDE HEUTE – AM ANFANG DES 21. JAHRHUNDERTS<br />

Reservierte Einstellung<br />

in früheren Zeiten<br />

89


MATTHÄUSGEMEINDE HEUTE – AM ANFANG DES 21. JAHRHUNDERTS<br />

90<br />

Ökumenisches<br />

Sommerfest 1988.<br />

V.l.n.r. Pastor Muskolus, Fr.<br />

Brennecke und Pfr. Marsen<br />

Goretzki, Keinhorst, Meiburg … Ökumene in der <strong>Matthäus</strong>gemeinde<br />

richtet, 1976 über Besuche in der Rosenkranz-Basilika und in der Evangelisch-Freikirchlichen<br />

<strong>Gemeinde</strong> (Baptisten) in der Rothenburgstraße, 1980<br />

im „<strong>Matthäus</strong> Streusel“ über die Geschichte der Rosenkranzgemeinde. Das<br />

Titelbild des „Treffpunkt <strong>Matthäus</strong>“ Februar/März 1984 ziert gar ein ganzseitiges<br />

Foto der Rosenkranz-Basilika. Ihr Pfarrgemeinderat reagiert darauf mit<br />

„Dankbarkeit und Freude“ und grüßt in „christlicher Verbundenheit“. Der<br />

Brief wird in einer weiteren „Treffpunkt“-Ausgabe veröffentlicht. Im Jahre<br />

1986 scheitert dennoch ein Versuch der katholisch-evangelischen Eheleute<br />

(Weber)-Henzel, einen ökumenischen Gesprächskreis zu errichten.<br />

Mit der Ökumene geht es trotzdem voran. Im September 1988 gibt es auf<br />

dem Gelände der Baptisten ein ökumenisches <strong>Gemeinde</strong>fest der drei <strong>Gemeinde</strong>n.<br />

Im Oktober 1992 sprechen als Referenten einer „Ökumenische(n)<br />

Bibelwoche“ zum Thema „Gottes Wort in den Evangelien“ im <strong>Matthäus</strong>-<strong>Gemeinde</strong>haus<br />

die <strong>Matthäus</strong>pfarrer Dr. Wildemann und Sadecki, der Baptisten-Pastor<br />

Muskolus und der Rosenkranz-Pfarrer Finke. Etwa zu dieser Zeit<br />

kommt es in der Schloßstraße auch zu ökumenischen Mahnwachen gegen<br />

Fremdenfeindlichkeit. Im Januar 1998 findet dann erstmals ein gemeinsamer<br />

theologischer Abend in den Räumen der Rosenkranzgemeinde zur Frage der<br />

Rechtfertigungslehre statt.<br />

Gemeinsame theologische Seminare<br />

Im Anschluss an einen weiteren theologischen Abend am 20. Januar 1999<br />

im baptistischen <strong>Gemeinde</strong>zentrum zum Thema „Abendmahls- bzw. Eucharistieverständnis“,<br />

an dem wieder auch die drei <strong>Gemeinde</strong>n teilnehmen,<br />

beschließt der GKR im Februar 1999 die ökumenischen Kontakte zu intensivieren.<br />

Dies führt am 14. Juli 1999 zur Gründung eines Ökumeneausschusses<br />

des GKR. Aus den Mitgliedern dieses Ausschusses und Vertretern der<br />

Baptisten- und der Rosenkranzgemeinde entwickelt sich im Jahre 2000 der<br />

„Arbeitskreis Ökumene“ als ständige Einrichtung der drei <strong>Gemeinde</strong>n.<br />

Der Arbeitskreis organisiert von nun an regelmäßig ökumenische Veranstaltungen.<br />

Ein theologischer Abend und ein ökumenischer Gottesdienst im Ja-


Goretzki, Keinhorst, Meiburg … Ökumene in der <strong>Matthäus</strong>gemeinde<br />

nuar im Rahmen der „Gebetswoche für die Einheit der Christen“, jeweils<br />

abwechselnd in einer der drei <strong>Gemeinde</strong>n, ist mittlerweile zu einer festen<br />

Tradition geworden. Der Arbeitskreis gestaltet auch sonstige Gesprächsabende,<br />

etwa im Oktober 2001 zum nach wie vor aktuellen Thema Religionsunterricht<br />

(„Alte Frage – Neue Brisanz“). Beim ökumenischen<br />

Kirchentag im Sommer 2003 steht das „Nachtcafé“ im<br />

<strong>Matthäus</strong>-<strong>Gemeinde</strong>haus unter seiner Obhut. Auch schreibt<br />

er sich die Mitorganisation des ökumenischen Gottesdienstes<br />

auf dem Hermann-Ehlers-Platz am Himmelfahrtstag als<br />

besonderen Höhepunkt auf seine Fahnen: „Strahlende Sonne,<br />

hunderte von Teilnehmern, eine lebendige Predigt von<br />

Pfarrer Dr. Wildemann und schließlich ein Grußwort des Bezirksbürgermeisters.“<br />

(Treffpunkt April/Mai 2004).<br />

Nägel mit Köpfen<br />

Im Zuge solcher Aktivitäten werden nun auch regelmäßig die <strong>Gemeinde</strong>blätter<br />

in den jeweils anderen <strong>Gemeinde</strong>n ausgelegt. Sie enthalten jetzt wiederholt<br />

Artikel von Autoren und Hinweise auf Veranstaltungen der anderen<br />

<strong>Gemeinde</strong>n.<br />

Die Ökumene steht gegenwärtig auf mehreren Füßen: Der Weltgebetstag<br />

der Frauen ist heute ein alljährliches ökumenisches Großereignis. Mehrfach<br />

im Jahr treffen sich unterschiedliche <strong>Gemeinde</strong>mitglieder für Fahrten nach<br />

Taizé, um dort Christen unterschiedlichster Ausrichtung zu treffen, und das<br />

eigene Glaubenserlebnis zu vertiefen. Der gemeinsame Martinsumzug in<br />

der Vorweihnachtszeit ist besonders bei den Familien eine beliebte ökumenische<br />

Veranstaltung. Jedes Jahr ziehen am 11.11. nach einer Andacht mit<br />

gespielter Martinslegende in der <strong>Matthäus</strong>kirche über 500 kleine und große<br />

Menschen mit Laternen und musikalischer Unterstützung durch Bläserchöre<br />

über die von der Polizei gesperrte Schloßstraße zur Rosenkranzbasilika.<br />

Ein weiteres Beispiel für praktische Ökumene der Nachbargemeinden ist<br />

das Obdachlosencafe, das von Erntedank bis Ostern jeden Mittwoch in der<br />

MATTHÄUSGEMEINDE HEUTE – AM ANFANG DES 21. JAHRHUNDERTS<br />

GKR-Frauen am Suppenstand auf<br />

dem Ökumenischen Kirchentag<br />

2003.<br />

V.l.n.r.: Sabine Davids, Dietlind<br />

Görlach-Wurzel, Gisela Goretzki<br />

91


MATTHÄUSGEMEINDE HEUTE – AM ANFANG DES 21. JAHRHUNDERTS<br />

92<br />

Goretzki, Keinhorst, Meiburg … Ökumene in der <strong>Matthäus</strong>gemeinde<br />

Bethelhalle des <strong>Matthäus</strong>gemeindehauses Bedürftigen eine warme Mahlzeit,<br />

Kaffee, Kuchen und liebevolle Betreuung bietet. Nicht unerwähnt bleiben<br />

soll der regelmäßige ökumenische Pfarrerkonvent. Durch ihn halten die Pfarrer<br />

einen eigenen interkonfessionellen Kontakt zueinander. Die Jugendlichen<br />

der Martin-Luther- und <strong>Matthäus</strong>gemeinden feiern jedes Jahr gemeinsam<br />

mit den Jugendlichen von Sankt Annen (Gardeschützenweg) die Liturgische<br />

Nacht von Gründonnerstag auf Karfreitag.<br />

Lebendig ist die Ökumene naturgemäß vor allem durch die Menschen vor<br />

Ort. Wir stellen dankbar fest, dass der Kontakt der drei <strong>Gemeinde</strong>n auf der<br />

Basis großen Vertrauens zu einer Normalität geworden und aus dem Selbstverständnis<br />

der <strong>Matthäus</strong>gemeinde nicht mehr wegzudenken ist.<br />

Ökumenischer Gottesdienst in der Rosenkranzbasilika<br />

2002. V.l.n.r.: Pastor Muskolus (Baptistengem.), Pfrn. Braeuer<br />

(<strong>Matthäus</strong>gem.), Pfarrer Dr. Hoefs (Rosenkranzgem.)


