Das Buch der Menschlichkeit - The Dalai Lama Foundation
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3. Kapitel – Die bedingte Entstehung und das Wesen <strong>der</strong><br />
Wirklichkeit<br />
Hauptpunkte<br />
Wie wir die Welt verstehen, bestimmt unsere Reaktionen und Verhaltensweisen. Wenn wir die<br />
Phänomene nicht begreifen, nimmt die Wahrscheinlichkeit zu, dass wir Dinge tun, die uns und<br />
an<strong>der</strong>en schaden. Die Perspektive dieses Kapitels ist die <strong>der</strong> Madhyamika (Mittlerer Weg)-<br />
Schule <strong>der</strong> buddhistischen Philosophie. Sie beginnt mit einer rigorosen und logischen<br />
Untersuchung, wie Phänomene – das Ich und die Welt – existieren.<br />
Die Sicht <strong>der</strong> Madhyamika-Schule. <strong>Das</strong> zentrale Konzept <strong>der</strong> bedingten Entstehung kann auf<br />
verschiedene Weise verstanden werden:<br />
• Dinge entstehen in Abhängigkeit von Ursache und Wirkung – ein Tontopf o<strong>der</strong> ich<br />
selbst.<br />
• Dinge bestehen aus Teilen. Je<strong>der</strong> Teil besteht wie<strong>der</strong>um aus Teilen, usw. <strong>Das</strong> gilt für<br />
geistige Phänomene, als auch für physische Objekte.<br />
• Kein Objekt o<strong>der</strong> Ereignis gewinnt Existenz aus sich selbst heraus, unabhängig von<br />
an<strong>der</strong>en Ursachen und Bedingungen. Der Name, den wir einem Objekt geben, ist nur<br />
ein Etikett für ein komplexes Netzwerk verwobener Phänomene.<br />
Warum unternehmen wir diese Analyse? Ist sie für unser tägliches Leben nützlich? Sie enthält<br />
wichtige Schlußfolgerungen:<br />
• Unsere gesamte Perspektive än<strong>der</strong>t sich, weg von einer Welt, die aus vereinzelten<br />
Stücken besteht und hin zu einem Universum als einem lebenden Organismus, in dem<br />
jede Zelle mit allen an<strong>der</strong>en zusammenwirkt, um das Ganze zu unterstützen. Unsere<br />
Verbindung mit allen an<strong>der</strong>en Lebewesen und mit unserer Umgebung ist nicht eine<br />
Sache von Gefühlen o<strong>der</strong> religiösen Dogmen, son<strong>der</strong>n richtig verstandene<br />
Wirklichkeit. Jede unserer Handlungen, jede Tat, jedes Wort hat Auswirkungen auf<br />
an<strong>der</strong>e, sei es zum Besseren o<strong>der</strong> Schlechteren. So ist es auch mit Gedanken, wenn sie<br />
uns auch sehr nebensächlich erscheinen mögen.<br />
• Diese Analyse wirkt <strong>der</strong> Tendenz entgegen, Dinge o<strong>der</strong> Ereignisse als feste,<br />
unabhängige, separate Einheiten zu sehen. Wir werden aufgefor<strong>der</strong>t, Dinge und<br />
Ereignisse weniger schwarz-weiß, son<strong>der</strong>n vielmehr als ein komplexes<br />
Beziehungsgeflecht zu betrachten.<br />
• Selbst unser geliebtes Ich existiert nicht auf eine feste und unabhängige Weise. Wir<br />
kommen schließlich zu <strong>der</strong> Erkenntnis, dass unsere gewöhnliche klare Unterscheidung<br />
zwischen Selbst und An<strong>der</strong>en übertrieben ist. Wir können unser Ich am Ende<br />
genausowenig dingfest machen wie einen Regenbogen am Sommerhimmel.<br />
Kein Nihilismus. Die Tatsache, dass nichts unabhängig und separat existiert, bedeutet nicht,<br />
dass am Ende überhaupt nichts existiert, und dass die Wirklichkeit, wie wir sie wahrnehmen,<br />
nur eine Projektion des Geistes ist. Ein solches Missverständnis würde ethische For<strong>der</strong>ungen<br />
unterminieren. <strong>Das</strong> Konzept <strong>der</strong> bedingten Entstehung bedeutet genau das Gegenteil: Es liefert<br />
eine klare Grundlage für die Praxis <strong>der</strong> Ethik und zwingt uns, die Wirklichkeit von Ursache und<br />
Studienanleitung für <strong>Das</strong> <strong>Buch</strong> <strong>der</strong> <strong>Menschlichkeit</strong> —<br />
www.dalailamafoundation.org/studyguides<br />
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