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Biarritz. - Karl-May-Gesellschaft

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— 32 —<br />

»Ich möchte doch nicht gesagt haben Etwas, was Sie<br />

[73]<br />

thut verletzen Mamsell Riekchen, – aber der Prophet sagt weise: Das ist ein kluges Kind, das<br />

weiß, wer sein Vater ist. Können Sie leisten einen Eid, daß ich nicht bin der Vater von das<br />

Kind? Hat ein Vater das Anrecht auf sein Fleisch und Blut?«<br />

Sie beugte sich noch tiefer nieder und schluchzte noch lauter.<br />

»Mamsell Riekchen, ich will wissen, warum Sie nicht geschickt haben wegen das Kind zum<br />

Doktor?«<br />

Nach einigem Zaudern rang sich die Antwort von ihren Lippen: »Ich war gestern Vormittag<br />

mit dem Kinde beim Armenarzt, – leider ist mir der Herr Schlesinger auf dem Wege begegnet,<br />

und von ihm wissen Sie gewiß . . . «<br />

»Soll mir Gott helfen, ich habe gar nicht gesprochen mit Nathan Schlesinger, der ist ein<br />

Lump an der Börse und ein Lügner und Verschwender. Ich habe Alles allein erfahren durch<br />

mir selber! Aber das gehört nicht hierher. Wenn Sie gewesen sind mit dem kranken Kind bei<br />

dem Arzt, statt daß Sie ihn kommen lassen hierher – was hat er gesagt? hat er verschrieben<br />

gar Nischt?«<br />

»Er gab mir heute ein Recept, – er hat gesagt, das Kind müsse eine Amme haben, wenn es<br />

am Leben bleiben soll – ich hätte keine Nahrung dafür!«<br />

»Das Kleine soll haben eine Amme, es mag kosten so viel es will! für Geld ist Alles zu haben<br />

in Berlin, warum nicht auch eine Amme. Aber warum haben Sie unterdeß nicht machen<br />

lassen das Recept?«<br />

»Ich habe es in die Apotheke getragen, aber . . . «<br />

»Nun?«<br />

[74]<br />

»Der Armenvorsteher war nicht zu Hause, als ich es wollte abstempeln lassen, ich mußte<br />

es so hintragen und . . . «<br />

»Und Sie haben gehabt kein Geld, um die Medizin zu bezahlen,« sagte der kleine Bucklige,<br />

ihrem Geständniß zu Hilfe kommend? »Gott soll mir helfen, da muß geschafft werden Rath,<br />

– in welche Apotheke haben Sie gebracht das Recept und auf welchen Namen?«<br />

»Auf den meinen in die Apotheke am Dönhofsplatz – ich – ich konnte das Kind nicht allein<br />

lassen, um die Medizin zu holen – die Wirthin war nicht zu Hause . . . «<br />

»Gut, gut! ich brauche nicht zu wissen mehr, – haben Sie nur Geduld einen Augenblick!«<br />

Er ergriff seinen Hut und rannte wie besessen davon, ohne auf das Nachrufen des unglücklichen<br />

Mädchens zu hören.<br />

Sie wußte in der That kaum, was sie davon denken, was sie thun sollte, aber die zudringliche<br />

Theilnahme des Kleinen hatte doch einen wohlthätigen Eindruck auf sie gemacht, und<br />

ihre Thränen rollten milder und ihr Weinen war weniger krampfhaft und gewährte ihr eine<br />

wirkliche Erleichterung. Das Kind schien eingeschlafen und sie nahm ihre Arbeit wieder vor.<br />

Es war noch keine Viertelstunde vergangen, als es wieder im Dunkel des Vorderraums an<br />

die Ecken stieß und der Ruf »Mamsell Riekchen, ich bin’s, der kleine Meier!« sie die Lampe<br />

nehmen ließ, ihm zu leuchten.<br />

Der frühere Buchhalter und Disponent der Firma I. M. Cohn und Comp. bot einen eigenthümlichen<br />

Anblick,<br />

[75]

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