Biarritz. - Karl-May-Gesellschaft
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— 118 —<br />
»Ich habe Dir schon ein Mal gesagt, ich würde ihn nicht fürchten an Deinem Herzen. Aber<br />
was soll uns das dunkle Gespenst, wo glühendes Leben uns erwartet mit seinen berauschendsten<br />
Genüssen. Du bist mein Weib,<br />
[263]<br />
Deine Seele, Dein Leib gehören mir, und keine Macht der Welt soll Dich meinem Arm mehr<br />
entreißen!«<br />
»Faringi! Faringi! Geliebter Karias! Tapferer Tigertödter – mische Dein Blut nicht mit dem<br />
der Hindostani! Zurück – es ist Dein Tod!«<br />
»Und wäre es! Dein wonniges Leben ist des Todes werth!«<br />
Ihre Hand mit dem Dolch streckte sich ihm entgegen – ein rascher Griff – zur Seite flog die<br />
Waffe, – die zuckende Lippe wühlte sich in ihren heißen, ihm entgegenschlagenden Busen.<br />
»Mein Weib! mein Weib!«<br />
Und die Tigerin schlang ihre weichen warmen Glieder um den Mann und zog ihn nieder in<br />
das Gewirr der seidenen Kissen!<br />
Die Flamme einer anderen Lampe warf ihren dämmernden Strahl auf ein anderes Lager.<br />
Weiche Kissen bildeten es, die Hand der Gattenliebe hatte sie sorgsam geschichtet – nicht<br />
zum Brautbett, sondern zum Sterbelager.<br />
Auf den Kissen ruhte Arabella Seymour, die Gattin des Dechanten von Delhi, an beiden<br />
Seiten des Lagers hielt ein treuer Freund die abgezehrte, fast durchsichtige Hand der Dulderin<br />
in der seinen, hier der Gatte, dessen Leben sie zehn Jahre in treuer, milder Pflichterfüllung<br />
verschönt, dort der Geliebte ihrer Jugend – der Mann, der um sie gelitten, gekämpft und –<br />
entsagt.<br />
Die Schatten des Jenseits lagen auf den blassen, noch immer schönen und edlen Zügen –<br />
über die feinen<br />
[264]<br />
farblosen Lippen dringt zuweilen ein leises Stöhnen der gequälten Brust, von Zeit zu Zeit<br />
auch hebt sich wie mit Anstrengung das ihr blaues Auge verschleiernde Lid und durch den<br />
Vorhang der langen Wimpern ruht der alte freundliche, versöhnende Blick auf den beiden<br />
geliebten Freunden.<br />
Nicht der dämonische, gräuliche Würgeengel ist es, der so oft durch die sonnigen Länder<br />
am Ganges mit schwarzen Fittigen zieht und seine Krallen bis weit hinüber in die Gefilde<br />
Europa’s streckt: es ist der bleiche, zehrende Tod, der auf dem Nebellande im atlantischen<br />
Ocean seine traurigen Keime in die frischeste Jugendkraft senkt und langsam aber sicher die<br />
Adern leert und den Athem des Lebens verzehrt.<br />
Lange hat sie um das Leben gekämpft, das ihr nur das Glück erfüllter Pflichten bot, bis die<br />
Aufopferung einer engelhaften Seele unter den entsetzlichen Leiden von Delhi und Lukhnow<br />
ihre letzte Kraft gebrochen und die Engel des Herrn bereit sind, den letzten irdischen Hauch<br />
des ›Engels von Delhi‹ hinüber zu tragen in das unermeßliche Reich, wo die ewige Freiheit<br />
und Liebe wohnt und keine Völker und keine Gotteslehren mit einander ringen in blutigem<br />
Streit.