LISFör - DGFF
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„Ah da kommt ein ÄH:“<br />
Vermittlung basaler Schreibkompetenzen in der<br />
Zweitsprache Deutsch im Unterricht der<br />
Schuleingangsstufe<br />
Der Beitrag der Videoanalyse<br />
<strong>DGFF</strong> - Kongress . Hamburg . 01.10.2011<br />
Beate Lingnau – Ulrich Mehlem
Gliederung des Vortrags<br />
• Vorstellung des Projektes <strong>LISFör</strong><br />
• Theoretische Vorannahmen<br />
– Orthographie<br />
– Vermittlung von Wissen in der Interaktion<br />
• Fragestellung<br />
• Beispielanalyse<br />
• Zusammenfassung und Ausblick
<strong>LISFör</strong> - Literalität und Interaktion<br />
in der Sprachförderung<br />
Ingwer Paul, Ulrich Mehlem, Friederike Kern,<br />
Birgit Lütje-Klose, Udo Ohm, Susanne<br />
Horstmann, Beate Lingnau,<br />
Karola Pitsch, Said Sahel, Julia Settinieri,<br />
Magdalena Spaude
Das Gehörte bildet die Grundlage des Schreibens<br />
(Bredel, Furhop, Noack 2011)
Eine stabile lautliche Repräsentation von Einträgen<br />
im mentalen Lexikon ist eine notwendige (wenn<br />
auch nicht hinreichende) Voraussetzung für den<br />
Erwerb basaler Schreibkompetenzen.<br />
ANNAHME
Mit:<br />
„Hör genau hin, dann kannst du<br />
richtig schreiben“<br />
RECHTSCHREIBUNG IST KEINE<br />
LAUTSCHRIFT! (Vgl. auch: Dürscheid 2006)<br />
sind Fehler vorprogrammiert<br />
(Bredel, Furhop, Noack 2011:12)
(Bredel, Furhop, Noack 2011)<br />
AINSSCHTRITNOATWINTUNSONEWEAFENIM<br />
BAIDNWOLDEASCHTEAKEREWERE
Zungenrücken vorne, oben<br />
hier<br />
Lippen ungerundet<br />
i<br />
wer<br />
Hirn<br />
Die öffnenden Diphthonge<br />
y<br />
e hör ! œ<br />
Herz<br />
Bär<br />
ε<br />
ø<br />
nur in der gesprochenen<br />
Umgangssprache<br />
auch in der Hochlautung<br />
Tür<br />
ε:<br />
Türme<br />
Lippen gerundet<br />
Hörner<br />
a<br />
Zungenrücken hinten, oben<br />
Turm<br />
o<br />
Horn<br />
u<br />
Tor<br />
offen: Zunge gesenkt<br />
Vgl. Kohler, (1995): S. 177<br />
Uhr
Silben<br />
• Silben sind für den Schreiberwerb bedeutsam<br />
(ein rein segmentaler Ansatz reicht nicht aus)<br />
(Berkemeier 2007)<br />
• Die Anschlussart der folgenden Silbe ist<br />
bedeutungsunterscheidend<br />
– /kva:ln/ - /kvaln/ (ebd.)
(Bredel, Furhop, Noack 2011)<br />
AINS(T)SCHTRITNOATWINTUN(T)SONEWEAF<br />
ENIMBAIDNWOLDEASCHTEAKEREWERE
Morphologie / Morphemkonstanz<br />
• Auslautverhärtung - Inlauterweichung (Furhop<br />
2009)<br />
• Spirantisierung (Hall 2011)<br />
– König weil Könige / Pfirsich weil Pfirisiche
Beispiel: Pfirsich
http://www.duden.de/rechtschreibung/Pfirsich<br />
(Duden Aussprachewörterbuch 1990)<br />
/ˈpfɪʁzɪç/
Wissen<br />
• Kognitives Konzept<br />
– Alltagstheoretisch: Wissen als „Besitz“<br />
• Pädagogische Psychologie:<br />
– Deklaratives Wissen (Wissen)<br />
– Problemlösewissen (Können)<br />
– Prozedurales Wissen (Können)<br />
– Metakognitives Wissen (Bewusstheit)<br />
(Mandl 1986; Ossner 2006)
Wissenserwerb<br />
• Interaktive Konstruktion von Wissen (Domke,<br />
Olhus, Dausendschön-Gay 2010)<br />
• Arrangement als Grundlage der Lernsituation<br />
(Kendon 1990)<br />
• Qualität des Wissens und Könnens korreliert<br />
mit der Qualität der interaktiven Ereignisse, in<br />
deren Verlauf es konstruiert und bestätigt<br />
wurde (Bergmann, Quasthoff 2010)
Annahmen<br />
• Es ist wichtig für den Erstschreiberwerb, dass Kinder in der Lage<br />
sind, Wörter in ihre Lautbestandteile zu zerlegen.<br />
• Voraussetzung dafür ist eine stabile lautliche Repräsentation der<br />
Wörter (vgl. auch Becker 2011).<br />
• Um eine stabile lautliche Repräsentation zu erreichen, ist<br />
sowohl ein gutes Sprachvorbild als auch eine ruhige Lernumgebung<br />
nötig (ebd.).<br />
• Die Fähigkeit zur Synthese von Lauten reicht allerdings nicht aus<br />
(Bsp. R-Vokalisierung) (siehe auch Pompino-Marschall 2009).<br />
• Solches Wissen wird in interaktiven Lernsituationen mit<br />
kompetenten Sprechern erworben.<br />
• Die Sozialform Gruppenarbeit ist hierfür nur bedingt geeignet.
