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Theaterzeitung Februar 2013 - Theater Hagen

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„Die meisten Regisseure sind Diktatoren“ – HG. Butzo im Gespräch<br />

theaterhagen: Herr Butzko, zurzeit haben<br />

Sie mehrere Auftritte in München. Würden<br />

Sie sagen, dass sich der Humor der Bayern<br />

von dem der Menschen aus dem Ruhrgebiet<br />

unterscheidet? HG. Butzko: Ich würde sagen, dass<br />

jede Region natürlich eine eigene Mentalität und<br />

dafür auch ihre Spezialisten hat. Die Bayern haben<br />

bayerische Komiker und Kabarettisten, die diese<br />

Mentalität treffen, das gibt es im Ruhrgebiet aber<br />

auch. Ich erinnere an Herbert Knebel oder früher<br />

Jürgen von Manger… Die funktionieren in anderen<br />

Regionen dann nicht so gut. In meinem Fall ist es<br />

so, dass meine „Type“, mein regionales Idiom,<br />

ein Transportmittel ist für deutschlandweit gültige<br />

Themen. Die funktionieren überall gleich und werden<br />

vom Publikum auch gleich aufgenommen.<br />

Sie sind in Gelsenkirchen geboren, die Presse<br />

beschreibt Ihre Programme als „Kumpelkabarett“<br />

oder „Thekengespräch mit dem<br />

Publikum“. Das klingt so, als würden Sie sich<br />

zur Inspiration auch in den Eckkneipen des<br />

Reviers umhören. Genau das meine ich mit der<br />

„Type“: Dieses kumpelhafte, plaudernde, das ist das<br />

Vehikel. Ich recherchiere zwar sehr viel und lese in<br />

einem durch, was sich tut, aber trotzdem ist meine<br />

Bühnenfigur jemand, der neben dir an der Theke<br />

stehen könnte. Was ich dann aber zu sagen habe,<br />

das ist eine Hirnwindung mehr als die dumpfen<br />

Parolen vom Stammtisch. Ich bin eben der, der<br />

sich ein bisschen mehr Gedanken macht, der auch<br />

mal dialektisch beide Seiten betrachtet und dann<br />

daraus heraus – genauso keine Ahnung hat wie der<br />

Zuschauer! (lacht)<br />

Am 4. März sind Sie mit Ihrem Programm<br />

„Verjubelt“ zu Gast bei uns in <strong>Hagen</strong>... Ich glaube,<br />

ich bin dann zum vierten Mal in <strong>Hagen</strong>. Ich freue mich<br />

jedes Mal wieder tierisch darauf.<br />

Erzählen Sie uns ein bisschen zum Inhalt<br />

des Programms? „Verjubelt“ ist sozusagen die<br />

kabarettistische Untersuchung des Ursprungs dessen,<br />

was wir Finanzkrise nennen. Wir erleben momentan<br />

eine sogenannte Schuldenkrise, wahlweise auch<br />

Eurokrise, die für mich aber nichts anderes ist als<br />

die Fortsetzung der Finanzkrise unter einem anderen<br />

Begriff. Und die Frage danach, womit das ganze<br />

Debakel angefangen hat, also quasi eine satirische<br />

Grundlagenanalyse und Ursachenforschung, das ist<br />

„Verjubelt“.<br />

Auf Ihrer Homepage findet sich der schöne<br />

Begriff „weltverbesserndes Kabarett“. Das<br />

klingt so, als würden Sie ein Anliegen verfolgen.<br />

Das ist natürlich ironisch gemeint. Selbstverständlich<br />

ist sich der Kabarettist voll darüber bewusst, dass er<br />

nichts verändert. Und schon gar nicht die Welt! Ich bin<br />

eher ein Don Quijote, der gegen Windmühlen anrennt,<br />

der aber genau das auf der Fahne hat: „Ich werde die<br />

Windmühlen zum Einsturz bringen!“<br />

Sie haben auch eine Stadttheater-Vergangenheit:<br />

Bis 1997 waren Sie zehn Jahre lang als<br />

Schauspieler und Regisseur tätig. Wie erinnern<br />

Sie sich an diese Zeit zurück? Mit gemischten<br />

Gefühlen. Anfangs war das natürlich tierisch aufregend<br />

und spannend und super. Aber dann ist mir das Ganze<br />

letztlich doch zu unkreativ gewesen. Als Schauspieler<br />

ist man ja immer wieder auf Gedeih und Verderb den<br />

Anweisungen eines Regisseurs ausgeliefert. Ich habe<br />

in diesen zehn Jahren nur ganz selten Regisseure<br />

2<br />

theaterzeitung<br />

Interview · Gastspiel<br />

getroffen, mit denen die Arbeit wirklich kreativ war,<br />

im Sinne von: „Lass uns gemeinsam auf eine Reise<br />

gehen und mal gucken, was dabei rauskommt.“<br />

Die meisten Regisseure waren, um es mal ganz<br />

überspitzt zu sagen, Diktatoren. Die sagen dir dann:<br />

„Du kommst von links nach rechts, dann sagst du den<br />

Satz so und dann machst du dies und dann machst<br />

du das.“ Wenn eine solche Inszenierung aufgeht und<br />

die Leute im Zuschauerraum Spaß daran haben, dann<br />

ist man ja auch bereit, das in Kauf zu nehmen. Wenn<br />

man dann aber, und auch das kommt häufig vor, nur<br />

eine verkrampfte Sch… abliefert, und die Zuschauer<br />

fragen sich: „Was soll denn der Mist?“, dann ist das<br />

als Schauspieler sehr frustrierend.<br />