B. WILDEMANN, CHR. BÄHRENS, E. WOLF, E. KRÜGER, V. HÜHNE<br />

Die <strong>Matthäus</strong>kirche – eine Hochburg<br />

der Kirchenmusik<br />

Die <strong>Matthäus</strong>gemeinde hatte das Glück, dass sie bis Ende der 90er Jahremit einer<br />

hochrangigen Kirchenmusikerstelle ausgestattet war. So wurde <strong>hier</strong> das musikalische<br />

Gotteslob intensiv gepflegt. Aufgrund der Sparmaßnahmen konnte<br />

aber die teure hauptamtliche Kirchenmusikerstelle nach der Jahrtausendwende<br />

nicht mehr neu besetzt werden. Heute teilen sich Organist und Kantor eine<br />

halbe Stelle. Die Vielfalt der kirchenmusikalischen Felder wird durch Übungsleiterverträge<br />

sichergestellt, die allerdings jährlich erneuert werden müssen.<br />

Der damit verbundene häufige Personalwechsel schlägt sich glücklicherweise<br />

nicht in einer starken Fluktuation in den verschiedenen Chören nieder, so dass<br />

– allen Widrigkeiten zum Trotz – auch in den letzten Jahren die Gottesdienste<br />

durch Kirchenmusik festlich ausgestaltet werden konnten.<br />

Ein Rückblick (Bernd Wildemann)<br />

In dem Jahrzehnt von 1950 bis 1960 fanden in der <strong>Matthäus</strong>kirche oft Kantatengottesdienste<br />

statt, zu denen Bischof Dibelius predigte. Seit dieser Zeit<br />

heißt ein großer, formschöner Polsterstuhl im Altarraum „der Bischofsstuhl“.<br />

Mit der Fertigstellung des Neubaus der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche<br />

werden die Kantatengottesdienste dort gefeiert.<br />

Aus meiner Vikarszeit 1969–1970 erinnere ich mich an Helmut Kühn. Noch<br />

heute gibt es Aufnahmen seiner zahlreichen Konzerte. Den Gottesdienst zu<br />

meiner Einführung 1982 hat Herr Modeß musikalisch reich gestaltet, der die<br />

MATTHÄUSGEMEINDE HEUTE – AM ANFANG DES 21. JAHRHUNDERTS<br />

Vielfalt von<br />

kirchenmusikalischen Feldern<br />

93


MATTHÄUSGEMEINDE HEUTE – AM ANFANG DES 21. JAHRHUNDERTS<br />

94<br />

Die Kantorei probt im großen<br />

Saal des <strong>Gemeinde</strong>hauses<br />

Die <strong>Matthäus</strong>kirche – eine Hochburg der Kirchenmusik<br />

Musik auch gerne bei allen Arten von <strong>Gemeinde</strong>festen eingebracht hat. Sein<br />

Nachfolger für rund zehn Jahre wurde Roland Maria Stangier. Er hatte eine<br />

Vorliebe für die französische Orgelmusik des 19. Jahrhunderts, besonders César<br />

Franck. Heute ist er Professor für Kirchenmusik in Essen.<br />

Nach ihm kam Karin Bocher zu uns. Ihre Vorliebe galt der älteren Kirchenmusik,<br />

vor allem Johann Sebastian Bach. Sie setzte auch in der Kinder- und<br />

Jugendarbeit Akzente. Für die Kinderchöre schrieb sie eigene Musicals, und<br />

sie sorgte dafür, dass die Kinderchöre häufig in den Gottesdiensten sangen.<br />

Der Jugendchor setzte seinen Schwerpunkt auf neue Lieder und Gospels,<br />

und gab sich den Namen „Closer“. Frau Bocher verstand die verschiedenen<br />

Chöre ausdrücklich als <strong>Gemeinde</strong>gruppen und war bemüht, den Glauben<br />

der Sänger und <strong>Gemeinde</strong>glieder zu stärken.<br />

Seit dem Ausscheiden von Karin Bocher hat der langjährige Kantor der Martin-Luther-<strong>Gemeinde</strong>,<br />

Johann Wolfgang Küsgen, das Orgelspiel für alle Gottesdienste<br />

in beiden <strong>Gemeinde</strong>n übernommen. In <strong>Matthäus</strong> leitet seit 2002<br />

Christian Bährens die von ihm „wiederbelebte“ und um neue Sängerinnen<br />

und Sänger erweiterte große Kantorei. Mit seinen großen Konzerten, bei denen<br />

die <strong>Matthäus</strong>-Kantorei vom „Wilmersdorfer Kammerchor“ unterstützt<br />

wird, knüpft er an die Tradition der früheren Jahre<br />

an.<br />

Die <strong>Matthäus</strong>-Kantorei<br />

(Christian Bährens)<br />

Die <strong>Matthäus</strong>-Kantorei befindet sich seit nunmehr<br />

zweieinhalb Jahren unter meiner Leitung im Wiederaufbau<br />

und ist inzwischen auf ca. 40 Mitglieder<br />

(13 Soprane, 13 Altistinnen, 5 Tenöre – davon drei<br />

Damen – und 8 Bässe) angewachsen. Der Chor hat<br />

sich stimmlich und musikalisch gut entwickelt und<br />

ist menschlich zusammengewachsen. Auch als<br />

Gastgeberin hat sich die Kantorei bewährt: im Juni war der Frauenchor „Cantilena“<br />

aus Litauen mit einem Konzert zu Besuch.


Die <strong>Matthäus</strong>kirche – eine Hochburg der Kirchenmusik<br />

Die Kantorei hat in der vergangenen Zeit zahlreiche Gottesdienste mitgestaltet.<br />

Das musikalische Repertoire reicht von Gregorianischen Gesängen,<br />

Anglikanischen Psalmen, Taizé-Gesängen über Motetten und Kantaten von<br />

Bach, Byrd, Kuhnau, Rheinberger, Telemann und Schubert bis zu modernen<br />

Spirituals und Gospels. Im Dezember 2003 präsentierte die Kantorei das<br />

Weihnachtsoratorium (Kantaten 1-3) von J. S. Bach, im November 2004 kam<br />

das Requiem von G. Fauré zur Aufführung.<br />

An der Feier des 125. Kirchweihfestes ist die Kantorei natürlich auch beteiligt.<br />

Im Rahmen des Festgottesdienstes am 1. Advent wird der Chor die<br />

musikalische Gestaltung übernehmen. Als Auftakt der Feierlichkeiten fand<br />

am 23. Oktober bereits ein Chorkonzert (mit Solisten und Kammerorchester)<br />

statt, bei dem Werke von Albinoni, Bach, Buxtehude, Schubert und Telemann<br />

zur Aufführung kamen. Wir hoffen, dass wir mit unserer Musik auch<br />

in Zukunft zum Lobe Gottes und zur Freude all unserer Zuhörer beitragen<br />

können!<br />

Kinderchor (Eva Wolf)<br />

Nach der Gründung der beiden Kinderchöre durch Karin Bocher wurden diese<br />

Arbeit während der Elternzeit von Frau Bocher zunächst von<br />

Franziska Pickert, und nach ihrem Wegzug aus Berlin von Anne<br />

Haensel fortgeführt. Als diese zu Beginn des Jahres 2005 ihr<br />

Vikariat antrat, habe ich die kindermusikalische Arbeit in der<br />

<strong>Matthäus</strong>gemeinde übernommen. Die kleineren und die größeren<br />

„<strong>Matthäus</strong>mäuse“ treffen sich immer dienstags um 17.00<br />

Uhr bzw. 17.45 Uhr im großen Saal des <strong>Gemeinde</strong>hauses.<br />

Da ich Musiklehrerin an der Ev. Schule Steglitz bin, wird es ein<br />

Aufgabenschwerpunkt sein, ein festes Band zwischen Schule<br />

und <strong>Gemeinde</strong> zu knüpfen. So haben wir bereits gemeinsam<br />

den Familiengottesdienst im Juni 2005 mitgestaltet und die <strong>Matthäus</strong>mäuse<br />

haben bei der Aufführung des Kindermusicals „Die<br />

Trompeten von Jericho“, das in der Evangelischen Schule einstudiert wurde,<br />

stimmkräftig mitgewirkt.<br />

MATTHÄUSGEMEINDE HEUTE – AM ANFANG DES 21. JAHRHUNDERTS<br />

Die <strong>Matthäus</strong>mäuse mit<br />

Franziska Pickert<br />

95


MATTHÄUSGEMEINDE HEUTE – AM ANFANG DES 21. JAHRHUNDERTS<br />

96<br />

Closer singt beim<br />

<strong>Gemeinde</strong>fest 2005<br />

Der Bläserchor bei der Arbeit<br />

Jugendchor (Elke Krüger)<br />

Die <strong>Matthäus</strong>kirche – eine Hochburg der Kirchenmusik<br />

Der Chor „Closer“ wurde 1992 von Karin Bocher als Jugend- &<br />

Gospelchor gegründet. In den sieben Jahren unter ihrer Leitung<br />

entstand eine Gemeinschaft junger Menschen aus verschiedenen<br />

<strong>Gemeinde</strong>n und Konfessionen. Zwischen 1999 und 2004 stand<br />

der Chor unter wechselnden Leitungen, die immer von Alexander<br />

Pfingstl unterstützt wurden. Der Schwerpunkt der Lieder verlagerte<br />

sich von Gospeln hin zu moderner Jugenchorliteratur. Nun hat<br />

Magnus Hellmann die Stimmgabel übernommen.<br />

Seit der Gründung singt „Closer“ regelmäßig in Gottesdiensten der<br />

<strong>Matthäus</strong>gemeinde und als Gast in anderen <strong>Gemeinde</strong>n, aber auch bei Taufen,<br />

Konfirmationen und Hochzeiten.<br />

Posaunenchorarbeit – aktuell (Volker Hühne)<br />

Der Posaunenchor der <strong>Matthäus</strong>-<strong>Gemeinde</strong> ist ein kleiner Kreis von begeisterten<br />

Laien-Musikern, die sich regelmäßig einmal die Woche zum Proben<br />

und gemeinsamen Musizieren treffen. Unter Anleitung eines Berufsmusikers<br />

lernen wir Werke verschiedenster Stilepochen kennen und spielen stets auch<br />

Choräle und Lieder, um unsere Klangvorstellung zu schulen.<br />

Um das so Gelernte vorzutragen gibt es denkbar viele Gelegenheiten. Wir<br />

spielen zu aller erst natürlich in den Gottesdiensten der <strong>Matthäus</strong>-<br />

und der Martin-Luther-Kirche, wenn es besonders festlich zu gehen<br />

soll. Gottesdienste wie <strong>Gemeinde</strong>feste werden öfter gemeinsam mit<br />

der Kantorei gestaltet. Hin und wieder helfen einige von uns im befreundeten<br />

Posaunenchor der Hohenzollern-<strong>Gemeinde</strong> aus. Doch<br />

ebenso sind „weltliche Auftritte“ für uns ein willkommener Anlass<br />

zum Musizieren: So blasen wir auf Sommerfesten, Laternenfesten<br />

und manchmal umrahmen wir einen Geburtstag musikalisch.<br />

Wer also mitmachen möchte, ist herzlich willkommen!


