Biarritz. - Karl-May-Gesellschaft
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»Das eben möchte ich Sie fragen!«<br />
»Ich wohne nicht mehr in dem Hause, ich . . . ich habe es verlassen müssen, schon vor zwei<br />
Tagen!«<br />
Der Fremde, es war der Journalist, dem wir in den anderen Scenen des Abends begegnet<br />
sind, sah sie mitleidig an. »Das ist das Erste, was ich höre! So hat man Sie und Ihr Kind –<br />
vielleicht, weil Sie die Miethe nicht gleich zahlen konnten – unbarmherzig hinausgestoßen?<br />
Das hätte ich von der Frau, bei der Sie wohnten, nicht gedacht!«<br />
»Nein, nein, thun Sie den Leuten nicht Unrecht – ich bin freiwillig gegangen, ich mußte<br />
gehen! fragen Sie nicht, Herr Doktor, Sie und Ihre Frau waren immer so gütig gegen eine<br />
Unglückliche. Ich bin ehrlich fortgegangen – ich habe die wenigen Sachen, die ich noch hatte,<br />
dort gelassen und Nichts mit mir genommen, als mein Kind.<br />
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Aber ich konnte unmöglich da bleiben, die guten Leute sind selbst zu arm. Ach, Herr Doktor,<br />
ich bin ein sehr unglückliches Geschöpf – und nun noch die Scene hier – mein Kind, ach,<br />
mein armes Kind!«<br />
»Fassen Sie sich – aber Sie können unmöglich hier bleiben, eben hat der Arzt, den ich<br />
zufällig kenne, den Ausspruch gethan, daß der Verwundete ohne Gefahr nicht transportirt<br />
werden kann. Ist die Kammer noch frei, die Sie in unserem Hause bewohnten?«<br />
»Ich fürchte nein – es giebt der armen Mädchen so viele.«<br />
»Nun denn, so müssen wir ein anderes Unterkommen für Sie suchen; ich habe Hilfe für<br />
Sie, ein menschenfreundlicher, hoher Herr hat mir eine Unterstützung für Sie anvertraut, die<br />
für’s Erste hinreichen wird, Ihnen ein besseres Unterkommen zu schaffen und Sie vor Noth<br />
zu schützen. Ich will Sie für diese Nacht in ein kleines Gasthaus bringen, es sind deren ganz<br />
anständige in der Krausenstraße. Morgen wollen wir dann weiter sehen.«<br />
»Nein, nein, ich danke Ihnen herzlich, Herr Doktor, aber es geht nicht, – mein Kind ist<br />
krank!«<br />
»Das wollen wir gleich sehen! Der Arzt dort thut mir gewiß den Gefallen.«<br />
Dieser hatte eben dem Polizeibeamten erklärt, daß die Wunde zwar nicht tödtlich, daß aber<br />
große Ruhe für den Kranken erforderlich sei, wenigstens in den ersten Tagen, und daß deshalb<br />
jede Erschütterung, wie bei dem weiten Transport ihm nicht zu ersparen sei, vermieden<br />
werden müsse. Also Ruhe, absolute Ruhe müsse er haben, dann<br />
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glaube er für das Leben des Mannes stehen zu können. Frau Martini hatte das kaum gehört,<br />
als sie erklärte, sie werde Ruhe schaffen, die Schlafleute sollten sogleich hinaus, und sie<br />
selbst wolle den rothen Wilhelm pflegen und ihn keinen Augenblick verlassen. Die Krause sei<br />
an Allem schuld, denn um sie sei der Streit allein hergekommen und darum soll sie noch in<br />
dieser Stunde hinaus, wo sie mit ihrem Bankert bleiben möge, das sei ihr ganz egal.<br />
Der Polizeihauptmann war zu sehr mit solchen Scenen und Charakteren vertraut, um sich<br />
mit einer, sogar in ihrem Rechte befindlichen Xantippe in einen weiteren Streit einzulassen,<br />
und nachdem er alle fremden Personen aufgefordert hatte, den Keller zu verlassen, ging er<br />
selbst, um nach seinem Gefangenen zu sehen und das Weitere zu veranlassen.<br />
Der Journalist hatte unterdeß den ihm oberflächlich bekannten Arzt zu dem Kinde geführt<br />
und ihm kurz die Verhältnisse mitgetheilt. Der Ausspruch desselben war sehr bestimmt.<br />
»Warum sollte es denn nicht fortgebracht werden können? wenn Sie nur wissen wohin damit.