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P.b.b. GZ 02Z034626W, Benachrichtigungspostamt 1070 Wien<br />

Bei Unzustellbarkeit zurück an Absender: <strong>Ärzte</strong> <strong>Krone</strong>, Seidengasse 9/Top 1.1, 1070 Wien<br />

FACHMAGAZIN<br />

FÜR ÄRZTE<br />

themenheft themen<br />

März 2010<br />

ALLERGIE<br />

State of the Art


Liebe Leserinnen und Leser!<br />

Die Österreichische Gesellschaft für Allergologie und Immunologie<br />

(<strong>ÖGAI</strong>, www.oegai.org) repräsentiert alle WissenschafterInnen<br />

und ÄrztInnen, die an der Funktion und den Erkrankungen<br />

des Immunsystems sowie an Klinik, Diagnostik und Therapie<br />

aller Krankheiten, die das Immunsystem betreffen, interessiert<br />

sind. Die <strong>ÖGAI</strong> fördert Forschung und deren klinische Umsetzung,<br />

um die Last immunologisch bedingter Erkrankungen auf<br />

die Menschen zu mindern und um Behandlungs- und Präventionsmöglichkeiten<br />

zu verbessern.<br />

Ein weiteres wesentliches Ziel der <strong>ÖGAI</strong> ist es, als Wissensvermittler<br />

und Auskunftsorgan für fachspezifische Information über<br />

das Immunsystem und seine mannigfaltigen Störungen wie Allergie,<br />

Autoimmunität und Immunmangel zu fungieren.<br />

In den Beiträgen dieser Sonderausgabe berichten Experten über<br />

wissenswerte Themen aus dem Bereich der Allergie. Mehr als ein<br />

editorial<br />

Prof. Dr. Rudolf Valenta<br />

Viertel der Bevölkerung leidet unter allergischen Erkrankungen.<br />

Diese basieren auf einer Überreaktion des Immunsystems gegen<br />

an sich harmlose Substanzen, die so genannten Allergene. Allergische<br />

Reaktionen können verschiedene Organe und Organsysteme<br />

betreffen. Die Symptome können sich in Form von Heuschnupfen,<br />

Asthma, Nahrungsmittelallergien, Hauterkrankungen<br />

bis hin zum lebensbedrohlichen anaphylaktischen Schock manifestieren.<br />

Da sich unbehandelte Allergien im Verlauf oft verschlechtern<br />

und zu chronischen Krankheitsbildern führen können, ist eine<br />

frühzeitige und exakte Diagnose besonders wichtig. Die Behandlung<br />

von Allergien muss auf die individuellen Umstände des<br />

Patienten Rücksicht nehmen und bedient sich verschiedener<br />

Maßnahmen, die von der Allergenvermeidung, der Linderung der<br />

Symptome durch Medikamente bis hin zur spezifischen Immuntherapie<br />

reichen und daher auf die individuellen Bedürfnisse der<br />

Patienten zugeschnitten sein müssen. Diagnose und Therapie von<br />

allergischen Erkrankungen sollen daher von ÄrztInnen mit<br />

besonderen Kenntnissen in der Allergologie, der Funktion des<br />

Immunsystems und den von allergischen Erkrankungen betroffenen<br />

verschiedenen Organsystemen durchgeführt werden.<br />

Prof. Dr. RUDOLF VALENTA<br />

e.h. Präsident der <strong>ÖGAI</strong><br />

Impressum: MEDIENINHABER, HERAUSGEBER UND VERLEGER: <strong>Ärzte</strong>krone Ges.m.b.H., Verlag von Druckwerken, Seidengasse 9/Top 1.1, 1070 Wien, Tel.: 01/407 31 11-0, Fax: 01/407 31 14.<br />

CHEFREDAKTEUR: Dr. Wolfgang Exel. STELLVERTRETENDE CHEFREDAKTEURIN: Dr. Hannelore Nöbauer; h.noebauer@medmedia.at, DW-61 VERLAGSLEITUNG/VERKAUFSLEITUNG: Friedrich<br />

Tomaschek, f.tomaschek@medmedia.at, DW 25; Karin Duderstadt, k.duderstadt@medmedia.at, DW 29. PRODUKTION: Mag. a (FH) Nicole Kaeßmayer, n.kaessmayer@medmedia.at, DW 43.<br />

ALLGEMEINE HINWEISE: In Zusammenarbeit mit Experten erarbeitete Artikel basieren auf deren fachlicher Meinung und fallen somit in deren persönlichen Verantwortungsbereich. Trotz sorgfältiger<br />

Prüfung übernehmen Verlag und Medieninhaber keinerlei Haftung für drucktechnische und inhaltliche Fehler. REDAKTION: Seidengasse 9/Top 1.1, 1070 Wien. LAYOUT/DTP: creativedirector.cc lachmair<br />

gmbh, 2120 Wolkersdorf im Weinviertel. LEKTORAT: onlinelektorat. DRUCK: agensketterl Druckerei GmbH, Kreuzbrunn 19, 3001 Mauerbach. Bilder ohne Copyright-Vermerk sind aus dem Archiv der<br />

<strong>Ärzte</strong> <strong>Krone</strong>.<br />

ÄRZTE KRONE | Allergie 3


ALLERGIE – STATE OF THE ART<br />

Epidemiologie allergischer Erkrankungen<br />

EPIDEMIOLOGISCHE DATEN geben Auskunft über die Allergieprävalenz<br />

und die am meisten von Allergien betroffenen Bevölkerungsschichten.<br />

Es stehen Daten aus internationalen Surveys, die auch in Österreich durchgeführt<br />

wurden, zur Verfügung und werden durch selbst berichtete Daten<br />

aus der Gesundheitsberichterstattung ergänzt.<br />

AUF DER GRUNDLAGE einer erblich<br />

bedingt erhöhten Produktion<br />

allergenspezifischer IgE-Antikörper (Atopie)<br />

werden Allergien durch Lebensstil<br />

und Umweltbedingungen bei einem Teil<br />

der zunächst nur subklinisch sensibilisierten<br />

Patienten getriggert und damit symptomatisch.<br />

Drei atopische Krankheitsbilder<br />

sind von besonderer Bedeutung: Heuschnupfen,<br />

atopisches Ekzem (Neurodermitis<br />

mit atopischen Sensibilisierungen)<br />

und Asthma bronchiale.<br />

Die häufigste Allergiediagnose lautet Heuschnupfen<br />

– allergische Rhinitis. Global<br />

sind zwischen 10 und 40% der Weltbevölkerung<br />

– geschätzt – mehr als 600 Mio.<br />

Menschen davon betroffen. Die Allergieprävalenz<br />

– die Zahl der Erkrankungsfälle<br />

zu einem bestimmten Zeitpunkt oder während<br />

eines definierten Zeitabschnittes<br />

bezogen auf die Gesamtbevölkerungszahl<br />

– zeigt erhebliche geographische Unterschiede<br />

zwischen einzelnen Ländern.<br />

DATEN ZUR PRÄVALENZ<br />

ALLERGISCHER ERKRANKUNGEN<br />

Selbst berichtete Daten zur Prävalenz von<br />

Allergien und allergischen Erkrankungen<br />

in Österreich gibt es im Rahmen von 2<br />

groß angelegten internationalen Studien,<br />

4 ÄRZTE KRONE | Allergie 10<br />

die auch in österreichischen Zentren<br />

durchgeführt wurden: In Wien wurde der<br />

„ECRHS – The European Community<br />

Respiratory Health Survey“ und in Salzburg<br />

sowie in Urfahr-Umgebung bei Kindern<br />

und Jugendlichen die „ISAAC – International<br />

Study of Asthma and Allergy in<br />

Childhood“ durchgeführt.<br />

Der ECRHS – The European Community<br />

Respiratory Health Survey – untersuchte<br />

das Ausmaß von allergischem Asthma,<br />

asthmaähnlichen Symptomen und allergischer<br />

Rhinitis in 15 Staaten der Europäi-<br />

Redaktion: Dr. Hannelore Nöbauer<br />

schen Union (Stand 1994) sowie in der<br />

Schweiz, Estland, Algerien, Indien, Neuseeland,<br />

Australien und den USA. In jeder<br />

Region wurden Stichproben von 1.500<br />

Männern und 1.500 Frauen zwischen 20<br />

und 44 Jahren per Fragebogen interviewt<br />

(Burney, 1994).<br />

Ziel der ISAAC – International Study of<br />

Asthma and Allergy in Childhood – war<br />

es, die Prävalenz von Asthma, allergischer<br />

Rhinokonjunktivitis und Atopie bei 13–<br />

14-jährigen Jugendlichen zu untersuchen.<br />

Abb.: PRÄVALENZ VON SELBST BERICHTETEN ALLERGIEN BEI SCHULÄRZTLICHEN<br />

UNTERSUCHUNGEN NACH SCHULSTUFEN IM VERGLEICHSZEITRAUM<br />

1989/90–1999/00. AUS: STADT WIEN, 2000<br />

%<br />

16 – ■ 1. Schulstufe ■ 4. Schulstufe ■ 8. Schulstufe<br />

14 –<br />

12 –<br />

10 –<br />

8 –<br />

6 –<br />

4 –<br />

2 –<br />

0 –<br />

1989/90 1993/94<br />

österreichweit österreichweit<br />

(ÖSTAT) (ÖSTAT)<br />

4,4<br />

5,2<br />

7,5<br />

5,4<br />

6,2<br />

8,8<br />

7,3<br />

9,2<br />

1995/96<br />

Wien<br />

9,2<br />

9,3<br />

1996/97<br />

Wien<br />

8,2<br />

9,9<br />

1997/98<br />

Wien<br />

9,6<br />

9,8<br />

1998/99<br />

Wien<br />

9<br />

13,5<br />

15<br />

1999/00<br />

Wien<br />

© adisa – iStockphoto.com


Weltweit wurden 463.801 Kinder in<br />

56 Ländern in 155 Zentren eingeschlossen.<br />

Um eine möglichst hohe<br />

Responserate zu erzielen, wurden die<br />

Untersuchungen in Schulen durchgeführt.<br />

Die Fragen wurden mittels Fragebogen<br />

gestellt, in den meisten Zentren<br />

kam ein Video-Fragebogen zum<br />

Einsatz.<br />

In Österreich beträgt die (selbst<br />

berichtete) Allergieprävalenz 20 %.<br />

Das bedeutet, dass etwa 1,6 Millionen<br />

ÖsterreicherInnen an Allergien<br />

leiden. Allergische Erkrankungen<br />

betreffen so gut wie alle Altersklassen,<br />

weisen aber gewisse<br />

Häufungen auf. Im Kindes- und<br />

Jugendalter stellen Allergien das hervorragendste<br />

Gesundheitsproblem<br />

dar, sie betreffen mehr Buben als<br />

Mädchen. Schulärztliche Untersuchungen<br />

wiesen im Jahr<br />

1999/2000 9–15% der Wiener SchülerInnen<br />

zwischen 6 und 14 Jahren<br />

als AllergikerInnen aus (siehe Abb.).<br />

Der Altersgipfel bei allergischen<br />

Erwachsenen liegt in der dritten<br />

Dekade (Gesundenuntersuchungen in<br />

allgemeinmedizinischen Praxen: 33%<br />

der 30–39-Jährigen).<br />

Von Allergien sind generell Frauen<br />

etwas häufiger als Männer betroffen.<br />

Erst bei den über 85-Jährigen sind<br />

(vor allem im Krankenhaus) mehr<br />

Männer betroffen als Frauen.<br />

32% der Frauen und 28% der Männer<br />

ab 16 Jahren gaben beim Wiener<br />

Gesundheits- und Sozial-Survey<br />

2001 an, jemals an einer Allergie<br />

gelitten zu haben. Aktuell – innerhalb<br />

des vorangegangenen Jahres –<br />

berichteten dies 22% der Frauen und<br />

20% der Männer.<br />

Laut Krankenhausentlassungsstatistik<br />

2004 wurden aus österreichischen<br />

Krankenhäusern 11.949-mal Patienten<br />

mit allergischen Erkrankungen in<br />

der Hauptdiagnose entlassen, entsprechend<br />

0,47% aller Krankenhausfälle.<br />

Bezogen auf die Bevölkerung,<br />

entspricht das 146,17/100.000 Einwohnern.<br />

Den Hauptanteil machten Kinder und<br />

Jugendliche aus: 247/100.000 bei den<br />

bis 4-Jährigen und 178/100.000 Einwohnern<br />

bei den 5–9-Jährigen. Ein<br />

zweiter Altersgipfel lag bei den 55–<br />

59-Jährigen mit 177/100.000 Einwohnern.<br />

In der Todesursachenstatistik spielen<br />

allergische Erkrankungen eine untergeordnete<br />

Rolle. Im Jahr 2004 wurden<br />

8 Todesfälle (7 Frauen, 1 Mann)<br />

mit Status asthmaticus und 2 Todesfälle<br />

(eine Frau, ein Mann) mit anaphylaktischem<br />

Schock dokumentiert.<br />

Die Dunkelziffer der Mortalität durch<br />

Anaphylaxien dürfte allerdings höher<br />

sein. Sie dürfte allein nach Insektenstichen<br />

in Österreich zwischen 4 und<br />

8 Personen im Jahr liegen.<br />

ALLERGISCHE RHINITIS –<br />

HEUSCHNUPFEN<br />

Die Prävalenz der allergischen Rhinitis<br />

wird in Mitteleuropa mit ca. 15–<br />

20% angegeben, die des Asthma mit<br />

5–15%. Die allergische Rhinitis ist je<br />

nach geographischer Region etwa 2–<br />

3-mal häufiger als Asthma. Bousquet,<br />

ARIA, JACI 2001:118 (Suppl 10):1-<br />

315 und NIH, WHO GINA 2003<br />

Manifestationsalter der allergischen<br />

Rhinitis ist das Kindes- und Jugendalter.<br />

Bei etwa 70% der Patienten treten<br />

die ersten Symptome vor dem 16.<br />

Lebensjahr auf.<br />

Beim Wiener Gesundheits- und Sozial-Survey<br />

gaben 17% der über 16jährigen<br />

Männer und Frauen an, an<br />

allergischer Rhinitis zu leiden.<br />

Eine allergische Rhinitis wurde auch<br />

bei 16% der 20–44-Jährigen im Rahmen<br />

des ECRHS und bei ca. 9–12 %<br />

der 13–14-Jährigen in der ISAAC-<br />

Studie für Österreich dokumentiert.<br />

ALLERGISCHES ASTHMA<br />

Die Erstmanifestation liegt im Kindes-<br />

und Jugendalter, häufig geht<br />

dem Asthma eine allergische Rhinitis<br />

voraus.<br />

Bis zu 90% der asthmatischen Kinder<br />

sind atopisch veranlagt. Asthma mit<br />

Erstmanifestation im Erwachsenenalter<br />

ist hingegen seltener mit einer atopischen<br />

Diathese assoziiert. Nur bei<br />

30% liegt eine Inhalationsallergie<br />

vor.<br />

Nach epidemiologischen Untersuchungen<br />

sind die Merkmale Atopie<br />

und die Diagnose einer allergischen<br />

Fachkurzinformation siehe Seite 35


ALLERGIE – STATE OF THE ART<br />

Tab.: PRÄVALENZ VON SYMPTOMEN UND DIAGNOSEN VON ASTHMA BRONCHIALE, ALLERGISCHER RHINITIS UND<br />

ATOPISCHER DERMATITIS BEI KINDERN IN SALZBURG (NACH: EDER, 1998)<br />

Rhinitis oder eines Asthmas bis zum 6.<br />

Lebensjahr miteinander korreliert.<br />

In der MAS-Studie (Multicenter Allergy<br />

Study) bekamen 30–40% der 5– 7-Jährigen<br />

mit einer allergischen Rhinitis aufgrund<br />

einer Pollenallergie innerhalb von<br />

zwei Jahren auch asthmatische Beschwerden.<br />

Bei älteren Populationen ist eine atopische<br />

Diathese nur noch ein Risikofaktor<br />

für die Entstehung einer allergischen Rhinitis.<br />

Ein allergisches Asthma wurde bei 5–12%<br />

der 13–14-Jährigen in der ISAAC-Studie<br />

berichtet, im ECRHS gaben es 3–9% der<br />

20–44-Jährigen an. Im Wiener Gesundheits-<br />

und Sozial-Survey (ab 16 Jahren)<br />

berichteten 4% der Männer und 4% der<br />

Frauen über Asthma, bei den Stellungsuntersuchungen<br />

waren es 2,31% der 18jährigen<br />

Männer im Jahr 2005<br />

ATOPISCHE DERMATITIS<br />

Die atopische Dermatitis (atopisches Ekzem)<br />

ist eine häufige Erkrankung im Kindesalter<br />

und stellt für 20% einen Risikofaktor<br />

für die Entwicklung eines Asthma<br />

in späterer Folge dar. Lag die Prävalenz<br />

zwischen Geburt und Einschulung in den<br />

50er und 60er Jahre noch bei 2–3%, so leiden<br />

jetzt in Europa ca. 10–15% der Kinder<br />

zumindest zeitweilig unter einer atopischen<br />

Dermatitis. Innerhalb Europas existiert<br />

ein Ost-West-Gefälle. So betrug die<br />

1-Jahres-Prävalenz in Schweden 16%(!)<br />

Laut ISAAC-Daten aus Salzburg lag die<br />

Prävalenz der atopischen Dermatitis bei<br />

den 6–8-Jährigen bei 7%, bei den 13–15-<br />

Jährigen bei 6%. Bei Kindern und Jugendlichen<br />

waren mehr Mädchen als Buben<br />

von Symptomen betroffen (Eder, 1998 –<br />

siehe Tab.).<br />

6 ÄRZTE KRONE | Allergie 10<br />

Kinder (6-8 Jahre) Jugendliche (12-15 Jahre)<br />

Gesamt Buben Mädchen p Gesamt Buben Mädchen p<br />

Pfeifende oder keuchende Atemgeräusche 9,9 10,7 9,0 0,326 11,9 11,8 11,9 0,987<br />

Diagnose Asthma 4,4 5,6 3,1


ALLERGIE – STATE OF THE ART<br />

Allergiediagnostik<br />

DIE VERDACHTSDIAGNOSE einer<br />

Allergie ist bald geäußert, der Beweis<br />

weitaus schwieriger. Allergietests sollten<br />

nur von Spezialisten durchgeführt werden,<br />

um nichtrelevante Interpretationen zu<br />

vermeiden.<br />

BEI SO GENANNTEN SOFORT-<br />

TYPALLERGIEN sind die häufigsten<br />

Reaktionsmuster Reaktionen<br />

auf inhalative oder nutritive Allergene,<br />

selten gibt es auch Typ-I-Allergien<br />

auf Insektengift oder Medikamente.<br />

Das klinische Bild der inhalativen<br />

Allergien äußert sich in Konjunktivitis<br />

und Rhinitis sowie Asthma bronchiale.<br />

Das klinische Bild der nutritiven<br />

Allergie äußert sich in Entzündungen<br />

im Mundbereich – das so<br />

genannte Orale-Allergie-Syndrom<br />

(OAS) – und in Entzündungen im<br />

Magen-Darm-Trakt. Diesen Allergien<br />

gemeinsam ist das Auftreten<br />

von IgE-Antikörpern im Blut.<br />

NAHRUNGSMITTELUNVERTRÄGLICH-<br />

KEITEN<br />

Nahrungsmittelunverträglichkeiten<br />

können aber auch so genannte Intoleranzen<br />

sein wie intestinale Fruktoseintoleranz,<br />

Histaminintoleranz und<br />

Laktoseintoleranz. Erstere hat einen<br />

gestörten Transportmechanismus<br />

durch die Darmwand als Ursache, die<br />

beiden anderen Enzymdefekte. Die<br />

Häufigkeit des Vorkommens in unserer<br />

Bevölkerung entspricht der<br />

gewählten Reihenfolge. Das heißt,<br />

dass entgegen der Volksmeinung die<br />

Laktoseintoleranz seltener ist!<br />

Fruktose- und Laktoseunverträglichkeit<br />

wird entweder funktionell<br />

mittels H 2-Atemtest nach oraler Aufnahme<br />

von wassergelöster Fruktose<br />

oder Laktose oder alternativ mit<br />

einem Gentest festgestellt.<br />

Redaktion: Dr. Hannelore Nöbauer<br />

Symptome der Nahrungsmittelallergie<br />

im Magen und Darm sind<br />

Magenschmerzen und Durchfall,<br />

können aber auch bis zum anaphylaktischen<br />

Schock, mit Blutdruckabfall<br />

und Bewusstlosigkeit reichen.<br />

Praktisches Beispiel: ein Birkenpollen-Allergiker<br />

verträgt unter anderem<br />

Äpfel, Nüsse und Soja nicht.<br />

Isst er einen Apfel oder Sojaprodukte,<br />

tritt das OAS auf, also Beschwerden<br />

im Mund . Trinkt er aber einen<br />

Apfelsaft oder Sojamilch, dann<br />

gelangt das Allergen sofort in Magen<br />

und Darm mit dem Risiko einer systemischen<br />

Reaktion, eines anaphylaktischen<br />

Schocks.<br />

Um eine Allergie zu diagnostizieren,<br />

kann man nun im Blut IgE-Antikörper<br />

nachweisen. Antikörper (IgM und IgG<br />

bei Infekten und IgE und IgG bei<br />

Allergien) beweisen nur, dass der<br />

Patient mit dem Erreger oder Allergen<br />

Kontakt hatte, nicht aber notwendigerweise<br />

dessen klinische Relevanz.<br />

Neu ist der Allergenchip, mit dessen<br />

Hilfe eine Vielzahl von Allergenen<br />

und Suballergenen mit nur einem<br />

Bluttropfen bestimmt werden können.<br />

Die Befundinterpretation erfordert<br />

aber ein umfangreiches allergologischen<br />

Wissen und ist teuer. Der Test<br />

wird daher auch von den Krankenversicherungsträgern<br />

nicht bezahlt.<br />

MINIMALE PROVOKATION<br />

DURCH HAUTTEST<br />

Der klinisch relevante Beweis wird<br />

durch eine minimale Provokation,<br />

Fachkurzinformation siehe Seite 35


© Robert Kneschke - Fotolia.com<br />

ALLERGIE – STATE OF THE ART<br />

den Hauttest, durchgeführt. Inhalative und<br />

nutritive Allergene werden in niedriger,<br />

nichtgefährlicher Konzentration in die<br />

Haut mittels Pricktest eingebracht. Die<br />

Allergene werden dabei in Tropfenform<br />

auf die Haut gebracht. Mittels einer Pricklanzette<br />

wird durch den Tropfen durchgestochen<br />

und die Haut dabei leicht angeritzt.<br />

Ist der Patient nun allergisch, dann<br />

entsteht im Rahmen einer Antigen-Antikörper-Reaktion<br />

eine Histaminfreisetzung,<br />

die wie bei Brennnesselkontakt (enthält<br />

Histamin) zu einer Quaddel und Hautrötung<br />

führt. Typisch ist der dabei auftretende<br />

Juckreiz.<br />

PRICK-PRICK-TEST BEI<br />

NAHRUNGSMITTELALLERGIE<br />

Bei Verdacht auf Nahrungsmittelallergie<br />

kann auch ein Prick-Prick-Test eingesetzt<br />

werden. Dabei wird die Pricklanzette<br />

zuerst in das Nahrungsmittel eingestochen<br />

und dann mit derselben Lanzette die Haut leicht geritzt. Dieser Test ist wesentlich<br />

empfindlicher als die käuflichen Extrakte.<br />

8 ÄRZTE KRONE | Allergie 10<br />

Noch besser ist die Provokation durch<br />

Nahrungsmittelaufnahme. Dabei wird das<br />

verdächtige Nahrungsmittel in ansteigender<br />

Menge zugeführt. Um die vielen Differenzialdiagnosen,<br />

wie z.B. psychovegetative<br />

Reaktionen, Angst etc. auszuschließen,<br />

kann bei Bedarf zwischendurch<br />

auch mit Placebo (= ohne das als Auslöser<br />

vermutete Nahrungsmittel) provoziert<br />

werden. Diese Form des oralen<br />

placebokontrollierten Provokationstests<br />

gilt als Goldstandard,<br />

ist aber nicht ganz risikolos und<br />

muss daher stationär (mit<br />

hohem Zeit- und Kostenaufwand)<br />

durchgeführt werden.<br />

Üblicherweise kommt man<br />

mit dem Prick- und dem<br />

Prick-Prick-Test aus.<br />

In den Spezialfällen von<br />

Medikamentenunverträglichkeitsreaktionen<br />

und Insektengiftallergie<br />

werden auch Intradermaltests<br />

durchgeführt. Dabei<br />

werden Allergene mittels<br />

hauchdünner Nadeln in die<br />

Haut eingespritzt. Abgesehen<br />

davon, dass dies für den Patienten<br />

unangenehmer ist, ist dieser Test<br />

auch gefährlicher und wird daher nur<br />

mehr bei Insekten- und<br />

Medikamentenallergien eingesetzt,<br />

wenn die vorangegangenen Pricktests<br />

negativ verlaufen sind.<br />

ALLERGISCHES KONTAKTEKZEM<br />

Beim allergischen Kontaktekzem handelt<br />

es sich um eine so genannte Spättypreaktion.<br />

Dabei sind sensibilisierte Lymphozyten<br />

Auslöser der Entzündungsreaktion.<br />

Hauptauslöser sind Metalle, aber auch<br />

Duftstoffe, die bei Kontakt mit der Haut zu<br />

juckenden Ausschlägen (allergischen<br />

Ekzemen) führen.<br />

Typische klinische Bilder sind Ekzeme an<br />

den Ohrläppchen (Clipse), im Nabelbereich<br />

(Jeansknopf) oder in der Axilla<br />

(Duftstoffe).<br />

Zur Diagnostik wird hier ebenfalls eine<br />

minimale Provokation an der Haut durchgeführt.<br />

Allergene (Metalle, Duftstoffe<br />

und andere) werden in niedriger Konzentration<br />

in Vaseline inkorporiert mittels<br />

Testpflaster auf die Haut aufgeklebt und<br />

nach 2 oder 3 Tagen wieder abgenommen.<br />

Entsteht dann irgendwo ein kleines<br />

Ekzem, dann braucht man nur zu vergleichen,<br />

welches Allergen an dieser Stelle<br />

geklebt war, und schon hat man die Diagnose.<br />

Allerdings muss man die Haut<br />

„lesen“ können. Deshalb ist dieser Test<br />

den Dermatologen vorbehalten, die sich<br />

im Laufe der Jahre einen geübten Blick<br />

angeeignet haben. Beispiel: wenn ein Chinese<br />

10 Chinesen anschaut, wird er jeden<br />

als anders erkennen; wenn ein Europäer 10<br />

Chinesen anschaut, wird für ihn jeder<br />

gleich aussehen.<br />

© Robert Gubbins – iStockphoto.com


PHOTOALLERGISCHES EKZEM<br />

Eine seltene Form des allergischen Kontaktekzems<br />

ist das photoallergische<br />

Ekzem, zu dessen Auslösung neben dem<br />

Agens auch eine gleichzeitige UV-<br />

Bestrahlung notwendig ist. Der entsprechende<br />

Test erfolgt wie beim Kontaktekzem,<br />

nur wird hier zusätzlich eine UV-<br />

Bestrahlung durchgeführt.<br />

So wie bei den oben genannten Intoleranzreaktionen<br />

gibt es auch hier das<br />

nichtallergische, irritative Kontaktekzem.<br />

Dabei kommt es zu keiner Sensibilisierung,<br />

obwohl auch hier eine Entzündungsreaktion<br />

in der Haut zu sehen ist. Auslöser ist meist<br />

zu häufiger Wasserkontakt. Häufiges Händewaschen<br />

bei Müttern mit einem oder zwei<br />

Kindern oder häufiges und zu langes<br />

Duschen sind typische Auslöser. Der Nachweis<br />

gelingt hier am einfachsten mittels<br />

eines Farbstofftests, des Nitrazingelbtests.<br />

Der gelbe Farbstoff, auf die Haut aufgebracht,<br />

verfärbt sich bei zunehmender<br />

Veränderung des pH-Wertes vom sauren<br />

Bereich (normal) ins Alkalische von gelb<br />

über gelbgrün bis ins Dunkelblau. Dabei<br />

kann dem Patienten auch optisch die Veränderung<br />

des Haut-pH-Wertes gezeigt<br />

werden. Insbesondere erhöht sich die Compliance<br />

des Patienten für die Therapie dramatisch,<br />

da der Patient bei der Kontrolle<br />

nach ein bis zwei Wochen eine „gebesserte“<br />

Farbe im Nitrazingelbtest präsentieren will.<br />

INTOLERANZREAKTIONEN DURCH<br />

PHYSIKALISCHE REIZE<br />

Intoleranzreaktionen können auch durch<br />

physikalische Reize, insbesondere durch<br />

Kälte auftreten. Getestet wird durch Kontakt<br />

mehrerer Metallknöpfe auf die Haut,<br />

die jeweils unterschiedliche Temperaturen<br />

(in 2-Grad-Sprüngen) von<br />

20 Grad abwärts aufweisen.<br />

Die Ablesung der<br />

Hautreaktion erfolgt dann<br />

nach 20 Minuten. Meist<br />

genügt auch der Kontakt<br />

mit einer Eprouvette (mit<br />

Eiswasser gefüllt) mit der<br />

Haut, um eine (im positiven Fall) Quaddelreaktion<br />

auszulösen.<br />

SONDERSTELLUNG DER NEURODERMITIS<br />

Eine Sonderstellung nimmt die Diagnostik<br />

bei der Neurodermitis ein. Bei diesem<br />

Krankheitsbild sind sowohl Soforttyp- als<br />

auch Spättypreaktionen möglich, so dass<br />

beide Tests sinnvoll sind. Auch hier erfordert<br />

die Befundinterpretation eine genaue<br />

Kenntnis des Krankheitsbildes, um relevante<br />

Sensibilisierungen von nichtrelevanten<br />

differenzieren zu können.<br />

In Summe gehört der Allergietest in die Hand<br />

eines Fachmanns/einer Fachfrau, um nichtrelevante<br />

Interpretationen zu vermeiden.<br />

Univ.-Prof. Dr. REINHART JARISCH<br />

FAZ – Floridsdorfer Allergie Zentrum, Wien<br />

jarisch@faz.at<br />

Fachkurzinformation siehe Seite 35


ALLERGIE – STATE OF THE ART<br />

Die Zukunft der<br />

Allergiediagnostik<br />

MOLEKULARBIOLOGISCHE METHODEN in der Allergieforschung<br />

ermöglichen mittlerweile, dass die wichtigsten Allergene von verschiedenen<br />

Allergenquellen heute als individuelle, rekombinante Proteine zur<br />

Verfügung stehen, die gut standardisierbar sind. Damit wird eine komponentenspezifische<br />