HEIKO RESCHKE UND SEBASTIAN PERTSCH<br />

Jugend in der <strong>Gemeinde</strong><br />

ZAHLENMÄSSIG – kann zwar in der heutigen Jugendarbeit nicht an die<br />

Gruppengröße vergangener Jahrzehnte angeknüpft werden, was den demographischen<br />

Wandel widerspiegelt. Aber trotz der Vielfalt an großstädtischen<br />

Angeboten gelingt es der Jugendarbeit, junge Menschen für die befreiende<br />

Botschaft des Evangeliums zu begeistern. So engagieren sich Jugendliche in<br />

ganz unterschiedlichen Bereichen unserer <strong>Gemeinde</strong>:<br />

• im offenen Jugendkeller im Pfarrhaus in der Rothenburgstraße 32, wo neben<br />

Billard-, Kicker- und Dartspielen immer auch genug Zeit zum gemeinsamen<br />

Reden bleibt<br />

• in den verschiedenen Musikprojekten unserer <strong>Gemeinde</strong>, wo in klassischer<br />

oder rockiger Form emsig geprobt und aufgeführt wird<br />

• in verschiedenen Gottesdiensten in und auch außerhalb unserer <strong>Gemeinde</strong><br />

• im Chor, um neue geistliche Lieder für eigene Konzerte oder Musiktheateraufführungen<br />

einzustudieren<br />

• als Teamerinnen und Teamer in der ehrenamtlichen Jugendarbeit<br />

ZIMMER FREI! – So lautete der Titel eines Gottesdienstes der besonderen<br />

Art, der von vielen Jugendlichen unserer <strong>Gemeinde</strong> für kirchenferne Menschen<br />

aller Generationen gestaltet wurde. Diese Gottesdienste am Abend,<br />

die unter dem Titel „x-tra service“ von den Jugendlichen in der <strong>Gemeinde</strong> ins<br />

Leben gerufen wurden, lösten eine Gottesdienstserie ab, die unter dem Titel<br />

„Hy-fisch“ eine Zeitlang ebenfalls neue Wege suchte. Jede junge Generation<br />

MATTHÄUSGEMEINDE HEUTE – AM ANFANG DES 21. JAHRHUNDERTS<br />

Diakon Heiko Reschke und<br />

Pfarrer Zabka auf Konfer-Fahrt<br />

97


MATTHÄUSGEMEINDE HEUTE – AM ANFANG DES 21. JAHRHUNDERTS<br />

98<br />

Heiko Reschke, Sebastian Pertsch ... Jugend in der <strong>Gemeinde</strong><br />

sucht nach zeitgemäßen Formen der Verkündigung: Durch Theaterszenen,<br />

zeitgemäße Musik und Computerpräsentationen werden die Themen des<br />

Gottesdienstes gestaltet. In einer Fragerunde haben die Gottesdienstbesucher<br />

Gelegenheit, über die Botschaft nachzudenken, Fragen an den Glauben<br />

zu formulieren.<br />

ÖKUMENE! – Eigentlich selbstverständlich ist für Jugendliche, mit Jugendlichen<br />

anderer Religionen befreundet zu sein. Schon durch die Schulen haben<br />

sie z.T. engen Kontakt zu Menschen, die mit muslimischen und auch jüdischen<br />

Traditionen leben. Im Jugendkeller finden sich nicht nur Konfis unserer <strong>Gemeinde</strong><br />

ein, sondern auch die Freundinnen und Freunde der Konfis. Dennoch<br />

– die engste Zusammenarbeit mit anderen <strong>Gemeinde</strong>n besteht mit unseren<br />

katholischen Nachbargemeinden. Das findet z.B. seinen Ausdruck in gemeinsam<br />

durchwachten Osternächten. Beim Ökumenischen Kirchentag (2003) gab<br />

es den „Walk of Faith“, eine lebendige Plakataktion, in der vorbeikommende<br />

Menschen sich fotografieren ließen und ihre Glaubenserfahrung aufschrieben.<br />

Diese Plakate säumten den nahezu 2 km langen Weg zwischen der evangelischen<br />

Martin-Luther-Kirche und der katholischen St. Annen-Kirche.<br />

MUSIK! – Die junge <strong>Matthäus</strong>gemeinde veranstaltet, organisiert und spielt<br />

selbst auf vielfältigste Weise. Besondere eigene Highlights der vergangenen Jahre<br />

waren die Steglitzer Rocknacht (2000) mit zahlreichen Bands, Begleitung der<br />

Herbstfeste (seit 2002), und die Musik beim Stadtjugendgottesdienst<br />

Berlin (2004). Es gab außerdem Film- und Theaterprojekte<br />

mit Jugendlichen; auch der Besuch von Theaterstücken und<br />

Kinofilmen war bisher fester Bestandteil der Jugendarbeit. Aus<br />

Konfirmanden- oder Jugendgruppen ergaben sich einige Bands,<br />

die besondere Gottesdienste in der <strong>Matthäus</strong>gemeinde musikalisch<br />

begleiteten (Jugendgottesdienst, Abendsmahlsgottesdienst<br />

vor der Konfirmation, Hy-Fisch oder Xtra-Service). Nicht zu vergessen<br />

den Jugendchor „Closer“, der seit den 90er Jahren die<br />

<strong>Gemeinde</strong> erfrischt. Jüngster Höhepunkt war die Komposition,<br />

Einstudierung und Aufführung des Musicals „Der kleine Prinz“<br />

beim Evangelischen Kirchentag in Hannover 2005.


Heiko Reschke, Sebastian Pertsch ... Jugend in der <strong>Gemeinde</strong><br />

DIE JUGENDSEITE – Im Jahr 2000 wurde erstmalig in der<br />

<strong>Gemeinde</strong>zeitung „Treffpunkt <strong>Matthäus</strong>“ eine eigene Jugendseite<br />

eingerichtet. Eine eigene Internetseite der Jugend <strong>Matthäus</strong><br />

gab es ebenfalls eine zeitlang – die Öffentlichkeitsarbeit<br />

von Jugendlichen für Jugendliche steht und fällt mit dem Faible,<br />

das einzelne Menschen für dieses Metier entwickeln. Je nach<br />

Engagement der wechselnden ehrenamtlichen Redakteure erfreut<br />

sich die Jugendseite trotzdem großer Beliebtheit – nicht<br />

zuletzt kann man <strong>hier</strong> die Termine für die zahlreichen Jugend-<br />

Konfi- und Sommer-Reisen entnehmen! Klettern, Wandern<br />

und Kanupaddeln in Süd-Frankreich, Norwegen, Finnland und<br />

Schweden oder segeln in Holland zählen zu den Höhepunkten<br />

der Jugendarbeit.<br />

DER GJR – was ist das? „Wer soll im nächsten Jahr die Jugendleiterausbildung<br />

absolvieren?“, „In welcher Farbe soll der Jugendkeller gestrichen werden?“,<br />

„Welche Inhalte müssen auf die Jugendseite im <strong>Gemeinde</strong>blatt?“, „Wo bekommen<br />

wir eine neue Küche her?“ „Was geschieht mit unseren Finanzen?“, „An<br />

wen soll der Jugendkeller für private Zwecke gelegentlich vermietet werden?“<br />

oder „Welche Aktion starten wir mit den Konfis zusammen?“ – Dies sind nur<br />

einige Fragen, die immer wieder die Gemüter der ehrenamtlichen Jugendarbeiter<br />

im monatlich stattfindenden <strong>Gemeinde</strong>-Jugend-Rat bewegen.<br />

Auch außerhalb der eigenen <strong>Gemeinde</strong> übernehmen<br />

junge Ehrenamtliche Verantwortung im „ordentlichen Gremium“<br />

der Evangelischen Jugend. Als Teil des Jugendverbandes<br />

der Evangelischen Jugend Berlin-Brandenburg-Schlesische<br />

Oberlausitz (EJBO) werden von dort Delegierte in höhere Gremien<br />

bis hin zur Jugendkammer, dem Leitungs- und Vertretungsgremium<br />

der Evangelischen Jugend in der Landeskirche<br />

EKBO entsandt.<br />

„KONFER“ – Der über anderthalb Jahre einmal wöchentlich<br />

stattfindende Konfirmationsunterricht wird ergänzt durch<br />

mehrere Reisen und die Vorbereitung selbstgestalteter Got-<br />

MATTHÄUSGEMEINDE HEUTE – AM ANFANG DES 21. JAHRHUNDERTS<br />

Xtra-Service im großen<br />

<strong>Gemeinde</strong>saal<br />

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MATTHÄUSGEMEINDE HEUTE – AM ANFANG DES 21. JAHRHUNDERTS<br />

100<br />

Konfer-Reise<br />

Untere Reihe v.l.n.r.:<br />

Pfarrer Zabka,<br />

Diakon Reschke,<br />

Pfarrerin Braeuer<br />

Heiko Reschke, Sebastian Pertsch ... Jugend in der <strong>Gemeinde</strong><br />

tesdienste. Damit der Kontakt nach der Konfirmation nicht<br />

abreisst, wurde der Kreis „Junge <strong>Gemeinde</strong>“ gegründet, um<br />

gemeinsam die Bibel zu studieren, zu singen und zu beten.<br />

Bereichert werden diese Treffen durch ein reichhaltiges Repertoire<br />

an Liedern aus Taizé.<br />

UND WER HÄLT DAS GANZE ZUSAMMEN? – Seit 1992<br />

liegt die Leitung der Jugendarbeit in den Händen von Diakon<br />

Heiko Reschke als Nachfolger von Diakon Michael Kösling. Er<br />

steht aber nicht nur als Ansprechpartner für Jugendliche und<br />

junge Erwachsene jeden Alters zur Verfügung, sondern unterstützt<br />

die Pfarrer/-innen seit Jahren beim Konfirmandenunterricht.<br />

Während die Mutter-Kind-Angebote mittlerweile eher<br />

selbstorganisiert werden, kümmert er sich um alle, die dem<br />

Kindergarten entwachsen sind, die Angebote für Kinder- und<br />

Jugendliche während der Familienfreizeiten, die Organisation<br />

der zahlreichen Reisen mit Konfirmanden und Jugendlichen,<br />

die Gitarren AG, den Jugendkeller, den GJR, ......<br />

FINANZNOT!!! – Seit 1998 werden jeweils vier <strong>Gemeinde</strong>n<br />

im Evangelischen Kirchenkreis Steglitz im Bereich der<br />

Jugendarbeit in Regionen zusammengefasst. Gemeinsam mit<br />

der Patmos-<strong>Gemeinde</strong>, der Martin-Luther-<strong>Gemeinde</strong> und der<br />

