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Werkstücke mit einer profilierten Außenkontur<br />
– wie z. B. außenverzahnte Zahnräder –<br />
erfordern häufig hohe Genauigkeiten, die nur<br />
durch eine spanende Nachbearbeitung erreicht<br />
werden können. Alternativ läßt sich mit Hilfe<br />
des Umformverfahrens Kaltkalibrieren die<br />
Qualität der Werkstücke um ein bis zwei<br />
Genauigkeitsklassen auf IT 8 bis IT 7 steigern.<br />
Unter Kalibrierverfahren versteht man ein<br />
Nachpressen mit geringen Formänderungen,<br />
um die geforderten Toleranzen zu erreichen.<br />
Als problematisch beim Kalibrieren – insbesondere<br />
beim Kaltkalibrieren – müssen jedoch<br />
wie bei allen Kaltmassivumformverfahren die<br />
hohen hydrostatischen Druckspannungen im<br />
Werkstück angesehen werden. Diese wirken<br />
während des Umformprozesses ebenfalls auf<br />
die Innenwände der formgebenden Matrize und<br />
verursachen so deren elastische Aufweitung<br />
(siehe Bild). Der dadurch bedingte Unterschied<br />
der Geometrie einer konventionellen Matrize –<br />
d. h. einer herkömmlichen Matrize ohne<br />
Ausgleich der elastischen Aufweitung – im beund<br />
unbelasteten Zustand führt zu einer<br />
Beeinträchtigung der Maßhaltigkeit des<br />
Fertigteils.<br />
Gegenüberstellung der Werkzeugsysteme<br />
Ein weiterer Nachteil konventioneller Matrizen<br />
liegt darin, daß das Bauteil beim<br />
Zurückfahren des Stempels bedingt durch die<br />
rückfedernde elastische Matrizenaufweitung in<br />
der Matrize verspannt wird. Dies hat zur Folge,<br />
daß hohe Kräfte erforderlich sind, um<br />
Werkstücke aus der Matrize auszuwerfen, die<br />
bei komplexen Teilen bis zu 20 % der maximalen<br />
Umformkraft erreichen können. Die<br />
Rückfederung der Matrize bewirkt zudem hohe<br />
SCHMIEDE-JOURNAL MÄRZ 2001<br />
FACHBEITRÄGE<br />
Aktiver<br />
Dehnungsausgleich<br />
bei Kaltkalibrier- und<br />
Kaltmassivumform<strong>matrizen</strong><br />
Prof. Dr.-Ing. Eckart Doege, Dipl.-Ing. Jens Baumgarten und<br />
Dipl.-Ing. Tobias Neumaier, Hannover<br />
Eines der Kernprobleme bei Kaltfließpreßprozessen und speziell<br />
beim Kaltkalibrieren von Zahnrädern ist das Auftreten<br />
einer elastischen Matrizenaufweitung während der Umformung<br />
des Werkstücks. Daher ist die Entwicklung eines Werkzeugkonzepts<br />
notwendig, welches die elastische<br />
Matrizenaufweitung während der Umformung<br />
aktiv verhindert.<br />
20<br />
Kontaktdrücke zwischen<br />
Matrize und<br />
Werkstück, die<br />
während des Auswerfprozessesüberwunden<br />
werden müssen.<br />
Verbunden mit<br />
diesen hohen Kontaktdrücken<br />
können<br />
die beim Auswerfen<br />
auftretenden hohen<br />
Relativverschiebungen<br />
zu Problemen wie<br />
z. B. einer Oberflächenschädigung<br />
der Werkstücke und<br />
Werkzeuge oder zu<br />
Werkzeugbrüchen<br />
führen.<br />
Prinzip des aktiven<br />
Dehnungsausgleichs<br />
Gegenwärtig wird<br />
am Institut für<br />
Umformtechnik und<br />
Umformmaschinen der Universität Hannover<br />
(IFUM) das Werkzeugkonzept des aktiven<br />
Dehnungsausgleichs entwickelt, das die elastische<br />
Matrizenaufweitung während eines<br />
Umformprozesses aktiv verhindert und die mit<br />
der Matrizenaufweitung verbundenen negativen<br />
Effekte – auf diese wird im folgenden<br />
noch vertiefend eingegangen – minimiert. Die<br />
dem Konzept zu Grunde liegende Idee zielt<br />
darauf ab, den während der Umformung in der<br />
Matrize entstehenden Innendruck durch einen<br />