Diagnose möglich.<br />

IN UNSEREN BREITEN leiden etwa 30 Prozent der Bevölkerung<br />

an Allergien - mit steigender Tendenz. Die Diagnose kann<br />

entweder in vitro, durch die Messung der spezifischen IgE-Antikörper<br />

im Blut, oder in vivo in Hauttests erfolgen. Dabei werden<br />

Extrakte aus verschiedenen Allergenquellen auf die Haut des<br />

Allergikers aufgetragen und erzeugen bei einer vorliegenden Allergie<br />

eine lokale Reaktion.<br />

Beide Routinemethoden haben jedoch den Nachteil, dass sie mit<br />

Allergenextrakten, die aus den verschiedenen Allergenquellen<br />

(z.B. Pollen, Milben, Katzenhaare) hergestellt werden, durchgeführt<br />

werden. Allergenquellen enthalten meist eine Reihe verschiedener<br />

allergener Substanzen, die in verschiedenen Extrakten<br />

in unterschiedlichen Mengen enthalten sind. Allergenextrakte<br />

sind schwer zu standardisieren, und teilweise sind wichtige Allergene<br />

nicht in ausreichender Menge darin enthalten. Dies führt<br />

dazu, dass viele Allergiker mit diesen Allergenextrakten nicht<br />

oder nicht korrekt diagnostiziert werden können.<br />

KREUZREAKTIVITÄTEN FÜHREN ZU FALSCHEN DIAGNOSEN<br />

Weiters enthalten Extrakte von verschiedenen Allergenquellen<br />

oft ähnliche Allergene, wodurch es aufgrund von Kreuzreaktivitäten<br />

zu falschen Diagnoseergebnissen kommen kann. So<br />

kann etwa ein Patient aufgrund einer Reaktion mit Birkenpollen<br />

im Hauttest fälschlicherweise als Birkenpollenallergiker<br />

diagnostiziert werden, obwohl dieser Patient tatsächlich eine<br />

Gräserpollenallergie aufweist und die Reaktion mit dem Birkenpollen<br />

durch ein kreuzreaktives Allergen verursacht wird.<br />

Um solche Fehldiagnosen zu vermeiden, wurde versucht, die<br />

wichtigsten Allergene individuell herzustellen. Molekularbiologische<br />

Methoden in der Allergieforschung ermöglichten, dass<br />

die wichtigsten Allergene von verschiedenen Allergenquellen<br />

heute als individuelle, rekombinante Proteine zur Verfügung<br />

stehen, die gut standardisierbar sind. Diese rekombinanten<br />

Allergene führen zu einer verbesserten Allergiediagnose, da<br />

damit eine komponentenspezifische Diagnose möglich wird.<br />

Um eine Diagnose mit vielen verschiedenen rekombinanten<br />

Allergenen durchführen zu können, hat die österreichische Firma<br />

Phadia Multiplexing Diagnostics (vormals VBC-Genomics)<br />

den so genannten Allergen-Chip entwickelt (Abb.).<br />

10 ÄRZTE KRONE | Allergie 10<br />

Redaktion: Dr. Hannelore Nöbauer<br />

Abb.: ALLERGENCHIP DER FIRMA<br />

PHADIA MULTIPLEXING DIAGNOSTICS<br />

Der Allergenchip enthält auf 4 Feldern jeweils 100 verschiedene Allergene. Es können<br />

somit 4 Patienten pro Chip getestet werden.<br />

ENTWICKLUNG EINES NEUEN ALLERGENCHIPS<br />

Der Allergenchip enthält auf einem kleinen Glasträger mehr als<br />

100 Allergene verschiedenster Allergenquellen. Wird der Allergen-Chip<br />

mit Serum des Patienten inkubiert, binden die im Serum<br />

enthaltenen IgE-Antikörper spezifisch an die Allergene, auf die<br />

der Patient allergisch reagiert. Die Bindung wird mit Hilfe eines<br />

fluoreszenzmarkierten Antikörpers nachgewiesen und automatisch<br />

ausgewertet. Dies erlaubt eine exakte Bestimmung des IgE-<br />

Reaktionsprofils auf die verschiedenen Allergene und benötigt<br />

dabei nur geringe Mengen an Seren von allergischen Patienten.<br />

Damit lässt sich im Gegensatz zu Allergenextrakten auch der<br />

ursprüngliche Allergieauslöser identifizieren, womit auch die<br />

Therapie von allergischen Erkrankungen verbessert werden kann.<br />

Univ.-Doz. Dr.<br />

SUSANNE VRTALA<br />

Institut für Pathophysiologie<br />

Susanne.Vrtala@meduniwien.ac.at


ALLERGIE – STATE OF THE ART<br />

Allergische<br />

Atemwegserkrankungen<br />

JEDER FÜNFTE ÖSTERREICHER leidet an einer allergischen Erkrankung.<br />

Allergien gehen mit einem signifikanten Verlust an Lebensqualität einher.<br />

Das beginnt bei der allergischen Rhinitis und kann bei schwerem Asthma<br />

bronchiale bis zum Verlust der Arbeitsfähigkeit führen. Ziel der modernen<br />

Allergologie ist die frühzeitige Diagnostik und Therapie der allergischen<br />

Erkrankungen, um die Lebensqualität möglichst zu erhalten.<br />

ASTHMAEPIDEMIOLOGIE<br />

Die seit 1991 laufenden ISAAC-Studien<br />

(International Study of Asthma and Allergy<br />

in Children) haben zuletzt zwischen<br />

2000 und 2003 insgesamt 798.685 13–14-<br />

Jährige und 388.811 6–7-Jährige weltweit<br />

untersucht. In industrialisierten Ländern<br />

ist Asthma häufiger zu finden mit einem<br />

deutlichen Nordost-Südwest-Gradienten,<br />

wenn auch die Schwere der Erkrankung in<br />

nichtindustrialisierten Ländern höher ist.<br />

Als klarer Risikofaktor für die Entwicklung<br />

von Giemen – und somit möglicherweise<br />

für Asthma – stellt die frühzeitige<br />

Sensibilisierung auf ein perineales Allergen<br />

bei gleichzeitiger hoher Allergenexposition<br />

dar. In diesem Kontext wäre eine<br />

frühzeitige spezifische Immuntherapie<br />

sinnvoll, die aber bei Kindern unter 3 Jahren<br />

nicht üblich ist. Hier läuft bereits eine<br />

präventive Studie, das Ergebnis ist noch<br />

offen.<br />

Auch die direkte Umgebung für das Kind<br />

kann präventive Maßnahmen setzten.<br />

Dazu gehören das Nichtrauchen während<br />

und nach der Schwangerschaft sowie der<br />

moderate Umgang mit Lebensmitteln und<br />

viel Bewegung im Freien. Rezente Studien<br />

konnten Zusammenhänge zwischen<br />

Adipositas und Asthma bronchiale zeigen,<br />

stundenlanges Sitzen kann zu bronchialer<br />

Hyperreaktivität führen.<br />

ASTHMAPHÄNOTYPEN<br />

Asthma bronchiale ist eine heterogene Erkrankung,<br />

wobei die Auslöser bei Er-<br />

12 ÄRZTE KRONE | Allergie 10<br />

wachsenen zu 70% allergischer Ursache<br />

sind. Daher steht die Allergiediagnostik<br />

im Vordergrund. Weitere Auslöser können<br />

Umwelteinflüsse, inhalative Substanzen<br />

am Arbeitsplatz (z.B. Mehl bei<br />

Bäckern; Occupational Asthma), Irritantien,<br />

Medikamente (Aspirin/NSAID),<br />

Menses oder körperliche Anstrengung<br />

sein (Wenzel S., Lancet 2006: 368: 804–<br />

13.). Zuletzt wurde Asthma bronchiale<br />

nach dem Auftreten von eosinophilen<br />

oder neutrophilen Granulozyten im Sputum<br />

klassifiziert, zusätzlich gibt es einen<br />

zellarmen pauci-granulozytären Typ. Der<br />

eosinophile Phänotyp findet sich vor<br />

allem bei jungen Patienten und leichten<br />

Verlaufsformen und spricht gut auf eine<br />

Steroidtherapie an, während der neutrophile<br />

Phänotyp bei langjährigen schweren<br />

Asthmaformen dominiert. Neutrophile<br />

Phänotypen gehen zumeist mit geringer<br />

Beta-2-Reversibilität einher und<br />

sprechen schlechter auf Steroide an. Eine<br />

ausgeprägte Neutrophilie findet sich<br />

sowohl bei akuten Infektexazerbationen<br />

als auch beim intubationspflichtigen Sta-<br />

Redaktion: Dr. Hannelore Nöbauer<br />

tus asthmaticus. Möglicherweise helfen<br />

neutrophile Granulozyten bei der Mucus-<br />

Clearence.<br />

Trotz der unterschiedlichen Phänotypen<br />

bei Erwachsenen ist der primäre therapeutische<br />

Ansatz in Form von antiinflammatorischer<br />

Therapie bei möglichstem Meiden<br />

von externen Noxen (Allergene,<br />

Rauch, Emissionen ...) weitgehend gleich.<br />

THERAPIE<br />

Die moderne Asthmatherapie zielt auf<br />

möglichste Symptomfreiheit und somit<br />

maximale Lebensqualität ab (Tab. 1). Mit<br />

einer frühen Diagnose und einer konsequenten<br />

Therapie ist das auch meist zu<br />

erreichen. Ein Stiefkind ist die Therapiecompliance,<br />

zumal Patienten trotz<br />

schlechter Lungenfunktion oft keinen Leidensdruck<br />

haben oder nach raschem<br />

Ansprechen auf die Therapie diese wieder<br />

absetzen. Regelmäßige Kontrollen der<br />

Lungenfunktion sind hier indiziert, auch<br />

hilft der Fragebogen „Asthma-Control-<br />

Tab. 1: SYMPTOMKONTROLLE BEI ASTHMA BRONCHIALE<br />

kontrolliert<br />

teilweise<br />

kontrolliert<br />

nicht<br />

kontrolliert<br />

Symptome tags 2-mal/Woche > 2-mal/Woche täglich<br />

Symptome nachts keine ja häufig<br />

Aktivität normal eingeschränkt Arbeitsausfälle<br />

Notfallmedikation 2-mal/Woche > 2-mal/Woche oft bis ständig<br />

Lungenfunktionm normal<br />

FEV 1 < 80%<br />

PEF < 80%<br />

FEV 1 < 60%<br />

PEF < 60%<br />

Exazerbationen keine > 1-mal pro Jahr > 2-mal pro Jahr


Test (ACT)“, um die Therapieeffizienz in<br />

Bezug auf Symptomkontrolle eines Asthmatikers<br />

in wenigen Minuten zu evaluieren.<br />

Eine rezente Studie zeigt an 4.018<br />

erwachsenen Patienten, dass eine Veränderung<br />

des ACT-Scores um 3 Punkte als klinisch<br />

signifikant gewertet werden muss.<br />

Da die Vermeidung von Allergenen zumeist<br />

nicht möglich ist, stellt die antiinflammatorische<br />

Therapie mit inhalativen<br />

Steroiden und Leukotrienantagonisten<br />

nach wie vor die Basis der Asthmatherapie<br />

dar. Die Wichtigkeit einer frühzeitigen<br />

antiinflammatorischen Therapie bei<br />

Asthma bronchiale konnte mehrfach bestätigt<br />

werden, zusätzlich kann die Verwendung<br />

von ultrafeinen Partikeln die<br />

Inhalationseffizienz und somit die antiinflammatorische<br />

Wirksamkeit der Therapie<br />

erhöhen. Die alleinige Gabe von<br />

kurzwirksamen Beta-2-Mimetika ohne<br />

antiinflammatorischer Therapie ist nur<br />

bei intermittierenden Asthmaformen<br />

indiziert (Tab. 2).<br />

Schweres, therapierefraktäres Asthma<br />

bronchiale ist mit 5% selten. Ist als Auslöser<br />

ein perineales Allergen (Hausstaubmilbe,<br />

Katze) nachzuweisen, so besteht<br />

die Möglichkeit, mit dem monoklonalen<br />

Anti-IgE-Antikörper Omalizumab zu behandeln.<br />

Die Dosierung richtet sich nach<br />

Gewicht und Gesamt-IgE-Spiegel. Aufgrund<br />

der hohen Therapiekosten ist eine<br />

breite Anwendung bei Asthma bronchiale<br />

oder allergischer Rhinitis vorerst nicht zu<br />

erwarten.<br />

SPEZIFISCHE IMMUNTHERAPIE<br />

Die spezifische Immuntherapie eignet<br />

sich für Patienten mit leichten Formen<br />

von allergischem Asthma bronchiale<br />

(FEV1 > 70%), insbesondere wenn eine<br />

perineale Sensibilisierung (Hausstaubmilbe)<br />

besteht. Wesentlich ist eine frühzeitige<br />

Therapie, da nach langjährigem<br />

Asthma eine Immuntherapie wenig<br />

erfolgreich verlaufen wird. Die Immuntherapie<br />

stellt nach wie vor, zumindest in<br />

der subkutanen Applikationsform, die<br />

einzige kausale Therapie der Typ-1-Allergie<br />

mit der Option der Asthmaprävention<br />

dar. Die zweite Therapieoption ist die<br />

sublinguale Applikation, die derzeit in<br />

Tropfen und Tablettenform verfügbar ist.<br />

Aufgrund der weitgehend schmerzfreien<br />

Verabreichung ist sie optimal für Kinder<br />

geeignet und kann möglicherweise einen<br />

TAB. 2: MEDIKAMENTÖSE STUFENTHERAPIE NACH GINA 2006 –<br />

GLOBAL INITIATIVE FOR ASTHMA<br />

intermittierend persistierendes Asthma bronchiale<br />

leicht mittelg radig schw er<br />

FEV1/VC > 70% < 70% < 70% < 70%<br />

FEV1 > 80% < 80% 50 - 80% < 50%<br />

kurzwirksames ß-Mimetikum<br />

Tab. 3: MEDIKAMENTÖSE THERAPIE DER ALLERGISCHEN<br />

RHINOKONJUNKTIVITIS (ARIA 2008)<br />

intermittierend per istierend<br />

leicht 20% mäßig–schw er 40% leicht 5% mäßig–schw er 35%<br />

spezifische Immuntherapie<br />

nasale Steroide<br />

nicht sedierende Antihistaminika * oder Leukotrienantagonisten<br />

Allergenvermeidung – soweit möglich<br />

+ inhalatives Steroid (Low Dose)<br />

oder Leukotrienantagonist<br />

*oral oder topisch (Augentropfen und/oder Nasenspray<br />

wesentlichen Part in der Allergieprävention<br />

leisten. In Salzburg wurde zuletzt ein<br />

mRNA-Impfstoff gegen 29 Allergene entwickelt<br />

und erfolgreich im Mausmodell<br />

erprobt. Ob wir eines Tages präventiv gegen<br />

Allergien impfen können, kann allerdings<br />

noch nicht beantwortet werden<br />

RHINITISTHERAPIE<br />

Die allergische Rhinitis ist die häufigste<br />

Manifestation der Typ-1-Allergie bei<br />

Erwachsnen. Da erwachsene Patienten<br />

mit allergischem Asthma bronchiale<br />

zumeist auch an allergischer Rhinitis leiden,<br />

darf auch die Therapie der Nase<br />

nicht vergessen werden. Die allergische<br />

Rhinitis wird in intermittierende und persistierende<br />

Verlaufsformen und nach<br />

Schweregrad (leicht, mittel, schwer) eingeteilt.<br />

Besonders gravierend ist die<br />

nächtliche Beeinträchtigung mit Schlafstörungen<br />

und begleitenden Komplikationen<br />

wie Tagesmüdigkeit, verminderte<br />

Konzentrationsfähigkeit oder Leistungsknick.<br />

Allergische Rhinitis ist daher mehr<br />

als „nur ein Schnupfen“.<br />

+ langwirksames ß-Mimetikum,<br />

+ inhalatives Steroid (High Dose)<br />

+ Leukotrienanatafonist<br />

+ orales Steroid<br />

+ Omalizumab<br />

Die Stufentherapie (ARIA 2008) sieht<br />

als ersten Schritt die Allergenvermeidung<br />

vor, die bis auf das Meiden von Haustieren<br />

meist nicht möglich ist. Der nächste<br />

Schritt besteht in der Gabe eines nichtsedierenden<br />

Antihistaminikums oder der<br />

Gabe eines Leukotrienantagonisten.<br />

Topische Steroide stellen die wirksamste<br />

Therapie der allergischen Rhinitis dar,<br />

die insbesondere bei persistierender Rhinitis<br />

mit vorherrschender nasaler<br />

Obstruktion indiziert sind. Die letzte<br />

Stufe stellt die spezifische Immuntherapie<br />

dar, die ab zwei symptomatischen<br />

Saisonen bei mittlerem bis hohem Leidensdruck<br />

indiziert ist. Die besten Resultate<br />

erzielt man bei monosensibilisierten<br />

Patienten (Tab. 3).<br />

Univ.-Doz. Dr.<br />

FELIX WANTKE,<br />

2. Medizinische Abteilung<br />

– Lungenabteilung,<br />

Wilhelminenspital<br />

der Stadt Wien<br />

felix.wantke@wienkav.at<br />

© Foto Wilke<br />

ÄRZTE KRONE | Allergie 10 13


ALLERGIE – STATE OF THE ART<br />

Symptomatische antiallergische<br />

Therapie des Heuschnupfens<br />

DIE MÖGLICHKEITEN der pharmakologischen Therapie von Inhalationsallergien<br />

sind heute umfangreich, wirkungsvoll, sicher und kostengünstig.<br />

Zur Auswahl stehen Antihistaminika, Steroide, Leukotrienantagonisten,<br />

Cromone und Vasokonstriktoren.<br />

DIE AUSWAHL der geeigneten Präparate richtet sich nach dem<br />

Verlauf der Erkrankung (persistierende oder intermittierende<br />

Symptomatik/saisonale oder ganzjährige Erkrankung) und nach<br />

der Ausprägung der Symptome (sporadische, mittelgradige oder<br />

hochgradige Beschwerden) und dem persönlichen Leidensdruck<br />

des Patienten. In jedem Fall soll die Allergietherapie als konsequente<br />

(tägliche) Maßnahme zur Behandlung der allergischen<br />

Entzündungsreaktion betrachtet werden und nicht als Bedarfmedikation<br />

zur Unterdrückung von einzelnen Beschwerden.<br />

ANTIHISTAMINIKA<br />

Moderne Antihistamine sind weitgehend frei von Nebenwirkungen,<br />

wie insbesondere Sedierung und anticholinergische Effekte,<br />

und erlauben daher eine Dosierung, die ausreicht, um entscheidende<br />

Konzentrationen an die Rezeptoren zu bringen. Darüber hinaus<br />

entfalten die neuen Moleküle Aktivitäten, die über den Rezeptorantagonismus<br />

hinausgehen, wie z.B. Mastzellstabilisierung,<br />

Reduktion der Ausschüttung von Adhäsionsmolekülen, Entzündungshemmung<br />

und andere. H1-Rezeptor-Antagonisten werden<br />

daher heute nicht mehr als Bedarfsmedikation eingesetzt, sondern<br />

als „Antiallergika“ während der gesamten Zeitspanne einer Allergenexposition<br />

konsequent eingenommen. Dies führt nicht nur zu<br />

einer signifikanten Reduktion der Symptomatik, sondern auch zu<br />

einer Steigerung der Lebensqualität und schließlich sogar langfristig<br />

zu einer Reduktion der individuellen Sensibilisierung.<br />

Antihistaminika stellen das 1. Mittel der Wahl bei allergischer<br />

Rhinokonjunktivitis dar. Sie werden seit Jahren erfolgreich in der<br />

Therapie der allergischen Rhinokonjunktivitis eingesetzt, der Vorteil<br />

der neuen Generation gegenüber der ersten ist hinlänglich<br />

bekannt. Schwierigkeiten bereitet dem Arzt allerdings die<br />

Abgrenzung der neuen Wirkstoffe untereinander.<br />

Ausschlaggebend sind die pharmakokinetischen Eigenschaften<br />

des Wirkstoffs wie:<br />

● Rezeptoraffinität (Bestreben des Wirkstoffs, eine Verbindung<br />

mit dem Rezeptor einzugehen; je kleiner der Wert, desto höher<br />

die Affinität)<br />

● Selektivität (möglichst ausschließliche Bindung an Histaminrezeptoren)<br />

14 ÄRZTE KRONE | Allergie 10<br />

Redaktion: Dr. Hannelore Nöbauer<br />

● Plasma-Halbwertzeit (Zeit, in der die Hälfte des Wirkstoffs eliminiert<br />

wird)<br />

● Verteilungsvolumen (Volumen, in dem sich der Wirkstoff im<br />

Körper verteilt)<br />

● Rezeptorokkupanz (errechneter Wert in % der besetzten Histaminrezeptoren)<br />

Topische Antihistaminika als Nasenspray und Augentropfen wirken<br />

rasch, aber kürzer als orale. Sie werden bevorzugt eingesetzt<br />

als additive symptomatische Therapie (z.B.: an Spitzentagen der<br />

Pollenbelastung) oder bei geringem Leidensdruck.<br />

TOPISCHE STEROIDE<br />

Neue Moleküle zeichnen sich durch eine besonders gute Verträglichkeit<br />

und potente Wirksamkeit aus. Der antientzündliche<br />

Effekt und der inhibitorische Effekt auf die Produktion von Zytokinen,<br />

Chemokinen und anderen Mediatoren und die Verminderung<br />

der zellulären Infiltration von antigenpräsentierenden Zellen,<br />

T-Zellen und Eosinophilen in der Schleimhaut machen diese<br />

© Klaus-Peter Adler - Fotolia.com


Therapie unentbehrlich für die Behandlung<br />

des mittelschweren und schweren Asthma<br />

bronchiale und wertvoll für die Therapie<br />

aller allergischen Rhinokonjunktivitisformen.<br />

Auch wenn Steroide auf die Sofortreaktion<br />

kaum Einfluss haben, kann bei konsequenter<br />

Anwendung aufgrund der Hemmung<br />

des entzündlichen Geschehens eine<br />

hohe therapeutische Effizienz erwartet<br />

werden. Auf der Suche nach noch verträglicheren<br />

Steroiden finden sich auch tatsächlich neue Moleküle,<br />

die in ihrer Wirksamkeit bekannte Substanzen deutlich übertreffen.<br />

Mit einer kontinuierlichen Weiterentwicklung dieser Substanzgruppe<br />

ist daher zu rechnen.<br />

Topische Steroide können als Nasenspray alternativ zu Antihistaminen<br />

eingesetzt werden, speziell wenn das Symptom der blockierten<br />

Nase im Vordergrund steht. Interessanterweise verringern<br />

sich dabei nicht nur die Rhinitis-Symptome, sondern auch die konjunktivalen<br />

Beschwerden. Sinnvoll ist auch der Einsatz als additive<br />

Therapie neben den Antihistaminika bei besonderem Leidensdruck.<br />

Topische Steroide als Augentropfen und orale Steroide werden<br />

aufgrund ihres Nebenwirkungsspektrums zur Behandlung der<br />

allergischen Rhinokonjunktivitis nicht generell empfohlen.<br />

LEUKOTRIENANTAGONISTEN<br />

Leukotriene spielen bei der Spätreaktion eine wesentliche Rolle.<br />

Bei der vorwiegend durch Histamin verursachten Sofortreaktion<br />

spielen sie nur eine untergeordnete Rolle. Leukotriene stimulieren<br />

die Chemotaxis von Entzündungszellen, vermehren die Schleimsekretion,<br />

erhöhen die Gefäßpermeabilität und verursachen eine<br />

nasale Obstruktion.<br />

Zur Behandlung der allergischen Rhinokonjunktivitis können<br />

Leukotrienantagonisten daher nur gemeinsam mit Antihistaminen<br />

sinnvoll verwendet werden. Klinische Studien haben gezeigt, dass<br />

ihr Einsatz besonders dann berechtigt ist, wenn neben der allergischen<br />

Rhinokonjunktivitis Symptome von allergischem Asthma<br />

bronchiale bestehen.<br />

CROMONE<br />

Cromone können ausschließlich topisch angewendet<br />

werden. Als Nasenspray oder Augentropfen werden sie<br />

am ehesten noch für Kinder und Jugendliche zur Prophylaxe<br />

bei milden Symptomen verordnet. Ihre Wirksamkeit<br />

in klinischen Studien ist deutlich geringer als<br />

jene von Antihistaminen oder Steroiden.<br />

VASOKONSTRIKTOREN<br />

Lokal angewendete Vasokonstriktoren (Alpha-2-Agonisten)<br />

sind für die konsequente Behandlung der allergischen<br />

Rhinokonjunktivitis ungeeignet, da sie eine Rhinitis medicamentosa<br />

induzieren können und gegen Juckreiz, Rhinorrhoe<br />

und Niesen unwirksam sind. Kurzfristig bringen sie rasch<br />

Erleichterung, doch auch bei kurzfristiger Anwendung lösen sie<br />

einen „Reboundeffekt“ aus, der etwa 3 Stunden nach der Applikation<br />

eine lokale Hyperämie verursacht und somit die primären<br />

Tab. 1: MÖGLICHKEITEN KONSERVATIVER THERAPIE<br />

Antihistaminika lokal und systemisch<br />

Steroide lokal<br />

Leukotrienantagonisten systemisch<br />

Cromone lokal<br />

Vasokonstriktoren lokal und systemisch<br />

Symptome wieder verstärkt. Deshalb und wegen der Gefahr des<br />

Abusus bei Patienten mit allergischer Rhinokonjunktivitis sollten<br />

sie besser nicht verordnet werden. Das gilt auch für Kombinationspräparate,<br />

Sprays oder Tropfen mit Vasokonstriktor und Antihistamin.<br />

ORALE VASOKONSTRIKTOREN<br />

Orale Vasokonstriktoren (Pseudoephedrin) verursachen keinen<br />

„Reboundeffekt“ und führen selten zur Abhängigkeit. Ihre kurzfristige<br />

Anwendung in Kombinationspräparaten mit Antihistaminen<br />

wäre daher durchaus zu favorisieren. Gegen eine breite und unkontrollierte<br />

Anwendung sprechen aber häufig auftretende systemische<br />

Nebenwirkungen wie Unruhe, Schlaflosigkeit etc. und eine Reihe<br />

von Kontraindikationen.<br />

Univ.-Prof. Dr. FRIEDRICH HORAK<br />

Allergie Zentrum Wien-West<br />

friedrich.horak@vienna.at<br />

Fachkurzinformation siehe Seite 30<br />

ÄRZTE KRONE | Allergie 10 15


ALLERGIE – STATE OF THE ART<br />

Allergieimpfung – State of the Art<br />

DIE HYPOSENSIBILISIERUNG hat sich in den letzten Jahrzehnten zu<br />

einem wichtigen Baustein der Therapie allergischer Erkrankungen<br />

entwickelt. Im Oktober letzten Jahres wurde die erste deutschsprachige<br />

Leitlinie „Die spezifische Immuntherapie (Hyposensibilisierung) bei<br />

IgE-vermittelten allergischen Erkrankungen“ publiziert.<br />

SEIT ETWA 100 JAHREN bemühen sich allergologisch interessierte<br />

<strong>Ärzte</strong> , bei Patienten, die mit Krankheitssymptomen auf<br />

den Kontakt mit natürlichen Allergenen der Außenluft oder der<br />

Innenräume reagieren, wieder einen Zustand der Toleranz herzustellen.<br />

Die allergenspezifische Immuntherapie, meist als Hyposensibilisierungsbehandlung<br />

bezeichnet, ist in diesem Zusammenhang das<br />

bisher einzige Verfahren, welches den Begriff „kausale Therapie“<br />

mit Recht für sich in Anspruch nehmen kann. Damit werden nicht<br />

allein die Symptome gelindert, sondern es wird auch die zugrunde<br />

liegende Ursache der Allergie bekämpft. Die Hyposensibilisierung<br />

hat sich in den letzten Jahrzehnten zu einem wichtigen Baustein<br />

(neben Maßnahmen zur Allergenkarenz und der Pharmakotherapie)<br />

der Therapie allergischer Erkrankungen entwickelt. Zahlreiche Leitund<br />

Richtlinien, WHO-Papiere, Cochrane- und Metaanalysen belegen<br />

die Bedeutung dieser Therapieform.<br />

Im Oktober letzten Jahres wurde die erste deutschsprachige Leitlinie<br />

(LL) „Die spezifische Immuntherapie (Hyposensibilisierung)<br />

bei IgE-vermittelten allergischen Erkrankungen“ 1<br />

http://leitlinien.net/ publiziert. Diese wurde zwischen 2008 und<br />

2009 durch die drei Deutschen Gesellschaften für Allergologie<br />

(DGAKI, ÄDA, GPA) in Zusammenarbeit mit der Schweizerischen<br />

(SGAI), und der Österreichischen Gesellschaft für Allergologie<br />

und Immunologie (<strong>ÖGAI</strong>) nach Kriterien der „Arbeitsgemeinschaft<br />

der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften“<br />

(AWMF) erarbeitet, gibt einen auf Evidenz basierenden<br />

Überblick und kommt zu Empfehlungen für die allergologische<br />

Praxis, die bis zur Publikation neuer Daten gültig sein sollen.<br />

Inhaltlich vermittelt dieser Artikel die wichtigsten Stellungnahmen<br />

der LL und richtet sich an alle allergologisch tätigen <strong>Ärzte</strong>.<br />

In Österreich darf die Indikation zur Immuntherapie nur durch<br />

spezialisierte Allergiezentren oder durch Fachärzte für Dermatologie,<br />

der Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde, für Kinder- und<br />

Jugendheilkunde und für Pneumologie gestellt werden. Entsprechend<br />

dürfen nur diese Fachgruppen die Therapie verordnen und<br />

einleiten, die Durchführung und Weiterverschreibung wird oft<br />

von Allgemeinmedizinern übernommen.<br />

Da notwendigerweise immer mehr auf eine produktspezifische<br />

Bewertung hingewiesen wird, „... mit Präparaten, für die eine klinische<br />

Wirksamkeit in dieser Altersgruppe dokumentiert ist …“,<br />

wurde zur weiteren Orientierungshilfe von der Arbeitsgruppe<br />

Pneumologie und Allergologie der Österreichischen Gesellschaft<br />

für Kinder- und Jugendheilkunde ein Überblick über in Österreich<br />

16 ÄRZTE KRONE | Allergie 10<br />

Redaktion: Dr. Hannelore Nöbauer<br />

erhältliche Präparate und die dazu vorgelegten (Kinder-)Studien<br />

publiziert 2 .<br />

SPEZIFISCHE IMMUNTHERAPIE<br />

IST EINZIGE KAUSALE BEHANDLUNG<br />

Die spezifische Immuntherapie mit Allergenen (SIT, Hyposensibilisierung,<br />

WHO: Allergieimpfung) setzt als einzige Behandlungsform<br />

bei allergischer Rhinokonjunktivitis, allergischem<br />

Asthma bronchiale und Insektengiftallergie kausal am Immunsystem<br />

an und greift unmittelbar in den Krankheitsprozess ein. Die<br />

immunologischen Wirkmechanismen werden zunehmend besser<br />

verstanden. Der allergrößte Teil dieses Wissens wurde aus Untersuchungen<br />

an Erwachsenen unter Anwendung der subkutanen<br />

spezifischen Immuntherapie (SCIT) gewonnen. Bei der SCIT entsteht<br />

durch zahlreiche immunologische Veränderungen eine über<br />

die Therapiedauer hinaus anhaltende Toleranz gegenüber den eingesetzten<br />

Allergenen.<br />

Zu den Wirkmechanismen der sublingualen Immuntherapie<br />

(SLIT) gibt es bisher noch keine einheitlichen Vorstellungen,<br />

allerdings werden bei hoch dosierten Präparaten ähnliche systemische<br />

Immuneffekte wie bei der SCIT beobachtet.