Beispielanalyse
Situation<br />
• Jahrgangsübergreifender Unterricht<br />
• Sozialform: Gruppenarbeit<br />
• Lehrerin und Sprachförderkraft sind anwesend<br />
• Thema Obst und Gemüse wurde sehr gut<br />
vorbereitet
Gruppenarbeit<br />
• Wörter sollen am Ende orthographisch richtig<br />
auf dem Plakat stehen.<br />
• Zweitklässlerinnen übernehmen die<br />
„Lehrerrolle“.<br />
• Die Kinder sollen Wörter in ihrem Wörterbuch<br />
nachschlagen.
Räumliche Anordnung der aufgeklebten<br />
Obst- und Gemüsebilder auf dem Plakat<br />
Plakat einer anderen<br />
Lerngruppe
• L1 Türkisch<br />
Esra Elternfragebogen<br />
• Spricht mit den Eltern türkisch<br />
• Spricht etwas besser türkisch als deutsch aber<br />
beides nicht perfekt<br />
• Alter 7;7<br />
• 1. Klassenstufe (zurückgestellt)<br />
• Ganztagsbetreuung
• SET:<br />
SET<br />
– Nachsprechen von Nichtwörtern, Wortschatz und<br />
Sprachverständnis (T < 20)<br />
– Beurteilung grammatischer Korrektheit im<br />
Normbereich<br />
Sprachentwicklungstest (Petermann 2010)
Arbeitsergebnis auf Esras Blatt
Synthese
Verschriftlichung<br />
Pf
Pfe
Pfes
Pfesek
Gemeinsame Korrektur:<br />
Pfesik<br />
Pfirsigch
Zusammenfassung<br />
– Am Ende steht die korrekte Schreibung des Wortes<br />
Pfirsich.<br />
– Meike kann einen orthographischen Fehler, der<br />
vermutlich durch eine Übergeneralisierung<br />
entstanden ist, mithilfe der Lehrerin teilweise<br />
selbstständig lösen (Interaktive Konstruktion von<br />
Wissen).<br />
– Esra zeigt große Unsicherheiten bezüglich der<br />
lautlichen Repräsentation, der Segmentierung des<br />
Wortes sowie der Phonem-Graphem-Konvertierung.<br />
– Besonders die Analyse des Diphtongs scheint Esra<br />
Schwierigkeiten zu bereiten.
Fragen an die Daten<br />
• Welche Zusammenhänge zwischen Sozialform und<br />
Aufgabenstellung sind zu erkennen?<br />
• In welchen Situationen kann es sinnvoll sein, dass ältere<br />
Kinder in der Gruppenarbeit eine „Lehrerrolle“ übernehmen?<br />
• In welchen Situationen werden Scaffolding-Strategien sinnvoll<br />
eingesetzt ?<br />
• Gibt es Lehr- Lernsituationen, die auf sprachlichem Wissen<br />
aufbauen, auf das die Kinder (noch) nicht sicher zugreifen<br />
können und wie lässt sich dies in der Interaktion erkennen?
