Bundesarbeitsgemeinschaft Behinderung und Dritte Welt - Zeitschrift ...
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wurde in diesen Einrichtungen immer betont. Auch<br />
gibt es in (fast) allen Schulen eine Einweisung in<br />
handwerkliche Techniken, die allerdings, wie wir<br />
später sehen werden, selten auf die künftige Lebenssituation<br />
abgestimmt ist.<br />
In zahlreichen Ländern der <strong>Dritte</strong>n <strong>Welt</strong> wurde als<br />
Konsequenz dieser Kritik versucht, der Schule eine<br />
mehr praktische Orientierung zu geben, um damit<br />
der drohenden Arbeitslosigkeit der Sek<strong>und</strong>arschulabsolventen<br />
zu begegnen. Speziell in der Berufsbildung<br />
verfolgt die <strong>Welt</strong>bank eine starke Privatisierungs-<br />
<strong>und</strong> Marktorientierungsstrategie, wobei der<br />
informelle Sektor mit einbezogen wird.<br />
Tippelt (2000: 694) kommt in seinen Überlegungen<br />
zu den Strategien internationaler Berufsbildung zu<br />
dem Schluss: Die Verberuflichung der Sek<strong>und</strong>ärausbildung<br />
hat nicht die erwarteten Resultate<br />
erbracht. Weder finden die Schulabgänger aus verberuflichten<br />
Schulen leichter Jobs, noch sind sie in<br />
ihren späteren Tätigkeiten zufriedener, noch wird<br />
das Problem des <strong>und</strong>er-employment (also der realen<br />
Berufseinmündung unterhalb des legitimen Anspruchsniveaus)<br />
befriedigend gelöst.“ Entsprechend<br />
werden gegenwärtig zahlreiche Ansätze entwickelt,<br />
die versuchen, den Qualifikationswandel des Beschäftigungssystems<br />
zu antizipieren <strong>und</strong> durch<br />
Curriculumrevision <strong>und</strong> Ausbildung der Ausbilder<br />
zu begegnen. Damit wird das alte Konzept einer allgemeinen<br />
Bildung in der Sek<strong>und</strong>arstufe mit einer<br />
nachfolgenden Berufsausbildungsphase aufgehoben<br />
<strong>und</strong> versucht, diese Bereiche nicht mehr isoliert voneinander<br />
zu sehen.<br />
Wenn man diese Überlegungen auf die gegenwärtige<br />
Situation der Schulen für geistig behinderte Kinder<br />
in Entwicklungsländern anwendet, lässt sich feststellen,<br />
dass aufgr<strong>und</strong> der stärkeren lebenspraktischen<br />
Orientierung bereits einige Elemente der Verbindung<br />
von allgemeiner <strong>und</strong> (vor-)beruflicher Ausbildung<br />
in der Sek<strong>und</strong>arstufe gegeben sind.<br />
Zur speziellen Situation geistig behinderter<br />
Jugendlicher<br />
Zur speziellen Problematik des Übergangs geistig<br />
behinderter Jugendlicher von der Schule in das<br />
Arbeitsleben in Ländern der <strong>Dritte</strong>n <strong>Welt</strong> liegen<br />
kaum Untersuchungsergebnisse vor. Kniel (1996)<br />
hat in einer Studie in Ländern West- <strong>und</strong> Zentralafrikas<br />
den Verbleib von Absolventen der Schulen<br />
für geistig behinderte Kinder <strong>und</strong> Jugendliche sowie<br />
den Zusammenhang zwischen beruflicher Bildung<br />
in den Schulen <strong>und</strong> späterer Tätigkeit verglichen.<br />
<strong>Zeitschrift</strong> <strong>Behinderung</strong> <strong>und</strong> <strong>Dritte</strong> <strong>Welt</strong> 3/2001<br />
SCHWERPUNKTTHEMA<br />
Dabei zeigte sich, dass der größte Anteil aller<br />
Schulabsolventen mit einer geistigen <strong>Behinderung</strong><br />
(35,5%) zu Hause helfen, 19% ohne jede Beschäftigung<br />
sind <strong>und</strong> die restlichen Absolventen sich auf<br />
Handwerk, Landwirtschaft <strong>und</strong> Dienstleistung verteilen.<br />
Diese Tätigkeiten sind als helfend zu kennzeichnen.<br />
Mehr als die Hälfte der Betroffenen erhält<br />
keine Entlohnung für ihre Tätigkeit. Dabei gibt es<br />
kaum Zusammenhänge zwischen den in der Schule<br />
gelernten beruflichen Aktivitäten <strong>und</strong> der späteren<br />
Tätigkeit.<br />
Eine Beschreibung der Berufsbildungsprogramme<br />
an Sonderschulen in Ghana sowie die Abgängerzahlen<br />
legt Hayford in diesem Heft vor, wobei ebenfalls<br />
die mangelnde Zielgerichtetheit berufsvorbereitender<br />
Angebote für geistig behinderte Jugendliche<br />
deutlich wird. Nicht zuletzt gibt es einen Zusammenhang<br />
zwischen dem Status der Herkunftsfamilie<br />
<strong>und</strong> den als akzeptabel angesehenen Beschäftigungen:<br />
in Westafrika (vgl. Kniel 1996) wie auch z.B. in<br />
Indien ist es für wohlhabende Familien <strong>und</strong>enkbar,<br />
dass ihre geistigbehinderten Kinder Tätigkeiten ausüben,<br />
die für die unteren Sozialschichten reserviert<br />
sind. Hinzu kommen gesellschaftliche Normen, die<br />
es beispielsweise untersagen, Nahrung zu sich zu<br />
nehmen, die von einer geistig behinderten Person<br />
zubereitet wurde.<br />
Reformansätze<br />
In der internationalen Sonderpädagogik hat die<br />
Entwicklung in den USA mit der 1990 erfolgten<br />
Aktualisierung des Individuals with Disabilities<br />
Education Act (IDEA) die Länder der <strong>Dritte</strong>n <strong>Welt</strong><br />
stark beeinflusst. Dies ist dadurch bedingt, dass<br />
viele Dozenten in den USA studiert haben, Textbücher<br />
aus den USA übernommen werden etc. In<br />
diesem Gesetz werden alle Schulbezirke beauftragt,<br />
ein umfassendes Programm zu entwickeln, das den<br />
Übergang von der Schule in die Arbeitswelt <strong>und</strong> die<br />
Gemeinschaft (transition program) für behinderte<br />
Jugendliche im Alter von 16 Jahren <strong>und</strong> darüber<br />
gewährleistet. Generell strebt die Reform des Erziehungswesens<br />
sowohl in westlichen Industrieländern<br />
als auch in den Ländern der <strong>Dritte</strong>n <strong>Welt</strong> seit langem<br />
eine Reihe von Innovationen an, die versuchen, eine<br />
bessere Vorbereitung auf das reale Leben zu ermöglichen.<br />
Dabei werden die folgenden Akzente gesetzt:<br />
- Entwicklung eines Kerncurriculums (core curriculum)<br />
bzw. von Schlüsselqualifikationen, um<br />
die notwendigen Fertigkeiten für die Arbeitswelt<br />
<strong>und</strong> als mündiger Staatsbürger zu entwickeln<br />
(Boyer 1990). Kognitive Vorwegnahme (cogniti-<br />
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