Also sind Sie Regisseur geworden… Das habe<br />

ich zuerst versucht. So unter dem Aspekt: Jetzt biete<br />

ich den Schauspielern mal all die Freiräume, die<br />

ich selber gerne gehabt hätte. Und wissen Sie, was<br />

dann passiert ist? Da trifft man dann auf 50 Prozent<br />

Schauspieler, die wollen aber Anweisungen haben!<br />

Die wollen die Diktatur! Da habe ich angefangen,<br />

ein eigenes Kabarettprogramm zu schreiben. Damit<br />

wurde ich mit einem Mal mein eigener Regisseur,<br />

Autor und Darsteller. Ich hatte mir tatsächlich<br />

vorgenommen, das einmal auszuprobieren, und wenn<br />

es schlecht gelaufen wäre, dann wäre ich wieder<br />

zurück an die Bühne gegangen.<br />

Brauchen Städte wie zum Beispiel Gelsenkirchen<br />

oder <strong>Hagen</strong> ein eigenes Ensemble? Ist die Arbeit<br />

der Stadttheater wichtig? Ja, natürlich! Die ist sehr<br />

wichtig. Wenn tatsächlich die Kassen leer sind und<br />

die Finanzlage schwierig, dann ist Kultur doch immer<br />

noch der billigste Posten in einer Stadt. Kultur ist<br />

immer ein Nischenprodukt, das allerdings dringend<br />

erhalten werden muss.<br />

Nochmal zurück zum Kabarett: Gibt es Politiker,<br />

die Sie besonders gerne aufs Korn nehmen?<br />

Nein. Die, die gerade dran sind, die kriegen es ab.<br />

Und die haben es auch verdient. Obwohl: Zu Beginn<br />

der Finanzkrise gibt es eine Entwicklung, die finde ich<br />

ganz spannend. Es wird nämlich immer mehr offenbar,<br />

dass Politiker eigentlich ohnmächtig sind. Dass die<br />

Kabale und Liebe<br />

Ein bürgerliches Trauerspiel von Friedrich Schiller<br />

Landestheater Detmold<br />

21. <strong>Februar</strong> <strong>2013</strong> · 19.30 Uhr<br />

Großes Haus<br />

Foto: Jü Walter<br />

Strukturen und Mechanismen der Märkte inzwischen<br />

viel mächtiger sind als die handelnden Politiker. Horst<br />

Seehofer hat einmal gesagt: „Die, die gewählt wurden,<br />

haben nicht zu entscheiden und die Entscheidenden<br />

wurden nicht gewählt.“ Das sagt der Horst Seehofer!<br />

Gerade beim Programm „Verjubelt“ greife ich das<br />

auf. Insofern habe ich keine Lieblingspolitiker mehr,<br />

als dass ich erkannt habe: Man kann sich entweder<br />

mit den Mächtigen beschäftigen oder sich mit den<br />

Politikern aufhalten.<br />

Die Entscheidungsträger sitzen also eigentlich<br />

in der Wirtschaft, nur haben sie gar keine demo-<br />

kratische Legitimation. Ja! Die Entscheidungsträger<br />

sitzen in der Wirtschaft und dort fallen die<br />

Entscheidungen nach besagten Mechanismen.<br />

Wir haben ein losgelöstes Ding vor uns, einen<br />

Leviathan, wenn man so will, ein Monster, das sich<br />

verselbstständigt hat. Ein Drache, den wir versuchen,<br />

zu reizen.<br />

Und was macht man da? Gibt es eine Lösung?<br />

Das ist nicht mein Job (lacht). Nein, nein, da sollen<br />

sich Leute wie Herr Steinbrück und Frau Merkel<br />

Gedanken machen! Und ich klopfe dann ab, ob die mir<br />

plausibel erscheinen oder Futter fürs Kabarett liefern.<br />

Das Gespräch führte Adaora Geiger<br />

Ferdinand und Luise lieben sich. Er ist der Sohn<br />

des Präsidenten, sie ein einfaches Bürgermädchen.<br />

Diese Verbindung über Standesgrenzen hinweg<br />

beschwört vielfältige Widerstände herauf: Sowohl<br />

Ferdinands Nebenbuhler, als auch die beiden Väter<br />

der Liebenden verbünden sich gegen das Paar. Liebe und Zweifel, Intrige und Tod – Schiller schrieb mit nur<br />

23 Jahren die Tragödie zweier junger Menschen, deren innige Liebesbindung durch die Ignoranz ihrer Umwelt<br />

vereitelt wird, und er rechnet auf diese Weise mit seiner Vätergeneration und dem Absolutismus ab. Doch neben<br />

den gesellschaftlichen Hindernissen, die Ferdinand und Luise in die Verzweiflung treiben, scheitert ihre Liebe<br />

auch am eigenen Zweifel und verhindert so die Veränderung der Verhältnisse. „Kabale und Liebe“ ist ein radikaler<br />

dichterischer Versuch über Gefühl und Gewalt, Dünkel und Glück, Misstrauen und Verhängnis: Kann es eine Liebe<br />

geben, die so bedingungslos ist, dass sie Vernunftvorgaben und Normen, Eifersucht und Ränke überdauert, ein<br />

emotionales Band, das auch die Widrigkeiten der realen Welt nicht zu trennen vermögen?<br />

In der Inszenierung von Martin Pfaff wurde das im Kanon für das Zentralabitur stehende Stück mit großer Resonanz<br />

aufgenommen: „Dass Schillers Sprache den richtigen Nerv trifft, bewies der kräftige Beifall der vielen jungen Leute<br />

im Publikum.“ (Lippische Landeszeitung)<br />

<strong>Februar</strong> <strong>2013</strong>

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