Allergenkonzentrationen und Produkte zur SCIT oder SLIT sind<br />

aufgrund ihrer heterogenen Zusammensetzung und unterschiedlicher<br />

Messmethoden ihrer wirksamen Inhaltsstoffe derzeit nicht<br />

vergleichbar. Zur SCIT werden nichtmodifizierte Allergene als<br />

wässrige oder physikalisch gekoppelte (Semidepot-)Extrakte sowie<br />

chemisch modifizierte Extrakte (Allergoide) als Semidepot-Extrakte<br />

eingesetzt. Die vorwiegend unmodifizierten Allergenextrakte zur<br />

SLIT werden als wässrige Lösungen oder Tabletten angewandt. Die<br />

Daten der kontrollierten Studien unterscheiden sich hinsichtlich<br />

ihres Umfangs und ihrer Qualität und erfordern eine produktspezifische<br />

Bewertung. Systematische Reviews zeigen eine erhebliche<br />

Heterogenität der Studienergebnisse zur SIT, die teilweise auf unterschiedlichen<br />

Probandengruppen, den eingesetzten Allergenprodukten<br />

sowie der Therapiedauer und -dosis beruhen.<br />

WIRKSAMKEIT DER SUBKUTANEN<br />

SPEZIFISCHEN IMMUNTHERAPIE (SCIT)<br />

Die Wirksamkeit der SCIT ist bei der allergischen Rhinokonjunktivitis,<br />

bei Pollen- und Hausstaubmilbenallergie durch zahlreiche<br />

kontrollierte Studien und bei Tier- (Katzen) und Schimmelpilzallergie<br />

(Alternaria, Cladosporium) durch wenige Studien belegt.<br />

Bei kontrolliertem Asthma bronchiale (nach neuen GINA-Leitlinien,<br />

2008) bzw. bei intermittierendem und geringgradig persistierendem<br />

IgE-vermittelten allergischen Asthma (nach alten<br />

GINA-Leitlinien, 2005) ist die SCIT gut untersucht und als Therapieoption<br />

neben Allergenkarenz und Pharmakotherapie empfehlenswert,<br />

insbesondere wenn zusätzlich eine allergische Rhinokonjunktivitis<br />

vorliegt. Bei systemischen Reaktionen durch eine<br />

Hymenopterengiftallergie (Biene, Wespe) ist die SCIT ausgezeichnet<br />

wirksam und sollte mindestens drei bis fünf Jahre durchgeführt<br />

werden, bei manchen Patienten lebenslang. Eine Indikation<br />

zur SCIT besteht bei nachgewiesener IgE-vermittelter Sensibilisierung<br />

mit korrespondierenden klinischen Symptomen durch<br />

Allergene, bei denen eine Karenz nicht möglich oder nicht ausreichend<br />

ist und ein geeigneter, wirksamer Extrakt zur Verfügung<br />

steht. Die Kontraindikationen müssen individuell berücksichtigt<br />

werden. Diagnostik, Indikationsstellung und die Auswahl der<br />

relevanten Allergene sollen grundsätzlich von einem Facharzt<br />

vorgenommen werden, der über ein ausreichendes allergologisches<br />

Wissen verfügt. Sekundärpräventive Aspekte – insbesondere<br />

die Reduktion von Neusensibilisierungen und ein vermindertes<br />

Asthmarisiko – sind Gründe, die Indikation zum Therapiebeginn<br />

im Kindes- und Jugendalter früh zu stellen.<br />

Die Injektionen zur SCIT werden von einem Arzt durchgeführt,<br />

der mit dieser Therapieform Erfahrung hat und bei einem allergologischen<br />

Zwischenfall zur Notfallbehandlung befähigt ist.<br />

Eine vorherige Aufklärung mit Dokumentation ist erforderlich.<br />

Die Therapie sollte drei Jahre lang durchgeführt werden. Kinder<br />

zeigen eine gute Verträglichkeit und profitieren besonders von<br />

den immunmodulatorischen Effekten der SCIT. Das Auftreten<br />

schwerer, potenziell lebensbedrohlicher systemischer Reaktionen<br />

bei der SCIT ist möglich, aber bei Einhaltung aller Sicherheitsmaßnahmen<br />

sehr selten. Die meisten unerwünschten Reaktionen<br />

sind leicht bis mittelschwer und lassen sich gut behandeln. Das<br />

Risiko und die Folgen unerwünschter systemischer Reaktionen<br />

können durch Schulung des Personals, Beachtung der Sicherheitsstandards<br />

und rasche Notfallmaßnahmen wirksam vermindert<br />

werden.<br />

Erfolgsprädiktoren* der subkutanen IT<br />

● Pollenallergie dominierend<br />

● Keine Sensibilisierung gegen perenniale Allergenquellen<br />

● Schmales Allergenspektrum<br />

● Kurze Erkrankungsdauer<br />

● Geringe Beteiligung der unteren Atemwege<br />

● Junges Lebensalter<br />

● Ganzjährige Behandlung<br />

*Je mehr Punkte zutreffen, desto wahrscheinlicher lassen sich mithilfe einer SCIT sowohl Symptome und Medikamentenverbrauch<br />

reduzieren als auch ein Etagenwechsel mit Entwicklung eines Asthma bronchiale und<br />

eine Verbreiterung des Allergenspektrums verhindern (D).<br />

Indikationen zur subkutanen IT<br />

mit Allergenen<br />

● Nachweis einer IgE-vermittelten Sensibilisierung (vorzugsweise*<br />

mit Hauttest und**/oder*** In-vitro-Diagnostik) und<br />

eindeutiger Zusammenhang mit klinischer Symptomatik (ggf.<br />

Provokationstestung)<br />

● Verfügbarkeit von standardisierten bzw. qualitativ hochwertigen<br />

Allergenextrakten<br />

● Wirksamkeitsnachweis der geplanten SCIT für die jeweilige<br />

Indikation<br />

● Allergenkarenz nicht möglich oder nicht ausreichend<br />

* Sensibilisierungsnachweis in der Schweiz vorzugsweise mit dem Hauttest<br />

** „Und“ bezieht sich auf seltene Allergene bzw. diagnostisch unsichere Ergebnisse.<br />

*** „Oder“ bezieht sich auf die Diagnostik bei Kindern.<br />

Kontraindikationen* zur subkutanen<br />

IT mit Allergenen<br />

● Teil- oder unkontrolliertes Asthma bronchiale (Einteilung<br />

nach neuen GINA-Leitlinien, 2008) bzw. mittel- oder schwergradig<br />

persistierendes Asthma bronchiale (Einteilung nach<br />

alten GINA-Leitlinien, 2005) mit einer FEV 1 unter 70% des<br />

Sollwerts trotz adäquater Pharmakotherapie<br />

● Kardiovaskuläre Erkrankung mit erhöhtem Risiko von<br />

Nebenwirkungen nach Adrenalingabe (außer bei Insektengiftallergie)<br />

● Behandlung mit β-Blockern (lokal, systemisch)**<br />

● Schwere Autoimmunerkrankungen, Immundefizienzen<br />

● Maligne neoplastische Erkrankung mit aktuellem Krankheitswert<br />

● Unzureichende Compliance<br />

* In begründeten Einzelfällen ist auch bei Vorliegen der genannten Kontraindikationen eine spezifische<br />

Immuntherapie möglich.<br />

** In Deutschland wird derzeit auch eine Therapie mit ACE-Hemmer als Kontraindikation einer SCIT mit<br />

Insektengift genannt.<br />

Alle Abb. sind aus Lit. 1<br />

WIRKSAMKEIT DER SUBLINGUALEN IMMUNTHERAPIE (SLIT)<br />

Die Wirksamkeit der SLIT ist bei der allergischen Rhinokonjunktivitis<br />

durch Gräserpollenallergene in mehreren großen, kontrollierten<br />

Studien belegt. Bei anderen Allergenquellen (Hausstaubmilben,<br />

Tierepithelien, Schimmelpilzsporen) existieren bisher<br />

weniger und teilweise methodisch unzureichende Studien mit<br />

widersprüchlichen Ergebnissen. Die Wirksamkeit der SLIT ist bei<br />

allergischem Asthma bronchiale bislang unzureichend belegt. Die<br />

SLIT mit Pollenallergenen kann bei Erwachsenen mit allergischer<br />

Rhinokonjunktivitis mit wirksamen Produkten eingesetzt werden,<br />

ÄRZTE KRONE | Allergie 10 17


ALLERGIE – STATE OF THE ART<br />

insbesondere dann, wenn eine SCIT nicht infrage kommt. Bei<br />

Hausstaubmilbenallergie oder anderen Allergenquellen bzw. allergischem<br />

Asthma durch Inhalationsallergene stellt die SLIT keinen<br />

Ersatz für die SCIT dar. Die SLIT wird von einem Arzt eingeleitet,<br />

der Erfahrung mit der Therapie allergischer Erkrankungen hat.<br />

Der Therapieverlauf sollte durch ärztliche Konsultationen wenigstens<br />

alle drei Monate begleitet werden. Abgesehen von sehr häufig<br />

bis häufig auftretenden, dosisabhängigen unerwünschten lokalen<br />

Symptomen im Mund- und Rachenraum sind systemische<br />

Reaktionen vorwiegend leichterer Ausprägung nach einer SLIT<br />

bisher sehr selten beschrieben worden. Die SLIT zeigt im Hinblick<br />

auf anaphylaktische oder andere schwere systemische Reaktionen<br />

ein besseres Sicherheitsprofil als die SCIT.<br />

BESONDERHEITEN<br />

DER SPEZIFISCHEN IMMUNTHERAPIE IM KINDESALTER<br />

Verschiedene Gründe sprechen dafür, dass eine SCIT besonders im<br />

Kindesalter indiziert ist:<br />

● Die Erkrankung hat häufig noch nicht zu Sekundärveränderungen<br />

geführt.<br />

● Die Wahrscheinlichkeit eines „Etagenwechsels“ (Neuauftreten<br />

eines Asthma bronchiale bei bestehender Rhinokonjunktivitis)<br />

wird verringert.<br />

● Eine mögliche Zunahme von weiteren Sensibilisierungen kann<br />

reduziert werden.<br />

Die Indikationsstellung unterscheidet sich nicht prinzipiell von der<br />

im Erwachsenenalter. Zusätzlich sollten jedoch präventive Aspekte<br />

berücksichtigt werden. Eine untere Altersgrenze lässt sich nicht<br />

generell festlegen. Während die Indikation bei einer potenziell<br />

lebensbedrohlichen Insektengiftallergie prinzipiell altersunabhängig<br />

gestellt wird, gilt für die Inhalationsallergien (mehr aus psychischen<br />

als aus immunologischen Gründen), dass Kinder ab dem Schulalter<br />

eine SCIT besser tolerieren. Außerdem ist die Indikation zur SCIT<br />

in der Regel ab dem Schulalter sicher zu stellen.<br />

Die Anwendung der SLIT kann bei Kindern und Jugendlichen mit<br />

Präparaten, für die eine klinische Wirksamkeit in dieser Altersgruppe<br />

dokumentiert ist, dann in Betracht gezogen werden, wenn eine<br />

SCIT nicht infrage kommt.<br />

Die SIT zeigt in vielen Bereichen, wie Allergencharakterisierung,<br />

Applikationswege, Adjuvanzien, Aufdosierung und präventive<br />

Aspekte, neue Entwicklungen, die teilweise bereits auf ihre klinische<br />

Wirksamkeit untersucht werden.<br />

Literatur:<br />

1 Die spezifische Immuntherapie (Hyposensibilisierung) bei IgE-vermittelten allergischen Erkrankungen; Jörg Kleine-Tebbe,<br />

Albrecht Bufe, Christof Ebner, Philippe Eigenmann, Frank Friedrichs, Thomas Fuchs, Isidor Huttegger,<br />

Kirsten Jung, Ludger Klimek, Matthias Kopp, Wolfgang Lässig, Hans Merk, Bodo Niggemann, Uta Rabe, Joachim<br />

Saloga, Peter Schmid-Grendelmeier, Helmut Sitter, Johann Christian Virchow, Martin Wagenmann, Bettina Wedi,<br />

Margitta Worm; Allergo J 2009; 18:508–37<br />

2 Spezifische Immuntherapie bei IgE-vermittelten allergischen Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter – eine<br />

Übersicht über in Österreich zugelassene Allergenpräparate; Szépfalusi Z., Emminger W., Eitelberger F., Götz M.,<br />

Grillenberger A., Horak E., Huttegger I., Koller D., Litscher H., Schmitzberger R., Varga E.M., Riedler J., Österreichische<br />

Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde Wien Klin Wochenschr. 2009;121(19-20):648–60<br />

OA Dr. ISIDOR HUTTEGGER<br />

Pädiatrische Pneumologie und Allergologie,<br />

Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde,<br />

Paracelsus Medizinische Privatuniversität<br />

Salzburger Landeskliniken<br />

I.Huttegger@salk.at<br />

© Johannes Brunnbauer


„SLIT, Allergoide etc. – Alternativen<br />

zur subkutanen Immuntherapie?“<br />

VIEL IST DIE REDE von neueren Entwicklungen als Alternativen zur<br />

klassischen Immuntherapie mit intakten Allergenen. Aber wie stellt sich<br />

die Datenlage dazu dar?<br />

IM JAHRE 1911, also vor 100 Jahren, hat Leonhard Noon in Lancet<br />

seine berühmte Arbeit „Inoculation against hay fever“ veröffentlicht.<br />

Seither hat sich die klassische subkutane spezifische<br />

Immuntherapie mit intakten Allergenen kontinuierlich weiterentwickelt,<br />

insbesondere, was die Reinheit der Extrakte, die Ausrichtung<br />

auf Major-Allergene (also den Anteil der Allergene, auf die<br />

mehr als 50% der Allergiker spezifisches IgE bilden) und die<br />

Minimierung von Nebenwirkungen betrifft.<br />

MODIFIKATIONEN DER KLASSISCHEN<br />

SUBKUTANEN IMMUNTHERAPIE<br />

In den letzten Jahrzehnten sind aber weitere Modifikationen dazugekommen,<br />

die verschiedene Aspekte betreffen:<br />

Zur perennialen Therapie haben sich präsaisonale und Kurzzeitkonzepte<br />

gesellt, die nativen Allergene haben Konkurrenz durch<br />

die Allergoide bekommen, die sublinguale Immuntherapie ist in<br />

manchen Ländern Europas bereits Marktführer, und nicht zuletzt<br />

bieten moderne Adjuvantien Ansätze für eine verbesserte und risikoärmere<br />

Behandlung. Der vorliegende Artikel versucht der Frage<br />

nachzugehen, inwieweit diese neueren Entwicklungen eine<br />

Alternative zur klassischen Immuntherapie mit intakten Allergenen<br />

darstellen.<br />

Die Antwort ist aus mehreren Gründen schwierig: Allergenextrakte<br />

basieren auf natürlichen Rohstoffen mit variierenden Inhaltsstoffen.<br />

Die Extraktionsprozedur bestimmt die Art und Qualität<br />

der Inhaltsstoffe im Extrakt, und die Identifizierung und Quantifizierung<br />

der Inhaltsstoffe sagt wenig über ihre biologische Aktivität<br />

aus: quantitativ mehr ist nicht unbedingt immunogen wirksamer.<br />

Dieses Problem ist auch durch den zunehmenden Trend zu<br />

rekombinanten Einzelallergenen nicht wirklich lösbar.<br />

Ein weiteres Defizit ist die Vergleichbarkeit der angebotenen<br />

Allergenlösungen zur Therapie: Jede Firma verwendet ihre eigene<br />

phantasievolle Bezeichnung, die auf gänzlich unterschiedlichen<br />

Messmethoden basiert. Bemühungen, einen vergleichbaren Standard<br />

zu schaffen, lassen noch auf sich warten.<br />

UNTERSCHIEDLICH GUTE VALIDIERUNG<br />

DURCH HOCHWERTIGE STUDIEN<br />

Der wohl wichtigste Punkt ist aber die von Präparat zu Präparat<br />

unterschiedlich gute Validierung durch qualitativ hochwertige<br />

Studien. In einer von Calderon kürzlich für die Cochrane Library<br />

durchgeführten Metaanalyse erfüllten gerade einmal 51 von 1.111<br />

Studien die Anforderungen der Task Force der WAO (World Aller-<br />

Redaktion: Dr. Hannelore Nöbauer<br />

gy Organization). Auch die aktuelle deutsch-schweizerisch-österreichische<br />

Leitlinie zur Spezifischen Immuntherapie (Allergo-<br />

Journal 2009) kommt zum Schluss, dass die subkutane spezifische<br />

Immuntherapie „bei der allergischen Rhinokonjunktivitis<br />

durch Pollen und Hausstaubmilben durch zahlreiche kontrollierte<br />

Studien belegt ist, ... sich die Daten aber … hinsichtlich Umfang<br />

und Qualität unterscheiden und eine produktspezifische Bewertung<br />

erforderlich“ sei.<br />

Insgesamt aber ist die subkutane perenniale spezifische Immuntherapie<br />

mit intakten Allergenen (Beispiel: Alutard ® SQ, TYRO-<br />

SIN ® TU t.o.p., DEPOT·HAL ® F.I.T.,) zweifellos am besten durch<br />

Evidence-based Medicine abgesichert. Neben der Beeinflussung<br />

der Symptome der allergischen Rhinokonjunktivitis und der Verringerung<br />

des Medikamentenverbrauchs ist auch der präventive<br />

Effekt, also der Eingriff in den natürlichen Verlauf der allergischen<br />

ÄRZTE KRONE | Allergie 10 19<br />

© Alexander Raths – iStockfoto.com


© BrainOnAShelf – iStockfoto.com<br />

ALLERGIE – STATE OF THE ART<br />

Erkrankung nachgewiesen:<br />

die Prävention des<br />

Allergic March (Übergang des kindlichen<br />

Asthmas zum Erwachsenen-Asthma, „Etagenwechsel“, also Ausweitung<br />

der allergischen Rhinitis zum Asthma bronchiale und die<br />

Ausweitung des Allergenspektrums, auf das der Patient sensibilisiert<br />

ist), die Langzeitwirksamkeit nach Absetzen und die Wirkung<br />

bei bestehendem Asthma.<br />

SUBLINGUALE SPEZIFISCHE IMMUNTHERAPIE (SLIT)<br />

Die SLIT hat in Frankreich und einigen Ländern Südeuropas die<br />

subkutane Immuntherapie rein marktmäßig bereits abgelöst. Dies<br />

dürfte teilweise auch auf unterschiedliche Verhältnisse in den<br />

Sozialversicherungen zurückzuführen sein. Weiters besteht ein<br />

klarer Trend, dass positive SLIT-Studien mit großer Mehrheit aus<br />

diesen Ländern (vor allem Italien) stammen und auch ein gewisser<br />

Journal Bias vorliegen dürfte. Im deutschsprachigen Raum<br />

herrscht hingegen große Zurückhaltung seitens der Gesellschaften<br />

bzw. der Leitlinien.<br />

Ein valider Wirkungsnachweis der SLIT ist bislang im Wesentlichen<br />

auf Pollenallergene beschränkt. Für perenniale Allergene,<br />

wie die Hausstaubmilben liegen keine klaren Ergebnisse vor, so<br />

dass die schon zitierte rezente deutsch-schweizerisch-österreichische<br />

Leitlinie 2009 schreibt „(...) Bei ganzjährigen Symptomen<br />

durch Hausstaubmilbenallergene wurden uneinheitliche Ergebnisse<br />

mit der SLIT erzielt, so dass sie bei dieser Indikation nur<br />

zurückhaltend eingesetzt werden sollte ...“<br />

Die Wirksamkeit der SLIT bei Asthma sei ebenso „unzureichend<br />

belegt“. Besteht bei der SCIT Konsens darüber, dass eine Indikation<br />

bei kontrolliertem Asthma bronchiale (nach neuen GINA-<br />

Leitlinien, 2008) bzw. bei intermittierendem und geringgradig<br />

persistierendem IgE-vermittelten allergischen Asthma (nach alten<br />

GINA-Leitlinien, 2005) besteht, so gilt dies nach o.a. Leitlinie<br />

nicht für die sublinguale Immuntherapie: „(...) Die Ergebnisse<br />

sind uneinheitlich, so dass die SLIT zur Behandlung des allergischen<br />

Asthma bronchiale nicht routinemäßig eingesetzt werden<br />

sollte ...“<br />

20 ÄRZTE KRONE | Allergie 10<br />

Ebenfalls unzureichend sind lt. Leitlinie die Daten zur<br />

Langzeitwirkung und Prävention der Ausweitung des<br />

Allergenspektrums bzw. des Etagenwechsels. Noch vorsichtiger<br />

ist die Formulierung für Kinder, wo die SLIT<br />

(Anmerkung: vor allem bei Gräserpollinose) „... in Betracht<br />

gezogen werden könne, wenn eine SIT nicht in Frage kommt“.<br />

Eine abschließende Bewertung „wird zurückgestellt“. Im<br />

Klartext bedeutet dies, dass die Datenlage gerade bei der Zielgruppe<br />

schlechthin, nämlich den Kindern, unzureichend ist.<br />

Andererseits bedeutet eine „Zurückstellung“ der Bewertung<br />

nicht automatisch, dass die Therapie an sich schlecht ist,<br />

Hauptproblem sind wohl eher die qualitativ schlechten<br />

Studien. Die Datenlage für die SLIT bessert sich insgesamt<br />

langsam und ist für einzelne Präparate (konkret für die<br />

Gräsertabletten Grazax ® und Oralair ® ) schon sehr<br />

umfangreich und gut.<br />

Erwiesen scheint jedoch zu sein, dass die SLIT (wenn<br />

überhaupt) deutlich weniger lebensbedrohliche systemische<br />

Nebenwirkungen aufweist als die SCIT. Daher<br />

meinen manche Autoren, dass die SLIT eine Alternative<br />

nach schweren anaphylaktischen Reaktionen bei der<br />

SCIT sei (Nichani J.R., J Laryngol Otol. 2008).<br />

Ein großes Problem der SLIT ist ferner die Compliance.<br />

Dies mag unter anderem daran liegen, dass bei der SLIT im<br />

Gegensatz zur SCIT i.d.R. täglich behandelt werden muss. Liegt<br />

bei der SCIT ferner doch ein gewisser Beitrag zur Compliance in<br />

der Hand des behandelnden Arztes, so ist diese bei der SLIT weitgehend<br />

komplett dem Patienten überlassen.<br />

Die Frage nach dem Vergleich der Wirksamkeit der SLIT und<br />

SCIT kann nach der momentanen Studienlage ebenfalls nicht<br />

sicher beantwortet werden. Als indirekter Hinweis kann der Vergleich<br />

der Absolutwerte (z.B. Reduktion des Symptomen- oder<br />

Medikamenten-Scores) bei Studien mit ähnlichem Patientenkollektiv<br />

und gleichen Allergenen, z.B. Vergleich von Alutard ® Gräser<br />

gegen Grazax ® , dienen. Bei genanntem Beispiel finden sich<br />

ähnliche Werte. Studien, die direkt eine SCIT mit einer SLIT vergleichen,<br />

sind selten und zeichnen sich allesamt durch methodische<br />

oder sonstige Schwächen aus. Vom Studiendesign am überzeugendsten<br />

scheint uns noch die Arbeit von Khinchi et al. (Allergy<br />

2004) zu sein. Auch wenn die Rohdaten und Werte nicht aufgeführt<br />

sind, zeigt der Vergleich des Kurvenverlaufs für Symptomen-<br />

und Medikamentenscore eine leichte (lt. Autoren jedoch<br />

nicht signifikante) Differenz zugunsten der SCIT. Ein weiterer<br />

Ansatz könnte sein, den Absolutwert der so genannten SMD<br />

(Standardised Mean Difference) von Metaanalysen für SCIT (z.B.<br />

Calderon M.A., Cochrane Database Syst Rev. 2007) und SLIT<br />

(z.B. Radulovic S., Allergy 2007) zu vergleichen. An genanntem<br />

Beispiel zeigt sich beim Symptomen-Score mit –0,73 gegenüber<br />

–0,43 doch ein (deutlicher) Vorteil der SCIT gegenüber der SLIT.<br />

Zu erwähnen bleibt ferner, dass die Therapiekosten bei einer vergleichbaren<br />

Behandlungsdauer für die SLIT höher als für die<br />

SCIT sind.<br />

ALLERGOIDE<br />

Allergene enthalten grundsätzlich konformationsabhängie B-<br />

Zell-Epitope, die für die Allergen-IgE-Interaktion verantwortlich<br />

sind. Im Gegensatz dazu sind die T-Zell-Epitope, die die Interaktion<br />

des Allergens mit den T-Helferzellen mediieren, rein abhängig<br />

von der Aminosäurensequenz. Bei den Allergoiden macht


man sich diesen Unterschied dadurch zunutze, dass man mit Hilfe<br />

einer chemischen Modifikation (z.B. durch Zusatz von Formaldehyd<br />

oder Glutaraldehyd) die räumliche Konfirmation und damit<br />

die B-Zell-Epitope verändert und somit hofft, die Allergenität des<br />

Präparates, das heißt die allergischen Nebenwirkungen zu senken.<br />

Die T-Zell-Epitope, die die Toleranzreaktion induzieren, bleiben<br />

hingegen unverändert. Allergoide sollten also theoretisch sicherer<br />

sein und noch dazu besser wirksam, weil damit höher und schneller<br />

dosierbar. Die Datenlage dazu ist allerdings durchwachsen: In<br />

einer Metaanalyse von Claus Bachert aus dem Jahre 2009 wurden<br />

lediglich 31 von 92 zwischen 1990 und 2007 erschienene Studien<br />

aufgrund ihrer Qualität überhaupt evaluiert. Sogar nur 4 Studien an<br />

insgesamt 367 Erwachsenen waren nach WAO-Kriterien durchgeführt<br />

worden. Dabei zeigte sich eine nachgewiesene Wirksamkeit<br />

für die Gräserpräparate Allergovit ® und Pollinex Quattro ® sowie für<br />

das bei uns nicht erhältliche Depigoid ® . Für Hausstaubmilben<br />

konnte lediglich eine doppelblinde placebo kontrollierte Studie<br />

mit positivem Ergebnis für Acaroid ® identifiziert werden. Für<br />

Baumpollenallergoide existieren nach dieser Metaanalyse überhaupt<br />

keine WAO-konformen doppelblinden placebokontrollierten<br />

Studien, mit Einschränkungen brachte eine Studie ein positives<br />

Ergebnis für Pollinex Quattro ® . Abgesehen von dieser bescheidenen<br />

Datenlage zeigen experimentelle Studien, dass Allergoide im<br />

Vergleich zu intakten Allergenen durchaus eine unerwünschte und<br />

vergleichbare Allergenität und sogar eine Verminderung der<br />

erwünschten Immunogenität aufweisen können (zum Beispiel<br />

Henmar Clinical Experimental Immunology 2008). Statistische<br />

Auswertungen der gemeldeten Nebenwirkungen an das Paul-Ehrlich-Institut<br />

in Deutschland erbrachten vergleichbare Zahlen pro<br />

Injektion für native Allergene und Allergoide. Wohlwollend könnte<br />

man unterstellen, dass viele Therapieregime mit Allergoiden<br />

weniger Injektionen vorschreiben als die nativer Allergene und<br />

daher Allergoide eventuell etwas sicherer sind. Wesentlich ist dieser<br />

(theoretische) Unterschied aber sicher nicht.<br />

Zusammenfassend ist also die Datenlage für Allergoide produktabhängig<br />

und insgesamt wesentlich schlechter als für native Allergene.<br />

Ein häufiges gemeinsames Merkmal aller Präparate ist, dass<br />

sie als präsaisonale oder Kurzzeitimmuntherapien eingesetzt werden<br />

und daher für bestimmte Indikationen („Zuspätkommer“,<br />

Zeitmangel etc.) durchaus sinnvoll sein können.<br />

ADJUVANTIEN<br />

Adjuvantien werden bereits seit vielen Jahrzehnten bei Impfungen,<br />

aber auch der spezifischen Immuntherapie eingesetzt. Zahlreiche<br />

Studien konnten zeigen, dass beispielsweise der Zusatz von<br />

Aluminiumhydroxid (v.a. eingesetzt, um einen Semidepot-Effekt<br />

zu erreichen) die Immunogenität von Allergenen verstärken und<br />

die Produktion von proinflammatorischen TH2-assoziierten Zytokinen<br />

blockieren kann.<br />

Ebenfalls schon seit Jahrzehnten bei Impfungen und neuerdings<br />

auch in der Immuntherapie als Pollinex Quattro ® eingesetzt, wird<br />

Monophosphoryl-Lipid A (MPL). Es handelt sich dabei um ein<br />

Lipopolysaccharid aus der Zellwand von Salmonellen, das antigenpräsentierende<br />

