Demokratieförderung in der Deutschen Außenpolitik - Bibliothek der ...
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frieDrich-eBert-stiftung<br />
3. Szenarien 2020<br />
Die je<strong>der</strong> politischen Zukunft grundsätzlich implizite<br />
Offenheit, die sich durch e<strong>in</strong>e unüberschaubare<br />
Bandbreite von Variablen auszeichnet, wird<br />
allerd<strong>in</strong>gs h<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong> künftigen Ausrichtung<br />
und Handlungspfade <strong>der</strong> deutschen <strong>Außenpolitik</strong><br />
durch normative (Staats-/Völkerrecht), <strong>in</strong>stitutionelle<br />
(EU/NATO/OSZE) und politisch-kulturelle<br />
(nationale Identitäten/Grunde<strong>in</strong>stellungen) relativ<br />
stabile Konstanten, Paradigmen und Rahmenbed<strong>in</strong>gungen<br />
e<strong>in</strong>geschränkt. Auf <strong>der</strong> Zeitachse<br />
2020 hat die deutsche <strong>Außenpolitik</strong> und zumal<br />
die <strong>Demokratieför<strong>der</strong>ung</strong> <strong>in</strong> ihrem Marschgepäck<br />
demnach ke<strong>in</strong>e „carte blanche“. Die auswärtigen<br />
Gestaltungshorizonte s<strong>in</strong>d ke<strong>in</strong> Ensemble von<br />
„bl<strong>in</strong>d dates“, weil diese eben pfadabhängig s<strong>in</strong>d.<br />
Aber die künftige <strong>Demokratieför<strong>der</strong>ung</strong> wird an<strong>der</strong>erseits<br />
auch nicht e<strong>in</strong>e determ<strong>in</strong>ative Fortsetzung<br />
ihres bisherigen Strukturrepertoires se<strong>in</strong>.<br />
Welche Zukunft steht also für unterstützende<br />
Demokratieprojekte <strong>der</strong> deutschen <strong>Außenpolitik</strong><br />
bereit? Zukunft wird vor diesem H<strong>in</strong>tergrund<br />
jedoch nicht als „wishful th<strong>in</strong>k<strong>in</strong>g“, als Tombola<br />
wohlfälliger Denkfiguren verstanden. Vielmehr<br />
als nüchterne Möglichkeitsmodelle o<strong>der</strong> realistische<br />
Wahrsche<strong>in</strong>lichkeitsprofile. Mittels Szenarien<br />
lassen sie sich, e<strong>in</strong>gedenk nicht auszuschließen<strong>der</strong><br />
Unwägbarkeiten, pragmatisieren.<br />
„Mit <strong>der</strong> Szenariotechnik versucht man, Ungewissheit<br />
e<strong>in</strong>zuschränken. Zukunft und <strong>der</strong>en Interpretation<br />
ersche<strong>in</strong>en dabei als e<strong>in</strong>e bestimmte Zahl<br />
alternativer Entwicklungsrichtungen...Szenarios<br />
versuchen Abbil<strong>der</strong> <strong>der</strong> Zukunft zu erzeugen, sie<br />
liefern dabei aber ke<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>deutigen Prognosen.<br />
Sie stecken nur die Bandbreite <strong>der</strong> denkbaren Zukunftsentwicklung<br />
ab und machen die Auswirkungen<br />
von Entscheidungen auf e<strong>in</strong> System transparent.“<br />
149 Szenarios konstituieren demnach e<strong>in</strong>en iterativen<br />
Prozess im H<strong>in</strong>blick auf das Vorausdenken<br />
e<strong>in</strong>es Spektrums von real-möglichen Zukünften.<br />
„Szenarios s<strong>in</strong>d also we<strong>der</strong> Prognosen, bei denen<br />
auf quantitative Informationen aus Gegenwart und<br />
Vergangenheit zurückgegriffen wird und unter<br />
Fortschreibung <strong>der</strong> geltenden Strukturen und Ver-<br />