Elastomerring, der einen Gegendruck erzeugt,<br />
auszugleichen (siehe Bild links). Dazu wird in<br />
die Matrize eine umlaufende Ringnut eingebracht,<br />
die den Ring aus einem quasi inkompressiblen<br />
Elastomerwerkstoff aufnimmt.<br />
Mit Hilfe des aktiven Dehnungsausgleichs<br />
wird während der Umformung parallel zum<br />
Druckspannungszustand im Werkstück durch<br />
das Zusammenpressen des Elastomerrings ein<br />
Gegendruck aufgebaut. Die Höhe des Gegendrucks<br />
kann mit Hilfe geeigneter Anschläge<br />
eingestellt werden (siehe Bild links). An der<br />
Matrizeninnenwand ist der Druck im<br />
Elastomer dem im Werkstück entgegengesetzt<br />
gerichtet. Bei optimaler Auslegung des Werkzeugsystems<br />
sind die beiden Drücke gleich<br />
groß und kompensieren sich vollständig, wodurch<br />
die elastische Matrizenaufweitung verhindert<br />
wird und die Matrize auch während<br />
der Umformung ihre Sollgeometrie beibehält.<br />
Auf diese Weise kann die erreichbare Maßhaltigkeit<br />
der produzierten Fertigteile über das<br />
mit konventionellen Matrizen erreichbare<br />
Niveau gesteigert werden.<br />
Beim Zurückfahren des Stempels werden<br />
die im Elastomer bzw. im Werkstück wirkenden<br />
hydrostatischen Drücke abgebaut und die<br />
Matrize so beidseitig entlastet. Auf diese<br />
Weise werden die bestehenden Kontaktdrücke<br />
und die resultierenden Reibkräfte zwischen<br />
Bauteil und Matrize drastisch herabgesetzt,<br />
was die Auswerferkraft vermindert, die Oberflächenqualität<br />
der Fertigteile steigern und den<br />
Werkzeugverschleiß reduzieren hilft.
Minimierung der elastischen Matrizenaufweitung<br />
Um die grundsätzliche technische Machbarkeit<br />
des vorgeschlagenen Konzepts des aktiven<br />
Dehnungsausgleichs nachzuweisen, wurden<br />
ein Stauch- und ein Napfrückwärts-Fließpreßprozeß<br />
mit Hilfe der Finite-Elemente-<br />
Methode simuliert. Dabei wurden die Matrizen<br />
auf zwei unterschiedliche Weisen, einmal als<br />
konventionelle Matrize und einmal als Matrize<br />
mit aktivem Dehnungsausgleich modelliert,<br />
um einen Vergleich der beiden Systeme zu<br />
ermöglichen. Ein Ziel der Untersuchungen war<br />
die Bestimmung der durch die Aufbringung<br />
eines Gegendrucks durch das Elastomer<br />
erreichbaren Verschiebungen der Matrizeninnenwand.<br />
Im Falle des Napfrückwärts-Fließpreßprozesses<br />
wurde dazu ein Umformzyklus<br />
bis zum Ende der Umformung des Werkstücks<br />
simuliert. Bei diesem Stand der Rechnung –<br />
das Ende der Umformung ist erreicht, das<br />
Werkzeugsystem bleibt geschlossen und die<br />
Matrize ist durch den im Werkstück herrschenden<br />
Druckspannungszustand maximal elastisch<br />
aufgeweitet – wurde der Gegendruck<br />
durch das Elastomer durch die Erhöhung der<br />
Druckkraft auf das Elastomer stetig erhöht.<br />
Die in den Simulationen berechneten Verschiebungen<br />
der Matrizeninnenwand zeigen,<br />
daß sich diese mit steigendem Gegendruck<br />
durch das Elastomer immer weiter ihrer Solllage<br />
annähert und diese bei ca. 10 000 bar<br />
erreicht. Eine Steigerung des Gegendrucks<br />
über 10 000 bar hinaus führt zu einer unerwünschten<br />
Auslenkung der Matrizeninnenwand<br />
in die entgegengesetzte Richtung. Die<br />
erzielten Simulationsergebnisse sind der Nachweis<br />
der technischen Machbarkeit des vorgeschlagenen<br />
Werkzeugkonzepts und legen darüber<br />
hinaus nahe, daß mit Hilfe des aktiven<br />
Dehnungsausgleichs sogar eine gewisse Nachverformung<br />
des Werkstücks zu realisieren ist.<br />