Zellen aktivieren und die TH1-Immunantwort<br />

potent verstärken kann.<br />

Eine sehr rezente Entwicklung auf dem Gebiet der Adjuvantien<br />

stellen immunstimulatorische DNA-Sequenzen mit CpG-Motiven<br />

aus bakterieller DNA dar. Leider konnten die anfänglich viel versprechenden<br />

Ergebnisse in nachfolgenden größeren Phase-3-Studien<br />

nicht bestätigt werden. Zugelassene Präparate gibt es noch<br />

nicht. Auch Mikrosphären und sog. ISCOM (Immunestimulating<br />

Complexes) stellen wenigstens theoretisch interessante Ansätze dar.<br />

Zusammenfassend existieren keine Studien, die Immuntherapiepräparate<br />

lediglich auf Basis unterschiedlicher Adjuvantien untersucht<br />

haben. Zweifellos stehen sie aber mit im Vordergrund der<br />

Diskussion, weil mit ihrer Hilfe die erwünschte Immunogenität<br />

der Präparate bei gleichzeitig möglicher Verringerung der Allergenkonzentration<br />

und damit eine bessere Verträglichkeit und/oder<br />

einer selteneren Applikation erzielt werden könnte.<br />

PERENNIALE VERSUS PRÄSAISONALE UND KURZZEITTHERAPIE<br />

Unter präsaisonaler Immuntherapie wird eine Behandlungsform<br />

verstanden, die erst relativ kurz vor der Saison begonnen wird,<br />

optional aber perennial fortgesetzt werden kann. Eine echte Kurzzeitimmuntherapie<br />

besteht hingegen aus einer definierten Zahl<br />

von Injektionen ausschließlich präsaisonal. Als bei uns einzige<br />

Kurzzeittherapie steht Pollinex Quattro ® zur Verfügung. Hier<br />

konnte in einer nach FTA-Kriterien durchgeführten Studie an über<br />

1000 erwachsenen Patienten nach einer Behandlungssaison mit 4<br />

Injektionen das primäre Behandlungsziel eines verbesserten kombinierten<br />

Symptome-Medikationsscores erzielt werden. Direkte<br />

Vergleichsstudien zwischen perennialen und präsaisonalen bzw.<br />

Kurzzeittherapieformen fehlen jedoch. Ebenso sind Fragen der<br />

Langzeitwirkung, der präventiven Wirkung auf Asthma und Allergenspektrum<br />

sowie Wirksamkeit bei Asthma für die meisten Präparate<br />

unbeantwortet.<br />

ZUSAMMENFASSUNG<br />

Es muss nochmals betont werden, dass die unterschiedlichen<br />

Konzepte in der spezifischen Immuntherapie kaum seriös vergleichbar<br />

sind, weil zum einen direkte Head-to-Head-Studien fast<br />

vollständig fehlen und zum anderen der Effekt einzelner Parameter<br />

(zum Beispiel Allergoid oder Kurzzeittherapie oder Adjuvans)<br />

kaum isoliert herausrechenbar ist.<br />

Auch sind die Erwartungen an eine erfolgreiche Therapie keinesfalls<br />

auf die positive Wirkung auf die Symptome einer Rhinokonjunktivitis<br />

allergica beschränkt. Wichtige Fragen wie anhaltende Wirkung<br />

nach Beendigung der Behandlung, präventive Wirkung auf Asthma,<br />

verringerte Ausweitung des Allergenspektrums und kurative<br />

Wirkung bei Asthma sind ebenfalls von entscheidender Bedeutung.<br />

Insgesamt ist diesbezüglich die Datenlage für native, speziell für<br />

perennial applizierte native Semi-Depot-Präparate am besten.<br />

Grundsätzlich stellen sie daher bis auf Weiteres die Therapie der<br />

ersten Wahl dar.<br />

Prim. Dr. PETER OSTERTAG<br />

Leiter der Abteilung für HNO, BKH Kufstein<br />

E-Mail: peter.ostertag@bkh-kufstein.at<br />

Univ.-Prof. Dr. NORBERT REIDER<br />

Medizinische Universität Innsbruck,<br />

Universitätsklinik für Dermatologie<br />

und Venerologie<br />

E-Mail: norbert.reider@i-med.ac.at<br />

ÄRZTE KRONE | Allergie 10 21


ALLERGIE – STATE OF THE ART<br />

Insektengiftallergie<br />

IN MITTELEUROPA können vor allem Stiche von Bienen, Wespen,<br />

Hornissen und Erdwespen allergische Reaktionen auslösen. Nach einer<br />

systemisch allergischen Stichreaktion muss ein entsprechendes Allergie-<br />

Notfallset rezeptiert und die Patienten in der korrekten Handhabung<br />

geschult werden.<br />

UNTER EINER INSEKTENGIFTAL-<br />

LERGIE versteht man das Auftreten einer<br />

allergischen Reaktion unterschiedlichen<br />

Schweregrades wenige Minuten bis eine<br />

Stunde nach einem Stich.<br />

Hauptverantwortlich dafür sind Stiche von<br />

Hymenopteren, den so genannten Hautflüglern.<br />

In Mitteleuropa, so auch in Österreich,<br />

können vor allem Bienen- und Wespenstiche,<br />

Stiche von Hornissen und Erdwespen,<br />

seltener von Hummeln, eine allergische<br />

Reaktion auslösen.<br />

Dabei ist wichtig festzuhalten, dass der<br />

erste Bienen- oder Wespenstich im Leben<br />

eines Kindes oder Erwachsenen meist<br />

nicht zu einer allergischen Reaktion führt ,<br />

es kann jedoch dabei zu einer Allergensensibilisierung,<br />

d.h. Produktion von allergieauslösenden<br />

spezifischen IgE, den „Allergie“-Antikörpern,<br />

kommen. Es wird angenommen,<br />

dass etwa 10% der Kinder und<br />

Erwachsenen eine – bisher unbemerkte –<br />

Neigung zu einer Insektengiftallergie aufweisen,<br />

bedingt durch existente Allergieantikörper.<br />

Verantwortlich für eine allergische Reaktion<br />

sind IgE-Antikörper im Blut der<br />

Betroffenen, die sich gegen Insektengifte,<br />

also Allergene, gebildet haben.<br />

Bienen und Wespen haben zum Teil<br />

gemeinsame Insektengiftallergen (Hyaluronidasen)<br />

und solche, die spezifisch für<br />

das Bienengift (Mellitin) oder Wespengift<br />

(Antigen 5) sind. Dem Bienengift am ähnlichsten<br />

ist das der Hummel, das Wespengift<br />

zeigt die größte Ähnlichkeit mit dem<br />

von Hornissen.<br />

Bedingt durch die Freisetzung biogener<br />

Amine und Enzyme bei einem Bienenoder<br />

Wespenstich, kommt es beinahe<br />

immer zu einer Rötung an der Stichstelle<br />

und einer, meist geringen, lokalen Schwellung.<br />

Erreicht diese Schwellung jedoch<br />

einen Durchmesser von über 10 cm,<br />

22 ÄRZTE KRONE | Allergie 10<br />

spricht man von einer verstärkten Lokalreaktion.<br />

Es wird davon ausgegangen, dass<br />

beinahe 50% jener Menschen mit einer<br />

verstärkten Lokalreaktion, allergen-spezifische<br />

IgE-Antikörper gegen Insektengiftallergene<br />

haben.<br />

SCHWEREGRADE EINER<br />

ALLERGISCHEN REAKTION<br />

Von einer verstärkten Lokalreaktion sind<br />

all jene Reaktionen zu unterscheiden, die<br />

über die Stichstelle wesentlich hinausgehen.<br />

So ist die häufigste systemisch allergische<br />

Reaktion, beispielsweise nach<br />

einem Bienenstich, das Auftreten eines<br />

Nesselausschlages am ganzen Körper etwa<br />

15 Minuten nach einem Bienenstich in die<br />

Fußsohle.<br />

In Anlehnung an die Klassifizierung des<br />

Schweregrades einer allergischen Reaktion<br />

bei einer Insektengiftallergie (siehe Tabelle ),<br />

sind sämtliche Ausprägungen einer allergischen<br />

Reaktion, bis hin zum Herz-Kreislauf-Stillstand<br />

(Anaphylaxie) möglich.<br />

Dabei zeigen Kinder und Jugendliche mit<br />

einer Insektengiftallergie in der Mehrzahl<br />

der Fälle nur eine milde allergische Reaktion<br />

(generalisierte Urtikaria), wohingegen<br />

Erwachsene, und besonders jene mit<br />

chronischen Erkrankungen des Herz-<br />

Kreislauf-Systems oder unter einer ACE-<br />

Hemmer- und/oder Beta-Blocker-Therapie,<br />

oft auch lebensbedrohliche allergische<br />

Stichreaktionen entwickeln können. Jährlich<br />

sterben in Europa etwa 200 Personen<br />

an einer Insektengiftallergie.<br />

ALLERGIEDIAGNOSTIK<br />

Nach einer stattgehabten systemisch allergischen<br />

Reaktion durch einen Hymenopterenstich<br />

ist daher immer eine fachgerechte<br />

Allergiediagnostik in einem Allergieambulatorium<br />

oder in einer Allergie-Spezi-<br />

Redaktion: Dr. Hannelore Nöbauer<br />

alambulanz eines Spitals oder einer Klinik<br />

dringend angezeigt.<br />

Hier wird die Allergieanamnese erhoben<br />

und im ärztlichen Gespräch herauszufinden<br />

versucht, welches Insekt für die allergische<br />

Reaktion verantwortlich war. Eine<br />

– allerdings nicht ganz zuverlässige –<br />

Hilfestellung dabei wäre die Frage nach<br />

dem Verbleib eines Stachels (spricht meist<br />

für einen Bienenstich) oder nach der Körperstelle,<br />

in die gestochen wurde. Da Bienen<br />

meist nur zu Verteidigungszwecken stechen,<br />

finden die meisten Bienenstiche in<br />

die Fußsohlen (beim Barfußlaufen in der<br />

Wiese) oder beim Hantieren mit Bienenstöcken<br />

(Imker) an unbekleideten Stellen<br />

des Körpers statt. Wespenstiche dagegen<br />

sind überallhin möglich, häufig, beim<br />

Trinken und Essen im Freien, sogar in das<br />

Gesicht, in den Mund oder in die Zunge.<br />

Zur Bestätigung einer Insektengiftallergie<br />

müssen in einem weiteren Schritt Allergietests<br />

durchgeführt werden. Mittels Allergiehauttests<br />

(Pricktest) werden verschiedene<br />

Konzentrationen von Bienen- oder<br />

Wespengift auf die Haut aufgebracht und,<br />

nach Ritzen der Epidermis, die sich entwickelnde<br />

Hautreaktion des Insektengiftallergikers<br />

beurteilt. Bei Kindern werden<br />

meist nur Pricktests durchgeführt, Jugendliche<br />

und Erwachsene mit einer Insektengiftallergie<br />

werden auch mittels eines<br />

Intradermaltests, mit Applikation ansteigender<br />

Konzentrationen von Insektengiften<br />

in die Haut, diagnostiziert. Da Hauttests<br />

manchmal, auch bei begründetem<br />

Verdacht auf eine Insektengiftallergie, ein<br />

negatives Ergebnis erbringen können,<br />

muss zur Diagnosesicherung ein Allergietest<br />

aus dem Blut durchgeführt werden.<br />

Der Nachweis von bienen- und oder wespengiftspezifischen<br />

IgE-Antikörpern liefert<br />

hier gemeinsam mit den klinischen<br />

Symptomen den Beweis für das Vorliegen<br />

einer Insektengiftallergie.<br />

© contour99 – iStockfoto.com


THERAPIE EINER<br />

INSEKTENGIFTALLERGIE<br />

Wissenschaftliche Untersuchungen<br />

aus den USA<br />

haben gezeigt, dass eine<br />

Insektengiftallergie bis zu<br />

20 Jahre nach der ersten<br />

allergischen Stichreaktion<br />

bestehen bleiben kann.<br />

Zwar konnte gezeigt werden,<br />

dass der Schweregrad<br />

einer allergischen Reaktion<br />

im Laufe der Jahre nicht<br />

zunimmt, d.h., dass eine<br />

nur auf die Haut beschränkte<br />

allergische Reaktion<br />

nach einem Bienenstich<br />

meist nicht zu einer<br />

lebensbedrohlichen Anaphylaxie<br />

bei den Folgestichen<br />

führt, trotzdem zeigen<br />

immerhin noch 13% der<br />

Erwachsenen eine milde allergische<br />

Stichreaktion bis<br />

zu 20 Jahre nach der ersten allergischen<br />

Reaktion im Kindesalter 1.<br />

Im Gegensatz dazu geben 32% der Erwachsenen<br />

mit mittelschwerer bis schwerer Bienengiftallergie<br />

als Kind den gleichen<br />

Schweregrad ihrer Allergie im Erwachsenenalter<br />

an.<br />

Da also mehr als ein Drittel aller Patienten<br />

mit schwerer Bienen- und Wespengiftallergie<br />

als Kind diese bis ins Erwachsenenalter<br />

beibehalten, kommt der ursächlichen<br />

Behandlung einer Insektengiftallergie eine<br />

wichtige Rolle zu. Mittels der so genannten<br />

Hyposensibilisierung oder spezifischen<br />

Immuntherapie (SIT) werden nach unterschiedlichen<br />

Protokollen, entweder im<br />

Wochenabstand oder sogar innerhalb weniger<br />

Tage (Rush-) oder Stunden (Ultra-Rush-<br />

Protokoll), ansteigende Konzentrationen<br />

von Bienen- oder Wespengift subkutan verabreicht.<br />

Dabei macht die Anwendung von<br />

Rush- und Ultra-Rush-Protokollen, auf<br />

Grund der höheren Nebenwirkungsrate<br />

(Biene > Wespe), einen stationären Aufenthalt<br />

bis zum Erreichen der Erhaltungsdosis<br />

notwendig. Der Vorteil der raschen Aufsättigung<br />

ist das schnelle Erreichen einer Schutzwirkung,<br />

sodass der nächste Bienenstich im<br />

Frühling (bei Behandlungsbeginn im Winter)<br />

schon problemlos vertragen werden<br />

kann. Voraussetzung für eine korrekte und<br />

möglichst nebenwirkungsarme Therapie für<br />

den Patienten ist dabei ein sicheres Behandlungsumfeld<br />

mit allergologisch geschulten<br />

FachärztInnen und Pflegepersonal.<br />

Schweregrad Haut<br />

Tab.<br />

Verdauungssystem Atemwege Herz-Kreislauf<br />

I • Juckreiz<br />

Leichte • Rötung<br />

Allgemeinreaktion<br />

(Alarmsignale)<br />

• Nesselausschlag<br />

• Schwellung<br />

II<br />

Ausgeprägte<br />

Allgemeinreaktion<br />

III<br />

Bedrohliche<br />

Allgemeinreaktion<br />

IV<br />

Organversagen<br />

• Juckreiz<br />

• Rötung<br />

• Nesselausschlag<br />

• Schwellung<br />

• Juckreiz<br />

• Rötung<br />

• Nesselausschlag<br />

• Schwellung<br />

• Juckreiz<br />

• Rötung<br />

• Nesselausschlag<br />

• Schwellung<br />

Der Langzeiteffekt einer Hyposensibilisierung<br />

bei Insektengiftallergie konnte eindrucksvoll<br />

durch die oben zitierte amerikanische<br />

Untersuchung bestätigt werden. Nur<br />

fünf Prozent aller Erwachsenen mit einer<br />

schweren Bienengiftallergie als Kind zeigten,<br />

nach einer stattgehabten Hyposensibilisierungsbehandlung,<br />

noch eine schwere<br />

allergische Reaktion, im Vergleich zu 32%<br />

ohne eine solche. Abgesehen von einer,<br />

auch mehrere Jahre nach Absetzen der SIT,<br />

bestehen bleibenden Erniedrigung der allergenspezifischen<br />

IgE-Antikörper gegen<br />

Insektengifte 2 , kommt es durch die Hyposensibilisierung<br />

zum Ansteigen blockierender<br />

IgG-„Schutz“-Antikörper und regulatorischer<br />

T-Lymphozyten, die auf Grund geänderter<br />

Zytokinmuster zu einer Verminderung<br />

der allergischen Reaktion und schließlich<br />

zum völligen Verschwinden einer solchen<br />

führen.<br />

Patienten mit einer milden Insektengiftallergie<br />

sollten Maßnahmen zur Stichprophylaxe<br />

erklärt bekommen. Solche sind auch<br />

im Internet unter www.initiative-insektengift.at<br />

abfragbar.<br />

Da sich, besonders bei Kindern, bei Spielen<br />

im Freien, Stiche<br />

nicht immer wirk-<br />

lich vermeiden lassen,<br />

muss nach einer<br />

systemisch allergischen<br />

Stichreaktion<br />

ein entsprechendes<br />

Allergie-Notfallset<br />

• Übelkeit<br />

• Krämpfe<br />

• Erbrechen<br />

• Stuhlabgang<br />

• Erbrechen<br />

• Stuhlabgang<br />

• Schleimabsonderungen<br />

aus der Nase<br />

• Heiserkeit<br />

• Kurzatmigkeit<br />

• Kehlkopfschwellung<br />

• Krampfzustand der<br />

• Bronchialmuskulatur<br />

• Bläuliche Verfärbung<br />

der Haut, Schleimhaut<br />

und der Fingernägel<br />

• Herzrasen<br />

• Unregelmäßiger<br />

Herzschlag<br />

• Blutdruckabfall<br />

• Schock<br />

• Atemstillstand • Kreislaufstillstand<br />

rezeptiert und die Patienten in der korrekten<br />

Handhabung geschult werden.<br />

Dieses soll aus einem Antihistaminikum,<br />

einem Kortisonpräparat zur oralen Einnahme<br />

und, wenn vom Schweregrad einer<br />

allergischen Reaktion her angezeigt (><br />

Grad 2 nach Müller), auch einem Adrenalinpräparat<br />

zur intramuskulären Selbstinjektion<br />

bestehen.<br />

Voraussetzung für ein klagloses Funktionieren<br />

in der allergischen Notfallssituation sind<br />

regelmäßige Schulungen zum richtigen Einsatz<br />

des Notfallssets, wie sie in Allergieambulatorien<br />

und Allergieambulanzen an Kliniken<br />

angeboten werden. Dort können<br />

Insektengiftallergiker auch längerfristig<br />

betreut werden, und es kann, mittels der zur<br />

Verfügung stehenden diagnostischen Testverfahren,<br />

auf die jeweilige Situation und<br />

die sie erfordernde, bestmögliche Therapie<br />

eingegangen werden.<br />

Literatur:<br />

1. Golden D.B., Kagey-Sobotka A., Norman P.S., Hamilton R.G., Lichtenstein<br />

L.M., Outcomes of allergy to insect stings in children, with and without<br />

venom immunotherapy. N Engl J Med. 2004;351(7):668–74<br />

2. Varga E.M., Francis J.N., Zach M.S., Klunker S., Aberer W., Durham<br />

S.R.,Time course of serum inhibitory activity for facilitated allergen-IgE<br />

binding during bee venom immunotherapy in children. Clin Exp Allergy.<br />

2009 Sep;39(9):1353–7.<br />

Univ.-Prof. Dr. EVA-MARIA VARGA<br />

Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde<br />

Klinische Abteilung für Pulmonologie<br />

und Allergologie, Graz<br />

ÄRZTE KRONE | Allergie 10 23<br />

Ring J., Messmer K., Lancet 1977;1:466–9


ALLERGIE – STATE OF THE ART<br />

Allergischer Schock:<br />

Agieren und nicht nur reagieren!<br />

ALLERGISCHE REAKTIONEN können mitunter<br />

plötzlich und unerwartet auftreten und zu einer ernsten<br />

lebensbedrohlichen systemischen Reaktion führen.<br />

Bereits bei Verdacht ist sofortiges Handeln erforderlich<br />

– mit rascher Evaluation der Situation unter Berücksichtigung<br />

möglicher Differenzialdiagnosen.<br />

ALLERGISCHE REAKTIONEN gewinnen zunehmend an<br />

Bedeutung. Allergien zählen heute zu den häufigsten Erkrankungen,<br />

wobei Symptome und Schweregrad variieren. Unser Immunsystem<br />

ist normalerweise ein Schutzschild für unseren Organismus<br />

für die Erreger- und Fremdkörperabwehr. Bei allergischen<br />

Reaktionen kommt es zu einer Überreaktion auf „harmlose“ Substanzen<br />

(griechisch allos = anders; ergein = reagieren). Die<br />

häufigsten Auslöser sind: Lebensmittelbestandteile, Blütenpollen,<br />

Hausstaub, Tierhaare, Insektenstiche (Bienen- und Wespengift),<br />

auch Medikamente und Drogen, wie z.B. Antibiotika (Penicillin).<br />

Diese „Fehlreaktion“ kann verschiedene Formen und Ausmaße<br />

annehmen. Solche Reaktionen treten plötzlich und unerwartet auf.<br />

Sie können zu einer ernsten lebensbedrohlichen systemischen<br />

Reaktion (Anaphylaxie – griechisch: Schutzlosigkeit) führen.<br />

Bereits bei Verdacht ist sofortiges Handeln erforderlich – mit<br />

rascher Evaluation der Situation unter Berücksichtigung möglicher<br />

Differenzialdiagnosen. Sie kann alle Geschlechter und<br />

jedes Lebensalter betreffen. Mehrere Organsysteme können in die<br />

klinische Symptomatik involviert sein: Haut, Respirations- und<br />

Gastrointestinaltrakt und ebenso das kardiovaskuläre System (siehe<br />

Tabelle 1).<br />

DIAGNOSE<br />

Die Diagnose ergibt sich aus der Beobachtung der typischen klinischen<br />

Befunde im Zusammenhang mit einer möglichen Antigenexposition.<br />

Bei 25% der anapylaktischen Reaktionen lässt sich<br />

keine Ursache finden. Nicht jede Reaktion ist eine bedrohliche –<br />

nicht jedes Symptom ein anaphylaktisches. So müssen differenzialdiagnostisch<br />

auch andere mögliche Krankheitsursachen ausgeschlossen<br />

werden (siehe Tabelle 1)<br />

DIFFERENZIALDIAGNOSEN<br />

● Vaskulär bedingte Synkopen:<br />

Vasovagale Episoden: Vagus-Reizung führt zu Vasodilatation,<br />

Bradykardie und zu einem Abfall der Herzauswurfsleistung<br />

24 ÄRZTE KRONE | Allergie 10<br />

Redaktion: Dr. Hannelore Nöbauer<br />

● Orthostatische Synkopen<br />

● Akuter Asthmaanfall (Exazerbation)<br />

● Akutes Lungenödem<br />

● Lungenembolie<br />

● Spontanpneumothorax<br />

● Fremdkörperaspiration<br />

● Epiglottitis<br />

● Akute kardiale Ereignisse:<br />

supraventrikuläre Tachykardie, akuter Myokardinfarkt,<br />

akute Myokardischämie<br />

● Medikamentenüberdosierung<br />

● Arzneimittelunverträglichkeitsreaktionen<br />

● Histaminintoleranz<br />

● Hypoglykämie<br />

● Karzinoid<br />

● Hereditäres Angioödem<br />

Die wahre Inzidenz allergischer Reaktionen ist unbekannt, nicht<br />

selten steigern sie sich lawinenartig bis zum „allergischen Schock“<br />

und können zum Tod führen. Ausgelöst werden diese Reaktionen<br />

durch Mediatoren (Botenstoffe: Histamin, Leukotriene), die von<br />

speziellen Immunzellen (Mastzellen) freigesetzt werden.<br />

Der anaphylaktische (allergische) Schock betrifft das kardiovaskuläre<br />

System, geht mit Blutdruckabfall (mediatorenbedingte Vasodilatation)<br />

einher und führt zu Hypovolämie. Kutane, gastrointestinale<br />

und respiratorischer Symptome können vorhanden sein. Das<br />

respiratorische System ist häufig mitbetroffen. Hauptaugenmerk<br />

ist auf die mögliche Entwicklung eines Larynxödems zu richten,<br />

das sich durch Heiserkeit und Stridor ankündigen kann. Dieses ist<br />

die häufigste Todesursache bei anaphylaktischen Reaktionen. Es<br />

kann, ebenso wie die akute Schocksymptomatik, das einzige<br />

Symptom einer Allergie sein. Als Dilemma erweist sich dabei, dass<br />

auf der einen Seite eine potenziell lebensbedrohliche Erkrankung<br />

vorliegt und auf der anderen Seite eine therapeutische Option mit<br />

einer potenten Substanz (Adrenalin) zur Verfügung steht, die vorsichtig<br />

und rechtzeitig einzusetzen ist, die aber auch bei falscher<br />

© Sven Hoppe - Fotolia.com


Anwendung (zu hohe Dosierung, fehlende Verdünnung)<br />

bedrohliche Nebenwirkungen entfalten<br />

kann. Das zeitliche Intervall bis zum<br />

Auftreten von Beschwerden kann Minuten<br />

bis mehrere Stunden betragen.<br />

Meistens treten die Symptome<br />

jedoch innerhalb der ersten Stunde<br />

nach Antigenexposition auf. Der<br />

Verlauf ist unberechenbar: Die<br />

Reaktionen können spontan zum<br />

Stillstand kommen, jedoch auch<br />

unter adäquater Therapie progredient<br />

verlaufen. Mit Spätreaktionen<br />

muss bis zu 12 bis 24 Stunden<br />

nach dem initialen Ereignis<br />

gerechnet werden. In jedem Fall<br />

sind rasch alle erforderlichen Maßnahmen<br />

zu ergreifen. Ein zu spätes<br />

Erkennen der Erstsymptome, ein Zögern<br />

und Zuwarten kann zur bedrohlichen Atemwegsobstruktion<br />

führen oder in einem irreversiblen<br />

hämodynamischen Schock enden. In schweren<br />

Fällen, etwa bei intravenöser Zufuhr, kann es ohne Auftreten<br />

von Hauterscheinungen und Atembeschwerden unmittelbar<br />

zum lebensbedrohlichen allergischen Schock kommen.<br />

SOFORTIGES HANDELN<br />

Individuell unterschiedliche Verläufe benötigen eine individuell<br />

abgestufte Therapie – trotzdem gibt es Grundpfeiler der Anaphylaxie-Sofortbehandlung:<br />

