CAPITAL Investor 07/2010
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Robert Rethfeld<br />
hat eine ungewöhnliche<br />
Leidenschaft: 200 Jahre alte<br />
Börsendaten. Täglich beurteilt<br />
der Gründer des Onlinediensts<br />
Wellenreiter-Invest das Auf<br />
und Ab an den Finanzmärkten.<br />
Dazu analysiert er nicht nur<br />
historische Konjunkturzahlen<br />
und Kursreihen, sondern auch<br />
Mondphasen und<br />
Sonnenflecken. Der 47-Jährige<br />
stürzt sich auf alles, was<br />
statistisch nachweisbar ist.<br />
Früher arbeitete er als<br />
Internetberater und bei der<br />
Lufthansa. Doch dann kam der<br />
Dotcom-Crash und bescherte<br />
ihm Verluste. Seither widmet<br />
Börsenwoche<br />
Interview: "Die Konjunkturerholung wird sich als Scheinblüte<br />
erweisen"<br />
Robert Rethfeld, Gründer des Börsendiensts Wellenreiter-Invest, über den<br />
Unterschied zwischen Astrologie und Wissenschaft, wichtige Warnsignale<br />
an den Kapitalmärkten und das dicke Ende der Finanzkrise.<br />
Herr Rethfeld, in welchem Sternzeichen sind Sie geboren?<br />
Jungfrau.<br />
Spielt das in Ihrem Leben irgendeine Rolle?<br />
Nein, mit Astrologie befasse ich mich nicht.<br />
Trotzdem achten Sie in Ihren Börsenanalysen auf Mondphasen und Sonnenflecken.<br />
Ich bin ein Freund der Statistik. Die Zusammenhänge sind wissenschaftlich belegt. Die Universität<br />
Michigan hat die Kursentwicklung in verschiedenen Mondphasen untersucht. Um Neumond<br />
steigen die Aktienkurse im Schnitt, um Vollmond herum sinken sie. Auch 2009 fielen die Kurse oft<br />
um die Vollmondtage und zogen dann wieder kräftig an. Und was die Sonnenflecken betrifft: Fast<br />
alle US-Rezessionen seit 1900 wurden von einer hohen Anzahl Sonnenflecken begleitet. Ich kann<br />
nicht erklären, warum. Aber es ist so.<br />
In Ihrem Börsenbrief schreiben Sie, "dass eine Trendumkehr häufig<br />
an Dienstagen erfolgt, gerade wenn der Freitag zuvor schwach<br />
war". Kann man die Börse wirklich nach so einfachen Mustern<br />
beurteilen?<br />
Der Effekt heißt Turnaround Tuesday. An einem Dienstag treten<br />
häufiger untere Wendepunkte an der Börse auf als mittwochs oder<br />
donnerstags. Das ist nicht aus der Luft gegriffen, das hat der Dow<br />
Jones in den vergangenen 100 Jahren gezeigt. An den<br />
Finanzmärkten spielen wir immer mit Wahrscheinlichkeiten. Ob<br />
die Kurse steigen oder fallen, hängt von vielen Einflüssen ab. Wir<br />
versuchen, möglichst viele dieser Einflüsse zu berücksichtigen.<br />
Nicht nur die, die für jeden Volkswirt offensichtlich sind.<br />
Das klingt nach Datentrickserei.<br />
Daten manipulieren kann jeder. Auch ich. Schon mit der Wahl des<br />
Betrachtungszeitraums. Wenn man Aktien nur ab dem Jahr 2000<br />
ansieht, sind sie kein gutes Investment. Über die vergangenen 200<br />
Jahre waren sie dagegen ein hervorragendes Investment - auch<br />
inflationsbereinigt. Wir arbeiten immer mit so langfristigen Daten<br />
wie möglich. Das ist unsere Maxime. Wir haben Kurshistorien, die<br />
<strong>CAPITAL</strong> <strong>Investor</strong> <strong>07</strong>/<strong>2010</strong> www.capital.de 10