Fachbeitr ge 3 (Page 1)
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FACHBEITRÄGE<br />
Vollautomatische<br />
Präzisionsschmiedeanla<strong>ge</strong><br />
zur Verfahrenserprobung<br />
Dipl.-Ing. Rüdi<strong>ge</strong>r Bohnsack und Dipl.-Ing. Goeke Broß, Hannover<br />
Immer komplexer werdende Schmiedeteile, insbesondere Präzisionsschmiedeteile<br />
mit zum Teil einbauferti<strong>ge</strong>n Funktionsflächen, lassen die Anforderun<strong>ge</strong>n<br />
an die Prozeßführung drastisch anstei<strong>ge</strong>n. Die aufgrund der en<strong>ge</strong>n Bauteiltoleranzen<br />
notwendi<strong>ge</strong> <strong>ge</strong>rin<strong>ge</strong> Schwankung qualitätsrelevanter Prozeßparameter<br />
kann in der Re<strong>ge</strong>l nur über einen vollautomatisierten Verfahrensablauf<br />
mit integrierter Prozeßüberwachung realisiert werden.<br />
D as<br />
<strong>ge</strong>meinsame Ziel des Instituts<br />
für Integrierte Produktion<br />
Hannover gGmbH (IPH) und<br />
des Instituts für Umformtechnik und<br />
Umformmaschinen der Universität<br />
Hannover (IFUM) war die Entwicklung<br />
und Realisierung einer vollautomatisierten<br />
Schmiedeanla<strong>ge</strong> mit integrierter<br />
Qualitätskontrolle. Die Anla<strong>ge</strong><br />
soll für ei<strong>ge</strong>ne Untersuchun<strong>ge</strong>n beider<br />
Institute <strong>ge</strong>nutzt werden sowie der<br />
Schmiedeindustrie für Verfahrensentwicklun<strong>ge</strong>n<br />
und Musterfertigun<strong>ge</strong>n zur<br />
Verfügung stehen. Voraussetzung hierfür<br />
ist zum einen eine hinreichende<br />
Flexibilität der <strong>ge</strong>samten Anla<strong>ge</strong> für<br />
den Einsatz unterschiedlichster<br />
Werkzeug- und Verfahrenskonzepte<br />
und zum anderen eine hohe<br />
Prozeßsicherheit für gleichbleibende<br />
Schmiedeteilqualität und hohe<br />
Reproduzierbarkeit des Prozesses.<br />
Anla<strong>ge</strong>nkonzept<br />
Für die Herstellung der Blockabschnitte<br />
steht eine Knüppelschere<br />
(max. Stan<strong>ge</strong>ndurchmesser bzw. -kantenlän<strong>ge</strong>:<br />
100 mm) mit einem hydraulischen<br />
Zan<strong>ge</strong>nvorschub zur Verfügung.<br />
Die <strong>ge</strong>scherten Abschnitte <strong>ge</strong>lan<strong>ge</strong>n<br />
über einen Schwingförderer in die<br />
induktive Durchstoßerwärmung mit<br />
pyrometrischer Temperaturüberwachung.<br />
Ein Mehrachs-Roboter mit<br />
einer Siemens-Steuerung übernimmt<br />
das Einle<strong>ge</strong>n der Rohteile in das<br />
Gesenk und das Aussortieren nicht korrekt<br />
erwärmter Teile. Den Mittelpunkt<br />
der Anla<strong>ge</strong> bildet eine Spindelpresse<br />
der Fa. Weingarten (Fmax = 14 000 kN),<br />
die bei einer maximal nutzbaren<br />
Werkzeugbreite von 940 mm auch den<br />
Einsatz mehrstufi<strong>ge</strong>r Umformwerkzeu<strong>ge</strong><br />
erlaubt. Die Maschine kann<br />
SCHMIEDE-JOURNAL SEPTEMBER 1998<br />
Grafisch unterstützte Prozeßvisualisierung und Anla<strong>ge</strong>nbedienung<br />
Bilder: IPH/IFUM<br />
zudem mit einem Werkzeugwechselsystem<br />
für einen reibungslosen<br />
Gesenkaustausch aus<strong>ge</strong>rüstet werden.<br />
Bei dem derzeit realisierten einstufi<strong>ge</strong>n<br />
Präzisionsschmiedeprozeß schrägverzahnter<br />
Zahnräder werden Kühlung,<br />
Schmierung und Reinigungsblasen der<br />
Gravurelemente mit einem linear verfahrbaren<br />
Düsenkopf durch<strong>ge</strong>führt.<br />
Die Entnahme der <strong>ge</strong>schmiedeten<br />
Zahnräder und die Übergabe auf das<br />
Abkühlband erfolgt über eine pneumatisch<br />
an<strong>ge</strong>triebene Lineareinheit. Die<br />
Geschwindigkeit des Abkühlbands<br />
kann entsprechend der Taktzahl und<br />
der <strong>ge</strong>wünschten thermischen Nachbehandlung<br />
variiert werden. Nachdem<br />
die Bauteile ab<strong>ge</strong>kühlt sind, <strong>ge</strong>lan<strong>ge</strong>n<br />
sie über eine automatische Zuführung<br />
30<br />
in den Arbeitsraum der Lochpresse.<br />
Pneumatisch betätigte Schieberelemente<br />
positionieren die Räder während<br />
des Lochvorgangs. Als Lochpresse<br />
wird eine C-Gestell-Exzenterpresse<br />
(Fmax = 500 kN) ein<strong>ge</strong>setzt, die alternativ<br />
auch für Warmloch- oder<br />
Entgratoperationen direkt neben dem<br />
Hauptumformaggregat plaziert werden<br />