● Ruhe bewahren,<br />

● Ausschaltung des mutmaßlichen Agens,<br />

● Intravenöser Zugang plus Volumenzufuhr,<br />

● Sicherung der Atemwege plus Sauerstoffzufuhr,<br />

● Gabe von Adrenalin, Antihistaminika und Kortikosteroiden,<br />

● Überwachung (Hospitalisation).<br />

Der wichtigste und wesentlichste Aspekt in der Therapie allergischer<br />

Reaktionen besteht darin, immer darauf gefasst zu sein, dass<br />

sich eine lebensbedrohliche Schocksymptomatik entwickeln<br />

kann. Bereits bei Verdacht auf Anaphylaxie ist sofortiges Handeln<br />

angezeigt: „Agieren und nicht nur reagieren“.<br />

STADIENABHÄNGIGE THERAPIE<br />

Stadium I: Bereits in diesem Anfangsstadium sollte ein möglichst<br />

großlumiger, intravenöser Zugang geschaffen werden, da<br />

dies später durch Kreislaufzentralisation und Blutdruckabfall<br />

erschwert sein kann. Somit ist eine rasche Volumensubstitution<br />

mit Elektrolyt- und eventuell kolloidalen Lösungen möglich.<br />

Bestehen nur Hautsymptome, werden Antihistaminika verabreicht.<br />

Diese zeigen keine Sofortwirkung, verhindern jedoch weitere<br />

Freisetzungsreaktionen und ein Rebound-Phänomen. H1- und<br />

H2-Antagonisten sind von untergeordneter Bedeutung in der<br />

Behandlung anaphylaktischer Reaktionen. Selbst höchste Dosen<br />

können bereits freigesetztes Histamin nicht blockieren. Aus diesem<br />

Grund sollten Antihistaminika niemals allein in der Anaphylaxie-Behandlung<br />

verwendet werden.<br />

Stadium II: Kommt es zu Allgemein- beziehungsweise Kreislaufsymptomen<br />

wie Blutdruckabfall, Tachykardie, Übelkeit und<br />

Tab. 1: KLINIK UND SYMPTOME<br />

Hautreaktionen: Juckreiz, Erythem, Urtikaria<br />

Gastrointestinale<br />

Symptomatik:<br />

Respiratorisches System:<br />

Hämodynamische<br />

Veränderungen:<br />

Zerebrale Symptome:<br />

Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Koliken<br />

Dyspnoe, Larynx- und Pharynxödem,<br />

Bronchialobstruktion<br />

Hypovolämie, Tachykardie, Blutdruckabfall,<br />

Schock<br />

Schwindel, Verwirrtheit, Krämpfe,<br />

Synkope<br />

Tab. 2: KLINISCH KÖNNEN SCHWEREGRADE ZWISCHEN 0 UND 4<br />

UNTERSCHIEDEN WERDEN<br />

0 Lokal begrenzte Reaktion<br />

1<br />

2<br />

3<br />

4<br />

Leichte Allgemeinreaktion<br />

Flush, generalisierte Urtikaria, Pruritus, Schleimhautreaktionen<br />

(Nase, Konjunktiven), Allgemeinreaktion (Unruhe, Kopfschmerz)<br />

Ausgeprägte Allgemeinreaktion<br />

Kreislaufdysregulation (Blutdruck-, Pulsveränderung), leichte<br />

Dyspnoe, beginnender Bronchospasmus, Stuhl- bzw.<br />

Urinabgang<br />

Bedrohliche Allgemeinreaktion – Schock<br />

Bedrohliche Hypotonie, Bronchospasmus mit bedrohlicher<br />

Dyspnoe, zunehmende Bewusstseinseintrübung, -verlust<br />

Vitales Organversagen<br />

Atem- und Kreislaufstillstand<br />

Tab. 3: KLINISCHE KRITERIEN<br />

Anaphylaxie hoch wahrscheinlich, wenn eines dieser drei<br />

Kriterien erfüllt ist:<br />

1. Akuter Beginn mit Beteiligung von Haut u./o. Schleimhaut und<br />

mindestens einem der folgenden Symptome:<br />

• Atemstörung (z.B. Dyspnoe, Asthma, ...)<br />

• Blutdruckabfall oder anderes Symptom einer Hypoperfusion<br />

von inneren Organen<br />

2. Zwei oder mehr der folgenden Symptome rasch nach Kontakt<br />

mit wahrscheinlichem Allergen:<br />

• Haut u./o. Schleimhautbeteiligung (z.B. Urtikaria, Lippenoder<br />

Zungenschwellung)<br />

• Atemstörung (z.B. Dyspnoe, Asthma, ...)<br />

• Blutdruckabfall oder anderes Symptom einer Hypoperfusion<br />

von inneren Organen<br />

• Persistierende gastrointestinale Symptome<br />

3. Blutdruckabfall rasch nach Kontakt mit bekanntem Allergen<br />

• Säuglinge und Kinder: niedriger systolischer Blutdruck oder<br />

Abfall um > 30%<br />

• Erwachsene: systolischer Blutdruck unter 90 mmHg oder<br />

Abfall um > 30%<br />

Nach Sampson H.A. et al., Second symposium on the definition and management of anaphylaxis.<br />

J Allergy Clin Immunol 2006; 117:391–7<br />

Erbrechen, muss die Volumenzufuhr gesteigert und Kortison verabreicht<br />

werden. Zusätzlich sind Schocklagerung, Monitoring,<br />

laufende Blutdruckmessungen notwendig, und Adrenalin sollte<br />

bereitgestellt werden.<br />

Stadium III: Bronchospasmus, weiterer Blutdruckabfall und<br />

Schock bedeuten ein lebensbedrohliches Zustandsbild. Die Gabe<br />

ÄRZTE KRONE | Allergie 10 25


ALLERGIE – STATE OF THE ART<br />

Abb. 1: IGE-VERMITTELTE ALLERGISCHE REAKTION<br />

Allergen (z.B. aus Pollen)<br />

An Rezeptor en<br />

auf der Zelloberfläche<br />

gebundener<br />

IgE-Antikörper<br />

Reaktion vom Sofor ttyp<br />

Ausschüttung von:<br />

• Histamin<br />

• Leukotrienen<br />

• Prostaglandinen<br />

Akute Entzündung<br />

Symptome<br />

Antigen-Exposition<br />

von 0,2 bis 0,5 mg Adrenalin intramuskulär oder die halbe Dosis<br />

(0,1 bis 0,25 mg), langsam intravenös, ist angezeigt (entweder<br />

Suprarenin ® 1-ml-Ampullen 1 : 10 verdünnen oder L-Adrenalin<br />

„Fresenius ® “ spritzfertig 0,01% – davon 1 bis 5 ml langsam, fraktioniert<br />

injizieren).<br />

ADRENALIN: PHYSIOLOGISCHE EFFEKTE<br />

Die intramuskuläre Gabe von Adrenalin kann als First-Line-<br />

Therapie für Patienten mit Anaphylaxie empfohlen werden. Die<br />

subkutane Verabreichung von Adrenalin ist mit großen Schwankungen<br />

der gemessenen Plasmakonzentration im Vergleich zur<br />

intramuskulären Gabe verbunden. Die intravenöse Verabrei-<br />

26 ÄRZTE KRONE | Allergie 10<br />

Sensibilisierte Mastzelle<br />

mit allergenspezifischen<br />

IgE-Antikörpern, die an die<br />

Oberfläche gebunden sind<br />

Freisetzung von Mediator en<br />

aus der Mastzelle<br />

Reaktion vom Spättyp<br />

Ausschüttung von:<br />

• Zytokinen, die die folgenden<br />

Zellen anlocken:<br />

• neutrophile Granulozyten<br />

• eosinophile Granulozyten<br />

• basophile Granulozyten<br />

• T-Helferzellen vom T yp 2<br />

Chronische Entzündung<br />

Abb. 2: VERLAUFSFORMEN<br />

• Perakut: Sekunden – Minuten<br />

• Verzögert: nach einigen Stunden – selten<br />

• Protrahiert: > 24 Stunden<br />

• Biphasisch: –> Hospitalisation!<br />

Behandlung<br />

Initialphase<br />

1–8 h<br />

Zeit/h<br />

Behandlung<br />

Spätphase<br />

chung kann mit kardialen Problemen (Arrhythmien und Myokardinfarkt)<br />

einhergehen. Schwere Nebenwirkungen treten bei<br />

zu schneller Verabreichung, bei inadäquater Verdünnung oder<br />

bei Überdosierung auf. Die intravenöse Verabreichung von<br />

Adrenalin sollte der anhaltenden (therapieresistenten) Form<br />

vorbehalten bleiben. Dies schließt alle Fälle ein, bei welchen<br />

sich der Verlauf trotz intramuskulär verabreichten Adrenalins<br />

verschlechtert oder wenn Kreislaufprobleme auftreten. Adrenalin<br />

stimuliert sowohl Alpha-Rezeptoren als auch Beta-Rezeptoren<br />

und bewirkt somit eine Vasokonstriktion, eine Blutdruckerhöhung<br />

und eine Verbesserung der koronaren Perfusion. Adrenalin<br />

antagonisiert die Vasodilatation und vermindert ein<br />

Angioödem. Es bewirkt über eine Erhöhung des CMP (zyklisches<br />

Adenosin-Monophosphat) in den Mastzellen und basophilen<br />

Zellen eine Reduktion der inflammatorisch wirksamen<br />

Mediatoren.<br />

Grundsätzlich gilt: Adrenalin sollte so bald wie möglich verabreicht<br />

werden. Verhängnisvolle anaphylaktische Verläufe resultieren<br />

aus einem verzögerten Einsatz von Adrenalin und aus schweren<br />

respiratorischen Komplikationen. Bei älteren Menschen sollte<br />

es vorsichtig eingesetzt werden. Eine Test-Dosis von 0,1 mg<br />

genügt in den meisten Fällen. Bei Kindern wird generell eine<br />

Dosis von 0,01 mg/kg Körpergewicht (maximal 0,5 mg Gesamtdosis)<br />

subkutan oder intramuskulär empfohlen.<br />

Diese Dosis kann eventuell nach 10 bis 15 Minuten und danach,<br />

falls erforderlich, alle vier Stunden wiederholt werden. Personen<br />

mit persistierender Hypotension benötigen eine langsame, fraktionierte<br />

intravenöse Verabreichung. Höhere Dosen werden bei<br />

rascher Progression und bei Herz-Kreislauf-Stillstand empfohlen.<br />

Die falsche Anwendung von Adrenalin kann gefährlich sein. Die<br />

häufigsten Nebenwirkungen treten bei Überdosierung und bei<br />

intravenöser Anwendung auf, insbesondere bei älteren Patienten<br />

und Patienten mit Risikofaktoren wie Hypertonie oder koronarer<br />

Herzkrankheit. Es ist aber hervorzuheben, dass der Einsatz von<br />

Adrenalin bei Personen mit koronarer Herzkrankheit prinzipiell<br />

nicht kontraindiziert ist. Im Gegenteil: Eine durch eine anaphylaktische<br />

Reaktion ausgelöste Hypotension würde zu einer<br />

bedrohlichen Koronarischämie führen und gerade diese Patienten<br />

am meisten gefährden.<br />

NACHBEHANDLUNG UND PROPHYLAXE<br />

Substanzen, auf die man allergisch reagiert, sollten möglichst vermieden<br />

werden. Patienten, die unter bestimmten Allergenen leiden<br />

(zum Beispiel Wespe, Biene), können von einer Desensibilisierungsbehandlung<br />

profitieren. Aufklärung und Schulung sind<br />

unbedingt erforderlich. Für anaphylaxiegefährdete Patienten kann<br />

ein Notfallset (Antihistaminikum, Kortison, Adrenalin)<br />

zusammengestellt werden. Sowohl Patient als auch Arzt müssen<br />

über die richtige Anwendung eines Adrenalin-Auto-Injektors<br />

(z.B: Epipen ® , Anapen ® ) gut unterrichtet sein.<br />

OA Dr. HERBERT PÖTZ<br />

FA für Anästhesie und Intensivmedizin<br />

Krankenanstalt Rudolfstiftung Wien,<br />

Floridsdorfer Allergiezentrum<br />

herbert.poetz@aon.at<br />

www.schmerzfrei.at


ALLERGIE – STATE OF THE ART<br />

Typ-IV-Allergien –<br />

allergisches Kontaktekzem<br />

DAS ALLERGISCHE KONTAKTEKZEM ist eine häufige Erkrankung,<br />

die durch den Hautkontakt mit allergenen Stoffen hervorgerufen wird.<br />

Heute sind ca. 3.000 Kontaktallergene bekannt. Die Therapie des<br />

allergischen Kontaktekzems besteht in der Elimination des auslösenden<br />

Allergens oder – wenn dies nicht möglich ist – in Schutzmaßnahmen<br />

oder symptomatischer Behandlung.<br />

EPIDEMIOLOGIE<br />

Das allergische Kontaktekzem ist eine häufige<br />

Erkrankung, die durch den Hautkontakt<br />

mit allergenen Stoffen hervorgerufen wird.<br />

Etwa 7% der Bevölkerung (5% der Männer<br />

und 11% der Frauen) leiden zu irgendeinem<br />

Zeitpunkt eines Jahres an einem allergischen<br />

Kontaktekzem, und 15% bis 20%<br />

sind gegen eines der häufigen Allergene<br />

sensibilisiert (Schnuch, 2002).<br />

PATHOPHYSIOLOGIE<br />

Heute sind ca. 3.000 Kontaktallergene<br />

bekannt. Es handelt sich um Haptene. Das<br />

sind elektrophile, niedermolekulare Substanzen<br />

(Molekulargewicht: 500–1.000 Dalton),<br />

die erst nach Bindung an ein Trägermolekül<br />

als vollwertiges Antigen fungieren<br />

und somit Sensibilisierungen erzeugen können.<br />

Die „Hitliste“ der häufigsten Kontaktallergene<br />

ist in Tabelle 1 zusammengefasst.<br />

Beim allergischen Kontaktekzem handelt es<br />

sich um eine klassische, zellvermittelte Typ-<br />

IV-Reaktion nach Coombs und Gell („verzögerter<br />

Reaktionstyp“, „Delayed Type of<br />

Hypersensitivity“, DTH ).<br />

Wie bei jeder allergischen Reaktion unterscheidet<br />

man die Sensibilisierungs- und die<br />

Auslösungsphase durch Exposition oder<br />

Reexposition.<br />

KLINISCHES BILD<br />

Die klassische Ekzemreaktion ist durch<br />

ihren stadienhaften Verlauf gekennzeichnet:<br />

1. Im akuten Stadium kommt es zur Ausbildung<br />

eines hellen Erythems, das auf<br />

den Ort der Einwirkung des Allergens<br />

begrenzt ist (Stadium erythematosum).<br />

Das intraepidermale Ödem verursacht<br />

den klinischen Eindruck einer matten<br />

Oberfläche.<br />

2. In der Folge entstehen spongiotische<br />

Bläschen, die meist stecknadelkopfgroß<br />

und mit klarer Flüssigkeit gefüllt sind<br />

(Stadium vesiculosum).<br />

3. Die Bläschen sind meist nur kurzlebig,<br />

nach ihrem Platzen kommt es zum<br />

Nässen und anschließend zur Ausbildung<br />

von Krusten (Stadium crustosum).<br />

4. Nach Vermeidung des Allergens kommt<br />

es zur Abheilung mit Schuppenbildung<br />

(Stadium squamosum).<br />

Im chronischen Stadium, bei andauerndem<br />

Allergenkontakt, können alle obigen Stadien<br />

(Erythem, Vesikel, Krusten, Schuppen)<br />

nebeneinander auftreten. Weiters fin-<br />

det man entzündliche Knötchen, Rhagaden<br />

und Kratzartefakte. Mit der Zeit kann sich<br />

eine Vergröberung der Hauttextur (Lichenifikation)<br />

entwickeln. Zumeist besteht ein<br />

zusätzlicher Pruritus. Die maximale Ausprägungsform<br />

ist ein generalisiertes, bis zur<br />

Erythrodermie reichendes Kontaktekzem.<br />

Nach Frosch, 1996 unterscheidet man folgende<br />

klinische Formen:<br />

● Irritatives Kontaktekzem<br />

● Mikrobielles Kontaktekzem<br />

● Allergisches Kontaktekzem<br />

● akut ● chronisch<br />

● Airborne-Contact-Dermatitis<br />

● Photoallergisches Kontaktekzem<br />

● Fixes Arzneimittelexanthem<br />

● Systemisches Kontaktekzem (SDRIFE)<br />

Zusätzlich zu diesen klassischen Formen<br />

Tab. 1: HITLISTE DER HÄUFIGSTEN KONTAKTALLERGENE DER<br />

DKG-STANDARDREIHE IM JAHR 2004 (NACH IVDK)<br />

Substanz<br />

Konzentration<br />

%<br />

Getestet n Positiv %<br />

Positiv standardisiert<br />

%<br />

Nickel (II)-sulfat 5,00 8.409 14,4 16,6<br />

Duftstoff-Mix 8,00 8.502 8,0 7,2<br />

Perubalsam 25,00 8.530 8,0 6,7<br />

Kobalt (II)-chlorid 1,00 8.497 6,0 6,6<br />

Kaliumdichromat 0,50 8.515 5,7 5,3<br />

Kolophonium 20,00 8.524 4,7 4,6<br />

p-Phenylendiamin (freie Base) 1,00 8.307 4,1 4,1<br />

Quecksilber (II)-amidchlorid 1,00 8.526 3,0 3,5<br />

Dibromdicyanobutan 1,00 8.507 4,1 3,5<br />

Wollwachsalkohole 30,00 8.530 3,0 2,9<br />

DKG: Deutsche Kontaktallergie-Gruppe,<br />

IVDK: Informationsverbund Dermatologischer Kliniken<br />

ÄRZTE KRONE | Allergie 10 27


ALLERGIE – STATE OF THE ART<br />

des Kontaktekzems wurden weitere klinische<br />

Manifestationen, bedingt durch<br />

den Kontakt mit einem Allergen, zu dieser<br />

Gruppe hinzugefügt (Aberer, 2003):<br />

● Erythema-multiforme-artige Reaktionen<br />

bis hin zum Stevens-Johnson-Syndrom<br />

● Lichen-planus-artige Veränderungen der<br />

Mundschleimhaut bei Metallkontakt<br />

● Granulomatöse Reaktion auf Tattoos<br />

● Dyshidrotisches Ekzem oder Pompholyx<br />

DIFFERENZIALDIAGNOSEN<br />

Eine Reihe von Erkrankungen ist differenzialdiagnostisch<br />

vom allergischen Kontaktekzem<br />

abzugrenzen. Die Morphologie<br />

mag zwar ähnlich sein, sie unterscheiden<br />

sich jedoch grundlegend in Pathogenese<br />

und Therapie. Die mit Abstand wichtigste<br />

Differenzialdiagnose ist das toxisch-irritative<br />

Handekzem, z.B. bei chronischen<br />

Nassberufen wie Friseuren oder Hausfrauen.<br />

Hier anzuführen sind weiters die seborrhoische<br />

Dermatitis, das atopische Hand-<br />

Fuß-Ekzem, bei starker Lichenifikation<br />

der Lichen simplex chronicus, die Psoriasis<br />

vulgaris, eine palmoplantare Pustulose,<br />

der Lichen ruber planus sowie bei lange<br />

unverändert bestehenden ekzematoiden<br />

Herden frühe Stadien eines kutanen T-<br />

Zell-Lymphoms. Auch infektiöse Hauterkrankungen<br />

wie Skabies, bakterielle<br />

Infektionen (Impetigo) oder intertriginöse<br />

Candidiasis sind oft schwierig vom Kontaktekzem<br />

abzugrenzen. Eine detaillierte<br />

Anamnese und gründliche körperliche<br />

Untersuchung können die Diagnosefindung<br />

erleichtern.<br />

Besonderes Augenmerk ist auf die Symmetrie<br />

und Lokalisation der Läsionen zu<br />

legen. Eine Streuung eines Ekzems lässt<br />

eine allergische Genese vermuten. Eine<br />

28 ÄRZTE KRONE | Allergie 10<br />

genaue Untersuchung der Nägel kann vor<br />

allem zur Unterscheidung zu einer palmoplantaren<br />

Pustulose/Psoriasis hilfreich<br />

sein, die häufig mit Ölflecken oder Tüpfelnägeln<br />

einhergehen. Bei dem Verdacht<br />

eines atopischen Ekzems ist auf Xerosis<br />

cutis, Keratosis pilaris, die typischen flexuralen<br />

Ekzem-Lokalisationen im Bereich<br />

der Beugen sowie eine doppelte Lidfalte<br />

(Dennie-Morgan-Falte) zu achten.<br />

DIAGNOSE<br />

Der Epikutantest („Patch-Test“), welcher<br />

1895 von Jadassohn als Läppchentest eingeführt<br />

wurde, ist das einzige für die Routinetestung<br />

geeignete Instrument, um eine<br />

Sensibilisierung gegen eine Substanz, die<br />

ein allergisches Kontaktekzem auslöst,<br />

nachzuweisen. Die Indikation für einen<br />

Epikutantest stellt sich bei klinischem Verdacht<br />

auf ein kontaktallergisches Geschehen<br />

der Haut oder Schleimhaut, dessen<br />

akute Phase zum Testzeitpunkt bereits<br />

abgeklungen ist. Weitere Indikationen sind<br />

Klärung einer allergisch bedingten Berufsdermatose,<br />

ätiologisch ungeklärte Ekzeme<br />

zum Ausschluss einer Spättypallergie<br />

sowie die Verschlimmerung einer bestehenden<br />

Dermatose (z.B. atopisches<br />

Ekzem).<br />

Die Auswahl der Testsubstanzen sollte<br />

anamnesegeleitet sein, d.h. diejenigen<br />

Expositionen sollen berücksichtigt werden,<br />

die durch die Anamnese ermittelt<br />

werden. Unabhängig von der individuellen<br />

Anamnese wird die Testung der Standardreihe<br />

empfohlen, welche die häufigsten<br />

Sensibilisierungen anzeigt. Die zugelassenen<br />

Allergenzubereitungen, die galenisch<br />

geprüft und als Arzneimittel zugelassen<br />

sind, orientieren sich an den Empfehlun-<br />

Tab. 2: BEURTEILUNG VON EPIKUTANTESTREAKTIONEN NACH<br />

EMPFEHLUNGEN DER ICDRG (FREGERT,1981).<br />

Symbol Morphe Bedeutung<br />

– eine Reaktion negativ<br />

? nur Erythem, kein Infiltrat fraglich<br />

+ Erythem, Infiltrat, evtl. diskrete Papeln einfach positive Reaktion<br />

++ Erythem, Infiltrat, Papeln, Vesikel zweifach positive Reaktion<br />

+++<br />

ir<br />

nt<br />

Erythem, Infiltrat, konfluierende<br />

Vesikel<br />

verschiedene Veränderungen<br />

(Seifeneffekt, Vesikel, Blase, Nekrose)<br />

dreifach positive Reaktion<br />

irritativ<br />

in einem Testblock enthaltenes,<br />

aber nicht getestetes Allergen<br />

gen der Deutschen Kontaktallergie-Gruppe<br />

(DGK; www.ivdk.gwdg.de/dkg), der<br />

European Society of Contact Dermatitis<br />

(ESCD; www.escd.org) und der International<br />

Contact Dermatitis Research Group<br />

(ICDRG) und sind lokalen Gegebenheiten<br />

anzupassen. Zusätzlich zur Standardreihe<br />

können, je nach Anamnese, „Spezialblöcke“<br />

zur Testung eingesetzt werden. Diese<br />

umfassen beispielsweise Duftstoffe, Salbengrundlagen,<br />

Gummisubstanzen u.v.m.<br />

In der Regel ist das Testareal der Rücken.<br />

Das Testareal muss erscheinungsfrei und<br />

sollte nicht vorbehandelt sein. Die zu testenden<br />

Substanzen werden in auf Testpflaster<br />

geklebte Aluminiumschälchen<br />

(Finn Chambers) eingebracht und am<br />

Rücken fixiert. Damit kann eine große<br />

Anzahl von Kontaktallergenen gleichzeitig<br />

getestet werden. Die Ablesung der Tests<br />

erfolgt nach Abnahme der Pflaster sowie<br />

bei der 24-Stunden-Applikation nach 72<br />

Stunden und bei der 48-Stunden-Applikation<br />

nach 72 (oder 96) Stunden nach Anlegen<br />

des Tests. Spätablesungen sind durchzuführen,<br />

wenn der Verdacht auf Sensibilisierungen<br />

besteht, die oft erst später als<br />

nach 72 Stunden zu Reaktionen führen<br />

(z.B. Glukokortikoide).<br />

Die Beurteilung erfolgt aufgrund der Morphe<br />

(Tab. 2). Die Dynamik der Reaktion<br />

kann als Hilfe zur Unterscheidung zwischen<br />

allergischem Kontaktekzem und<br />

toxisch-irritativem Ekzem hinzugezogen<br />

werden, wobei ein „Crescendo“-Muster<br />

eher auf eine allergische Genese hindeutet.<br />

Bei positiven Reaktionen auf chemisch<br />

verwandte Substanzen handelt es sich<br />

meist um Kreuzreaktionen. Gibt es mehr<br />

als 5 positive Reaktionen auf nicht verwandte<br />

Stoffe, so handelt es sich um Polysensibilisierungen,<br />

die Ausdruck einer<br />

gesteigerten Empfindlichkeit für Kontaktallergien<br />

sind. Selten kann es durch<br />

unspezifische, irritative Reizung zu einer<br />

nicht mehr beurteilbaren großflächigen<br />

allergischen Testreaktion kommen, was als<br />

„Angry Back“ oder „Excited Skin Syndrome“<br />

bezeichnet wird. In solchen<br />

Fällen muss die Testung erneut durchgeführt<br />

werden.<br />

Nach Evaluierung der klinischen Relevanz<br />

der erhobenen Testergebnisse ist dem<br />

Patienten ein Allergiepass auszustellen, in<br />

dem die Allergene, die eindeutig allergische<br />

Reaktionen hervorgerufen haben,<br />

vermerkt sind. Gleichzeitig sollten Merkblätter<br />

ausgehändigt werden, die den<br />

Patienten über mögliche Expositionsrisiken<br />

aufklären – z.B. Paraphenylendiamin


in Haarfärbeprodukten, Druckerschwärze,<br />

schwarzem Gummi etc. – und ihm das<br />

Auffinden der für ihn relevanten Kontaktallergene<br />

in Gebrauchsgegenständen des<br />

täglichen Lebens ermöglichen.<br />

THERAPIE<br />

Die Therapie des allergischen Kontaktekzems<br />

ist die Elimination des auslösenden<br />

Allergens. Die Ausstellung des Allergiepasses<br />

ist zur Einhaltung dieser Maßnahme<br />

die Voraussetzung. Keine symptomatische<br />

Therapie kann diesen Schritt<br />

ersetzen.<br />

Sofern die absolute Meidung des Allergens<br />

nicht möglich ist, sind Schutzmaßnahmen<br />

zu treffen, um neuerlichen Allergenkontakt<br />

zu verhindern. Diese beinhalten<br />

das Tragen von Schutzkleidung wie<br />

beispielsweise das Tragen von Handschuhen<br />

bei unvermeidlichem Allergenkontakt,<br />

die Vermeidung von Nassarbeiten, die Verwendung<br />

von protektiven Cremes, in<br />

Extremfällen den Berufswechsel etc.<br />

Zur symptomatischen Therapie stehen verschiedene<br />

Substanzen zur Verfügung:<br />

Bei akuten Kontaktekzemen können topische<br />

Kortikosteroide angewendet werden<br />

und stellen das Mittel der Wahl dar. Zu<br />

beachten ist allerdings vor allem bei länger<br />

andauernder Lokaltherapie die potenzielle<br />

Gefahr der typischen Kortikosteroid-<br />

Nebenwirkung mit Ausbildung einer<br />

Hautatrophie und Juckreiz. Als Alternative<br />

sind nun Calcineurin-Inhibitoren zur Therapie<br />

eines Ekzems zugelassen. Sie werden<br />

vor allem nach Behandlung des akuten<br />

Ekzems zur Therapiefortsetzung – ohne<br />

die Gefahr der Hautatrophie – eingesetzt.<br />

Vor allem beim chronischen Handekzem<br />

ist eine UVB oder PUVA eine gute Therapieoption<br />

und kann länger dauernde<br />

Remissionen erzielen. Eine systemische<br />

Kortikosteroidtherapie sollte therapierefraktären<br />

Fällen vorbehalten bleiben. In<br />

einer Studie von Granlund, 1998 konnte<br />

ein positiver Effekt von Cyclosporin A bei<br />

chronischem Handekzem gezeigt werden.<br />

Alitretinoin ist eine neue, einmal täglich<br />

oral einzunehmende Substanz für die<br />

Anwendung bei erwachsenen Patienten,<br />

die an schwerem chronischem Handekzem<br />

leiden, das nicht auf die lokale Behandlung<br />

mit stark wirksamen Kortikosteroiden<br />

anspricht. Sie ist in z.B. in Großbritannien,<br />

Dänemark oder Deutschland<br />

unter dem Handelsnamen Toctino ® erhältlich<br />

– die Zulassung für Österreich wird<br />

erwartet.<br />

Abb. 2: Positive Epikutantestreaktion nach 72 Stunden<br />

Abb. 1: Allergische Kontaktdermatitis auf Baneocin ® Creme<br />

DIE HÄUFIGSTEN AUSLÖSER<br />

ALLERGISCHER KONTAKTEKZEME<br />

Nickel<br />

Seit Jahren ist Nickel das dominierende<br />

Kontaktallergen. Im Jahr 2004 waren insgesamt<br />

16,6% der getesteten Patienten<br />

sensibilisiert. In der Bevölkerung ist die<br />

Nickelallergie zumeist mit einer „Modeschmuck-Allergie“<br />

assoziiert. Außer in<br />

Modeschmuck kommt Nickel auch in Silberschmuck,<br />

Hosenknöpfen, Münzen,<br />

Uhrbändern etc. vor. Das Risiko einer<br />

Nickelsensibilisierung hängt auch mit dem<br />

Stechen von Ohrlöchern zusammen. In<br />

einer schwedischen Studie (Larsson, 1985)<br />

konnte gezeigt werden, dass bei 8-jährigen<br />

Mädchen mit Ohrlöchern die Sensibilisierungsrate<br />

gegen Nickel bei 16% lag,<br />

wohingegen Mädchen ohne Ohrlöcher nur<br />

in 1% der Fälle eine Sensibilisierung aufwiesen.<br />

So wurde europaweit eine Verordnung<br />

erwirkt, dass Produkte mit Nickel,<br />

die längere Zeit Körperkontakt haben,<br />

nicht mehr als 0,5 µg/cm 2 /Woche freisetzen<br />

dürfen. Ansonsten muss das Produkt<br />

als „nickelhältig“ deklariert werden.<br />

Duftstoffe<br />

Insgesamt sind etwa 3.000 Einzelduftstoffe<br />

als Kontaktallergene beschrieben. Sie<br />

kommen in einer Vielzahl von Produkten<br />

wie Kosmetika, Waschmittel, Reinigungsmittel,<br />

medizinischen Zubereitungen<br />

(Zäpfchen, Salben), Lebensmittel sowie<br />

technischen Flüssigkeiten vor. Der bei der<br />

Epikutantestung angewandte Duftstoff-<br />

Mix enthält acht verschiedene Substanzen<br />

(Zimtalkohol, Zimtaldehyd, Alpha-Amylzimtaldehyd,<br />

Eugenol, Isoeugenol,<br />

Hydroxycitronellal, Geraniol, Eichenmoos<br />

Absolue). Die Sensibilisierungsquote<br />

lag 2004 bei 7,2%. Der überwiegende<br />

Teil der Reaktionen ist auf zwei Substanzen<br />

zurückzuführen: Eichenmoos und<br />

Isoeugenol. Seit März 2005 besteht eine<br />

ÄRZTE KRONE | Allergie 10 29


ALLERGIE – STATE OF THE ART<br />

europaweite Deklarationspflicht für 26<br />

Duftstoffe, sie dient der Prävention von<br />

neuen Sensibilisierungen. Ein neues<br />

bedeutendes Kontaktallergen in der Gruppe<br />

der Duftstoffe ist der synthetische<br />

Duftstoff Hydroxymethylpentylcyclohexencarboxaldehyd<br />

(Lyral ® ).<br />

Perubalsam<br />

Perubalsam wird aus dem Wundsekret des<br />

Perubalsambaumes gewonnen, ist eine<br />

dunkelbraune, visköse Masse und duftet<br />

nach Zimt und Vanille. Er kommt als<br />

Geruchs- und Geschmackskorrigens bei<br />

kosmetischen Produkten, Tabak und<br />

Getränken zum Einsatz, womit es hierbei<br />

auch über inhalative und orale Exposition<br />

zur Unterhaltung eines Kontaktekzems<br />

kommen kann. Mit einer Sensibilisierungshäufigkeit<br />

von 6,7% ist Perubalsam<br />

ein wichtiges Allergen. Gleichzeitige<br />

Reaktionen auf Perubalsam und Duftstoff-<br />

Mix werden in ca. 40% der Fälle beobachtet.<br />

Sensibilisierung gegen Perubalsam<br />

kann ebenso wie jene gegen Kolophonium<br />

oder Propolis als Screeningmarker für eine<br />

Duftstoffallergie eingesetzt werden.<br />

Epoxidharz<br />

Epoxidharze wurden als eine der häufigsten<br />

Ursachen der berufsbedingten aller-<br />

PHARMA AKTUELL<br />

gischen Kontaktdermatitis identifiziert. In<br />

der Regel entsteht die Kontaktallergie<br />

innerhalb weniger Monate. Häufige Ursachen<br />

der Epoxiddermatitis sind Farben<br />

und die bei der Herstellung von Farben<br />

verwendeten Rohmaterialien. Betroffen<br />

sind nicht nur die Hände, sondern – am<br />

ehesten durch aerogene Exposition – das<br />

Gesicht, vor allem die Periorbitalregion.<br />

Zur Auslösung einer Kontaktdermatitis<br />

bei bestehender Sensibilisierung reichen<br />

bereits geringste Allergenmengen aus, die<br />

als Partikelchen oder Dämpfe aerogen<br />

übertragen werden können. Aerogene<br />

Kontaktekzeme werden häufig durch Härter<br />

oder reaktive Verdünner ausgelöst.<br />

Ein „neues“ Kontaktallergen – Bufexamac<br />

Bufexamac ist eine antiphlogistisch wirkende<br />

Substanz aus der Gruppe der Cyclooxygenasehemmer,<br />

die<br />

in Form nicht verschreibungspflichtiger<br />

lokal anzuwendender<br />

Präparate zur<br />

Verfügung steht. Als<br />

Anwendungsgebiete<br />

werden chronische<br />

Ekzeme und Neurodermitis<br />

genannt.<br />

Die allergieauslö-<br />

Moderne Antihistaminika bevorzugen<br />

VERSCHREIBUNGSFREIE H1-ANTIHISTA-<br />

MINIKA der 1. Generation zählen zu den am<br />

häufigsten angewandten Selbstmedikationen<br />

bei allergischen Erkrankungen, Husten, Erkältungen<br />

und – aufgrund ihrer sedierenden Wirkung<br />

– auch bei Schlafstörungen. Aufgrund<br />

ihrer langjährigen Verfügbarkeit gelten diese<br />

Präparate sowohl bei Laien als auch unter Medizinern<br />

als sicher. Ein Positionspapier der Europäischen<br />

Forschungsinitiative gegen Allergien<br />

und Asthma (GA 2 LEN*) kommt jetzt allerdings<br />

zu dem Schluss, dass diese Mittel gefährliche<br />

potenzielle unerwünschte Wirkungen aufweisen<br />

Fachkurzinformationen (Fortsetzung auf Seite 35):<br />

Avamys 27,5 Mikrogramm/Sprühstoß, Nasenspray, Suspension; Zusammensetzung: Jeder<br />