Paulus-<strong>Gemeinde</strong> bildet die <strong>Matthäus</strong>-<strong>Gemeinde</strong> die Region<br />

Steglitz II. Auch die <strong>Matthäus</strong>-<strong>Gemeinde</strong> hat keine volle Personalstelle mehr<br />

für die Jugendarbeit, so dass auch <strong>hier</strong> geteilt und zusammengearbeitet werden<br />

muss.<br />

Aufgrund der angespannten Finanzlage wird die ehrenamtliche Jugendarbeit<br />

und die Ausbildung der Ehrenamtlichen zunehmend wichtig für eine lebendige<br />

junge <strong>Gemeinde</strong>. Glücklicherweise absolvieren jedes Jahr konfirmierte<br />

Jugendliche die Ausbildung zum staatlich geprüften Jugendleiter und übernehmen<br />

Verantwortung.


SABINE DAVIDS UND SABINE SCHORLER<br />

Die Rolle der Ehrenamtlichen in der <strong>Gemeinde</strong><br />

Laien im „allgemeinen Priesteramt“ oder<br />

billige Arbeitskraft?<br />

Der Begriff „Ehrenamt“ hat es in sich: Normalerweise tut kein Mensch etwas<br />

ohne Lohn. Als erstes denkt man ans Geld: Arbeit wird – mehr oder<br />

weniger angemessen – bezahlt. Die Bedeutung eines Amtes drückt sich für<br />

den Amtsinhaber in der Regel ebenfalls in der Bezahlung aus. Welcher Lohn<br />

winkt aber, wenn eine oder einer unentgeltlich die Ausübung einer Aufgabe<br />

übernimmt? Wird diese Arbeit getan, um das eigene Ansehen zu vermehren,<br />

als Lohn also die Ehre gezahlt wird? Oder wird man aktiv, um – uneigennützig<br />

– der zu dienenden Sache oder Person zu noch größerer Wertschätzung<br />

zu verhelfen? In jedem Fall ist das Ehrenamt mit unbezahlter Arbeit für diejenigen<br />

verbunden, die es ausüben.<br />

In der christlichen <strong>Gemeinde</strong> sind entweder alle Amtsträger oder keiner, hat<br />

der Theologe Karl Barth gesagt. Dieses Motto hat Wolf Krötke, emeritierter<br />

Professor für Systematische Theologie aufgenommen und in Bezug auf ehrenamtliche<br />

Arbeit in der <strong>Gemeinde</strong> weiter ausgeführt. Infolge dessen nimmt<br />

einer, der in der <strong>Gemeinde</strong> einen Beruf hat, einen Auftrag an, der tatsächlich<br />

jedem <strong>Gemeinde</strong>mitglied gegeben ist. Christen bejahen mit ihrem Leben, Reden<br />

und Handeln, dass sie Repräsentanten von Jesus unter den Menschen<br />

sind. Sie haben deshalb auch ein Interesse daran, dass die christliche <strong>Gemeinde</strong>,<br />

zu der sie gehören, ihren Auftrag, alle zum Glauben einzuladen,<br />

so glaubwürdig wie irgend möglich wahrnimmt. Christen wollen mit ihren<br />

Begabungen am Werk der Versöhnung der Menschheit in Gott mitwirken.<br />

MATTHÄUSGEMEINDE HEUTE – AM ANFANG DES 21. JAHRHUNDERTS<br />

Ehrenamtliche Arbeit:<br />

Verkündigung oder<br />

Hilfsarbeit?<br />

101


MATTHÄUSGEMEINDE HEUTE – AM ANFANG DES 21. JAHRHUNDERTS<br />

102<br />

Hm – lecker: selbstgebacken<br />

Jeder Dritte<br />

engagiert sich<br />

Ehrenamtliche Arbeit in der<br />

<strong>Gemeinde</strong>: z.B. Basarverkauf<br />

Sabine Davids, Sabine Schorler ... Die Rolle der Ehrenamtlichen<br />

Das sind große Worte, angesichts der häufig sehr einfachen Realität, dass viele<br />

Ehrenamtliche viele Stunden damit verbringen, bei Veranstaltungen der<br />

<strong>Gemeinde</strong> Kaffee zu kochen, Kuchen zu verkaufen, den sie vorher gebacken<br />

haben, und anschließend Berge von schmutzigem Geschirr – meist per Hand<br />

– abzuwaschen. Oder für das Kirchenkonzert Stühle zu schleppen. Oder für<br />

den Basar Tische zu rücken. Oder die 9.000 Exemplare „Treffpunkt“ in Stapel<br />

für die Austräger abzuzählen. Oder an jeder Haustür im <strong>Gemeinde</strong>bezirk zu<br />

klingeln, um den Treffpunkt in den Briefkasten zu werfen, von wo er leider<br />

manchmal gleich im Altpapier landet.<br />

In neuerer Zeit versuchen Soziologen und Politiker, Arbeit, die unentgeltlich<br />

und nicht direkt eigennützig geleistet wird, mit einer treffenderen Bezeichnung<br />

zu beschreiben. Das, was umgangssprachlich „Ehrenamt“ genannt wird,<br />

scheint ihnen besser mit dem Begriff „Freiwilligenarbeit“ und „Bürgerschaftliches<br />

Engagement“ gefasst zu sein. Demgegenüber wird die „gemeinnützige<br />

Arbeit“ häufig nicht freiwillig geleistet, sondern als Resozialisierungsmaßnahme,<br />

meist sogar im strafrechtlichen Zusammenhang „verordnet“.<br />

Nach der Studie „Freiwilligensurvey“, die das Bundesministerium für Familie,<br />

Senioren, Frauen und Jugend 2004 in Auftrag gegeben hat, übernimmt<br />

mehr als ein Drittel der Bevölkerung (älter als 14 Jahre) längerfristig ehrenamtlich<br />

oder freiwillig Aufgaben oder Arbeiten.<br />

Auch in unserer <strong>Gemeinde</strong> wäre das Leben ohne die Mithilfe von Ehrenamtlichen<br />

nicht denkbar:<br />

Sonntag morgen, 9.05 Uhr: Frau Sch. schließt die Kirche auf, denn der Kirchwart<br />

hat einen freien Tag. Sie geht in die Sakristei, um den Wein für das<br />

Abendmahl vorzubereiten. Einige Minuten später treffen zwei Mitglieder<br />

des GKR ein, die heute den Lektorendienst übernommen haben und beim<br />

Abendmahl assistieren werden. Auch die Kollekten müssen später von ihnen<br />

gezählt werden. Frau Sch. lässt um 9.25 Uhr die Glocken zum Gottesdienst<br />

läuten. Während der Predigt beschäftigt sie die Kleinkinder, damit die Eltern<br />

in den Gottesdienst „eintauchen“ können. Gegenüber im <strong>Gemeinde</strong>haus


Sabine Davids, Sabine Schorler ... Die Rolle der Ehrenamtlichen<br />

wird derzeit schon von Herrn R. der Kaffee gekocht und die Teller mit Keksen<br />

für das Kirchcafe vorbereitet. Gegen Mittag, wenn alle Gottesdienstbesucher<br />

gegangen sich, spült Herr R. noch die letzten Tassen.<br />

Montag: 8.50 Uhr: Frau P. kommt in die Küsterei, sie vertritt diese Woche<br />

die Küsterin, die zwei Wochen Urlaub hat. Kaum eingetreten, klingelt schon<br />

das Telefon: ein Kind soll getauft werden. Dann öffnet sie die Post und sieht<br />

die E-mails durch, zählt die Kollekte nach, und erledigt, so gut es geht, die<br />

Verwaltungsarbeit.<br />

19.00 Uhr: Es trifft sich der Personalausschuss, bestehend aus den Pfarrern, und<br />

mehreren GKR Mitgliedern. Aufgrund der vom Berliner Senat beschlossenen<br />

Veränderungen muss die Kita umstrukturiert werden: Über neue Tätigkeitsdarstellungen,<br />

notwendige Fortbildungen etc. muss diskutiert werden, damit in<br />

der nächsten Sitzung des GKR entschieden werden kann, dass die entstehenden<br />

Kosten für Umbau und Fortbildung aufgebracht werden können.<br />

Dienstag: 17.50 Uhr: Drei ehemalige Konfirmanden, die inzwischen zu staatlich<br />

geprüften Jugendleitern ausgebildet wurden, öffnen den Jugendkeller für<br />

die Konfirmanden und auch ihre nichtchristlichen Freundinnen und Freunde<br />

aus dem Kiez. Es wird Billard gespielt, Musik gehört und sich unterhalten.<br />

Mittwoch, 19.30 Uhr: Der GKR tagt. Die lange Tagesordnung ist um 22.15<br />

abgearbeitet. Einige sprechen noch miteinander Termine für weitere Arbeitstreffen<br />

in den nächsten zwei Wochen ab: so muss der Redaktionstermin für<br />

das <strong>Gemeinde</strong>blatt verschoben, ein Termin mit dem Architekten für die Neueindeckung<br />

des Kirchdaches gefunden, und ein <strong>Gemeinde</strong>seminar vorbereitet<br />

werden. Ach, und wer kümmert sich denn jetzt um den Internetauftritt<br />

der <strong>Gemeinde</strong>, wenn Herr W. umzieht?<br />

Donnerstag, 15.00 Uhr: Der Seniorenkreis trifft sich im Clubraum, den Frau<br />

H. schon liebevoll für eine Geburtstagsfeier geschmückt hat...<br />

Die Liste der Aktivitäten ist lange nicht vollständig! Aber sie macht deutlich:<br />