Minimierung der Auswerferkräfte<br />
Ein Vorteil des Konzepts des aktiven Dehnungsausgleichs<br />
sind die deutlich herabgesetzten<br />
Auswerferkräfte im Vergleich zu konventionellen<br />
Matrizen. Das Bild rechts zeigt die in<br />
einer Finite-Elemente-Simulation eines<br />
Stauchprozesses ermittelten Auswerferkräfte<br />
in Abhängigkeit des Auswerferwegs beim<br />
Ausstoßen eines Werkstücks aus einer konventionellen<br />
Matrize und einer Matrize mit aktivem<br />
Dehnungsausgleich. Für das Auswerfen<br />
des Werkstücks ist im Falle der konventionellen<br />
Matrize eine um den Faktor 8 höhere<br />
Kraft aufzuwenden als bei dem Werkzeugkonzept<br />
mit aktivem Dehnungsausgleich. Zurückzuführen<br />
ist dies auf die deutlich höheren<br />
Radialspannungen in der konventionellen Matrize<br />
(siehe Bild rechts oben). Im Falle der<br />
Matrize mit aktivem Dehnungsausgleich sind<br />
die Radialspannungen bedingt durch beidseitige<br />
Entlastung der Matrizenwand beim Zurückfahren<br />
des Stempels deutlich niedriger und erleichtern<br />
so das Auswerfen des Werkstücks.<br />
FACHBEITRÄGE<br />
Die Herabsetzung der Radialspannungen in der<br />
Matrize bewirkt weiterhin eine Minderung der<br />
zwischen Werkstück und Werkzeug wirkenden<br />
Kontaktdrücke, was zur Verbesserung der<br />
Oberflächenqualität der Bauteile beiträgt und<br />
die Gefahr von Matrizenschädigungen reduziert.<br />
Minimierung des Werkzeugverschleißes<br />
Neben dem Vorteil der gesteigerten Genauigkeit<br />
der Fertigteile ermöglicht das vorgestellte<br />
Werkzeugkonzept eine Reduktion des zu erwartenden<br />
Werkzeugverschleißes. In hierzu<br />
durchgeführten Finite-Elemente-Simulationen<br />
wurde der Werkzeugverschleiß für eine konventionelle<br />
Matrize und eine Matrize mit aktivem<br />
Dehnungsausgleich ermittelt. Anhand der<br />
erzielten Ergebnisse konnte festgestellt werden,<br />
daß während des Ausstoßprozesses der<br />
Verschleiß entlang der Gravurwand im Falle<br />
des konventionellen Werkzeugkonzepts um<br />
den Faktor 6 höher ist als für das Werkzeugkonzept<br />
mit aktivem Dehnungsausgleich. Es<br />
wurde zudem ersichtlich, daß der durch den<br />
Verschleiß resultierende Materialabtrag für das<br />
Werkzeug mit aktivem Dehnungsausgleich<br />
homogen verteilt ist, während dieser beim konventionellen<br />
Werkzeugkonzept ungleichmäßig<br />
ist.<br />
Im Zuge von Finite-Elemente-Simulationen<br />
wurde das technologische und wirtschaftliche<br />
Potential des innovativen Werkzeugkonzepts<br />
des aktiven Dehnungsausgleichs nachgewiesen.<br />
Um die zu erwartetenden Vorteile des vorgeschlagenen<br />
Werkzeugkonzepts zu demon-<br />
Radialspannungen und Kräfte bei dem Auswerfvorgang Bilder: IFUM<br />
strieren, wird im IFUM momentan ein Präzisionsschmiedeprozeß<br />
mit nachgeschaltetem<br />
Kaltkalibrierprozeß unter Verwendung eines<br />
Kalibrierwerkzeugs mit aktivem Dehnungsausgleich<br />
realisiert.<br />
Dieses Forschungsprojekt Nr. AiF<br />
12388N wird aus Mitteln des Bundesministeriums<br />
für Wirtschaft und Technologie<br />
über die Arbeitsgemeinschaft<br />
Industrieller Forschungsvereinigungen<br />
“Otto v. Guericke” e. V. (AiF) und die<br />
Forschungsgesellschaft Stahlverformung<br />
e. V. (FSV) im Rahmen der vorwettbewerblichen<br />
Gemeinschaftsforschung gefördert.<br />
Die Langfassung des Abschlußberichts<br />
kann nach Beendigung des<br />
Projekts bei der FSV, Goldene Pforte 1,<br />
58093 Hagen, angefordert werden.<br />
21 SCHMIEDE-JOURNAL MÄRZ 2001