Schüler haben die irritierende Angewohnheit,<br />
nicht zu lernen, was wir ihnen beizubringen<br />
versuchen, und spontan zu lernen, was wir<br />
ihnen nicht beigebracht haben.<br />
(Belke, Belke 2003)
Literatur<br />
Becker, Tabea (2011): Schriftspracherwerb in der Zweitsprache. Eine qualitative<br />
Länsschnittstudie: Schneider-Verl. Hohengehren.<br />
Belke, Gerlind; Belke, Eva (2003): Das Sprachspiel als Grundlage institutioneller<br />
Sprachvermittlung. Ein psycholinguistisch fundiertes Konzept für den<br />
Zweitspracherwerb. In: Gerlind Belke (Hg.): Mehrsprachigkeit im<br />
Deutschunterricht. Sprachspiele, Spracherwerb und Sprachvermittlung. 3., korr.<br />
Aufl. Baltmannsweiler: Schneider-Verl. Hohengehren, S. 174–200.<br />
Bergmann, Jörg; Quasthoff, Uta (2010): Interaktive Verfahren der Wissensgenerierung<br />
– Methodische Problemfelder. In: Ulrich Dausendschön-Gay, Christine Domke und<br />
Sören Ohlhus (Hg.): Wissen in (Inter-)Aktion. Verfahren der Wissensgenerierung in<br />
unterschiedlichen Praxisfeldern. Berlin: de Gruyter (Linguistik - Impulse &<br />
Tendenzen, 39), S. 21–35.<br />
Berkemeier, Anne (2007): Zur Bedeutung der Silbe in der neueren<br />
rechtschreibdidaktischen Diskussion: Versuch einer Synopse. In: Eduard Haueis<br />
und Stefan Schallenberger (Hg.): (Schrift- )Spracherwerb und<br />
Grammati(kali)sierung. Duisburg: Redaktion OBST, S. 81–96.<br />
Dausendschön-Gay, Ulrich; Domke, Christine; Ohlhus, Sören (2010): Einleitung<br />
"Wissen ind (Inter)Aktion". In: Ulrich Dausendschön-Gay, Christine Domke und<br />
Sören Ohlhus (Hg.): Wissen in (Inter-)Aktion. Verfahren der Wissensgenerierung in<br />
unterschiedlichen Praxisfeldern. Berlin: de Gruyter (Linguistik - Impulse &<br />
Tendenzen, 39), S. 1–21.
Drosdowski, Günther (Hg.) (1990): Duden Aussprachewörterbuch. Wörterbuch der<br />
deutschen Standardaussprache. Bibliographisches Institut & F. A. Brockhaus AG. 3.,<br />
völlig neu bearb. und erw. Mannheim: Dudenverl (Der Duden, : in 12 Bd.; das<br />
Standardwerk zur deutschen Sprache / hrsg. vom Wiss. Rat d. Dudenred.: Günther<br />
Drosdowski … ; Bd. 6).<br />
Dürscheid, Christa (2006): Einführung in die Schriftlinguistik. 3., überarb. und erg.<br />
Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.<br />
Fuhrhop, Nanna (2009): Orthografie. 3., aktualisierte Aufl. Heidelberg: Winter.<br />
Hall, T.A (2011): Phonologie: Eine Einfuhrung: de Gruyter. Online verfügbar unter<br />
http://books.google.de/books?id=wbUDV3PNhR4C.<br />
Kendon, Adam (1990): Spatial organization in social encounters: the F-formation<br />
system. In: Adam Kendon (Hg.): Conducting interaction. patterns of behavior in<br />
focused encounters. Cambridge u.a: Cambridge Univ. Press (Studies in interactional<br />
sociolinguistics, Teil 7), S. 209–237.<br />
Kohler, K.J. ( 2 1995): Einführung in die Phonetik des Deutschen. Berlin: Schmidt<br />
Mandl, Heinz (1986): Psychologie des Wissenserwerbs. In: Bernd Weidenmann und<br />
Andreas Krapp (Hg.): Pädagogische Psychologie. ein Lehrbuch. München:<br />
Schwarzenberg, S. 143–187.<br />
Ossner, J. (2006): Sprachdidaktik Deutsch: eine Einführung: Schöningh. Online<br />
verfügbar unter http://books.google.de/books?id=WJsdazAYPvQC.<br />
Petermann, Franz (2010): Sprachstandserhebungstest für Kinder im Alter zwischen 5<br />
und 10 Jahren. SET 5-10. Göttingen u.a: Hogrefe.<br />
Pompino-Marschall, Bernd (2003): Einführung in die Phonetik. 2., durchges. und erw.<br />
Berlin: de Gruyter.