Demokratieförderung in der Deutschen Außenpolitik - Bibliothek der ...
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frieDrich-eBert-stiftung<br />
hun<strong>der</strong>ts“. 173 Allerd<strong>in</strong>gs muss relativierend angemerkt<br />
werden, dass dieses Bedauern im Kontext<br />
mit dem H<strong>in</strong>weis auf jene mehrere Millionen ethnischer<br />
Russen stand, die nunmehr als M<strong>in</strong><strong>der</strong>heiten<br />
<strong>in</strong> den verschiedenen GUS-Staaten leben. 174<br />
Bereits als M<strong>in</strong>isterpräsident beanspruchte Put<strong>in</strong><br />
1999 überdies für se<strong>in</strong> Land <strong>in</strong> Bezug auf Europa<br />
e<strong>in</strong>e Son<strong>der</strong>stellung: „As a world power situated on<br />
two cont<strong>in</strong>ents, Russia should reta<strong>in</strong> its freedom to determ<strong>in</strong>e<br />
and implement its domestic and foreign policies,<br />
its status and advantage of an Euro-Asian state<br />
and the largest country of the CIS, <strong>in</strong>dependence of<br />
its position and activities at <strong>in</strong>ternational organizations.“<br />
175 Die Ambition für e<strong>in</strong>e solche machtvolle<br />
Politikgestaltung sui generis hat durch die hohen<br />
Weltenergiepreise eher noch weiteren Auftrieb<br />
erhalten. Warum sollte aus Moskauer Sicht Russland<br />
sich durch <strong>in</strong>terdependente Verflechtung<br />
außenpolitisch e<strong>in</strong>hegen und <strong>in</strong>nenpolitisch gar<br />
demokratisch wertemäßig domestizieren lassen?<br />
Wor<strong>in</strong> würde se<strong>in</strong> politischer Mehrwert bestehen?<br />
Verhält sich die deutsche und europäische <strong>Außenpolitik</strong><br />
nicht gegenüber Russland realpolitisch<br />
und pragmatisch, so dass es auch ohne e<strong>in</strong>e solche<br />
E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung ke<strong>in</strong>e größeren Zugeständnisse<br />
machen muss? Zu bedenken ist nämlich <strong>in</strong> diesem<br />
Kontext das disparate außenpolitische Politikverständnis<br />
von Russland gegenüber dem Europa<br />
<strong>der</strong> Integration: „Im russischen Diskurs dom<strong>in</strong>iert<br />
– ähnlich wie beim Konzept <strong>der</strong> Ordnungspolitik – e<strong>in</strong><br />
eher klassisch-realistisches Bild von strategischen Allianzen,<br />
die e<strong>in</strong>e starke sicherheitspolitische Komponente<br />
haben und für <strong>der</strong>en Funktionieren nicht die <strong>in</strong>nere<br />
Verfasstheit <strong>der</strong> Allianzpartner, son<strong>der</strong>n die Übere<strong>in</strong>stimmung<br />
strategischer Interessen entscheidend s<strong>in</strong>d.<br />
Im EU-Diskurs h<strong>in</strong>gegen fließen <strong>in</strong> die Vorstellung<br />
von strategischer Partnerschaft jene Werte e<strong>in</strong>, welche<br />
die Grundlage <strong>der</strong> europäischen Integration bilden<br />
und über Partnerschaften nach außen getragen werden<br />
sollen, um e<strong>in</strong> stabiles und friedliches <strong>in</strong>ternationales<br />
Umfeld zu schaffen.“ 176<br />
173 Verblasste Er<strong>in</strong>nerungen an den Moskauer Putsch von 1991, Neue<br />
Zürcher Zeitung, Internationale Ausgabe, 21. August 2006<br />
174 Der Verlust <strong>der</strong> Geographie, <strong>der</strong> Verlust <strong>der</strong> Ideologie und <strong>der</strong> Verlust<br />
<strong>der</strong> Demographie (Raum, Weltanschauung, Menschen) konstituieren<br />
die Trauma-Trias <strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Sowjetunion politisch sozialisierten<br />