Ohne Ehrenamtliche könnte kaum eine Veranstaltung in der <strong>Gemeinde</strong> stattfinden,<br />

ohne Ehrenamtliche würde eine <strong>Gemeinde</strong> gar nicht „leben“.<br />

MATTHÄUSGEMEINDE HEUTE – AM ANFANG DES 21. JAHRHUNDERTS<br />

Einladung zum Sommerfest<br />

Geselliges Beisammensein<br />

103


MATTHÄUSGEMEINDE HEUTE – AM ANFANG DES 21. JAHRHUNDERTS<br />

104<br />

Warum tut man sich<br />

das bloß an?<br />

Lauter Ehrenamtliche:<br />

Beirat 2003<br />

Obdachlosencafé<br />

Sabine Davids, Sabine Schorler ... Die Rolle der Ehrenamtlichen<br />

Wir wollten es genauer wissen und haben einige Ehrenamtliche aus unserer<br />

<strong>Gemeinde</strong> befragt. Es gab viele Facetten in den Antworten auf die Frage, was<br />

die ehrenamtliche Arbeit an Gewinn für einen selbst bringt:<br />

„Ich bekomme von den Menschen <strong>hier</strong> soviel Zuspruch; wenn ich <strong>hier</strong> mithelfe,<br />

kann ich etwas davon zurückgeben.“<br />

„Das ist ein Ausgleich zu meiner beruflichen Arbeit“<br />

„Das macht mir richtig Spaß! Dass man anderen eine Freude macht.“<br />

„Ich bin <strong>hier</strong> kein Einzelkämpfer, sondern wir arbeiten immer alle zusammen,<br />

und unterstützen uns gegenseitig.“<br />

„Hier darf ich auch mal Fehler machen oder Schwächen zugeben, ich muss<br />

meine Unsicherheit, wenn ich mal nicht so genau über alles Bescheid weiß,<br />

nicht immer verstecken.“<br />

„Die Zusammenarbeit mit den anderen Ehrenamtlichen aber auch den Hauptamtlichen<br />

ist geprägt von gegenseitigem Vertrauen...Hier ist eine positive und<br />

freundliche Einstellung zueinander.“<br />

„Hier werde ich als Mensch wahrgenommen, und ich bekomme auch immer mal<br />

wieder ein aufrichtiges „Danke“ zu hören – im Gegensatz zu meiner Arbeit.“<br />

„Hier werden meine Vorschläge aufgenommen, und meine Anregungen haben<br />

dazu beigetragen, dass vieles jetzt besser läuft.“<br />

„Es macht mich glücklich, dass ich zu dieser tollen <strong>Gemeinde</strong> gehöre!“<br />

Die <strong>Matthäus</strong>gemeinde hat gut 5.000 Mitglieder. Ein „Ehrenamt“ übernommen<br />

haben etwa 50 Menschen. Betrachtet man die vielen Aktivitäten<br />

und das, was nötig ist, um diese zu ermöglichen, kann man sich unschwer<br />

vorstellen, wie viel Arbeit von relativ wenigen freiwillig und unentgeltlich<br />

in der <strong>Gemeinde</strong> geleistet wird. Aber die wenigsten Helfer haben den Eindruck,<br />

„ausgebeutet“ zu werden. Vielmehr überwiegt das Gefühl, sowohl<br />

„gebraucht“ zu werden, als auch „sich selbst etwas Gutes zu tun“. Die <strong>Gemeinde</strong>mitglieder<br />

sind nicht nur durch den Glauben verbunden, sondern sie<br />

können auch ein Stück ihres Lebens in der <strong>Gemeinde</strong> selbst gestalten – sei<br />

es als „Priester oder Priesterin“, oder als „Arbeitskraft“. Jede und Jeder ist eingeladen<br />

da mitzuwirken, wo er oder sie sich berufen fühlt.


REGINE BECKER – JÖRG ZABKA – KAROLA FRICKEL<br />

Warum Sprengel? – Neustrukturierung<br />

und Zusammenarbeit aus Finanznot<br />

Martin-Luther-<strong>Gemeinde</strong><br />

Die Ursprünge der Martin-Luther-<strong>Gemeinde</strong> in Lichterfelde-West gehen<br />

auf die schon vor mehr als 300 Jahren gegründete <strong>Gemeinde</strong> Lichterfelde,<br />

die seinerzeit vom Giesensdorfer Pfarrer mitbetreut wurde, zurück. 1891<br />

war sie der nördliche Teil der „Gesamtgemeinde Groß-Lichterfelde“, 1910<br />

wurde das Gelände Tulpenstrasse 1/ Hortensienstrasse 18 zum Bau eines<br />

kirchlichen Gebäudes erworben. 1936 wurde die lange geplante „Martin-<br />

Luther-Kirche“ (mit <strong>Gemeinde</strong>haus, Pfarrwohnung und Kirchendienerwohnung)<br />

eingeweiht. In der Zeit des Nationalsozialismus war die <strong>Gemeinde</strong><br />

ein Zentrum der Bekennenden Kirche. Hier wurde die Gründung des „Büro<br />

Grüber“ beschlossen, <strong>hier</strong> fanden geheim die Prüfungen und Ordinationen<br />

junger Theologen durch die Bekennende Kirche statt. 1954 erhielt sie wie<br />

die anderen Lichterfelder <strong>Gemeinde</strong>n (Paulus, Petrus, Johannes, Giesensdorf)<br />

die gemeindliche Selbstständigkeit. Ihre Geschichte und ihr Standort Lichterfelde-West<br />

prägen bis heute ihre <strong>Gemeinde</strong>arbeit.<br />

Finanznot zwingt zum Sprengel<br />

Als um 1995 die Finanznot der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg<br />

zu durchgreifenden Einsparungen im Kirchenkreis Steglitz zwang, waren in<br />

erster Linie die Pfarrstellen sowohl der <strong>Matthäus</strong>- als auch der Martin-Luther-<br />

<strong>Gemeinde</strong> davon betroffen. In der <strong>Matthäus</strong>-<strong>Gemeinde</strong> waren zu dieser Zeit<br />

MATTHÄUSGEMEINDE HEUTE – AM ANFANG DES 21. JAHRHUNDERTS<br />

Innenansicht der<br />

Martin-Luther-Kirche<br />

105


MATTHÄUSGEMEINDE HEUTE – AM ANFANG DES 21. JAHRHUNDERTS<br />

106<br />

Martin Luther<br />

R. Becker, J. Zabka, K. Frickel ... Warum Sprengel?<br />

noch drei Pfarrstellen besetzt. Mittelfristig musste <strong>hier</strong> eine volle Pfarrstelle<br />

eingespart werden: Während Pfarrerin Braeuer ein Sabbatjahr einlegte, war<br />

Pfarrer Sadecki bereit, vorzeitig in den Ruhestand zu gehen.<br />

Für ihren in den Ruhestand getretenen Pfarrer durfte die Martin-Luther-<strong>Gemeinde</strong><br />

zunächst nicht wie vorgesehen einen eigenen Pfarrer mit Präsenzpflicht<br />

einstellen, da der Kirchenkreis Steglitz im Pfarrstellenüberhang war:<br />

Die im Kirchenkreis vorhandenen Pfarrer wurden auf die <strong>Gemeinde</strong>n aufgeteilt.<br />

So führten anfangs ausschließlich finanzielle und verwaltungstechnische<br />

Gründe, insbesondere der Neuzuordnung von Pfarrstellen und anderer<br />

Dienste hauptamtlicher Mitarbeiter dazu, dass der Kirchenkreis die Bildung<br />

eines Sprengels „<strong>Matthäus</strong>gemeinde Steglitz/ Martin-Luther-<strong>Gemeinde</strong> Lichterfelde“<br />

für erforderlich hielt, dem die <strong>Gemeinde</strong>kirchenräte und das Ev.<br />

Konsistorium 1999 zustimmten.<br />

Mehr Chancen als Risiken<br />

Inzwischen konnte in der Martin-Luther <strong>Gemeinde</strong> wieder eine 75prozentige<br />

Pfarrerstelle besetzt werden. Die Erfahrungen der bisherigen sechsjährigen<br />

Koordinationsphase zwischen den beiden <strong>Gemeinde</strong>n zeigen: Die Sprengelbildung<br />

ermöglicht eine effektivere Nutzung der personellen Ressourcen.<br />

– Die Pfarrer arbeiten eng zusammen. Jeweils verschiedene Aufgaben kann<br />

einer für beide <strong>Gemeinde</strong>n übernehmen. Durch die Vertrautheit aller Geistlichen<br />

des Sprengels mit beiden <strong>Gemeinde</strong>n können sie sich bei Krankheit<br />

oder Urlaub unkompliziert und gut vertreten.<br />

– Der Kantor der Martin-Luther-<strong>Gemeinde</strong> spielt auch in den <strong>Matthäus</strong>-Gottesdiensten<br />

die Orgel.<br />

– Freizeiten und andere Veranstaltungen und Projekte werden teilweise gemeinsam<br />

organisiert, gelegentlich finden gemeinsame Sitzungen der <strong>Gemeinde</strong>kirchenräte<br />

statt.<br />

– Der Konfirmandenunterricht wird gemeinsam geplant; die Fahrten finden<br />

gemeinsam statt.


