Muskel-Skelett-Erkrankungen in Europa.pdf
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T G B N E W S L E T T E R • J U N I 9 9 • N r . 1 1 - 1 2<br />
SONDERTEIL<br />
<strong>Muskel</strong>-<strong>Skelett</strong>-<strong>Erkrankungen</strong> <strong>in</strong> <strong>Europa</strong><br />
* Fachbereich Arbeitshygiene<br />
und Arbeitsphysiologie, Katholische<br />
Universität Leuven, Belgien<br />
30<br />
Strategie zur Prävention und Kontrolle<br />
von <strong>Muskel</strong>-<strong>Skelett</strong>-<strong>Erkrankungen</strong><br />
der oberen Gliedmaßen<br />
E<strong>in</strong>leitung<br />
In der Literatur werden zahlreiche Verfahren zur Risikobeurteilung<br />
von <strong>Muskel</strong>-<strong>Skelett</strong>-<strong>Erkrankungen</strong> der<br />
oberen Gliedmaßen genannt. Diese umfassen Checklisten,<br />
Beurteilungsskalen, Beobachtungsmethoden<br />
oder sogar extrem ausgefeilte Meßverfahren. Zu diesen<br />
von Fachleuten entwickelten und veröffentlichten<br />
Ansätzen lassen sich zwei grundlegende Kritikpunkte<br />
vorbr<strong>in</strong>gen:<br />
• In der Regel berücksichtigen sie weder den Kenntnisstand<br />
noch die technischen Möglichkeiten oder<br />
die verfügbare Zeit der für die Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen <strong>in</strong><br />
großen und vor allem kle<strong>in</strong>en Unternehmen verantwortlichen<br />
Personen.<br />
• Das Ziel dieser Personen besteht nicht wie das der<br />
Wissenschaftler <strong>in</strong> epidemiologischen Studien dar<strong>in</strong>,<br />
Risiken zu beurteilen, sondern die erforderlichen Informationen<br />
zu sammeln, um die Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen<br />
zu verbessern und, wenn möglich, Probleme zu<br />
vermeiden.<br />
Durch die E<strong>in</strong>beziehung der Arbeitnehmer können<br />
im allgeme<strong>in</strong>en entscheidende Kontrollmaßnahmen<br />
e<strong>in</strong>fach und schnell gefunden werden. Untersuchungen<br />
potentieller Handlungsmöglichkeiten müssen<br />
von daher e<strong>in</strong> Verfahren vorsehen, anhand dessen<br />
die Arbeitsschützer <strong>in</strong> der Praxis schrittweise Informationen<br />
zur Festlegung geeigneter Kontrollmaßnahmen<br />
sammeln können.<br />
In diesem Artikel wird e<strong>in</strong> Vier-Phasen-Modell vorgestellt,<br />
das von Phase zu Phase komplexer wird und<br />
bei Bedarf nache<strong>in</strong>ander von Personen mit unterschiedlichem<br />
Kenntnisstand angewandt werden kann<br />
(Malchaire und Indesteege, 1997). Dieses Verfahren<br />
soll es den verantwortlichen Personen ermöglichen,<br />
Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen zu erkennen, die Gefährdungen<br />
für <strong>Muskel</strong>-<strong>Skelett</strong>-<strong>Erkrankungen</strong> der oberen Gliedmaßen<br />
darstellen, und möglichst geeignete präventive<br />
und korrektive Maßnahmen zu bestimmen.<br />
Beschreibung des Verfahrens<br />
Das Konzept, das diesem Verfahren zugrunde liegt,<br />
ist nicht ausschließlich auf <strong>Muskel</strong>-<strong>Skelett</strong>-<strong>Erkrankungen</strong><br />
anzuwenden. Es kann <strong>in</strong> der Industrie zur<br />
Vermeidung jeglicher Arten von Gefährdungen verwandt<br />
werden (Malchaire et al. 1998a; 1998b;<br />
1998c; 1998d; 1999).<br />
Dr J.B. Malchaire et N.A. Cock*<br />
■ In der Phase I „Aufzeichnung“ werden die Beschwerden<br />
und <strong>Erkrankungen</strong> der Arbeitnehmer aufgezeichnet<br />
und die Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen kurz geprüft.<br />
Danach wird entschieden, ob das Problem im Detail<br />
untersucht, nach Möglichkeiten der Vermeidung von<br />
Gefährdungen gesucht und unbequeme Körperhaltungen<br />
bei der Arbeit verbessert werden sollen.<br />
■ Sofern das Problem nicht auf diese Weise gelöst<br />
werden kann, wird von den Personen, die <strong>in</strong> den Unternehmen<br />
für die Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen und die Arbeitsorganisation<br />
verantwortlich s<strong>in</strong>d, die Phase II<br />
„Beobachtung“ e<strong>in</strong>geleitet.<br />
■ Sofern diese Personen nicht <strong>in</strong> der Lage s<strong>in</strong>d, zufriedenstellende<br />
Lösungen anzubieten, werden Fachleute<br />
herangezogen und detailliertere „Analysen“<br />
durchgeführt (Phase III).<br />
■ Falls sich auch durch die „Analyse“ nicht die erforderlichen<br />
Ergebnisse erzielen lassen, wird <strong>in</strong> Phase<br />
IV „Fachwissen“ auf weitere Unterstützung von Experten<br />
zurückgegriffen, wobei <strong>in</strong> diesem Fall sehr<br />
spezifische Aspekte der Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen untersucht<br />
werden, um def<strong>in</strong>itive Kontrollmaßnahmen zu<br />
bestimmen (s. Tabelle 1: Eigenschaften der vier verschiedenen<br />
Phasen).<br />
Phase I „Aufzeichnung“<br />
Das Verfahren muß leicht verständlich und e<strong>in</strong>fach<br />
anzuwenden se<strong>in</strong>, und zwar bevorzugterweise von<br />
den Arbeitnehmern selbst, da diese die Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen<br />
im Detail kennen. Auch darf das Verfahren<br />
nicht sehr zeitaufwendig se<strong>in</strong>, damit es <strong>in</strong> jedem vermuteten<br />
Fall e<strong>in</strong>es Problems zur Anwendung kommen<br />
kann. Tabelle 2 weist verschiedene Punkte auf,<br />
die den Arbeitnehmern als Grundlage dienen können,<br />
um Bed<strong>in</strong>gungen, Ursachen und e<strong>in</strong>fache Verbesserungen<br />
zur Lösung des Problems zu diskutieren.<br />
Phase II „Beobachtung“<br />
Das Verfahren muß von jenen Personen e<strong>in</strong>fach anzuwenden<br />
se<strong>in</strong>, die für die Arbeitsorganisation verantwortlich<br />
s<strong>in</strong>d und <strong>in</strong> der Regel über ke<strong>in</strong>e Ausbildung<br />
im Bereich der <strong>Muskel</strong>-<strong>Skelett</strong>-<strong>Erkrankungen</strong> verfügen.<br />
Auch dieses Verfahren darf weder zeit<strong>in</strong>tensiv<br />
noch kostspielig se<strong>in</strong>. Ausgehend von e<strong>in</strong>em Vorschlag<br />
von Keyserl<strong>in</strong>g et al. (1993) wurde e<strong>in</strong>e Checkliste<br />
entwickelt (Tabelle 3). Diese enthält die wichtigsten<br />
Aspekte der Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen (Körperhaltun-