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Vollvorwärts-Fließpressen

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<strong>Fließpressen</strong> mit Matrizen aus Keramik<br />

Keramische Werkstoffe wurden aufgrund<br />

ihrer hohen Druckfestigkeit, großen Härte und<br />

großen Verschleißfestigkeit ausgewählt. Darüber<br />

hinaus neigt Keramik nicht zum Verschweißen<br />

mit Metallen und die Reibung<br />

zwischen Pressteil und Werkzeugwand ist beim<br />

Kaltfließpressen von Stahl klein. Nicht zuletzt<br />

ist auch ihre Temperaturbeständigkeit und der<br />

kleine Temperaturausdehnungskoeffizient von<br />

Bedeutung. Nachteile sind ihre Sprödigkeit und<br />

die Empfindlichkeit gegenüber Zugspannungen.<br />

Fließpressmatrizen aus Keramik dürfen nur<br />

Druckspannungen unterworfen werden. Zug-,<br />

Biege- und Schubspannungen dürfen im<br />

Keramikwerkzeug nicht auftreten. Eine wichtige<br />

Erkenntnis ist, dass die auf die Matrizenwand<br />

wirkenden Radialspannungen an den<br />

Druckraumgrenzen<br />

– das heißt oberbzw.<br />

unterhalb der<br />

Rohteilhöhe ist die<br />

Radialspannung<br />

plötzlich Null –<br />

durch Biegung große<br />

axiale Zugspannungen<br />

in der Ma-<br />

trizenwand erzeugen. Deshalb ist das Fließpresswerkzeug<br />

nicht nur radial, sondern auch<br />

axial vorzuspannen. Nach heutigen Erkenntnissen<br />

reicht die axiale Vorspannung mittels<br />

Schrauben für ein Serienwerkzeug jedoch meist<br />

nicht aus.<br />

Bei den durchgeführten Untersuchungen hat<br />

sich Siliziumnitrid für Fließpresswerkzeuge am<br />

SCHMIEDE-JOURNAL SEPTEMBER 2005<br />

FACHBEITRÄGE<br />

Einsatz von<br />

Keramikmatrizen für das<br />

Kalt- und Halbwarm-<br />

<strong>Vollvorwärts</strong>-<strong>Fließpressen</strong><br />

Dr.-Ing. Alexander Felde und<br />

Prof. Dr.-Ing. habil. Aribert Schwager, Stuttgart<br />

Die Wirtschaftlichkeit des <strong>Fließpressen</strong>s hängt wesentlich von<br />