149 Streitkräfte, Fähigkeiten und Technologie im 21. Jahrhun<strong>der</strong>t. Strategische<br />
Zukunftsanalyse 2035. Zentrum für Transformation <strong>der</strong> Bundeswehr,<br />
31. August 2005, S. 7<br />
24<br />
haltensannahmen Extrapolationen <strong>in</strong> die Zukunft<br />
erfolgen, noch realitätsferne Utopien und Phantasien...Mit<br />
<strong>der</strong> Szenario-Technik kann e<strong>in</strong> für bestimmte<br />
Fragestellungen e<strong>in</strong>grenzen<strong>der</strong> Ereignisraum<br />
<strong>der</strong> Zukunft entwickelt werden. Zusammen<br />
mit <strong>der</strong> sich daraus ergebenden möglichen Menge<br />
von erwartbaren Ereignissen können sich wie<strong>der</strong>um<br />
H<strong>in</strong>weise auf Handlungsoptionen bieten.“ 150<br />
Um solche Szenarien zu entwickeln, müssen die<br />
ihnen zugrunde liegenden Prämissen dargelegt<br />
werden. Hierbei „s<strong>in</strong>d verschiedene Dimensionen<br />
zu unterscheiden: (a) die herausragenden Dynamiken<br />
und Triebkräfte (Akteure und Prozesse),<br />
die voraussichtlich die zukünftige Entwicklung<br />
prägen werden sowie (b) ihre Bewertung h<strong>in</strong>sichtlich<br />
zweier Kriterien: (i) ihrer relativen Bedeutung<br />
für die zukünftige Entwicklung und (ii) des Grades<br />
an (Un) Gewissheit, dass sie prägenden E<strong>in</strong>fluss<br />
haben werden.“ 151<br />
Angenommene außen- und <strong>in</strong>nenpolitische Dynamiken/Triebkräfte<br />
mit h<strong>in</strong>länglicher Wahrsche<strong>in</strong>lichkeitsrelevanz<br />
für die <strong>Demokratieför<strong>der</strong>ung</strong> <strong>in</strong><br />
<strong>der</strong> deutschen <strong>Außenpolitik</strong> im Zeitkont<strong>in</strong>uum<br />
2020 s<strong>in</strong>d:<br />
• Flüchtl<strong>in</strong>gs- und Migrationsbewegungen als Folge<br />
von Staatsversagen/zusammenbrechenden<br />
Staaten o<strong>der</strong> autoritären Regimes/Diktaturen 152<br />
• retardierende Demokratieentwicklung <strong>in</strong> Russland.<br />
153<br />
• Aufbau von politischen Spannungen und gesellschaftliche<br />
Verwerfungen durch „bad governance“<br />
und Entwicklungsblockaden <strong>in</strong> Afrika<br />
154 sowie Fortbestand <strong>der</strong> Spannungsverhältnisse<br />
im Nahen Osten 155<br />
150 Ebenda, S. 2<br />
151 Gunther Hellmann unter Mitwirkung von Ra<strong>in</strong>er Baumann und<br />
Wolfgang Wagner, Deutsche <strong>Außenpolitik</strong>. E<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>führung, Wiesbaden<br />
2006, S.230<br />
152 Vgl. Weißbuch 2006, S. 27<br />
153 „In Russland gibt es <strong>der</strong>zeit we<strong>der</strong> auf <strong>der</strong> Angebots- noch auf <strong>der</strong><br />
Nachfrageseite die Grundlage e<strong>in</strong>er nachhaltigen Demokratisierung des<br />
Landes...Angesichts e<strong>in</strong>er solchen <strong>in</strong>nerrussischen Konstellation sollte<br />
sich die Europäische Union nicht darüber täuschen, die Demokratie <strong>in</strong><br />
Russland kurzfristig voranbr<strong>in</strong>gen zu können.“Gerhard Mangott, Werte<br />
und Interessen. Die Beziehungen <strong>der</strong> EU mit Russland o<strong>der</strong> ges<strong>in</strong>nungsethische<br />
Illusionen, russland analysen Nr. 121/06, S. 11<br />
154 Vgl. Weißbuch 2006, S. 26<br />
155 Vgl. ebenda, S. 63