gegenwärtigen Machteliten<br />
175 www.delrus.cec.eu.<strong>in</strong>t/en/p_245.htm: Russia’s Middle Term Strat-<br />
egy towards the EU (2000-2010), S. 2<br />
176 Sab<strong>in</strong>e Fischer (Fußnote 164), S. 22<br />
30<br />
Nun herrschen auch für Russland heute nicht<br />
mehr ausschließlich die militärischen Aspekte bei<br />
<strong>der</strong> Dimension von Sicherheit vor, wie während<br />
<strong>der</strong> Zeit des Ost-West-Konflikts. Wenngleich sie<br />
auch, <strong>der</strong> Traditionsträgheit geschuldet, immer<br />
noch e<strong>in</strong>en hohen Stellenwert haben. Moskaus<br />
Sicherheits<strong>in</strong>teressen fokussieren sich nunmehr<br />
darauf, „die eigene Position als Integrationskern im<br />
postsowjetischen Raum zu stärken“ 177 , und dies mittels<br />
gezielter politisch-ökonomischer Instrumentierung<br />
se<strong>in</strong>es Ressourcenreichtums. Die enormen<br />
Energiereserven machen Russland auch für<br />
Deutschland und die Mitgliedslän<strong>der</strong> <strong>der</strong> EU zu<br />
e<strong>in</strong>em begehrten Handelspartner. Darum gilt für<br />
sie: „Sicherheit, Stabilität, Integration und Wohlstand<br />
<strong>in</strong> Europa s<strong>in</strong>d deshalb ohne Russland nicht zu gewährleisten.<br />
Deutschland hat e<strong>in</strong> beson<strong>der</strong>es Interesse<br />
daran, dass die Mo<strong>der</strong>nisierung Russlands durch e<strong>in</strong>e<br />
verstärkte politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche<br />
Zusammenarbeit unterstützt wird“. 178<br />
Also: geme<strong>in</strong>same Sicherheit und Mo<strong>der</strong>nisierungspartnerschaft<br />
durch Verflechtung. Mit <strong>der</strong><br />
E<strong>in</strong>schränkung, dass Moskau ke<strong>in</strong> gestaltendes<br />
Mitspracherecht im Rahmen <strong>der</strong> NATO/EU-<br />
Sicherheitspolitik besitzt. Russlands Interesse<br />
demgegenüber lautet: geme<strong>in</strong>same Sicherheit<br />
mit dem Vorbehalt, dass die NATO/EU ke<strong>in</strong> e<strong>in</strong>flussmächtiges<br />
Mitspracherecht im Rahmen <strong>der</strong><br />
russischen Sicherheitsgestaltung des postsowjetischen<br />
Raumes besitzt, sowie Mo<strong>der</strong>nisierung<br />
ohne e<strong>in</strong>mischende deutsche/europäische Demokratisierung.<br />
Damit verweigert sich die politische<br />
Führung jedoch nicht pr<strong>in</strong>zipiell demokratischen<br />
Entwicklungsprozessen. Sie ist aber darauf bedacht,<br />
diese unter eigener Regie und Kontrolle zu<br />
halten, abgrenzend von westlicher politischer Mitsteuerung<br />
und mith<strong>in</strong> e<strong>in</strong>schränken<strong>der</strong> politischer<br />
Ordnungsgestaltung.<br />
„Put<strong>in</strong>s Strategie <strong>der</strong> ‚gelenkten Demokratie’ greift bekanntlich<br />
direkt <strong>in</strong> politische und zivilgesellschaftliche<br />
Institutionalisierungsprozesse e<strong>in</strong>, um e<strong>in</strong>en kohärenten<br />
und kontrollierbaren <strong>in</strong>termediären Raum zwischen<br />
dem Staat und den Bürgern zu schaffen. Diese<br />
Strategie, die für den Bereich <strong>der</strong> Zivilgesellschaft am<br />
besten dokumentiert ist, sich aber auch auf Interessengruppen<br />
im weiteren S<strong>in</strong>ne erstreckt, schlägt sich auch<br />
im Parteiensystem <strong>in</strong> <strong>der</strong> Institutionalisierung e<strong>in</strong>er<br />
begrenzten Vielfalt nie<strong>der</strong>. Gebilligt und geför<strong>der</strong>t<br />
177 Ebenda<br />
178 Weißbuch 2006, S. 61