R. Becker, J. Zabka, K. Frickel ... Warum Sprengel?<br />

Kiezbezogene Eigenständigkeit ist wichtig<br />

Auch der Austausch von Erfahrungen und Zukunftsüberlegungen in unseren<br />

sich verändernden <strong>Gemeinde</strong>n im Rahmen der allgemeinen Entwicklung der<br />

evangelischen Kirche in Berlin erfolgt zunehmend intensiver. Dabei wollen<br />

wir dennoch die unterschiedliche Verwobenheit der Lichterfelder und Steglitzer<br />

<strong>Gemeinde</strong>glieder in die jeweilige Geschichts- und Ortsstruktur beachten.<br />

Beide <strong>Gemeinde</strong>n sind von ihrer Geschichte, ihrem Standort und ihren Kiezerfahrungen<br />

(<strong>hier</strong> Steglitz – da Lichterfelde-West) unterschiedlich geprägt.<br />

Durch die Residenzpflicht der Pfarrer können diese Verwurzelungen der <strong>Gemeinde</strong>glieder<br />

beachtet und auf sie eingegangen werden. Der Auftrag der<br />

Verkündigung des Evangeliums vor Ort verbindet die <strong>Gemeinde</strong>n miteinander.<br />

Da auch die finanzielle Situation unserer Kirche nicht einfacher wird,<br />

werden wir in Zukunft noch enger über die <strong>Gemeinde</strong>grenzen hinaus zusammenarbeiten.<br />

Martin-Luther-Kirche<br />

MATTHÄUSGEMEINDE HEUTE – AM ANFANG DES 21. JAHRHUNDERTS<br />

107


MATTHÄUSGEMEINDE HEUTE – AM ANFANG DES 21. JAHRHUNDERTS<br />

108<br />

Mitten im Leben: <strong>Matthäus</strong>-<br />

Kirche mit <strong>Gemeinde</strong>haus,<br />

vom Kreisel aus betrachtet


ANDREAS KOSKA<br />

Zwischen Säkularisierung und Mission:<br />

<strong>Gemeinde</strong> im Bezirk<br />

Früher war die Kirche der Mittelpunkt der Gesellschaft. Der Kirchturm signalisierte<br />

vom Weiten – <strong>hier</strong> ist das Zentrum der Stadt. Das kirchliche Leben<br />

war auch der Mittelpunkt des Dorf- oder Stadtlebens. Der sonntägliche Kirchgang<br />

war allgemein üblich, die kirchlichen Veranstaltungen Tagesgespräch.<br />

In Deutschland hat sich die Bedeutung der Kirche für den Einzelnen in den<br />

letzten Jahrzehnten gewandelt. Heute gehören nur noch 40% der Berliner<br />

einer Kirche an, davon sind 22% evangelischen Glaubens. Zumindest nach<br />

Außen kann man von einer Säkularisierung, einer Verweltlichung der Gesellschaft<br />

sprechen.<br />

Kirche in heutiger Zeit vor neuen Aufgaben<br />

Am Beispiel der <strong>Matthäus</strong>-Kirche wird die Wandlung der Aufgabenstellung<br />

schon städtebaulich deutlich: Die Kirche ist optisch in den Hintergrund getreten.<br />

Der Kreisel und weitere Bauten – sogar das 1930 erbaute <strong>Gemeinde</strong>haus<br />

selbst – versperren den Blick auf das Bauwerk. Dies kann auch symbolisch<br />

aufgefasst werden: für viele Menschen steht die Kirche im Hintergrund, in<br />

der zweiten Reihe.<br />

Eine Aufgabenwandlung hat stattgefunden. Vor den seelsorgerischen Aufgaben<br />

sind heute die sozialen Aufgaben der Kirche wichtig geworden.<br />

MATTHÄUSGEMEINDE HEUTE – AM ANFANG DES 21. JAHRHUNDERTS<br />

Kirche in der zweiten Reihe?<br />

109


MATTHÄUSGEMEINDE HEUTE – AM ANFANG DES 21. JAHRHUNDERTS<br />

110<br />

Kirchenmusik<br />

Orgel<br />

Kantor Johann Wolfg. Küsgen – Tel. 832 83 79<br />

Kantorei – Mo 19.30 – 21.30 Uhr<br />

Christian Bährens – Tel. 795 63 49<br />

Kinderchorgruppe (5–8 Jahre)<br />

Di 17.00 – 17.45 Uhr<br />

Kinder und Jugendliche singen (9–15 Jahre)<br />

Di 17.45 – 18.30 Uhr Eva Wolf – Tel. 712 42 01<br />

Jugendchor – Di 19.30 – 21.30 Uhr<br />

Magnus Hellmann – Tel. 0179 - 94 69 532<br />

Bläserchor – Do 19.30 – 21.30 Uhr<br />

Volker Hühne – Tel. 0179 - 69 25 543<br />

Blockflöten<br />

Monica Carrasco-Wittmann – Tel. 791 34 91<br />

Jugendliche<br />

Offener Jugendkeller Rothenburgstr. 32<br />

dienstags und freitags ab 18 Uhr<br />

Leitung und Koordination<br />

Diakon Heiko Reschke – Tel. 0170/410 12 36<br />

Erwachsene<br />

Junge Erwachsene (um 30)<br />

Pfarrer Dr. Wildemann<br />

Franziskus (ältere, mittlere Generation)<br />

Gesine Rohlfs – Tel. 601 22 60 Lutherzimmer<br />

Spätsommer (junge Senioren)<br />

Sigrid Czada-Arendt<br />

Christen heute im Dialog (Hauskreis)<br />

Ehepaar Pertsch – Tel. 771 78 83<br />

Bibel verstehen - <strong>Gemeinde</strong> werden<br />

Gunter Schwarze – Tel. 85 60 27 30<br />

Bibelstunde – Di. 19.30 – 21.00 Uhr<br />

Pfarrer Dr. Wildemann – Tel. 791 19 27<br />

Ökumenekreis<br />

Anette Meiburg – Tel. 793 48 92<br />

Besuchsdienstkreis<br />

Pfarrerin Becker, Tel. 797 49 461<br />

Kinder und Familien<br />

Kindertagesstätte „Joh.-Friedr.-Oberlin“<br />

Karin Höhne – Tel. 834 60 02<br />

Halbtags-Kindergarten „Miniclub“<br />

Renate Schmeling – Tel. 797 49 391<br />

Eltern-Kind-Gruppen (0–3 J.)<br />

Bitte über Küsterei erfragen – Tel. 791 90 44<br />

Spiel und Bewegung (1–4 J.)<br />

Martina Lutter – Tel. 802 72 74<br />

Kinder-Gruppe (7–10 J.)<br />

Mo. 15.30–17.00 Uhr Heiko Reschke<br />

Angebote der <strong>Gemeinde</strong> zum<br />

Mitmachen (aus Treffpunkt 5/05)<br />

Andreas Koska ... <strong>Gemeinde</strong> im Bezirk<br />

Die <strong>Matthäus</strong>-<strong>Gemeinde</strong> stellt sich dieser Herausforderung. Wer die letzte<br />

Seite des „Treffpunkts“ betrachtet, kann die ganze Bandbreite des Angebots<br />

von der Kirchenmusik über Jugendangebote, Seniorenklub und Sport bis zum<br />

Geburtstagscafé und Musik erkennen.<br />

Eine Kindertagesstätte und ein „Miniclub“ sowie Eltern-Kinder-Gruppen unterstützen<br />

und erleichtern den Alltag Vieler, nicht nur der <strong>Gemeinde</strong>mitglieder.<br />

Diese Angebote werden auch von Nicht-Christen wahrgenommen.<br />

Der „Treffpunkt <strong>Matthäus</strong>“ stellt ein Bindeglied dar zu denjenigen, die diese<br />

Angebote nicht wahrnehmen können oder wollen. Er informiert nicht nur<br />

über die ganze Bandbreite der Angebote des <strong>Gemeinde</strong>lebens, sondern lädt<br />

auch zum Diskurs über den Glauben.<br />

<strong>Gemeinde</strong> vermittelt soziale Zugehörigkeit<br />

Die <strong>Gemeinde</strong> und ihre offenen Angebote stiften Identität, sowohl mit der<br />

Kirche, aber auch mit dem Kiez, in dem man wohnt. Die Jugendlichen, die gemeinsam<br />

den Konfirmationsunterricht besucht haben, sich manchmal schon<br />

aus der Schule kennen, verlieren sich nicht so leicht aus den Augen. Die<br />

Eltern treffen sich beim Einkauf, auf dem Spielplatz oder im Park. Man kennt<br />

sich, zum Teil schon aus Kindergartenzeiten, und trifft sich ab und an im<br />

Gottesdienst oder auf <strong>Gemeinde</strong>festen wieder, auch wenn die Kinder schon<br />

längst auf unterschiedliche Schulen gehen.<br />

Zu dieser Identität zählt auch die Kenntnis über den Wohnort. Das <strong>Gemeinde</strong>gebiet<br />

hat eine Geschichte jenseits der Kirche. Ob das Wissen um die<br />

katholische <strong>Gemeinde</strong>, das jüdische Leben im Steglitzer Zentrum oder die<br />

Kulturangebote – das alles gehört dazu, um Wurzeln schlagen zu können<br />

und Wohnort und <strong>Gemeinde</strong> als das Eigene zu empfinden, ohne vielleicht<br />

die Kirche je besucht zu haben.<br />

Auch dazu trägt die <strong>Gemeinde</strong>zeitschrift „Treffpunkt“ bei. Die Kolumne „Aus<br />

dem Bezirk“ greift immer ein heimatkundlich interessantes Thema auf. Für<br />

viele Leser ist dies ein Grund, das Heft aufzuschlagen und weiter zu blättern.