Sprühstoß enthält 27,5 Mikrogramm Fluticasonfuroat. Sonstige Bestandteile: Wasserfreie D-Glucose,<br />

Carmellose-Natrium, Polysorbat 80, Benzalkoniumchlorid, Natriumedetat, gereinigtes Wasser.<br />

Pharmakotherapeutische Gruppe: Kortikosteroide, ATC-Code: R01AD12 Anwendungsgebiete:<br />

Erwachsene, Jugendliche (12 Jahre und älter) und Kinder (6 - 11 Jahre): Avamys ist angezeigt zur<br />

Behandlung: der Symptome allergischer Rhinitis. Gegenanzeigen: Überempfindlichkeit gegen den<br />

30 ÄRZTE KRONE | Allergie 10<br />

und deshalb nicht mehr verschreibungsfrei<br />

erhältlich sein sollten. Eine umfangreiche Literaturrecherche<br />

hatte ergeben, dass H1-Antihistaminika<br />

der 1. Generation den REM-Schlaf,<br />

die Lernfähigkeit und die Arbeitsleitung beeinträchtigen.<br />

Außerdem wurde gezeigt, dass sie<br />

für Auto-, Boots- und Flugzeugunfälle verantwortlich<br />

sind. Todesfälle bei Kindern aufgrund<br />

absichtlicher oder unabsichtlicher Überdosierung<br />

stehen ebenso im Zusammenhang mit Präparaten<br />

der 1. Generation wie Suizide bei<br />

Jugendlichen und Erwachsenen, einige von<br />

ihnen wirken bei Überdosierung kardiotoxisch.<br />

senden Eigenschaften von Bufexamac sind<br />

seit langem bekannt. Die Verläufe sind häufig<br />

schwer. Trotz kleinflächiger Anwendung<br />

können nach Permeation des Stoffes „hämatogen“<br />

generalisierte Ekzeme auftreten. Da<br />

es vor allem bei der atopischen Dermatitis,<br />

beim Perianalekzem und bei der Stauungsdermatitis<br />

eingesetzt wird, finden sich gerade<br />

bei diesen prädisponierten Patienten mit<br />

gestörter Hautbarrierefunktion auch gehäuft<br />

Kontaktallergien. Insbesondere bei der<br />

Selbstmedikation besteht die Gefahr, dass<br />

die unerwünschte Nebenwirkung („Kontaktekzem“)<br />

nicht oder sehr spät erkannt wird,<br />

da die Symptome der behandelten Grundkrankheit<br />

ähneln. Von einer unkritischen<br />

Anwendung von Bufexamac ist daher dringend<br />

abzuraten.<br />

Dr. KATHARINA MORITZ,<br />

Doz. Mag. Dr. STEFAN WÖHRL<br />

Medizinische Universität Wien,<br />

Universitätsklinik für Dermatologie,<br />

Abteilung für Immundermatologie<br />

und infektiöse Hautkrankheiten,<br />

Währinger Gürtel 18–20, 1090 Wien<br />

katharina.moritz@meduniwien.ac.at ,<br />

stefan.woehrl@meduniwien.ac.at<br />

Literatur bei den Autoren<br />

Aufgrund dieser Erkenntnisse empfiehlt die<br />

Forschungsinitiative, H1-Antihistaminika nicht<br />

mehr rezeptfrei zu verkaufen; vielmehr sollten<br />

im Sinne der Konsumentensicherheit die neueren,<br />

nicht sedierenden H1-Antihistaminika zum<br />

Einsatz kommen, die ein überlegenes Nutzen-<br />

Risiko-Profil aufweisen und zu einem vergleichbaren<br />

Preis erhältlich sind.<br />

*GA 2 LEN ist ein Zusammenschluss von rund 60 führenden europäischen Forschergruppen<br />

aus 14 Ländern der EU, der Schweiz, Norwegen, dem Europäischen<br />

Berufsverband der Allergologen (EAACI) und der Europäischen Vereinigung<br />

der Patientenorganisationen (EFA).<br />

Wirkstoff oder einen der sonstigen Bestandteile von Avamys. Zulassungsinhaber: Glaxo Group Ltd<br />

Greenford, Middlesex, UB6 0NN, Vereinigtes Königreich. Abgabe: Rezept- und apothekenpflichtig,<br />

wiederholte Abgabe verboten. Zulassungsnummer: EU/1/07/434/001, EU/1/07/434/002,<br />

EU/1/07/434/003. Weitere Angaben zu Warnhinweisen und Vorsichtsmaßnahmen für die Anwendung,<br />

Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln und sonstigen Wechselwirkungen,<br />

Schwangerschaft und Stillzeit und Nebenwirkungen entnehmen Sie bitte der veröffentlichten Fachinformation.<br />

© Richard Schuster


ALLERGIE – STATE OF THE ART<br />

Problem Penicillinallergie<br />

PENICILLINE sind nach wie vor nicht aus der antimikrobiellen Therapie<br />

wegzudenken. Dabei gilt es aber immer die Möglichkeit einer schweren<br />

allergischen Reaktion zu beachten. Wichtig sind eine rasche Abklärung<br />

und eine exakte Abgrenzung des Terminus Medikamentenallergie.<br />

DIE PENICILLINALLERGIE ist ein häufiges und mitunter<br />

gefährliches Problem. Immerhin sind nach einer französischen<br />

Studie ungefähr 60% der anaphylaktischen Medikamentenreaktionen<br />

auf Betalaktam-Antibiotika wie Penicilline, Cephalosporine,<br />

Monobactame und Carbapeneme zurückzuführen 1 . Allerdings<br />

ist der Terminus „Medikamentenallergie“ bei näherer<br />

Betrachtung eine weitläufige Bezeichnung, die weit mehr als die<br />

klassische Typ-I-Reaktion umfasst.<br />

Nach einer französischen Studie sind immerhin ungefähr 60%<br />

der anaphylaktischen Medikamentenreaktionen auf Betalaktam-<br />

Antibiotika wie Penicilline, Cephalosporine, Monobactame und<br />

Carbapeneme zurückzuführen 1 .<br />

In dieser Übersichtsarbeit sollen einerseits die verschiedenen<br />

unerwünschten Medikamentenreaktionen (Typ-A- bis Typ-F-<br />

Reaktionen), andererseits die Penicillin- und Cephalosporinreaktionen,<br />

im Speziellen die Typ-I- und die Typ-IV-Reaktion,<br />

beleuchtet werden. Zunächst müssen die unerwünschten Medikamentenreaktionen<br />

definiert werden:<br />

● Typ-A-Reaktionen („augmented reaction“ = übertrieben starke<br />

Reaktion) können pharmakologisch erklärt werden, sind<br />

häufig, vorhersehbar und können bei jedem Individuum vorkommen.<br />

Sie machen mehr als 80% aller unerwünschten Arzneimittelwirkungen<br />

aus und sind im Arzneimittelcodex vermerkt.<br />

Üblicherweise sind sie schon vor der Registrierung<br />

eines Arzneimittels aus den Zulassungsstudien bekannt: z.B.<br />

Durchfall nach Antibiotika-Therapie, palmoplantare Hauttoxizität<br />

durch manche Chemotherapeutika.<br />

● Typ-B-Reaktionen (bizarr) sind selten, nicht vorhersehbar,<br />

sind pharmakologisch nicht erklärbar und bleiben auf dafür<br />

empfängliche Individuen beschränkt. Typ-B-Reaktionen<br />

machen 13% aller unerwünschten Arzneimittelwirkungen aus.<br />

„Arzneimittelunverträglichkeit“ oder auch „Arzneimittelhypersensitivität“<br />

sind Überbegriffe für alle Arten von Typ-B-<br />

Reaktionen, ohne den genauen pathophysiologischen Hintergrund<br />

zu berücksichtigen. Alle unerwünschten Arzneimittelwirkungen<br />

ohne Beteiligung des Immunsystems sollten als<br />

Hypersensitivitäts- oder Unverträglichkeitsreaktionen bezeichnet<br />

werden, z.B. die Aspirinhypersensitivität. Diese<br />

Reaktionen wurden früher auch als „Pseudoallergien“<br />

bezeichnet.<br />

Redaktion: Dr. Hannelore Nöbauer<br />

Gemäß der neuen Terminologie der „World Allergy Organisation<br />

(WAO)“ sollte der Begriff „Arzneimittelallergie“ auf Patienten mit<br />

einem nachgewiesenen immunologischen Pathomechanismus<br />

beschränkt werden. Die Zusätze „sofort“ („immediate“; Typ I, IgEvermittelt)<br />

und „verzögert“ („delayed“; Typ IV, T-Zell-vermittelt)<br />

sollen die zeitliche Dynamik und den wahrscheinlichen immunologischen<br />

Hintergrund beschreiben.<br />

Die am häufigsten betroffenen Organe bei unerwünschten Arzneimittelreaktionen<br />

sind in absteigender Reihenfolge Haut, Leber, Lunge,<br />

Kreislauf, blutbildendes System und Zentralnervensystem. Eine<br />

erweiterte Klassifikation von Arzneimittelallergien im eigentlichen<br />

Sinne findet sich in der Tabelle 2 . Das ursprüngliche Klassifikationsschema<br />

von Rawlins & Thomson wurde später um vier selten verwendete<br />

Klassen erweitert 3 :<br />

● Typ-C-Reaktionen (chronisch);<br />

● Typ-D-Reaktionen („delayed“) verzögert, z.B. Karzinogenese<br />

oder Teratogenese;<br />

● Typ-E-Reaktionen („Ende der Behandlung“) umfasst unerwünschte<br />

Arzneimittelwirkungen nach dem Absetzen eines<br />

Medikaments, z.B. Myokardischämie nach dem plötzlichen<br />

Absetzen eines β-Blockers; und<br />

● Typ-F-Reaktionen („Fehlen des Therapieerfolgs“).<br />

Abb. 1: STRUKTUR DER BETA-LAKTAM-ANTIBIOTIKA<br />

ÄRZTE KRONE | Allergie 10 31


ALLERGIE – STATE OF THE ART<br />

PENICILLINALLERGIE<br />

Der erste diagnostische Schritt ist die korrekte Klassifikation der<br />

Unverträglichkeitsreaktion:<br />

Soforttypallergien (= Typ-I-Reaktionen) sind IgE-vermittelt. Hier<br />

ist theoretisch das gesamte Spektrum beginnend mit der milden<br />

Hautreaktion (lokale Schwellung, Urtikaria – Grad I) bis hin zur<br />

Anaphylaxie (allergischer Schock – Grad IV) möglich. Die Mehrzahl<br />

der Reaktionen beschränkt sich allerdings auf die milden<br />

Grad-I-Reaktionen.<br />

Die zweite, häufige Form ist die Spättypallergie (Typ-IV-Reaktion).<br />

Sie tritt bei Neusensibilisierung üblicherweise am 9. Tag der<br />

Antibiotikagabe auf, bei bereits sensibilisierten Patienten jedoch<br />

früher, zumeist bereits nach 2 bis 5 Tagen. Das klinische Reaktionsmuster<br />

beschränkt sich auf Hauterscheinungen, im klassischen<br />

Fall auf das makulopapulöse Exanthem (Abb. 2). Dieses ist<br />

meist selbstlimitiert und heilt ohne spezifische Behandlung nach<br />

Absetzen des Auslösers ab. Sehr selten sind fixe Arzneimittelexantheme<br />

und die schweren kutanen Reaktionen: Erythema multiforme<br />

(EEM), Stevens-Johnson-Syndrom (SJS) und toxische<br />

epidermale Nekrolyse (TEN) (Abb. 3).<br />

SOFORTTYPREAKTIONEN (TYP-I-REAKTION)<br />

Die Pathophysiologie der Typ-I-Reaktionen auf β-Laktam-Penicilline<br />

sind durch die Molekularstruktur zu erklären. Wir wollen<br />

jetzt 4 mögliche Reaktionsmuster anhand der Abbildung 1<br />

demonstrieren:<br />

1. REAKTION AUF DEN β-LAKTAMRING (BLAU):<br />

β-Laktam-Antibiotika (i.e.: Penicilline, Cephalosporine, Monobaktame,<br />

Carbapeneme) gehören zu den am häufigsten verwendeten<br />

Antibiotika. Die gemeinsame Grundstruktur aller β-Laktamantibio-<br />

Abb. 2: TYP-IV-ALLERGIE –<br />

MAKULOPAPULÖSES ARZNEIMITTELEXANTHEM<br />

32 ÄRZTE KRONE | Allergie 10<br />

tika ist der β-Laktamring (Abb. 1, blau), die allergische Reaktion auf<br />

den β-Laktamring hat die breiteste klinische Relevanz, da der Patient<br />

sowohl auf alle Penicilline, Cephalosporine als auch Monobaktame<br />

(z.B. Tazobaktam/Tazonam ® ) sowie Carbapeneme (z.B. Imipenem/<br />

Zienam ® , Meropenem/Optinem ® ) kreuzreagieren kann. Erfreulicherweise<br />

findet sich diese Allergie lediglich bei einem geringen<br />

Prozentsatz der Penicillinallergiker, allerdings bei einem Großteil<br />

der Cephalosporinallergiker.<br />

2. REAKTION AUF DEN THIAZOLIDINRING (ROT):<br />

Der Thiazolidinring (Abb. 1, rot) kommt ausschließlich in Penicillin<br />

und Aminopenicillin vor. Die Häufigkeit dieser Reaktion ist<br />

unbekannt, wahrscheinlich aber deutlich seltener als eine Reaktion<br />

auf den β-Laktamring. Ist ein Patient auf diese Struktur sensibilisiert,<br />

so reagiert er nur auf Penicillin und Aminopenicillin.<br />

3. + 4. REAKTION AUF SEITENKETTEN (GRÜN, GELB):<br />

Penicilline haben typische Seitenketten (grün), die spezifisch für<br />

das verwendete Penicillin sind. Die Reaktion beschränkt sich auf<br />

das spezifische Penicillin.<br />

Bei Sensibilisierung gegen eine molekülspezifische Seitenkette<br />

sind keine Kreuzreaktionen zu anderen Cephalosporinen, β-Laktamen<br />

oder Penicillinen zu erwarten.<br />

TESTUNG<br />

Der Hauttest besteht zunächst aus dem Hautpricktest, falls negativ,<br />

gefolgt von einem Intradermaltest mit Penicillin G sowie dem vermuteten<br />

auslösenden Cephalosporin4 . Spezifisches IgE<br />

sollte in jedem Fall mitbestimmt werden. Weiters besteht die<br />

Testung aus den wichtigsten Metaboliten des β-Laktamrings:<br />

MDM (Minor Determinant Mix) und PPL (Penicilloat, Penilloat =<br />

Major Determinants). Diese Testsubstanzen können nach der vor<br />

einigen Jahren erfolgten Marktrücknahme durch den Hersteller<br />

Abb. 3: TYP-IV-ALLERGIE –<br />

TOXISCHE EPIDERMALE NEKROLYSE (TEN)


Erweiterte<br />

Klassifikation<br />

I<br />

II<br />

III<br />

IVa<br />

IVb<br />

IVc<br />

IVd<br />

Tab. 1: KLASSIFIKATION DER ARZNEIMITTELALLERGIEN, MODIFIZIERT NACH PICHLER 2 & DEMOLY 7<br />

Pathophysiologie Klinische Symptome Beginn der Symptome nach<br />

IgE<br />

aktiviert Mastzellen und Eosinophile<br />

IgG<br />

Zelllyse durch Bindung des Fcγ-Rezeptors<br />

IgG- & IgM-Immunkomplexe<br />

Ablagerung von Immunkomplexen aktiviert<br />

Komplement<br />

Th1<br />

IFN-γ-Produktion<br />

Monozytenaktivierung<br />

Th2<br />

IL-5 und IL-4<br />

Eosinophile Entzündung<br />

Cytotoxische T-Zellen<br />

Perforin und Granzyme B<br />

Abtöten der Keratinozyten durch CD4- und<br />

CD8-T-Zellen<br />

T Zellen<br />

IL-8/CXCL 8<br />

Neutrophile Entzündung<br />

Allergopharma nun wieder über die spanische Firma Diater bezogen<br />

werden 4 . Der Nachteil dieser Tests ist ihre geringe Sensitivität<br />

bei hoher Spezifität. D.h., der positive Test beweist die Allergie,<br />

der negative schließt eine Allergie nicht aus. Deshalb ist für eine<br />

abschließende Beurteilung eine Re-Exposition unter kontrollierten<br />

Bedingungen notwendig 4, 5 . In Österreich werden solche Provokationstestungen<br />

fast ausschließlich an Allergieambulanzen mit<br />

angeschlossenen Bettenstationen und Möglichkeit der Intensivüberwachung<br />

durchgeführt (meist dermatologische Abteilungen).<br />

SPÄTTYPREAKTIONEN (TYP-IV-REAKTION)<br />

Die Typ-IV-Reaktion auf Penicilline ist pathophysiologisch durch<br />

eine zellvermittelte Reaktion auf die Molekularstruktur des Antibiotikums<br />

oder einen Metaboliten zu erklären.<br />

TESTUNG<br />

Zur Abklärung wird ein Epikutantest (Patchtest) durchgeführt,<br />

wobei das Penicillin in der verwendeten Verdünnung in eine<br />

Kammer aufgebracht und über 24 Stunden belassen wird. Die<br />

Ablesung erfolgt nach 24 und ein zweites Mal nach 48 Stunden<br />

bzw. nach 48 und 72 Stunden. Wichtig ist, dass Ekzemreaktionen<br />

an Stellen einer Prick- oder Intradermaltestung nach > 24<br />

Stunden auch typische Zeichen einer Typ-IV-Reaktion sind4 .<br />

Bleibt der Hauttest, wie bereits bei den Typ-I-Reaktionen<br />

erklärt, negativ, so sind auch hier Provokationstests die einzige<br />

Möglichkeit, eine Allergie zu bestätigen oder auszuschließen7 .<br />

Ein positives Testergebnis sollte zum Meiden der Substanz führen,<br />

eine erneute Gabe des Antibiotikum ist bei einer Typ-IV-<br />

Reaktion aber zumeist – bis auf das auftretende Exanthem –<br />

Urtikaria/Angioödem<br />

Rhinokonjunctivitis<br />

Allergisches Asthma bronchiale<br />

Anaphylaxie<br />

Allergischer Schock<br />

Zytopenie 5–15 Tage<br />

Vaskulitis<br />

Urtikariavaskulitis<br />

Serumkrankheit<br />

Allergische Hepatitis<br />

Ekzem<br />

Hauttest auf Tuberkulin<br />

Makulopapulöses Exanthem<br />

Bullöses Exanthem<br />

Makulopapulöses Exanthem<br />

Pustulöses Exanthem<br />

Hepatitis<br />

Bullöses Exanthem<br />

Pustulöses Exanthem<br />

Morbus Behçet<br />

Minuten bis Stunden<br />

7–21 Tage<br />

7–8 Tage<br />

5–21 Tage<br />

2–6 Wochen<br />

2 Tage (fixes Arzneimittelexanthem)<br />

7–21 Tage (SJS und TEN)<br />

< 2 Tage<br />

harmlos 5 . Besteht die Anamnese aus einer schweren kutanen<br />

Reaktionen wie Erythema multiforme, Stevens-Johnson-Syndrom<br />

oder toxische epidermale Nekrolyse, sind Hauttests eventuell<br />

möglich. Ein Provokationstest darf nicht durchgeführt werden.<br />

Toxische (pseudoallergische) Reaktion auf Aminopenicillin<br />

Die wichtigste Differenzialdiagnose zum makulopapulösen Arzneimittelexanthem<br />

auf Amoxicillin ist der toxische „Amoxicillin<br />

Rash“ bei gleichzeitiger Infektion mit den Herpesviren Epstein-<br />

Barr-Virus (EBV) oder Cytomegalievirus (CMV). Diese sind klinisch<br />

nicht von einer echten Typ-IV-Allergie zu unterscheiden und<br />

führen häufig zur Fehlinterpretation als „Penicillinallergie“. Bis<br />

zu 30% dieser Reaktionen ist aber tatsächlich auf eine Typ-IV-Allergie<br />

zurückzuführen 6 . Am einfachsten können diese Reaktionen<br />

vermieden werden, indem Aminopenicilline nur verordnet werden,<br />

wenn sie wirklich notwendig sind.<br />

Literatur:<br />

1) Mertes P.M., Laxenaire M.C., Alla F., Anaphylactic and anaphylactoid reactions occurring during anesthesia in<br />

France in 1999-2000. Anesthesiology. 2003 Sep;99(3):536–45.<br />

2) Pichler W.J., Delayed drug hypersensitivity reactions. Ann Intern Med. 2003; 139: 683–93.<br />

3) Rawlins M.D., Thompson J.W., Mechanisms of adverse drug reactions. In: Davies DM, ed. Textbook of adverse<br />

drug reactions. Oxford, UK: Oxford University Press 1991:18–45.<br />

4) Blanca M., Romano A., Torres M.J., Fernandez J., Mayorga C., Rodriguez J. et al., Update on the evaluation of<br />

hypersensitivity reactions to betalactams. Allergy. 2009 Feb;64(2):183–93.<br />

5) Aberer W., Kränke B., Provocation tests in drug hypersensitivity. Immunology and allergy clinics of North<br />

America. 2009 Aug;29(3):567–84.<br />

6) Trcka J., Seitz C.S., Brocker E.B., Gross G.E., Trautmann A., Aminopenicillin-induced exanthema allows treatment<br />

with certain cephalosporins or phenoxymethyl penicillin. The Journal of antimicrobial chemotherapy.<br />

2007 Jul;60(1):107–11.<br />

7) Demoly P., Allergie et intolérance (pseudo-allergie) aux médicaments. Définitions. In: Nicolas J-F, Thivolet J, eds. Allergie<br />

aux médicaments Tests immuno-biologiques. Montrouge, France: Éditions John Libbey Eurotext 2006:47–52.<br />

OA Priv.-Doz. Mag. Dr. STEFAN WÖHRL,<br />

MedUni Wien, Universitätsklinik für Dermatologie,<br />

Abteilung für Immundermatologie<br />

und infektiöse Hautkrankheiten,<br />

stefan.woehrl@meduniwien.ac.at<br />

© Richard Schuster<br />

ÄRZTE KRONE | Allergie 10 33


ALLERGIE – STATE OF THE ART<br />

Analgetikaintoleranz<br />

DEN GOLD-STANDARD in der Abklärung der Analgetikaunverträglichkeit<br />

stellt der orale Provokationstest dar. Immer noch zu wenig bekannt<br />

ist das Analgetikaintoleranz-Syndrom, das unter einer Vielzahl verschiedener<br />