der Standzeit der Werkzeuge ab. Die Fließpressteile werden<br />

immer komplexer und oft kommen hochfeste Legierungen zum<br />

Einsatz. Der Einsatz von keramischen Werkstoffen in den Umformwerkzeugen<br />

verspricht wesentliche Vorteile im Vergleich<br />

zu den konventionellen Werkzeugwerkstoffen.<br />

Bild 1: Fließpresswerkzeug mit keramischen<br />

Matrizenteilen<br />

besten bewährt. Bild 1 zeigt den prinzipiellen<br />

Werkzeugaufbau eines 3-fach armierten Werkzeugs<br />

für das <strong>Vollvorwärts</strong>-<strong>Fließpressen</strong> mit<br />

einer Fließschulter und einer Buchse aus<br />

Keramik. Radial schließt sich an die Matrize der<br />

Innenring, der Zwischenring und der Außenring<br />

an. Die Keramik-Matrize liegt mit einer Stirnfläche<br />

an der Druckfläche einer Tellerfeder an.<br />

Die Tellerfeder ist mit ihrem Rand zwischen<br />

einer mit dem Außenring verschraubten Aufnahmemutter<br />

fixiert. An der gegenüberliegenden<br />

Seite des Werkzeugs wird die axiale Vorspannung<br />

über ein Druckstück und eine Mutter<br />

eingeleitet. Durch Verspannen des Druckstücks<br />

gegen die Fließschulter und die Buchse und<br />

somit gegen die Tellerfeder wird eine Vorspannkraft<br />

in die Keramikeinsätze eingeleitet,<br />

die axiale Druckspannungen erzeugt.<br />

Das Belastungsprofil der<br />

Matrize wurde durch Simulation<br />

mit dem FEM-Programm<br />

DEFORM bestimmt<br />

und mit einem Matrizenberechnungsprogramm<br />

nach<br />

Schweers die Armierung des<br />

Fließpresswerkzeugs ermittelt. Danach wurde<br />

das so berechnete Werkzeug nochmals mittels<br />

DEFORM optimiert. Für den Einsatz von<br />

Keramikwerkzeugen ist eine besonders sorgfältige<br />

rechnerische Vorausbestimmung der<br />

radialen und axialen Vorspannung der Keramikwerkzeugteile<br />

notwendig. Die Armierung<br />

erfolgt von innen nach außen.<br />

14<br />

Besonders wichtig ist, die axiale Vorspannung<br />

der Keramikmatrize sowohl im Ruhezustand<br />

als auch im Betriebszustand über einen<br />

langen Zeitraum der Werkzeuglebensdauer<br />

aufrecht zu erhalten. Die herkömmlichen Lösungen<br />

mittels Schrauben oder einer Spannmutter<br />

reichen dafür nicht mehr aus.<br />

Für die axiale Vorspannung wurden deshalb<br />

drei patentierte, grundsätzliche Lösungen<br />

erarbeitet /1,2/, die sowohl in konventionellen<br />

vertikalen Pressen als auch in automatisierten,<br />

liegenden Quertransportpressen angewendet<br />

werden können. Entscheidend für den Erfolg ist<br />

in axialer Richtung ein Federelement in das<br />

Werkzeug einzubauen, welches unterschiedliche<br />

Dehnungen von Stahl und Keramik infolge<br />

von Temperaturschwankungen und Setzerscheinungen<br />

der Verschraubung ausgleicht.<br />

Die Matrize aus Siliziumnitrid-Vollkeramik<br />

wurde sowohl beim Kaltfließpressen als auch<br />

beim Halbwarm-<strong>Vollvorwärts</strong>fließpressen extremen<br />

Belastungen unterworfen ohne Schaden<br />

zu nehmen. Es wurde nachgewiesen, dass das<br />

Kaltfließpressen von Stahl ohne Phosphatschicht<br />

und bei rostfreiem Stahl ohne Oxalatschicht<br />

möglich ist und auf graphit- und MoS 2 -<br />

haltige Schmierstoffe verzichtet werden kann.<br />

Die Reibzahl wurde mit einer neu entwickelten<br />

Methode direkt aus dem <strong>Vollvorwärts</strong>fließpress-Vorgang<br />

ermittelt und war in der Siliziumnitridmatrize<br />

extrem klein, was auch an der<br />

sehr guten Oberflächenqualität der Pressteile<br />

sichtbar wurde.<br />

Experimentelle Untersuchung des Wärmetransfers<br />

beim Halbwarm-<strong>Vollvorwärts</strong>-<br />

<strong>Fließpressen</strong> im Werkzeug mit keramischen<br />

Einsätzen<br />

Ziel der Untersuchung war es, eine Aussage<br />

über die wärmebedingte Veränderung des Vorspannungszustands<br />

im Werkzeug mit einer<br />

Matrize aus Vollkeramik zu treffen. In das Versuchswerkzeug<br />

(s. Bild 2) wurden 4 Bohrungen<br />

mit einem Durchmesser von 1 mm erodiert. In<br />

diese Bohrungen wurden Thermoelemente<br />

eingebracht. Während der Versuche wurde der<br />

Temperaturverlauf über der Zeit für die<br />

einzelnen Messstellen aufgenommen. Der Ausgangsdurchmesser<br />

der zu verpressenden Rohteile<br />

aus 16MnCr5 betrug 25 mm, die logarithmische<br />

Hauptformänderung g = 0,5. Die<br />

verwendeten Werkstücke waren mit dem<br />

Schmierstoff Berulit 935 (wässrige Graphit-<br />

Dispersion) beschichtet. Zwischen den einzelnen<br />