kann. Abschließend erfolgt eine<br />
maßliche Qualitätskontrolle der <strong>ge</strong>fertigten<br />
Zahnräder auf einem 3-D-<br />
Koordinatenmeß<strong>ge</strong>rät.<br />
Anla<strong>ge</strong>nsteuerung<br />
Um den vielfälti<strong>ge</strong>n Anforderun<strong>ge</strong>n an<br />
die Anla<strong>ge</strong>, die aus den unterschiedlichen<br />
Einsatz<strong>ge</strong>bieten wie Versuchsbetrieb,<br />
Verfahrenserprobung, Klein-
Präzisions<strong>ge</strong>schmiedetes schrägverzahntes<br />
Getrieberad<br />
FACHBEITRÄGE<br />
serienfertigung oder<br />
Produktion resultieren,<br />
<strong>ge</strong>recht zu werden,<br />
bildete die Steuerung<br />
einen Schwerpunkt<br />
im Rahmen<br />
der Anla<strong>ge</strong>nentwicklung.<br />
Für die Realisierung<br />
der breit<strong>ge</strong>fächerten<br />
Aufgaben wurde <strong>ge</strong>meinsam<br />
mit der Fa.<br />
Weidmüller ConneXt,<br />
Detmold ein Konzept erarbeitet, das auf einem CANopen<br />
(Controller Area Network) Netzwerk basiert.<br />
CANopen erlaubt den Aufbau kostengünsti<strong>ge</strong>r, flexibler dezentraler<br />
Steuerun<strong>ge</strong>n verteilter Ein- und Ausgabesysteme<br />
und vernetzter Sensor- und Aktorsysteme, die mit <strong>ge</strong>rin<strong>ge</strong>m<br />
Aufwand mit vorhandenen Maschinensteuerun<strong>ge</strong>n und<br />
Qualitätssicherungssystemen verknüpft werden können.<br />
Solche feldbusbasierten Steuerun<strong>ge</strong>n werden seit eini<strong>ge</strong>r Zeit<br />
in unterschiedlichen Bereichen des Maschinenbaus, z. B. bei<br />
Verpackungs-, Textil- und Druckmaschinen, in Förderanla<strong>ge</strong>n<br />
oder fahrerlosen Transportsystemen, zur Automatisierung<br />
ein<strong>ge</strong>setzt.<br />
Vor dem Hintergrund der besonderen Einsatzbedingun<strong>ge</strong>n für<br />
elektronische Komponenten in der Schmiede (z. B. Einflüsse<br />
durch Schmutz, Hitze, Erschütterun<strong>ge</strong>n und starke elektromagnetische<br />
Felder durch induktive Erwärmungsanla<strong>ge</strong>n),<br />
stellt die <strong>ge</strong>meinsam erarbeitete Lösung eine interessante<br />
Alternati-ve zu bisheri<strong>ge</strong>n Konzepten dar.<br />
Ins<strong>ge</strong>samt werden sieben CANopen-Stationen ein<strong>ge</strong>setzt,<br />
davon fünf unmittelbar an den Anla<strong>ge</strong>nkompo-nenten. Die<br />
beiden restlichen Stationen sind direkt in die Schaltschränke<br />
für Presse und Roboter integriert und binden so beide Fremdsteuerun<strong>ge</strong>n<br />
optimal in das Gesamtkonzept ein.<br />
Die SPS-Programmierung der Module erfolgt von einem<br />
Computer aus mit Hilfe einer speziellen Software, die nach<br />
der IEC 1131-3 normiert ist. Die Kommunikation zwischen<br />
den intelli<strong>ge</strong>nten Modulen wird über eine <strong>ge</strong>schirmte Zweidraht-Busleitung<br />
und eine Netzwerksoftware realisiert.<br />
Der <strong>ge</strong>samte Prozeß läßt sich zwecks Bedienung und<br />
Darstellung der Hauptprozeßdaten auf einem PC visualisieren<br />
und damit auch bewerten.<br />
Werkzeugtechnologie<br />
Derzeit ist die Anla<strong>ge</strong> mit einem Werkzeugsystem zum<br />
Präzisionsschmieden von schrägverzahnten Zahnrädern aus<strong>ge</strong>rüstet,<br />
welches in das Werkzeugwechselsystem integriert<br />
ist. Aufgrund des modularen Aufbaus ist durch den Austausch<br />
der form<strong>ge</strong>benden Elemente das Schmieden von unterschiedlichen<br />
Zahnrädern und anderen weit<strong>ge</strong>hend rotationssymmetrischen<br />
Bauteilen bis zu einer Stückmasse von 1,5 kg möglich.<br />
Die Umformung erfolgt in einem <strong>ge</strong>schlossenen<br />
Gesenk, wobei Federelemente die notwendi<strong>ge</strong> Schließkraft<br />
übertra<strong>ge</strong>n. Als Halbzeug werden <strong>ge</strong>scherte Knüppelabschnitte<br />
verwendet, die in einem einstufi<strong>ge</strong>n Umformprozeß<br />
endkonturnah um<strong>ge</strong>formt werden. Die Bohrung des<br />
Zahnrads wird hierbei als Napf aus<strong>ge</strong>bildet und in einer<br />
abschließenden Operation kalt <strong>ge</strong>locht. Die Genauigkeit der<br />
Zahnräder ist ausreichend, um nach der Umformung lediglich<br />
eine Hartfeinbearbeitung der Funktionsflächen durchführen<br />
zu müssen.<br />
Weitere Informationen über Kennziffer 103.<br />
31 SCHMIEDE-JOURNAL SEPTEMBER 1998