Namen bekannt ist.<br />

NICHTSTEROIDALE ANTIRHEUMATIKA<br />

„Nichtsteroidale Antirheumatika“ (NSAR) gehören sicherlich zu<br />

den meisteingenommenen Medikamenten weltweit und können<br />

bei bis zu 0,3% der Gesamtbevölkerung zu Unverträglichkeitsreaktionen<br />

meist anaphylaktoider Natur führen, d.h. es treten Symptome<br />

wie Urticaria, Quincke-Ödeme, Kreislaufkollaps, Asthma<br />

bronchiale u.ä. auf, ohne dass dies durch Haut- oder Bluttests auch<br />

einer immunologischen Typ-I-Reaktion zugeschrieben werden<br />

kann. Einzig gegen Propyphenazon ließen sich bisher spezifische<br />

IgE-Antikörper nachweisen, der gleichen Forschergruppe gelang<br />

dies in der Folge jedoch nicht für das sehr häufig zu anaphylaktoiden<br />

Symptomen führende Diclofenac.<br />

KREUZREAKTIONEN DURCH<br />

HEMMUNG DER ZYKLOOXYGENASE<br />

Kreuzreaktionen zwischen den einzelnen Substanzen sind im Falle<br />

der anaphylaktoiden Schmerzmittelunverträglichkeit nicht, wie<br />

z.B. bei Antibiotika, auf strukturell-chemische Ähnlichkeiten<br />

zurückzuführen, sondern beruhen auf dem gleichen Wirkmecha-<br />

Acetylsalicylsäure<br />

(ASS) u.a. NSAR<br />

Hemmung<br />

Cyclooxygenase 1<br />

TXA 2<br />

PGG 2<br />

PGH 2<br />

Aktivierung der<br />

Blutplättchen-<br />

Aggregation<br />

PGI 2 PGF 2PGD 2 PGE 2<br />

Abb.<br />

Membran-Phospholipide<br />

Arachidonsäure<br />

Verminderte<br />

Hemmung<br />

Verminderte<br />

Spiegel<br />

Verminderte<br />

Hemmung<br />

Histamin-Freisetzung<br />

34 ÄRZTE KRONE | Allergie 10<br />

FLAP, 5-LO<br />

5-HPETE<br />

LTA 4<br />

Gesteigerte<br />

Leukotrien-<br />

Synthese<br />

LTB 4 LTC 4 LTD 4 LTE 4<br />

Neutrophilen-<br />

Chemotaxis<br />

und -Aktivierung<br />

Bronchokonstriktion<br />

Vasokonstriktion;<br />

erhöhte Gefäßpermeabilität;<br />

erhöhte<br />

Schleimsekretion<br />

eosinophilen-Chemotaxis<br />

ASS/NSAR – Intoleranzreaktionen (Typen I, II, III)<br />

Redaktion: Dr. Hannelore Nöbauer<br />

nismus im Arachidonsäurezyklus, üblicherweise der Hemmung<br />

der Zyklooxygenase (COX) 1 (resp. 2). Dabei lassen sich nach Art<br />

und Grad ihrer Hemmung verschiedene Gruppen unterscheiden:<br />

nichtselektive COX-1/COX-2-Hemmer (Acetylsalicylsäure ASS,<br />

Piroxicam, Indomethacin, Diclofenac, Mefenaminsäure, Ibuprofen,<br />

Naproxen, Ketoprofen etc.), schwache nichtselektive COX-<br />

1/COX-2-Hemmer (Paracetamol; hohe Dosen hemmen COX-1<br />

stark); relativ selektive COX-2/COX-1-Hemmer (Nimesulid,<br />

Meloxicam, Lornoxicam; hohe Dosen hemmen COX-1) und<br />

schließlich selektive COX-2/COX-1-Hemmer (Celecoxib, Etoricoxib,<br />

Parecoxib, Lumiracoxib).<br />

Aus dieser Einteilung lassen sich auch Rückschlüsse auf die zu<br />

erwartenden Kreuzreaktionen ziehen, da die COX-1-Hemmung<br />

zu einer Unterproduktion von Prostaglandinen und überschießenden<br />

Produktion von Leukotrienen führt (siehe Abb.).<br />

ORALER PROVOKATIONSTEST ZUR<br />

ABKLÄRUNG EINER ANALGETIKAUNVERTRÄGLICHKEIT<br />

Den Gold-Standard in der Abklärung der Analgetikaunverträglichkeit<br />

(v.a. bei den gar nicht so seltenen so genannten „Single<br />

Drug Reactors“) stellt nach wie vor der orale Provokationstest dar,<br />

wobei auch dieser keine sichere prognostische oder auch nur<br />

anamnestische Aussagekraft hat (meist infolge der fehlenden<br />

Reproduzierbarkeit von Kofaktoren).<br />

Ist noch keine endgültige Abklärung erfolgt, so kann man den<br />

Patienten inzwischen zur Schmerzbekämpfung Morphinderivate,<br />

Paracetamol unter 1000 mg Tagesdosis bzw. z.B. Celecoxib1 empfehlen,<br />

da Morphinderivate gar nicht und Paracetamol in der angegeben<br />

Dosis sowie Celecoxib nur sehr selten zu Kreuzreaktionen<br />

führen.<br />

Die bei den Antibiotika so häufigen Typ-4-allergischen Spätreaktionen<br />

werden bei der Analgetikaunverträglichkeit relativ selten<br />

beobachtet. Hervorzuheben sind vielleicht Metamizol als Auslöser<br />

eines fixen Arzneimittelexanthems und Paracetamol als Auslöser<br />

der akuten generalisierten exanthematischen Pustulose<br />

(AGEP).<br />

ANALGETIKAINTOLERANZ-SYNDROM<br />

Gemessen an der Häufigkeit (Prävalenz in der Gesamtbevölkerung<br />

– 0,3%, bei Asthmatikern – 21%, bei Patienten mit Polyposis<br />

nasi – 52% und bei Kombination beider Krankheitsbilder –<br />

65%) vielleicht immer noch zu wenig bekannt ist das sog. Anal-


getikaintoleranz-Syndrom, das unter einer Vielzahl verschiedener<br />

Namen bekannt ist (u.a. ASA-NSAID-exacerbated Respiratory<br />

Disease ANERD, „Aspirin-Trias“, M. Widal, M. Samter, Samter’s<br />

Trias, Analgetika-Asthma-Syndrom, Aspirin-induziertes Asthma<br />

(AIA) und Aspirin-induzierte Rhinitis (AIR), Aspirin-sensitives<br />

Asthma, Aspirin-Asthma-Syndrom, Aspirin-Hypersensitivität,<br />

Aspirin-Idiosynkrasie, „Aspirin-exacerbated Respiratory Disease“<br />

oder nur „einfach“ Aspirin-Intoleranz oder Analgetika-Intoleranz)<br />

und das (nicht immer gleichzeitige) gemeinsame Auftreten<br />

von ASS-Unverträglichkeit (u.a. NSAR), Asthma bronchiale und<br />

Polyposis nasi bezeichnet.<br />

Oft geht primär ein viraler Infekt voraus, es folgen Sinusitiden und<br />

Polyposis nasi, Jahre später zusätzlich ein Asthma bronchiale und<br />

wiederum Jahre später die Analgetikaintoleranz. Aus diesem zeitlichen<br />

Ablauf erklärt sich auch, dass es Patienten mit ANERD gibt,<br />

ohne dass es bereits zu einer anaphylaktoiden Reaktion auf einen<br />

COX-1-Hemmer gekommen sein muss. Die Einnahme des NSAR<br />

ist also nicht die Ursache der Erkrankung, sondern bringt einen<br />

bereits aktiven Entzündungsprozess des respiratorischen Systems<br />

durch Freisetzung von Mediatoren zur Exazerbation. Wichtig<br />

Fachkurzinformationen:<br />

Aerius 5 mg Filmtabletten Zusammensetzung: Jede Tablette enthält 5 mg Desloratadin. Sonstige<br />

Bestandteile: Tablettenkern: Calciumhydrogenphosphat-Dihydrat, mikrokristalline Cellulose,<br />

Maisstärke, Talkum Tablettenüberzug: Farbiger Film (enthält Lactose-Monohydrat, Hypromellose,<br />

Titandioxid, Macrogol 400, Indigocarmin (E 132)), farbloser Film (enthält Hypromellose, Macrogol<br />

400), Carnaubawachs, gebleichtes Wachs. Anwendungsgebiete: Aerius ist angezeigt für die Besserung<br />

der Symptomatik bei: - allergischer Rhinitis; - Urtikaria. Gegenanzeigen: Überempfindlichkeit<br />

gegen den Wirkstoff oder einen der sonstigen Bestandteile oder gegen Loratadin. Schwangerschaft<br />

und Stillzeit: Im Tierversuch war Desloratadin nicht teratogen. Die Unbedenklichkeit der Anwendung<br />

dieses Arzneimittels während der Schwangerschaft ist nicht gesichert. Daher wird die Anwendung<br />

von Aerius während der Schwangerschaft nicht empfohlen. Desloratadin wird in die Muttermilch<br />

ausgeschieden, daher wird die Anwendung von Aerius bei stillenden Müttern nicht empfohlen.<br />

Zulassungsinhaber: SP Europe, Rue de Stalle 73, B-1180 Bruxelles, Belgien. Stand der Information:<br />

3. Februar 2009.Abgabe: Rezept- und apothekenpflichtig, Pharmakotherapeutische Gruppe:Antihistaminika<br />

– H1-Antagonist; ATC-Code: R06A X27. Weitere Angaben zu Dosierung, Art und Dauer der<br />

Anwendung, Warnhinweisen und Vorsichtsmaßnahmen für die Anwendung, Wechselwirkungen mit<br />

anderen Mitteln, Auswirkungen auf die Verkehrstüchtigkeit und das Bedienen von Maschinen,<br />

Nebenwirkungen, Überdosierung, pharmakologischen Eigenschaften und pharmazeutische Angaben<br />

sind der veröffentlichten Fachinformation zu entnehmen.<br />

Aerius 0,5 mg/ml Lösung zum Einnehmen Zusammensetzung: Ein Milliliter Lösung zum Einnehmen<br />

enthält 0,5 mg Desloratadin. Dieses Arzneimittel enthält 150 mg/ml Sorbitol. Liste der sonstigen<br />

Bestandteile: Sorbitol, Propylenglycol, Sucralose E 955, Hypromellose E 2910, Natriumcitrat 2<br />

H2O, natürliche und künstliche Aromen (Bubble-Gum), wasserfreie Citronensäure, Natriumedetat<br />

(Ph.Eur.), gereinigtes Wasser. Anwendungsgebiete: Aerius ist angezeigt zur Besserung der Symptomatik<br />

bei: - allergischer Rhinitis; - Urtikaria. Gegenanzeigen: Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff<br />

oder einen der sonstigen Bestandteile oder gegen Loratadin. Inhaber der Zulassung: SP Europe,<br />

Rue de Stalle 73, B-1180 Bruxelles, Belgien. Abgabe: Rezept- und apothekenpflichtig Pharmakotherapeutische<br />

Gruppe: Antihistaminika – H1-Antagonist; ATC-Code: R06A X27. Stand der Information:<br />

3. Februar 2009. Weitere Angaben zu Dosierung, Art und Dauer der Anwendung, Warnhinweisen<br />

und Vorsichtsmaßnahmen für die Anwendung,Wechselwirkungen mit anderen Mitteln, Schwangerschaft<br />

und Stillzeit, Auswirkungen auf die Verkehrstüchtigkeit und das Bedienen von Maschinen,<br />

Nebenwirkungen, Überdosierung, pharmakologischen Eigenschaften und pharmazeutische Angaben<br />

sind der veröffentlichten Fachinformation zu entnehmen.<br />

Quellen: Baena-Cagnani et al, Int Arch Allergy Immunol 2003;130:307-13, Monroe et al.; J Am Acad<br />

Dermatol, April 2003; 535-41; Horak et al.; J Allergy Clin Immunol June 2002; 956-61 , Devillier P.<br />

et al. Clinical Pharmacokinetics and Pharmacodynamics of Desloratadine, Fexofenadine and Levocetirizine.<br />

Clin Pharmacokinet 2008; 47 (4): 217-230.<br />

NASONEX ® aquosum - NasensprayZusammensetzung: 50 Mikrogramm Mometason Furoat (als<br />

Monohydrat)/ Sprühstoß. Dieses Arzneimittel enthält 0,2 Milligramm Benzalkoniumchlorid pro<br />

Gramm. Liste der sonstigen Bestandteile: Dispersible Cellulose BP 65 cps (Mikrokristalline Cellulose,<br />

Carmellose-Natrium), Glycerol, Natriumcitrat, Citronensäure-Monohydrat, Polysorbat 80, Benzalkoniumchlorid<br />

und gereinigtes Wasser. Anwendungsgebiete: Nasonex ® aquosum – Nasenspray ist<br />

zur Anwendung bei Erwachsenen und bei Kindern ab 12 Jahren zur symptomatischen Behandlung<br />

einer saisonalen allergischen oder perennialen Rhinitis bestimmt. Nasonex ® aquosum – Nasenspray<br />

ist auch zur Anwendung bei Kindern von 6 bis 11 Jahren zur symptomatischen Behandlung einer<br />

saisonalen allergischen oder perennialen allergischen Rhinitis bestimmt. Bei Patienten mit mäßigen<br />

bis schweren Symptomen einer saisonalen allergischen Rhinitis in der Anamnese wird eine prophylaktische<br />

Behandlung mit Nasonex ® aquosum – Nasenspray bis zu vier Wochen vor dem voraussichtlichen<br />

Beginn der Allergiesaison empfohlen. Nasonex ® aquosum – Nasenspray ist zur Behandlung<br />

nasaler Polypen bei erwachsenen Patienten ab 18 Jahren bestimmt. Gegenanzeigen: Überempfindlichkeit<br />

gegen Mometason Furoat oder einen der sonstigen Bestandteile. Nasonex ® aquosum –<br />

Nasenspray sollte bei Vorhandensein einer unbehandelten auf die Nasenschleimhäute lokalisierten<br />

Infektion nicht angewendet werden. Auf Grund der Hemmwirkung von Kortikosteroiden auf die<br />

Wundheilung sollten Patienten nach Nasenoperationen oder -verletzungen bis zur Ausheilung keine<br />

nasalen Kortikosteroide anwenden. Pharmazeutischer Unternehmer: AESCA Pharma GmbH, Am<br />

Euro Platz 2, 1120 Wien. Stand der Information: Jänner 2009. Pharmakotherapeutische Gruppe:<br />

Dekongestionsmittel und andere topische nasale Zubereitungen, Kortikosteroide, ATC-Code: R01 A<br />

D09. Abgabe: Rezept- und apothekenpflichtig, wiederholte Abgabe verboten. Weitere Angaben zu<br />

Dosierung, Art und Dauer der Anwendung, besondere Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen für<br />

erscheint die Kenntnis dieses Krankheitsbildes auch deshalb, da es<br />

bei entsprechender Indikation mit der Acetylsalicylsäure-(ASS)-<br />

Desensibilisierung 2 eine für alle drei Komponenten der Trias Asthma<br />

– Polyposis nasi – Analgetikaintoleranz gut wirksame Therapie<br />

gibt. Zuvor ist mit einer meist oralen Provokation mit ASS die Diagnose<br />

zu sichern, für die Desensibilisierung selbst gibt es verschiedene<br />

Protokolle. Wichtig ist, dass die Patienten lebenslang ASS<br />

einnehmen müssen, da es bereits nach 2–4 Tagen Einnahmepause<br />

zur Resensibilisierung kommen kann. Diese Therapieform ist<br />

daher für den intermittierenden NSAR-Bedarf nicht geeignet.<br />

1 Aufgrund der kardialen Nebenwirkungen der selektiven COX-2-Hemmer kann diese Medikamentengruppe nur<br />

bei herzgesunden Patienten eingesetzt werden<br />

2 Diese nichtimmunologische Desensibilisierung darf nicht mit der auch als Desensibilisierung bezeichneten spezifischen<br />

Immuntherapie mit Allergenen bei Typ-I-Allergie verwechselt werden.<br />

OA Dr. THOMAS HAWRANEK,<br />

Universitätsklinik für Dermatologie und Venerologie<br />

der Paracelsus Medizinische Privatuniversität<br />

Salzburg<br />

t.hawranek@salk.at<br />

die Anwendung, Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln und sonstige Wechselwirkungen,<br />

Schwangerschaft und Stillzeit, Auswirkungen auf die Verkehrstüchtigkeit und die Fähigkeit zum<br />

Bedienen von Maschinen, Nebenwirkungen, Überdosierung, pharmakologischen Eigenschaften und<br />

pharmazeutische Angaben sind der veröffentlichten Fachinformation zu entnehmen.<br />

Quellen: Berkowitz RB, Roberson S, Zora J, et al. Mometasone furoate nasal spray is rapidly effective<br />

in the treatment of seasonal allergic rhinitis in an outdoor(park), acute exposure setting. Allergy<br />

Asthma Proc. 1999;20:167-172; Data on file, Schering-Plough; A 1-year, multicenter, open-label study<br />

of 69 patients with perennial allergic rhinitis to evaluate the tissue changes associated with the<br />

treatment of NASONEX 200 mcg OD. SP Study, Protocol No: 194-079; Minshall et al. Otolaryngol<br />

Head, Neck Surg. 1998;118:648-654; Schenkel E et al. Mometasone furoate nasal spray in seasonal<br />

allergic rhinitis. Effective in relieving ocular symptoms. Allergy and Clinical Immunology International.<br />

2007;19:50-53.; Schenkel E et al. Absence of Growth Retardation in Children With Perennial<br />

Allergic Rhinitis After One Year of Treatment With Momentasone Furoate Aqueous Nasal Spray. Pediatrics<br />

2000; 105; e22.; Erstattungskodex - EKO ab 1. Juli 2008; Bachert C., Allergologie, 28,<br />

Nr.2/2005, S.45-52<br />

Singulair 10 mg Filmtabletten Zusammensetzung: 1 Filmtablette enthält Montelukast-Natrium<br />

entsprechend 10 mg Montelukast. Liste der sonstigen Bestandteile: Mikrokristalline Cellulose, Lactose<br />

Monohydrat, Croscarmellose-Natrium, Hyprollose und Magnesiumstearat. Filmüberzug: Hypromellose,<br />

Hyprollose, Titandioxid (E171), rotes und gelbes Eisenoxid (E172) sowie Carnaubawachs.<br />

Anwendungsgebiete: Singulair ist indiziert als Zusatzbehandlung bei Patienten, die unter einem<br />

leichten bis mittelgradigen persistierenden Asthma leiden, das mit einem inhalativen Kortikoid nicht<br />

ausreichend behandelt und das durch die bedarfsweise Anwendung von kurz wirksamen ß Sympathomimetika<br />

nicht ausreichend unter Kontrolle gebracht werden kann. Bei jenen Asthmapatienten,<br />

bei denen Singulair bei Asthma angezeigt ist, können Singulair 10 mg-Filmtabletten auch die Symptome<br />

der saisonalen allergischen Rhinitis lindern. Außerdem kann Singulair zur Vorbeugung von<br />

Belastungsasthma eingesetzt werden, dessen überwiegende Komponente die durch körperliche<br />

Belastung ausgelöste Bronchokonstriktion darstellt. Gegenanzeigen: Überempfindlichkeit gegen<br />

den Wirkstoff oder einen der sonstigen Bestandteile. Inhaber der Zulassung: Merck Sharp Dohme<br />

GesmbH, Donau-City-Straße 6, 1220 Wien. Abgabe: NR, apothekenpflichtig. Pharmakotherapeutische<br />

Gruppe: Leukotrienrezeptor-Antagonist; ATC-Code: R03DC03. Weitere Angaben zu Besondere<br />

Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen für die Anwendung, Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln<br />

und sonstige Wechselwirkungen, Schwangerschaft und Stillzeit sowie Nebenwirkungen<br />

sind der veröffentlichten Fachinformation zu entnehmen<br />

POLLINEX ® Quattro Zusammensetzung: 1 Flasche enthält nach individueller ärztlicher Rezeptur<br />

zusammen-gestellte, an L-Tyrosin adsorbierte, glutaraldehydbehandelte Pollenextrakte (Allergoide)<br />

standardisiert in Standardised Units (SU), Monophosphoryl-Lipid A/AF (MPL ® ), L-Tyrosin, Phenol,<br />

Natriumchlorid, Natriummonohydrogenphosphat·12H2O, Natriumdihydrogenphosphat·2H20,<br />

Wasser für Injektionszwecke. Die Charakterisierung und Standardisierung der Extrakte erfolgt<br />

durch immunologische und biochemische Verfahren, die zum Teil auch eine Messung des Gehaltes<br />

an Major-Allergen und der Gesamtallergenität beinhalten. Anwendungsgebiete: Allergieimpfung<br />

(Hyposensibilisierung) bei allergischen Erkrankungen (IgE-vermittelt), die durch Pollenallergene<br />

hervorgerufen werden. Gegenanzeigen: Akute oder chronische (Focus) Infektionen oder Entzündungen,<br />

Sekundärveränderungen am Reaktionsorgan, Autoimmunerkrankungen, Immundefekte,<br />

maligne Erkrankungen mit aktuellem Krankheitswert, Überempfindlichkeit gegen die sonstigen<br />

Bestandteile in POLLINEX ® Quattro, Störungen des Tyrosinstoffwechsels, Behandlung mit ?-Blockern,<br />

Krankheiten aufgrund deren das Arzneimittel Adrenalin nicht eingesetzt werden darf,<br />

Schwangerschaft, Stillzeit. Bei einer akuten Infektion, fieberhaften Zuständen sowie bei einem<br />

schweren Asthmaanfall darf die nächste Injektion erst 24 bis 48 Stunden nach Normalisierung des<br />

Gesundheitszustandes erfolgen. Nicht für Kinder unter sechs Jahren. Vorsicht bei cardialer und pulmonaler<br />

Insuffizienz. Zum zeitlichen Abstand zu Schutzimpfungen siehe Hinweise in der<br />

Gebrauchsinformation. Nebenwirkungen: Neben Lokalreaktionen können milde bis gesteigerte<br />

Allgemeinreaktionen, in seltenen Fällen Schockreaktionen auftreten. Eine Verschlimmerung eines<br />

atopischen Ekzems ist möglich. Vorsichtsmaßnahmen sowie erforderliche Maßnahmen, Medikamente<br />

und Instrumente zur Behandlung von Nebenwirkungen siehe Gebrauchs-information.<br />

Äußerst selten kommen verzögerte Reaktionen vom Typ III vor. Hinweise: In seltenen Fällen kann<br />

nach der Injektion leichte Müdigkeit auftreten. Ist dies der Fall, sollte der Patient kein Kraftfahrzeug<br />

führen und keine Maschinen bedienen. Verschreibungspflichtig. © Bencard Allergie GmbH,<br />

Hertha-Firnberg-Straße 3/29, A-1100 Wien, Tel. (01) 606 11 11 Fax (01) 606 11 24,Internet:<br />

www.bencard.at. Stand: Juli 2008<br />

ÄRZTE KRONE | Allergie 10 35


ALLERGIE – STATE OF THE ART<br />

„Nahrungsmittelunverträglichkeit:<br />

Allergie oder ...?“<br />

GASTROINTESTINALE BESCHWERDEN, Hautveränderungen oder<br />

Atemwegsbeschwerden nach dem Verzehr von Nahrungsmitteln werden<br />

von den Betroffenen oft mit der Nahrungsmittelaufnahme in Verbindung<br />

gebracht. Diesen vermeintlichen Zusammenhang einer korrekten Diagnose<br />

zuzuführen ist die Herausforderung bei der Abklärung von Nahrungsmittelunverträglichkeiten.<br />

EINLEITUNG<br />

Wir essen tagtäglich, und das mehrmals. Gelegentlich drückt der<br />

Magen, die Haut oder die Nase juckt, wir ringen nach Luft. Wir<br />

denken bald an das kürzlich verzehrte Essen. Da wir tagtäglich<br />

mehrmals Nahrungsmittel aufnehmen, werden Beschwerden wie<br />

Bauchschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Hautveränderungen,<br />

Durchfall, aber auch Atemwegsbeschwerden bis hin zu einer<br />

verlegten Nase durch die Betroffenen oft mit der Nahrungsmittelaufnahme<br />

in Verbindung gebracht. Diesen vermeintlichen<br />

Zusammenhang einer korrekten Diagnose zuzuführen ist die<br />

Herausforderung in der Abklärung von Nahrungsmittelunverträglichkeiten.<br />

Die Hitliste der möglichen ursächlichen Nahrungsmittel ist groß<br />

und umfasst die Grundnahrungsmittel bis zu exotischen Früchten.<br />

Rund 20% der Bevölkerung glaubt allergisch auf ein Nahrungs-<br />

IgE-vermittelt<br />

Urtikaria<br />

Asthma<br />

Quincke-Ödem<br />

Rhinitis<br />

Anaphylaxie<br />

36 ÄRZTE KRONE | Allergie 10<br />

Tab. 1 NAHRUNGSMITTELUNVERTRÄGLICHKEIT<br />

Redaktion: Dr. Hannelore Nöbauer<br />

mittel zu sein; tatsächlich unter Ausschöpfung der diagnostischen<br />

Möglichkeiten leiden (nur) 0,5–3% an einer echten Nahrungsmittelunverträglichkeit<br />

(Abb. und Tab. 1). Das soll jetzt nicht heißen,<br />

dass bis zu 20% Hypochonder herumlaufen, sondern dass die<br />

Kausalität zwischen Nahrungsmittel und Beschwerden nicht<br />

belegt werden kann und daher auch nach anderen Ursachen zu<br />

suchen ist (Tab. 2).<br />

EINTEILUNG UND DEFINITIONEN<br />

Krankheitszeichen bei Genuss von Nahrungsmitteln können<br />

nichtimmunologische Erkrankungen (Nahrungsmittelintoleranzen)<br />

oder immunologische Erkrankungen (Nahrungsmittelallergien)<br />

zugrunde liegen. Die Nahrungsmittelintoleranzen umfassen<br />

dabei einen Sammeltopf verschiedener Krankheitsbilder mit<br />

unterschiedlicher Ätiologie (Tab. 1 und Tab. 2):<br />

Nahrungsmittelallergie Nichtallergische Nahrungsmittelunverträglichkeit<br />

Gemischt IgEnicht<br />

IgE-vermittelt<br />

allergische eosinophile<br />

Ösophagitis/<br />

Gastritis<br />

Asthma<br />

Neurodermitis<br />

Nicht IgEvermittelt<br />

Neurodermitis-<br />

Verschlechterung<br />

Zöliakie<br />

Proktokolitis<br />

Ösophagitis<br />

Enteropathie<br />

Toxisch Enzymdefekt Pharmakologisch<br />

z.B. Fisch<br />

z.B. Laktose,<br />

Fruktose<br />

z.B. Histamin<br />

© Tomo Jesenicnik - Fotolia.com


● Durch in Nahrungsmitteln direkt vorhandene oder aus Bakterien<br />

freigesetzte Toxine führen meist zu akuten Krankheitsbildern.<br />

● Angeborene Enzymdefekte, die bereits bei Erstkontakt ohne vorherige<br />

Sensibilisierung Beschwerden bewirken, werden auch unter<br />

dem Namen „Nahrungsmittelidiosynkrasie“ zusammengefasst. Zu<br />

diesen zählt z.B. die Laktoseintoleranz oder die Phenylketonurie<br />

(jeweils Fehlen eines entsprechenden Enzyms).<br />

● In Nahrungsmitteln entweder vermehrt vorkommende oder unspezifisch<br />

(nicht IgE-vermittelt) freigesetzte vasoaktive Amine, wie<br />

z.B. Histamin oder Tyramin, können den IgE-vermittelten Frühreaktionen<br />

sehr ähnliche Symptome hervorrufen.<br />

● Abneigungen gegen Nahrungsmittel müssen abgegrenzt werden.<br />

Die Nahrungsmittelallergien sind entweder (Tab. 1):<br />

1. IgE-vermittelt<br />

2. gemischt IgE- und nicht IgE-vermittelt<br />

3. nicht IgE-vermittelt<br />

DIAGNOSTIK<br />

Bei der Diagnostik der Nahrungsmittelallergie gibt es keinen einzelnen,<br />

beweisenden Laborparameter. Ein stufenweises Vorgehen<br />

unter Berücksichtigung individueller Faktoren ist sinnvoll. Die<br />

Nahrungsmittelallergiediagnostik unterscheidet sich prinzipiell<br />

nicht wesentlich von der Diagnostik anderer allergischer Erkrankungen<br />

(siehe Abb.).<br />

VERTEILUNG<br />

Kinder sind tatsächlich häufiger betroffen als Erwachsene.<br />

Auch sind die Beschwerdebilder schwerwiegender, manchmal<br />

bedrohlich, so dass eine Abklärung über spezialisierte Fachärzte<br />

(Kinder, Haut, HNO, Lunge) und Spezialeinrichtungen<br />

(Allergieambulatorien und Allergieambulanzen) unbedingt zu<br />

fordern ist.<br />

Die Prognose der häufigen IgE-vermittelten Nahrungsmittel-<br />

Allergien ist insgesamt als günstig anzusehen. So verlieren die<br />

meisten (bis zu 80%) der betroffenen Säuglinge und Kleinkinder<br />

ihre Nahrungsmittelallergien im Laufe der Jahre wieder und<br />

vertragen diese Nahrungsmittel danach beschwerdefrei. Der<br />

Verlust der Allergie bzw. die Toleranzentwicklung gegenüber<br />

bestimmte Nahrungsmittel hängt allerdings sehr stark vom<br />

betroffenen Nahrungsmittel ab. Allergien gegen Kuhmilch,<br />

Hühnerei, Soja, Weizen zeigen einen deutlich besseren Verlauf<br />

als Allergien auf Erdnüsse, Haselnüsse, Fisch und Krebstiere<br />

(Tab. 3). Daher ist die Behandlungsentscheidung im Verlauf der<br />

Erkrankung immer mit den betreuenden <strong>Ärzte</strong>n zu besprechen!<br />