Andreas Koska ... <strong>Gemeinde</strong> im Bezirk<br />

Nicht wenige stellen über den Umweg der Kiezgeschichte zum ersten Mal<br />

fest, wie vielfältig das Angebot der <strong>Gemeinde</strong> ist.<br />

Veranstaltungen, die alle einladen<br />

Durch die Einladung zu Konzerten der Kantorei und Lesungen werden immer<br />

wieder Menschen bewegt, die <strong>Gemeinde</strong>räume oder sogar die Kirche zu betreten,<br />

obwohl sie sich von der <strong>Gemeinde</strong> entfernt haben. So erleben sie die<br />

besondere Atmosphäre, die sich von anderen öffentlichen Veranstaltungen<br />

nicht nur durch die erheblich niedrigeren Eintrittspreise unterscheidet. Der<br />

jährliche Adventsbasar der <strong>Matthäus</strong>gemeinde zieht immer viele Menschen<br />

an: Jeder findet <strong>hier</strong> etwas Sinnvolles, Schönes, Nützliches und zahlt gern<br />

für Kaffee und Kuchen, wohl wissend, dass die Einnahmen nicht in private<br />

Kassen fließen, sondern für einen guten Zweck verwendet werden.<br />

Spätestens zur Weihnachten merkt man, dass die Kirche und der Glaube für<br />

viele immer noch wichtig sind: Die Gottesdienste sind an diesem Tag voller<br />

Besucher. Ob Tradition oder Wehmut: Die Kirche ist aus unserem Leben nicht<br />

wegzudenken – auch wenn es manchmal anders ausschaut.<br />

MATTHÄUSGEMEINDE HEUTE – AM ANFANG DES 21. JAHRHUNDERTS<br />

Altar der <strong>Matthäus</strong>kirche<br />

111


MATTHÄUSGEMEINDE HEUTE – AM ANFANG DES 21. JAHRHUNDERTS<br />

112<br />

Lebendige <strong>Gemeinde</strong> – oben v.l.n.r. Gymnastikkreis Donnerstag und Mittwoch;<br />

unten v.l.n.r. Blockflötenkreis; Miniclub


REGINE BECKER<br />

Wünsche und Visionen für die <strong>Matthäus</strong>-<br />

gemeinde Berlin-Steglitz<br />

Nun bin ich gerade ein knappes Jahr „im Amt“, schon werde ich um ein paar<br />

Visionen gebeten, wie die <strong>Matthäus</strong>gemeinde in Zukunft aussehen könnte.<br />

Ein nicht ganz leichtes Unterfangen, da wartet so manches Fettnäpfchen…<br />

Ein paar wenige „Bilder“ will ich malen.<br />

„Zentral, aber ruhig gelegen“ – was sich jeder für seine Wohnung<br />

wünscht, das ist für die <strong>Matthäus</strong>gemeinde Wirklichkeit. Aber selbst langjährige<br />

Steglitzer fragen mich manchmal, wo denn am Rathaus Steglitz eine<br />

Kirche stehen soll, die hätten sie noch nie gesehen. – Schade eigentlich. Man<br />

sieht sie nur, wenn man den Kopf hebt, und über das <strong>Gemeinde</strong>haus und<br />

belaubte Bäume nach oben schaut.<br />

Eine Kirche, die im Zentrum von Steglitz-rund-um-die-Schloßstraße<br />

steht. Menschen, die in der Schloßstraße einkaufen, die auf dem Weg sind<br />

rund ums Rathaus Steglitz, kommen immer mal vorbei, setzen sich für einen<br />

Moment der Stille oder des Gebets in die <strong>Matthäus</strong>kirche, zünden eine Kerze<br />

an. Meist ist jemand von der <strong>Gemeinde</strong> anzutreffen, den man etwas fragen<br />

oder mit dem man ein paar Worte wechseln kann. Manchmal bekommt man<br />

auch eine Tasse Kaffee angeboten. Aus dem Schaukasten erfährt man die<br />

neuesten Neuigkeiten und nächsten Veranstaltungen. Auf dem begrünten,<br />

autofreien Hof spielen die Kinder, bevor ihr Chor anfängt. Ältere Damen sind<br />

gerade auf dem Weg zum Seniorenclub.<br />

MATTHÄUSGEMEINDE HEUTE – AM ANFANG DES 21. JAHRHUNDERTS<br />

113


MATTHÄUSGEMEINDE HEUTE – AM ANFANG DES 21. JAHRHUNDERTS<br />

114<br />

Regine Becker ... Wünsche und Visionen<br />

Sonntags von 9.30 bis 10.30 Uhr in der <strong>Matthäus</strong>kirche: Menschen<br />

verschiedener Generationen versammeln sich vor der Kirche: „Mittelalte“<br />

und Senioren, Konfis, Familien mit Kindern. Am Eingang werden alle freundlich<br />

begrüßt. Im Familiengottesdienst fühlen sich auch die Älteren wohl.<br />

Beim traditionellen Gottesdienst mit fundierter Predigt dürfen die Kinder<br />

ihren eigenen Gottesdienst parallel im <strong>Gemeinde</strong>haus feiern. Mal singt der<br />

Jugendchor oder die Kantorei, mal spielen die Posaunen von der Empore. Im<br />

Anschluss bleibt, wer kann, zum Kirchencafé. Hier ist Gelegenheit, sich über<br />

den Gottesdienst, aber auch über die eigenen Sorgen und Freuden auszutauschen.<br />

An besonderen Tagen gibt es ein gemeinsames Mittagessen.<br />

Wenn Freitag kurz vor 10.00 Uhr die Glocken läuten, dann strömen von<br />

allen Seiten kleine Kinder von 1-5 Jahren begleitet von ein paar Erwachsenen<br />

in die Kirche. Die Kinder unseres Miniclubs, unserer Kita in der Schützenstraße,<br />

aus Kinderläden, Großpflegestellen und Krabbelgruppen feiern gemeinsam<br />

Gottesdienst. Sie sitzen vorne auf dem großen roten Teppich, hören der Orgel<br />

zu, singen und beten, lauschen einer biblischen Geschichte und bekommen am<br />

Ende den Segen mit auf den Weg. Manchmal wird <strong>hier</strong> auch ein Kind getauft.<br />

Sie kommen gerne in die Kirche und wenn sie größer sind, kommen sie wieder.<br />

Zur Kindergruppe, zum Krippenspiel oder zum Konfirmandenunterricht.<br />

Ein Blick in das „Bachzimmer“: Vormittags turnen <strong>hier</strong> Mütter mit ihren<br />

Kindern. In den Wintermonaten öffnet in der Bethelhalle nebenan jeden<br />

Mittwoch das Obdachlosencafé. Konfirmanden gestalten nachmittags den<br />

23. Psalm „Der Herr ist mein Hirte“ in einem Schuhkarton. Am Abend hören<br />

Interessierte einen theologischen Vortrag.<br />

Das „<strong>Gemeinde</strong>parlament“, auch <strong>Gemeinde</strong>kirchenrat genannt, trifft sich<br />

einmal im Monat zu einer mehrstündigen Sitzung. Nach einer Andacht wird<br />

über verschiedenste Themen beraten: von der Reparatur der Kirchturmuhr<br />

bis zum Bericht über die Jugendreise, vom Ablauf des Gottesdienstes bis zur<br />

Haushaltslage und von der Organisation des Kirchweihfestes bis zur Anschaffung<br />

neuer Podeste für den Chor.<br />

Im Jugendkeller in der Rothenburgstraße 32 treffen sich Konfis, frisch<br />

Konfirmierte und ältere Jugendliche. Hier üben Bands und berät der <strong>Gemeinde</strong>-


Regine Becker ... Wünsche und Visionen<br />

jugendrat, <strong>hier</strong> kann man quatschen, Kicker spielen und Feten feiern, <strong>hier</strong> werden<br />

Jugendreisen vorbereitet und natürlich wird auch über Gott und die Welt<br />

nachgedacht. Ein kleines Reich für die Jugendlichen, aber man findet sie bei<br />

manchen Gelegenheiten auch mitten unter den anderen <strong>Gemeinde</strong>gliedern.<br />

Schaut man in verschiedene Wohnungen im <strong>Gemeinde</strong>bereich, so<br />

sieht man die Pfarrerin bei einer jungen Familie zum Taufgespräch, den Pfarrer<br />

bei einem Krankenbesuch, eine Frau aus dem Besuchsdienst gratuliert<br />

einer 90jährigen Dame zum Geburtstag und zwei Konfis bringen Erntegaben<br />

vom Erntedankgottesdienst zu einem alleinstehenden Herrn, der nicht mehr<br />

aus dem Haus kann.<br />

Was aber sind nun meine Visionen?<br />

Ich versuche, mit ein paar Sätzen meine Zukunftsvorstellungen anzudeuten:<br />

Eine <strong>Gemeinde</strong>, die Glaube, Liebe, Hoffnung ausstrahlt und deshalb anziehend<br />

wirkt.<br />

Eine <strong>Gemeinde</strong>, in der sich Jung und Alt zu Hause fühlen.<br />

MATTHÄUSGEMEINDE HEUTE – AM ANFANG DES 21. JAHRHUNDERTS<br />

Krabbelgruppe und Seniorenclub<br />

Eine <strong>Gemeinde</strong>, die von Ehrenamtlichen getragen ist.<br />

Eine <strong>Gemeinde</strong> „zwischen Theologie und Diakonie“<br />

Eine <strong>Gemeinde</strong> „zwischen Kultur und Mission“<br />

<strong>Gemeinde</strong>seminar und Obdachlosencafé<br />

Kirchenführung und Kirche im Kiez<br />

Eine <strong>Gemeinde</strong> „zwischen Tradition und neuen Wegen“<br />

Eine <strong>Gemeinde</strong> „zwischen der Kirche und den Menschen vor Ort“<br />

