Programmheft - Badisches Staatstheater Karlsruhe
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Himmel stand. Die ersten Laute aber – und<br />
das Leben stand wieder hell und liebend<br />
vor uns – wir waren ganz selig vor Glück.<br />
Wie bin ich doch stolz, eine Frau zu haben,<br />
die mir außer ihrer Liebe, ihrer Kunst<br />
auch solch ein Geschenk gemacht“. In den<br />
kerner-Liedern wie auch in frauenliebe<br />
und -leben nehmen diese Eindrücke künstlerische<br />
Gestalt an. Die kerner-Lieder<br />
sind, im Gegensatz zur zyklischen Form<br />
der frauenliebe, musikalisch betrachtet<br />
eine eher lose Sammlung an Vertonungen.<br />
Clara Schumann äußerte sich darüber<br />
folgendermaßen: „Robert hat wieder 3<br />
herrliche Lieder componiert. Die Texte<br />
sind von Justinus Kerner: ‚Lust der Sturmnacht‘,<br />
‚Stirb, Lieb‘ und Freud‘!‘ und ‚Trost<br />
im Gesang‘. Er fasst die Texte so schön<br />
auf, so tief ergreift er sie, wie ich es bei<br />
keinem anderen Componisten kenne, es<br />
hat keiner das Gemüth wie Er. Ach! Robert,<br />
wenn Du manchmal wüsstest, wie Du mich<br />
beglückst – unbeschreiblich!“<br />
Der Arzt und Schriftsteller Justinus Kerner<br />
hat Zeit seines Lebens die schwäbische<br />
Heimat nie verlassen. Er wirkte im sogenannten<br />
„Schwäbischen Dichterkreis“,<br />
zu dem u. a. auch Ludwig Uhland, Gustav<br />
Schwab und Friedrich Hölderlin gehörten.<br />
Bereits zu Lebzeiten kam Kerner aufgrund<br />
seiner parapsychologischen Experimente<br />
in Verruf. Nicht zuletzt sein literarisches<br />
Werk Geschichten zweier Sonnambulen<br />
(1824) und Die Seherin von Prevorst (1829)<br />
zeugen davon. Letzteres entstand, als er<br />
Friederike Hauffe bei sich aufnahm, eine<br />
junge Frau, die seit ihrer Jugendzeit ein<br />
„Gefühl für Geister“ gehabt haben soll.<br />
Nach ihrer Vermählung fiel sie in tiefe Depression<br />
und hatte von diesem Zeitpunkt<br />
an oftmals Dämmerzustände, in denen sie<br />
mit Geistern in Verbindung trat. Friederike<br />
Hauffe allerdings als Irrsinnige abzutun,<br />
4<br />
wäre unrecht. Denn auch sie zählt zu den<br />
„starken Frauen“ des 19. Jahrhunderts.<br />
Es ist bezeugt, dass diese „Seherin“ es<br />
schaffte, die Frau des Grafen Maldeghem<br />
von einer Psychose zu heilen. Kerner<br />
schrieb hierzu: „Erkenne hier, sinniger<br />
Leser, die Macht geistiger Korrespondenz,<br />
des Gebetes und kindlichen Glaubens.“<br />
Nebst etlichen Schriften Kerners, die von<br />
Krankheitsbildern besessener Patienten<br />
handeln, entstanden u. a. jene Gedichte,<br />
die in Schumanns Vertonungen auf uns gekommen<br />
sind. Von jener Geisterhaftigkeit<br />
und Parapsychologie, die das Leben und<br />
Wirken Kerners prägten, ist hier allerdings<br />
nichts zu finden.<br />
Verglichen mit den bekannten Schumann-<br />
Zyklen Dichterliebe, Liebesfrühling oder<br />
frauenliebe und -leben wirkt die Grundstimmung<br />
der kerner-Lieder rätselhaft und<br />
die Botschaft manches Liedes erschließt<br />
sich nur langsam. In Lust der Sturmnacht<br />
wird das tosende Unwetter in Kontrast<br />
zur heimischen Geborgenheit gesetzt.<br />
Durch gegenläufige Achtelbewegungen<br />
der Klavierstimme entsteht ein unruhiger<br />
Sechzehntelteppich. Die Gesamtidee ist<br />
nicht weit von dem entfernt, was Richard<br />
Wagner in der Sturm- und Liebesszene<br />
zu Beginn der Walküre rund zwanzig<br />
Jahre später vertonen wird. Auch hier<br />
wird das Bild der „Lenzesblumen“ dem<br />
Unwetter gegenübergestellt. Der schroffe<br />
Dur-Einbruch auf „Helle“ am Ende des<br />
Liedes verhärtet die ekstatische Hin- und<br />
Hergerissenheit zwischen Seelenfrieden<br />
und Weltenchaos. erstes Grün schildert<br />
die Sehnsucht nach dem Frühling wie nach<br />
der Liebe. Es handelt sich um ein einfaches<br />
Strophenlied, dessen Singstimme in<br />
g-Moll geführt ist, während die gliedernden<br />
Zwischenspiele in kontrastierendem<br />
G-Dur erklingen. Dagegen ist Sehnsucht