Für jene Patienten, die ihre Allergie nicht verlieren, ist eine<br />

stringente Versorgung und Betreuung erforderlich, da hier die<br />

Gefahr der Anaphylaxie allgegenwärtig ist.<br />

Auch Erwachsene haben Nahrungsmittelunverträglichkeiten.<br />

Dies jedoch seltener, entweder als nicht ausgewachsene Allergie<br />

aus dem Kindesalter oder, noch seltener, als neu aufgetretene<br />

Allergie im Erwachsenenalter. Recht häufig tritt eine neu<br />

auftretende Form in Zusammenhang mit einer Allergie der<br />

Atemwege auf (Rhinitis, Asthma), auch als Kreuzallergie<br />

bezeichnet (Tab. 4). Zumeist sind die Erscheinungsbilder dieser<br />

Nahrungsmittelallergien harmloser, aber eine Abklärung über<br />

spezialisierte Fachärzte (Haut, HNO, Lunge) und Spezialein-<br />

Abb.: DIAGNOSTISCHE MÖGLICHKEITEN BEI VERDACHT<br />

AUF NAHRUNGSMITTELUNVERTRÄGLICHKEIT<br />

1. Anamnese<br />

2. Symptom-Nahrungsmittel-Tagebuch<br />

3. In-vitro-Untersuchungen:<br />

spezifische IgE-Antikörper<br />

4. In-vivo-Untersuchungen:<br />

a. Hautpricktest (inkl. Prick-Prick)<br />

b. (Atopiepatchtest)<br />

5. Provokationstests:<br />

Orale Provokationen<br />

Tab. 2: KLINISCHE AUSPRÄGUNG EINER<br />

NAHRUNGSMITTELALLERGIE NACH ORGANSYSTEMEN<br />

Haut Gastrointestinal<br />

● Urtikaria, Exanthem<br />

● Quincke-Ödem<br />

● Ekzemverschlechterung<br />

● Juckreiz<br />

● Flush<br />

● Übelkeit, Erbrechen<br />

● Durchfall<br />

● Obstipation, Meteorismus<br />

● Bauchscherzen<br />

● Gewichtsverlust, Dystrophie<br />

Respiratorisch Diverse<br />

● Bronchiale Obstruktion<br />

● Rhinokonjunktivitis<br />

● Larynxödem, Stridor<br />

● Husten<br />

Kuhmilch<br />

Hühnerei<br />

Weizen<br />

Soja<br />

● Kopfschmerzen (Migräne)<br />

● Müdigkeit<br />

● Fieber<br />

● Unruhe, Irritabilität<br />

Anaphylaktische Reaktion<br />

Tab. 3: LISTE DER HÄUFIGSTEN NAHRUNGSMITTEL,<br />

DIE ZUMEIST IM KINDESALTER ALLERGISCHE<br />

SYMPTOME AUSLÖSEN<br />

Erdnuss<br />

Haselnuss<br />

Fisch<br />

Schalentiere<br />

richtungen (Allergieambulatorien und Allergieambulanzen) ist<br />

gleichermaßen zu fordern.<br />

THERAPIE<br />

Therapiemöglichkeiten bei Nahrungsmittelallergien umfassen<br />

Eliminationsdiäten und Pharmakotherapien (Anaphylaxie-Notfallset:<br />

Adrenalin, Antihistaminikum, Kortikosteroide). Eine<br />

Beeinflussung des natürlichen Verlaufes von Nahrungsmittelallergien<br />

ist dadurch nach heutigem Verständnis nicht zu erzielen.<br />

Diätempfehlungen für Eliminationsdiäten müssen auf geeigneten<br />

oralen Provokationstestungen beruhen und sind im Kindesalter<br />

jeweils nur für 12–24 Monate gültig, danach muss die klinische<br />

Aktualität neu evaluiert werden. Ärztlich verordnete Diätempfehlungen<br />

können nur in Form einer ausführlichen Diätberatung<br />

durch einen geschulten Diätologen/Ökotrophologen<br />

umgesetzt werden. Die Schulung der Patienten und ihrer Familien<br />

umfasst neben der diätetischen Schulung auch das Erkennen<br />

von allergischen Frühsymptomen und die Behandlung allergischer<br />

Reaktionen nach dem versehentlichen Genuss zu vermeidender<br />

Nahrungsmittel.<br />

ÄRZTE KRONE | Allergie 10 37


Entgeltliche Einschaltung<br />

ALLERGIE – STATE OF THE ART<br />

Tab. 4: HÄUFIGE KREUZREAKTIVITÄTEN: ORALES<br />

ALLERGIE-SYNDROM BEI POLLENASSOZIIERTEN ALLERGIEN<br />

Pollen Nahrungsmittel<br />

Birke<br />

Apfel, Haselnuss, Karotte,<br />

Erdäpfel, Kiwi, Sellerie,<br />

Kirsche, Pfirsich<br />

Beifuß Sellerie, Karotte, Fenchel<br />

Ragweed Melone, Banane<br />

Gräser<br />

Erdäpfel, Tomaten,<br />

Wassermelone, Kiwi, Erdnuss<br />

Eine Pharmakotherapie (z.B. Verabreichung von Antihistaminika<br />

oder Steroiden) ist nur als kurzfristige, symptomatische Therapie<br />

beim Auftreten allergischer Symptome zu betrachten. Eine prophylaktische<br />

Dauertherapie mit Antihistaminika oder Steroiden ist nicht<br />

zielführend und nicht indiziert. Antihistaminika mögen zwar einige<br />

IgE-vermittelte Reaktionen an der Haut oder Schleimhaut abschwächen,<br />

haben aber wenige Effekte auf systemische Reaktionen.<br />

Die Behandlung nahrungsmittelinduzierter anaphylaktischer<br />

Reaktionen ist immer ein Notfall. Patienten, die frühere anaphy-<br />

PROMOTION<br />

DIE MEDIZINISCHE SPEZIALSEIDE<br />

DERMASILK kann durch ihr besonderes<br />

Wirkprinzip quälenden Juckreiz rasch stoppen,<br />

die Wundheilung beschleunigen und<br />

schmerzhafte Entzündungen verhindern.<br />

Studien an den Universitätskliniken in Wien,<br />

Zürich und Bologna zeigen u.a., dass die<br />

Wirkung der DermaSilk-Unterbekleidung<br />

mit jener von Kortison vergleichbar ist. Die<br />

Kombination aus Sicherheit, Wirksamkeit<br />

und Tragekomfort überzeugte auch die wissenschaftliche<br />

Vereinigung der europäischen<br />

Dermatologen (EADV). Im neuen Positionspapier<br />

der Arbeitsgruppe ETFAD (European<br />

Task Force on Atopic Dermatitis) wurde die<br />

Spezialseide deshalb als Behandlungsoption<br />

ab leichten Ekzemen empfohlen. 1<br />

38 ÄRZTE KRONE | Allergie 10<br />

WIRKPRINZIP: KURZSCHLUSS FÜR KEIME<br />

Seide kann Wärme und Feuchtigkeit gut<br />

regulieren. Ihre langen Fasern machen den<br />

Stoff geschmeidig, lindern den Juckreiz<br />

und beschleunigen die Wundheilung. Wissenschafter<br />

machten sich diese positiven<br />

Effekte zunutze und veredelten die Seidenfaser<br />

mit der antimikrobiellen Substanz<br />

AEM5772/5 (Aegis), die bereits seit<br />

vielen Jahren in der Medizin zum Einsatz<br />

kommt (z.B. Steriltücher). Das positiv<br />

geladene Schutzschild Aegis zieht negativ<br />

geladene Keime an und zerstört bei Kontakt<br />

ihre Zellwand. Durch diesen elektrischen<br />

Kurzschluss kann die Besiedelung<br />

von Mikroorganismen und damit eine<br />

laktische Reaktionen hatten, unter Asthma bronchiale leiden oder<br />

allergisch gegen Erdnüsse, Nüsse, Fisch oder Schalentiere sind,<br />

haben ein erhöhtes Risiko für eine anaphylaktische Reaktion. Diese<br />

Patienten sollten immer Epinephrin (Adrenalin) als Selbstmedikationsset<br />

mit sich führen. Bei den ersten Anzeichen einer anaphylaktischen<br />

Reaktion sollte Epinephrin frühzeitig eingesetzt<br />

werden. Es wurde gezeigt, dass bei verzögertem Behandlungsbeginn<br />

die Komplikations- und Sterblichkeitsrate häufiger ist. Eine<br />

Allergen-Immuntherapie (subkutan oder sublingual) mit Nahrungsmitteln<br />

ist derzeit weder verfügbar noch als Standardtherapie<br />

zu empfehlen.<br />

Neue alternative Immuntherapieformen sind zur Zeit in Testung,<br />

stehen aber für den Routineeinsatz nicht zur Verfügung.<br />

Univ.-Prof. Dr. ZSOLT SZÉPFALUSI<br />

Universitätsklinik für Kinder-<br />

und Jugendheilkunde Wien<br />

Zsolt.Szepfalusi@meduniwien.ac.at<br />

Atopische Dermatitis<br />

Medizinische Seide DermaSilk schützt empfindliche Haut<br />

Infektion verhindert werden. Eine Untersuchung<br />

im eb-Haus Salzburg zeigte sogar<br />

bei Epidermolysis bullosa-Patienten sehr<br />

gute Erfolge.<br />

DAUERHAFTE SCHUTZFUNKTION<br />

Bei Fasern die mit Silber oder der Chemikalie<br />

Triclosan behandelt wurden, wird die<br />

Veredelung durch Schwitzen, Tragen und<br />

Waschen wieder herausgelöst. Diese Textilien<br />

verlieren deshalb mit der Zeit immer<br />

mehr an Wirkung. Der Aegis-Schutz von<br />

DermaSilk ist dauerhaft an die Seidenfaser<br />

gebunden und behält damit auch nach starkem<br />

Gebrauch und oftmaligem Waschen<br />

seine antibakterielle und antimykotische<br />

Funktion.<br />

Das Produktsortiment umfasst Verbandstreifen<br />

und -schläuche, Handschuhe,<br />

Kopfhaube, Unterbekleidung etc. für Kinder<br />

und Erwachsene. DermaSilk ist als<br />

Medizinprodukt Klasse I registriert und im<br />

medizinischen Fachhandel (z.B. Bständig,<br />

Heindl, Tappe) erhältlich.<br />

Mehr Information unter www.dermasilk.at<br />

1ETFAD/EADV eczema task force 2009 position paper on diagnosis and<br />

treatment of atopic dermatitis; JEADV 2009


ALLERGIE – STATE OF THE ART<br />

Neues zum atopischen Ekzem<br />

DAS ATOPISCHE EKZEM (AE), die Neurodermitis, ist eine chronisch<br />

oder chronisch-rezidivierend verlaufende entzündliche Hauterkrankung.<br />

Sie ist durch gerötete, schuppende, sehr trockene und juckende Haut<br />

gekennzeichnet. Die betroffenen Personen leiden sehr unter dieser Erkrankung<br />

und haben oft eine erheblich beeinträchtigte Lebensqualität.<br />

DIE URSACHE DES AE ist noch nicht<br />

völlig geklärt. Ein Zusammenspiel aus<br />

genetischen Faktoren, Umwelteinflüssen<br />

und immunologischen Veränderungen<br />

wird bei der Entstehung dieser Erkrankung<br />

als wichtig erachtet.<br />

EPIDEMIOLOGIE<br />

In der westlichen Welt leiden bis zu 20<br />

Prozent der Kinder an dieser schubhaft<br />

verlaufenden Krankheit. Bei vielen Kindern<br />

kommt es aber mit zunehmendem<br />

Alter, besonders mit Eintritt in die Pubertät,<br />

zu einer dauerhaften Remission der<br />

Krankheit. Statistiken belegen, dass etwa<br />

40 Prozent der an AE leidenden Kinder<br />

die Erkrankung mit zunehmendem Alter<br />

überwinden, während andere sie ihr ganzes<br />

Leben behalten. Bei den Erwachsenen<br />

sind drei bis fünf Prozent betroffen. Ein<br />

Beginn im Erwachsenenalter ist selten<br />

(„Late onset atopic dermatitis“).<br />

ATOPIE UND ATOPISCHER MARSCH<br />

Ein wesentlicher Punkt ist, dass das AE<br />

häufig mit Typ-I-Allergien wie allergische<br />

Rhinokonjunktivitis und allergisches Asthma<br />

vergesellschaftet ist. Diese Konstellation<br />

wird als Atopie beschrieben. Darunter<br />

versteht man eine genetisch bedingte Neigung,Typ-I-Überempfindlichkeitsreaktionen<br />

zu entwickeln. So bilden sich bei 70–<br />

90% aller AE-Patienten spezifische IgE-<br />

Antikörper gegen an und für sich harmlose<br />

Umweltallergene. Untersuchungen haben<br />

gezeigt, dass Kinder mit AE ein erhöhtes<br />

Risiko haben, später im Leben respiratorische<br />

Allergien (allerg. Rhinokonjunktivitis<br />

und allergisches Asthma) zu entwickeln.<br />

Diese Entwicklung wird als „atopischer<br />

Marsch“ bezeichnet. Es ist daher wichtig,<br />

die Eltern von Kindern mit AE über diesen<br />

Zusammenhang aufzuklären, so dass diese<br />

auf erste Anzeichen einer allergischen Rhinokonjunktivitis<br />

und Asthma achten.<br />

KLINIK UND DIAGNOSE<br />

Das klinische Erscheinungsbild des AE ist<br />

altersspezifisch. Während der ersten<br />

Lebensmonate kann sich eine gelbe<br />

Schuppenkruste am Capillitium bilden<br />

(Milchschorf). Die Erkrankung kann sich<br />

dann im Kleinkindesalter auf Gesicht und<br />

Streckseiten der Extremitäten ausbreiten.<br />

Danach entwickelt sich das typische Beugenekzem.<br />

Häufig findet man als Folge<br />

von Juckreiz und Kratzen eine Lichenifikation<br />

der Haut.<br />

Die Diagnosestellung des AE erfolgt klinisch.<br />

Als Hilfestellung wurden von Hanifin<br />

und Rajka exakte diagnostische Kriterien<br />

entwickelt (Hanifin J.M., Rajka G., Diagnostic<br />

features of atopic dermatitis. Acta Derm.<br />

Venereol (Stockh) 1980; 92 (Suppl.):44–<br />

47). Demzufolge sind 3 der 4 Hauptkriterien<br />

nötig: Juckreiz, typische Morphologie und<br />

Verteilung der Hautläsionen, chronisch oder<br />

chronisch rezidivierender Verlauf und positive<br />

Eigen- oder Familienanamnese für atopische<br />

Erkrankungen, zusätzlich zu mindestens<br />

3 von 21 Minorkriterien.<br />

JUCKREIZ UND NEIGUNG<br />

ZU INFEKTIONEN<br />

Zu den wesentlichen Merkmalen des AE<br />

zählt der quälende Juckreiz, der durch eine<br />

niedrige Juckreizschwelle erklärt wird.<br />

Umweltallergene wie Hausstaubmilben und<br />

Redaktion: Dr. Hannelore Nöbauer<br />

irritierende Substanzen verschlimmern den<br />

„Itch-Scratch-Circle“ (Juck-Kratz-Teufelskreis).<br />

Am Ende steht die aufgeriebene, bisweilen<br />

blutig aufgekratzte Haut. Dort siedeln<br />

sich Bakterien, Viren und Pilze an und<br />

führen zu Infektionen, die wiederum das<br />

Immunsystem massiv stimulieren und zu<br />

einem Schub führen können.<br />

BARRIEREDEFEKT<br />

UND GENETISCHE PRÄDISPOSITION<br />

Ganz typisch für die Erkrankung ist die<br />

trockene Haut. Grundlage der Symptomatik<br />

ist eine geschwächte Barrierefunktion<br />

der Epidermis. Die Ursache des Barrieredefekts<br />

liegt einerseits bei einem Mangel<br />

an Stratum-corneum-Lipiden wie Ceramid<br />

und Lipiden und andererseits an einem<br />

genetisch bedingten Funktionsverlust von<br />

Filaggrin, einem Strukturprotein des Stratum<br />

corneum. Die Patienten leiden an<br />

einem Permeabilitätsbarrieredefekt. Die<br />

Feuchtigkeit kann nicht in der Haut gehalten<br />

werden, so dass diese austrocknet. Der<br />

Barrieredefekt begünstigt ein perkutanes<br />

Eindringen von Umweltallergenen und<br />

pathogenen Keimen und in der Folge die<br />

Entwicklung von allergischen Reaktionen<br />

und Infektionen.<br />

Schon lange ist bekannt, dass das AE auf<br />

dem Boden einer genetischen Prädisposition<br />

entsteht. Zwei Drittel der Patienten<br />

weisen eine familiäre Vorgeschichte auf.<br />

Darüber hinaus zeigen Zwillingsstudien<br />

eine Konkordanz von 80% bei homozygoten<br />

und 30% bei dizygoten Zwillingen.<br />

Ein polygener Vererbungsmodus wurde<br />

vorgeschlagen. Genetische Studien zeigten<br />

den Einfluss von multiplen Mediatoren<br />

der atopischen Entzündung auf. Bis dato<br />

ÄRZTE KRONE | Allergie 10 39


ALLERGIE – STATE OF THE ART<br />

sind die Loss-of-Function-Mutationen des<br />

Filaggrin-Gens der bedeutendste genetische<br />

Defekt. Diese finden sich bei 18–<br />

47% aller getesteten europäischen Patienten<br />

mit AE und sind somit der wichtigste<br />

genetische Risikofaktor für die Entwicklung<br />

eines AE.<br />

Zusätzlich beeinflussen endogene Faktoren<br />

wie Stress den Ausbruch und Verlauf<br />

der Erkrankung.<br />

THERAPIE<br />

Patienteninformation und Aufklärung<br />

Die Aufklärung der Patienten ist eine wichtige<br />

Säule in der Patientenführung und<br />

ermöglicht den Aufbau von Vertrauen zwischen<br />

Arzt, Patient und Familie. Den<br />

Patienten sollte eine strukturierte Neurodermitisschulung<br />

angeboten werden und folgende<br />

Punkte umfassen: genetische Disposition,<br />

Behandlung der Trockenheit der<br />

Haut, Vermeidung von Triggerfaktoren,<br />

Vermeidung von Schwitzen, Maßnahmen<br />

gegen Innenraumallergien, Reduktion der<br />

Pollenexposition, Information zur Wirkung<br />

von Sonne, Vermeidung von bakteriell kontaminierten<br />

Umweltgegenständen, Vermeidung<br />

von Kontakt mit Menschen mit aktivem<br />

Herpes simplex, Information zu Vakzinierungen<br />

und Information zur Ernährung.<br />

Die Therapie des AE richtet sich nach der<br />

Schwere der Symptome und wird individuell<br />

angepasst. Als Anhaltspunkt dient<br />

ein Stufenschema (siehe Abb.).<br />

Basispflege<br />

Ein besseres molekulares und biochemisches<br />

Verständnis der Faktoren, die der<br />

„trockenen Haut und der Allergieneigung“<br />

zugrunde liegen, wird zukünftig zu einer<br />

Verbesserung topischer Medikamente und<br />

zur Reparatur des Barrieresystems führen.<br />

Die tägliche Basispflege soll 2-mal täglich<br />

angewendet werden und dient der Stabilisierung<br />

der Barrierefunktion der Haut. Bei<br />

der Auswahl der Pflegecreme soll darauf<br />

Abb.: STUFENTHERAPIE DES ATOPISCHEN EKZEMS<br />

Stufe 1 Stufe 2 Stufe 3 Stufe 4<br />

trockene Haut leichte Ekzeme moderate Ekzeme persistierende, schwer ausgeprägte Ekzeme<br />

● Basispflege der Haut<br />

● antiseptische Wirkstoffe<br />

● Behandlung des Juckreizes<br />

● systematische Therapie (z.B. Cyclosporin A)<br />

geachtet werden, dass diese rückfettend ist<br />

und ca. 5% Urea beinhaltet. Produkte, die<br />

Erdnussöl beinhalten, sollten aufgrund des<br />

allergenen Potenzials gemieden werden.<br />

Darüber hinaus sollen unspezifische Triggerfaktoren<br />

vermieden werden.<br />

Antientzündliche Therapie<br />

Zum Management von Schüben wird eine<br />

antiinflammatorische Behandlung mit<br />

topischen Glukokortikoiden und topischen<br />

Calcineurininhibitoren empfohlen. Topische<br />

Kortikosteroide bleiben die Hauptstütze<br />

der Therapie. Bei bestimmten Lokalisationen<br />

(Gesicht, Achseln, inguinal,<br />

Genitalregion) und im Langzeitmanagement<br />

sind die topischen Calcineurininhibitoren<br />

Tacrolimus und Pimecrolimus zu<br />

bevorzugen. Eine „proaktive Behandlung“<br />

mit Tacrolimus im Sinne einer Schubprophylaxe<br />

wurde erst kürzlich als klinisch<br />

wirksam und kosteneffektiv evaluiert:<br />

2-mal/Woche werden die typischen<br />

Problemstellen (z.B. in den Ellenbeugen)<br />

● äußerliche Behandlung mit Glukokortikoiden der Klasse 2 und 3 und/oder Calcineurinhemmern<br />

● äußerliche Behandlung mit Glukokortikoiden der Klasse 1 und 2 (äußerlich) und/oder Calcineurinhemmern<br />

● Vermeidung und Reduktion von Provokationsfaktoren<br />

40 ÄRZTE KRONE | Allergie 10


ehandelt, auch wenn rein äußerlich keine<br />

Veränderungen wahrnehmbar sind und die<br />

Haut optisch als gesund erscheint.<br />

Systemische antientzündliche Therapie<br />

Eine systemische antientzündliche Behandlung<br />

sollte einzig bei sehr schweren<br />

Fällen zur Anwendung kommen. Systemische<br />

Kortikosteroide sind schnell wirksam,<br />

dürfen aber aufgrund der Nebenwirkungen<br />

nur kurzfristig angewendet werden. Darüber<br />

hinaus haben sich Cyclosporin A (3–5<br />

mg/kg/Tag) und Azathioprin (2,5 mg/kg/<br />

Tag) als wirksam erwiesen. Alternativ<br />

konnte in kleine Studien die Wirksamkeit<br />

von Mycophenolat Mofetil nachgewiesen<br />

werden.<br />

Andere begleitende Therapien<br />

Eine adjuvante Phototherapie kann das<br />

Erscheinungsbild des AE verbessern, die<br />

bakterielle Kolonisierung vermindern und<br />

den Verbrauch von topischen antientzündlichen<br />

Medikamenten reduzieren.<br />

Antibiotika und Virostatika sind bei Anzeichen<br />

einer bakteriellen Superinfektion und<br />

Eczema herpeticatum indiziert.<br />

Adjuvant können systemische Antihistaminika<br />

zur Erleichterung des Juckreizes verabreicht<br />

werden.<br />

Derma Silk ist eine speziell mit einer quaternären<br />

Ammoniumbase behandelte Seidenbekleidung,<br />

die Bakterien bindet und<br />

tötet und so bakteriell bedingte Exazerbation<br />

reduziert. Derzeit liegen zwei<br />

kleine Studien vor, die eine signifikante<br />

Verbesserung der Hautsymptomatik<br />

zeigten.<br />

Biologika und Probiotika<br />

Biologika: Bis dato gibt es einzelne<br />

Pilotstudien und Fallberichte zum Ef-<br />

Allergie auf Reisen<br />

fekt von verschiedenen Biologika bei<br />

schweren therapieresistenten Patienten mit<br />

atopischem Ekzem. Repräsentative randomisierte<br />

Studien fehlen. Daher kann diesbezüglich<br />

keine Empfehlung gegeben werden.<br />

Probiotika: Therapieregime mit Probiotika<br />

zielen darauf ab, die Mikroflora im Darm<br />

zu modulieren und so eine „allergieprotektive“<br />

T-Helfer-1-Immunantwort statt einer<br />

„allergiepermessiven“ T-Helfer-2-Immunantwort<br />

zu stimulieren. Leider konnte nach<br />

ersten viel versprechenden Ergebnissen<br />

kein nützlicher Effekt bestätigt werden.<br />

Univ.-Prof. Dr.<br />

TAMARA KOPP<br />

Universitätsklinik für<br />

Dermatologie Wien<br />

tamara.kopp@meduniwien.ac.at<br />

DIE SCHÖNE WEITE WELT zeigt sich manchen AllergikerInnen nicht<br />

immer als das, was die Reiseprospekte versprechen. Nur allzu oft endet<br />

der wohlverdiente Urlaub für Allergiker beim Arzt.<br />

WO LIEGEN DIE VERSTECKTEN FAL-<br />

LEN? Sie können unter anderem in der<br />

Unterkunft zu finden sein (Milben, Pilzsporen),<br />

in der Verpflegung (Nahrungsmittelallergien<br />

oder -unverträglichkeiten) oder<br />

besonders auch in unerwarteten Pollenoder<br />

Sporenbelastungen liegen. Wer weiß<br />

denn schon so genau, wann und wo welche<br />

Pollen in welcher Menge in der Atemluft<br />

vorkommen? Nicht einmal der Hausarzt,<br />

aber auch nicht der Allergologe können in<br />

der Regel schlüssige Aussagen dazu<br />

machen. Und ehrlich gesagt: Auch die Pollenwarndienste<br />

können höchstens zur lokalen<br />

Situation genauer Auskunft geben. Was<br />

sich auf Hawaii tut, oder auf Phuket, in<br />

Wladiwostok oder in Kapstadt – es kann<br />

nur erahnt werden. Daten gibt es von außerhalb<br />

Europas nur sehr spärlich. Auch Reisebüros<br />

wissen meist nicht Bescheid.<br />

EUROPÄISCHE POLLEN-DATENBANK<br />

Dass der Beifuß im August blüht, weiß doch<br />

jedes Kind – zumindest jeder davon betroffene<br />

Allergiker. Dass diese Pollen aber auf<br />

Teneriffa im April in größeren Mengen auf-<br />

treten, ist auch uns erst vor<br />

nicht allzu langer Zeit zur<br />

Kenntnis gebracht worden, als<br />

wir Teneriffa in die europäische<br />

Pollen-Datenbank aufnehmen<br />

konnten. Damit kommen<br />

wir auch schon zum<br />

Kernpunkt: die europäische<br />

Pollen-Datenbank (EAN). Sie<br />

ist die Grundlage für alle pollen-<br />

und allergiebezogenen<br />

Informationen und wissenschaftlichen<br />

Arbeiten, die<br />

regelmäßig in den verschiedensten<br />

Medien veröffentlicht<br />

werden. Mittels längerer<br />

Datenreihen können unter<br />

anderem Karten mit der<br />

durchschnittlichen Pollenbelastung<br />

erstellt werden, die für<br />

die Urlaubsplanung hilfreich<br />

sind. Diese Karten sind im<br />

Internet auf www.pollenwarndienst.at<br />

unter „Verbreitung“<br />

abrufbar. Bei Auswahl eines<br />

Pollentyps bekommt man für die Periode,<br />

während der dieser Pollentyp irgendwo in<br />

Abb. 1: BIRKENPOLLENVERTEILUNG IN DEN LETZEN<br />

10 TAGEN IM APRIL<br />

sehr niedrig<br />

niedrig<br />

mäßig<br />

hoch<br />

sehr hoch<br />

Europa regelmäßig vorkommt, pro Monat<br />

drei Karten mit der Situation zu Anfang,<br />

ÄRZTE KRONE | Allergie 10 41


ALLERGIE – STATE OF THE ART<br />

Mitte, und Ende des Monats zu sehen (siehe<br />

Abb. 1–3). Wer also nicht vom Regen in die<br />

Traufe geraten will, tut gut daran, sich dieser<br />

Information zu bedienen.<br />

SPEZIELLES SERVICE FÜR<br />

MITTELMEERURLAUBER<br />

Die Internetsite bietet darüber hinaus für fast<br />

alle Länder Europas aktuelle Informationen<br />

und Vorhersagen zum Thema Pollenflug in<br />

Englisch und in der Landessprache. Wo<br />

immer möglich, wird auch ein <strong>Link</strong> zu den<br />

lokalen Polleninformationsstellen geboten.<br />

Diese sind jedoch meist nur in der Landessprache<br />

gehalten. Geschäftsreisende werden<br />

sich über die Situation an ihrem Zielort<br />

informieren und gegebenenfalls ausreichend<br />

Vorsorgemaßnahmen treffen (Medikamente).<br />

Für Mittelmeerurlauber gibt es ein spezielles<br />

Service mit Vorhersagekarten auf<br />

MedAeroNet: http://www.pollens.fr/medaeronet/home.php.<br />

Gelegentlich kann es zu Episoden von Ferntransport<br />

größerer Pollenmengen kommen.<br />

Kurzfristig sind daher Belastungen durch<br />

Pollen außerhalb der lokalen Blütezeit ebenso<br />

möglich. Das trifft besonders auf Birkenpollen<br />

zu, die mitunter einige Tausend Kilometer<br />

reisen können, wie ein Vorfall Anfang<br />

Mai 2006 zeigte, wo erkleckliche Pollenmengen<br />

aus Westrussland bis nach Island verweht<br />

wurden. Das führte zu den stärksten bislang<br />

aufgetretenen Allergiesymptomen in Reykjavík,<br />

hervorgerufen durch Birkenpollen.<br />

AUCH POLLEN BETREIBEN<br />

MASSENTOURISMUS<br />

Ähnliches ist bei Ragweed-Pollen – allerdings<br />

ohne Symptomatik – vorgefallen.<br />

Ragweed-Pflanzen sind nordwärts nur bis<br />

Südschweden anzutreffen. Dennoch gab es<br />

2005 an zwei Tagen deutlich überschwellige<br />

Konzentrationen an Pollen im westlichen<br />

Finnland und nördlich des Polarkreises<br />

und somit erstmals Ragweedpollen<br />

in dieser Region. Finnen sind dagegen<br />

noch nicht sensibilisiert, daher kam es zu<br />

keinen Problemen. Der Ursprung dieser<br />

Pollen wurde in der Ukraine lokalisiert.<br />

Genau genommen ist man also nirgendwo<br />

absolut sicher, weil zwar sehr selten, aber<br />

doch kurzfristig, auch Pollen Massentourismus<br />

betreiben.<br />

Natürlich gibt es auch „sichere“ Gebiete<br />

abseits von Nordpol oder Sahara. Die<br />

Sommertrockenheit im mediterranen<br />

Raum garantiert eine weitgehend pollenfreie<br />

Luft im Juli und August, also zur<br />

42 ÄRZTE KRONE | Allergie 10<br />

üblichen Ferienzeit. In Höhenlagen von<br />

über ca. 1500 Meter gibt es auch keine<br />

Hausstaubmilben mehr. Selbst Pollen sind<br />

dort normalerweise nicht mehr in so großen<br />

Mengen vorhanden wie<br />

in den Tälern. Die Luft in den<br />

Tropen ist zwar nicht gänzlich<br />

frei von Pollen, doch<br />

kommen dort andere Pollen<br />

vor als in unseren Breiten. In<br />

der Regel rufen diese keine<br />

allergischen Reaktionen hervor.<br />

SICHERSTE METHODE:<br />

VERMEIDUNG DES<br />

ALLERGENKONTAKTES<br />

Nach wie vor bleibt die Vermeidung<br />

des Allergenkontaktes<br />

die sicherste Methode.<br />

Das ist zugegebenermaßen<br />

bei Pollen nicht einfach, aber<br />

gelegentlich machbar, sofern<br />

Angaben zur zeitlichen und<br />

räumlichen Verteilung der<br />

Pollen verfügbar sind. Dies zu<br />

ermöglichen ist vordringliche<br />

Zielsetzung des Pollenwarndienstes.<br />

Voraussetzung für<br />

eine erfolgreiche Reduktion<br />

des Pollenkontaktes ist eine<br />

klare Diagnose, also ein Allergietest.<br />

Wer noch mehr Interesse<br />

an den Zusammenhängen<br />

hat, kann sich des Tagebuches<br />

im Internet auf<br />

http://www.pollentagebuch.at/<br />

bedienen, wo die Symptome<br />

mit dem Pollenflug der Region<br />

graphisch verglichen werden.<br />

So kann bei Ortswechsel der<br />

positive oder negative Effekt<br />

genau dokumentiert werden.<br />

Sind die Symptome einmal<br />

eingetreten, gilt es Glanzleistungen<br />

sportlicher oder alkoholischer<br />

Natur zu unterlassen,<br />

wenn möglich im Freien<br />

den Laubwald aufzusuchen,<br />

das Camping-Zelt zugunsten<br />

eines Hotelzimmers einzutauschen.<br />

Modische breitkrempige<br />

Hüte und Sonnenbrillen<br />

können ebenfalls wie<br />

häufiges (kühles) Duschen<br />

(Baden) und Haarewaschen<br />

als kleine Erleichterungen<br />

das Wohlbefinden ein wenig<br />

anheben.<br />

Moderne Medikamente bringen sichere<br />

Linderung der Beschwerden. Auf sie sollte<br />

man in der Reiseapotheke nicht verzichten.<br />

Abb. 3: BIRKENPOLLENVERTEILUNG 10.–20. MAI<br />

sehr niedrig<br />

niedrig<br />

mäßig<br />

hoch<br />

sehr hoch<br />

Abb. 2: BIRKENPOLLENVERTEILUNG IN DEN ERSTEN<br />

10 TAGEN IM MAI<br />

sehr niedrig<br />

niedrig<br />

mäßig<br />

hoch<br />

sehr hoch<br />

Univ.-Prof. Dr. SIEGFRIED JÄGER<br />

Aerobiologie<br />

HNO-Klinik der Medizinischen<br />

Universität Wien<br />

siegfried.jaeger@meduniwien.ac.at

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