Gottesdienst und Hausbesuch<br />

Eine <strong>Gemeinde</strong>, die mit ihren Nachbargemeinden zusammenarbeitet.<br />

Welche Visionen von unserer <strong>Gemeinde</strong> haben Sie?<br />

115


MATTHÄUSGEMEINDE HEUTE – AM ANFANG DES 21. JAHRHUNDERTS<br />

116<br />

Regine Becker ... Wünsche und Visionen<br />

Predigtszene aus dem Familiengottesdienst im Juni 2005


Pfarrerinnen und Pfarrer der Steglitzer <strong>Gemeinde</strong><br />

Ab 1950 nur solche der <strong>Matthäus</strong>-<strong>Gemeinde</strong><br />

Pfarrer/ -in Kirche Dienstzeit Anmerkung<br />

Arthur Wuthenow <strong>Matthäus</strong> 1893 - 1905 Hilfsprediger ab 1873<br />

Dr. Oskar Bogan <strong>Matthäus</strong> 1893 - 1918 Hilfsprediger ab 1892<br />

Oberkirchenrat Otto Meyer <strong>Matthäus</strong> 1904 - 1910<br />

Johannes Schröder <strong>Matthäus</strong> 1906 - 1934 Hilfsprediger ab 1902<br />

Karl Otto Raack Lukas 1907 - 1932<br />

Otto Großmann Markus 1910 - 1934<br />

Traugott Wendland Markus 1910 - 1936<br />

Gottfried Weymann Markus 1911 - 1937<br />

Lic. Theodor Moldaenke <strong>Matthäus</strong> 1917 - 1947<br />

Konsistorialrat Johannes Golz <strong>Matthäus</strong> 1920 - 1928<br />

Lic. Ernst Jahn Lukas 1926 - 1964<br />

Friedrich Müller Markus 1928 - 1933<br />

Werner Rogge <strong>Matthäus</strong> 1929 - 1946<br />

Dr. Ewalt Quittschau <strong>Matthäus</strong> 1929 - 1937<br />

Lic. Werner Messow Markus 1929 - 1958<br />

Erich Klamroth Markus 1933 - 1959<br />

Konsistorialrat Gottfried Garten <strong>Matthäus</strong> 1934 - 1949<br />

Dr. Friedrich Flemming Markus 1936 - 1964<br />

Fritz Simon <strong>Matthäus</strong> 1937 - 1943<br />

Heinrich Koch Markus 1937 - 1946<br />

Albrecht Kapler <strong>Matthäus</strong> 1943 - 1959<br />

Richard Weseler <strong>Matthäus</strong> 1948 - 1960<br />

Dr. Schröder <strong>Matthäus</strong>s 1947 - 1949<br />

Harald Hasper <strong>Matthäus</strong> 1949 - 1961<br />

Wolfgang G. Friedrich <strong>Matthäus</strong> 1950 - 1973<br />

Fritz Kraatz <strong>Matthäus</strong> 1957 - 1963 danach Patmos bis 1993<br />

Hans-Dieter Ehinger <strong>Matthäus</strong> 1960 - 1966<br />

Kurt Karzig <strong>Matthäus</strong> 1961 - 1963 danach Patmos bis 1972<br />

Rainer Borrmann <strong>Matthäus</strong> 1964 - 1985<br />

Franz Krusche <strong>Matthäus</strong> 1967 - 1982<br />

Eberhard Goebel <strong>Matthäus</strong> 1973 - 1988<br />

Dr. Bernd Wildemann <strong>Matthäus</strong> 1982 -<br />

Wolf-Rüdiger Marsen <strong>Matthäus</strong> 1985 - 1989<br />

Dorothea Braeuer <strong>Matthäus</strong> 1989 - 2004<br />

Reinhard Sadecki <strong>Matthäus</strong> 1989 - 1999<br />

Regine Becker <strong>Matthäus</strong> 2004 -<br />

ÜBERSICHT<br />

117


MATTHÄUSKIRCHE HEUTE – INNENANSICHTEN<br />

Oben: Taufbecken aus dem Chor<br />

Unten (v.l.n.r.): Abendmahlskelche von 1780; Ornamente aus dem Abschlussbogen<br />

118


MATTHÄUSKIRCHE HEUTE – INNENANSICHTEN<br />

Oben (v.l.n.r.): Motiv aus der „Bischofstüre“ (Südwestportal); Taufschale von 1721<br />

Unten (v.l.n.r.) Kapitell bei der Kanzel; Judas‘ Hände aus dem Abendmahlsfenster;<br />

Auferstehungsfenster (Hesekiel 37)<br />

119


MATTHÄUSKIRCHE HEUTE – INFORMATIONEN<br />

Kirche<br />

Schloßstraße 44, 12165 Berlin-Steglitz<br />

www.matthaeus-steglitz.de<br />

Gottesdienste<br />

Sonntags 9.30 Uhr<br />

Kita-Gottesdienste<br />

Jeweils freitags 10 Uhr in der <strong>Matthäus</strong>kirche<br />

Altenheim-Gottesdienste<br />

Jeweils mittwochs 16 Uhr in der Ermanstraße 25<br />

Kindergottesdienste<br />

Jeweils 1. + 3. Sonntag im Monat parallel z. Gottesdienst<br />

Kirchencafé in <strong>Matthäus</strong><br />

im Anschluss an den Gottesdienst im Clubraum<br />

120<br />

Küsterei<br />

Schloßstraße 44a, 12165 Berlin-Steglitz<br />

Tel. 791 90 44/-45, Fax 791 51 03<br />

Email:<br />

gemeinde@matthaeus-steglitz.de<br />

Küsterin: Marianne Strenger<br />

Montag, Mittwoch, Donnerstag und<br />

Freitag: 9–12 , Dienstag: 15–19 Uhr.<br />

Haus- und Kirchwart: Norbert Wilke<br />

Tel. 0163-47 47 792 Di–Sa 8–15.15 Uhr<br />

Pfarrer<br />

Pfarrerin Regine Becker, Schloßstr<br />

44b, 12165 Berlin, Tel. 797 49 461<br />

Pfarrer Dr. Bernd Wildemann<br />

Bregenzer Str. 5, 10707 Berlin<br />

Tel. 791 19 27<br />

Pfarrer Jörg Zabka, Hortensienstraße<br />

20c, 12203 Berlin, Tel. 747 316 99<br />

Diakonie<br />

Diakonie-Station Steglitz, Häusliche<br />

Kranken- und Hauspflege sowie Beratung<br />

in sozialen Fragen, Tel. 794 733 0<br />

Begegnungsstätte für Senioren<br />

Cafe MARKUS, 79 47 31 31<br />

Kinder und Familien<br />

Kindertagesstätte „Joh.-Fr.-Oberlin“<br />

Karin Höhne – Tel. 834 60 02<br />

Halbtags-Kindergarten „Miniclub“<br />

Renate Schmeling – Tel. 797 49 391<br />

Eltern-Kind-Gruppen (0–3 J.)<br />

Auskunft: Küsterei – Tel. 791 90 44<br />

Spiel und Bewegung (1–4 J.)<br />

Martina Lutter – Tel. 802 72 74<br />

Kinder-Gruppe (7–-10 J.)<br />

Mo. 15.30–17 Uhr Heiko Reschke<br />

Jugendliche<br />

Offener Jugendkeller Rothenburgstr. 32<br />

dienstags und freitags ab 18 Uhr<br />

Leitung und Koordination: Diakon<br />

Heiko Reschke – Tel. 0170/410 12 36<br />

Erwachsene<br />

Junge Erwachsene (um 30)<br />

Pfarrer Dr. Wildemann<br />

Franziskus (ältere, mittlere Generation)<br />

Gesine Rohlfs – Tel. 601 22 60<br />

Spätsommer (junge Senioren)<br />

Sigrid Czada-Arendt<br />

Christen heute im Dialog (Hauskreis)<br />

Ehepaar Pertsch – Tel. 771 78 83<br />

Bibel verstehen - <strong>Gemeinde</strong> werden<br />

Gunter Schwarze – Tel. 85 60 27 30<br />

Bibelstunde – Di. 19.30 – 21.00 Uhr<br />

Pfarrer Dr. Wildemann – Tel. 791 19 27<br />

Ökumenekreis<br />

Anette Meiburg – Tel. 793 48 92<br />

Besuchsdienstkreis<br />

Pfarrerin Becker, Tel. 797 49 461<br />

Frauengruppe<br />

Sigrid Czada-Arendt – Tel. 886 28 900<br />

Gymnastik für Frauen<br />

Martina Lutter – Tel. 802 72 74<br />

Seniorenclub – Di 15.30 – 17.00 Uhr<br />

Ilse Hütter – Tel. 791 98 90<br />

Donnerstagsrunde (Senioren)<br />

Ilse Hütter – Tel. 791 98 90<br />

Kirchenmusik<br />

Orgel, Kantor Johann Wolfg. Küsgen<br />

– Tel. 832 83 79<br />

Kantorei – Mo 19.30 – 21.30 Uhr<br />

Christian Bährens – Tel. 795 63 49<br />

Musikalische Früherziehung<br />

Über Küsterei erfragen – Tel. 791 90 44<br />

Kinderchorgruppe (5–8 Jahre)<br />

Di 17.00 – 17.45 Uhr<br />

Kinder und Jugendliche singen<br />

(9–15 Jahre), Di 17.45 Uhr,<br />

Eva Wolf – 712 42 01<br />

Jugendchor – Di 19.30 Uhr, Magnus<br />

Hellmann – Tel. 0179 - 94 69 532<br />

Bläserchor – Do 19.30 – 21.30 Uhr<br />

Volker Hühne – Tel. 0179 - 69 25 543<br />

Blockflöten – Monica Carrasco-<br />

Wittmann – Tel. 791 34 91

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