Pressvorgängen wurde mit einer Sprühpistole<br />

der Schmierstoff Beruforge 393 C<br />

(synthetischer, wasserlöslicher Gesenkschmierstoff)<br />

auf die Matrize aufgetragen (Bild 3).<br />

Die Rohteile wurden zunächst induktiv auf<br />

die Umformtemperatur von u = 750 °C erwärmt<br />

und dann nacheinander verpresst. Bevor<br />

mit dem Pressen begonnen wurde, wurde das<br />

Werkzeug zunächst mit warmen Rohteilen so<br />

lange erwärmt, bis sich an allen vier Messstellen<br />

nahezu stationäre Temperaturverhältnisse<br />

eingestellt hatten (s. Bild 4). Nach


dem Vorwärmen des<br />

Werkzeugs wurden zunächst<br />

mit einer Hubzahl<br />

von etwa 1 Hub/min einige<br />

Teile verpresst. Danach<br />

konnte das Werkzeug abkühlen.<br />

Dieser Vorgang<br />

wurde nochmals wiederholt<br />

und anschließend<br />

mit etwa 2 Hüben/min<br />

weitergepresst, bis sich<br />

wiederum stationäre Temperaturverhältnisseeingestellt<br />

hatten. Schließlich<br />

wurde der Abkühlvorgang<br />

aufgenommen, bis sich die<br />

Temperaturen an den vier<br />

Messstellen nahezu angeglichen<br />

hatten. Durch die wiederholten Pressund<br />

Abkühlvorgänge stellten sich jeweils<br />

unterschiedliche Temperatur- und damit Spannungszustände<br />

im Werkzeug ein. An den<br />

inneren Messstellen wird eine starke Oszillation<br />

der Temperatur registriert. Durch den<br />

relativ großen Zeitabstand zwischen Entnahme<br />

des umgeformten Werkstücks und Einlegen des<br />

nächsten Rohteils sinkt die Temperatur im<br />

Werkzeug nach jedem Pressvorgang deutlich<br />

Bild 3: Werkzeug mit Thermoelementen<br />

Bild 2: Schematischer Versuchsaufbau<br />

FACHBEITRÄGE<br />

ab und steigt erst wieder an, sobald das<br />

nächste Werkstück eingelegt ist. Im inneren<br />

Armierungsring im Bereich des zylindrischen<br />

Teils der Fließpressmatrize (Messstelle M1)<br />

stellte sich eine Temperatur von 75 bis 85 °C<br />

ein.<br />

Mit Hilfe der anschließend durchgeführten<br />

Simulation konnten die Temperaturverläufe<br />

mit einer guten Übereinstimmung mit den<br />

Ergebnissen der experimentellen Temperaturmessung<br />

nachgebildet werden. Mit der berechneten<br />

Temperaturverteilung wurde der<br />

Spannungszustand unter Berücksichtigung der<br />

thermischen Überlagerung simulativ überprüft.<br />

Es wurde festgestellt, dass die Werkzeugerwärmung<br />

einen Vorspannungsverlust<br />

in der Keramikmatrize auslöst. Dieser Vorspannungsverlust<br />

betrug im untersuchten<br />

Werkzeug bei den oben beschriebenen thermischen<br />

Bedingungen bis zu 30 % der nominalen<br />

Vorspannung in einem gleichmäßig<br />

erwärmten Werkzeug (stellt sich z. B. nach ca.<br />

3 min Presspause ein) /3/.<br />

Fazit<br />

Durch umfangreiche<br />

Untersuchungen wurde<br />

nachgewiesen, dass Fließpressmatrizen<br />

aus Vollkeramik<br />

unter bestimmten<br />

Bedingungen höchsten<br />

Ansprüchen beim KaltundHalbwarm-<strong>Fließpressen</strong><br />

genügen.<br />

Die im untersuchten<br />

Fließpresswerkzeug eingesetzteWerkstoff-Kombination<br />

der Aktiv- und<br />

Armierungsteile verursacht<br />

durch die gegebenen<br />

unterschiedlichen Wärme<br />

ausdehnungskoeffizienten<br />

und Temperaturzustände einen Vorspannungsverlust<br />

in den keramischen Matrizen, der bei<br />

der Werkzeugauslegung zu berücksichtigen<br />

ist. Die Vorspannung ist um diesen Betrag zu<br />

erhöhen. ■<br />

Literatur<br />

/1/ Schwager, A., Siegert, K.: DE100542-<br />

32A1, Werkzeug unter Verwendung von<br />

Keramik, insbesondere Fließpresswerkzeug,<br />

23.05.2002, Patentinhaber Forschungsgesellschaft<br />

Umformtechnik mbH.<br />

/2/ Schwager, A.; Siegert, K.; Felde, A.:<br />

Werkzeug unter Verwendung einer Matrize,<br />

insbesondere Fließpresswerkzeug,<br />

Offenlegungsschrift DE102004005879.<br />

/3/ Felde, A.; Siegert, K.; Schwager, A.:<br />

Einsatz von Keramikmatrizen für das<br />

Halbwarm-Voll-Vorwärts-<strong>Fließpressen</strong>.<br />

In: Siegert, K.; Liewald, M. (Hrsg.),<br />

Neuere Entwicklungen in der Massivumformung,<br />

DGM Informationsgesellschaft<br />

mbH, Frankfurt/M. 2005., S. 461-478.<br />

Bild 4: Experimentell ermittelter Temperaturverlauf im Werkzeug beim <strong>Vollvorwärts</strong>-<strong>Fließpressen</strong> bei 750 °C (mit Vorwärmen des Werkzeugs)<br />

Bilder: IFU<br />

15 SCHMIEDE-JOURNAL SEPTEMBER 2005

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