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Pastorale Entwicklungstrends aus der Sicht der Praktischen Theologie

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2.2 Von <strong>der</strong> Ortspastoral zur Kommunikationspastoral:<br />

Michael N. Ebertz<br />

2.2.1 Megatrends<br />

Michael N. Ebertz beginnt seine Überlegungen für einen Aufbruch in <strong>der</strong> Kirche mit einer Analyse<br />

wichtiger soziologischer “Megatrends” in <strong>der</strong> Gegenwartsgesellschaft. Hier wird ein neuer<br />

gesellschaftlicher Kontext skizziert, dem kirchliche Pastoral und ihre Strukturen zu entsprechen<br />

hätten.<br />

Ich greife dar<strong>aus</strong> drei wichtige Trends in Stichworten her<strong>aus</strong>: (1) Pluralisierung: In <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen<br />

Gesellschaft haben sich konkurrierende Sinnstifter etabliert, welche alternative Möglichkeiten zur<br />

Weltdeutung und zur Handlungsorientierung anbieten. Die Kirchen haben die Definitionshoheit<br />

darüber, was hierzulande als religiös gilt und worin sich das Religiöse zum Ausdruck bringt<br />

verloren. Religiöse Wahrheiten relativen sich gegenseitig und das erschwert die Orientierung und<br />

die Identitätsbildung <strong>der</strong> einzelnen Menschen. (2) Individualisierung: Die strukturelle<br />

Vervielfältigung von Wahlmöglichkeiten ist auf Menschen angewiesen, die sich als einzigartige<br />

Individuen verstehen und ihr Identitäts-, Rollen- und Karrieremanagement selbst verantworten. Das<br />

‘Selbst’ des Einzelnen wird zur verbindenden Mitte, das die Vielfalt an wahrgenommenen<br />

Teilhabechancen zusammenfügen muss. Dadurch verringern sich die sozialen Gemeinsamkeiten,<br />

es entstehen grössere Unterschiede in sozialen Lebenslagen und in Lebenslaufmustern. (3)<br />

Ästhetisierung: Gleichzeitig sind in den vergangenen Jahrzehnten neue soziale Milieus entstanden,<br />

in denen die Menschen sich jetzt an Geschmacksgrenzen orientieren. Wichtig sind hier<br />

Vorstellungen vom schönen Leben, in <strong>der</strong> “Erlebnisgesellschaft” entscheidet nicht mehr <strong>der</strong><br />

Gebrauchswert <strong>der</strong> Produkte, son<strong>der</strong>n vielmehr ihr Erlebniswert für den eigenen Lebensstil über ihre<br />

Bedeutung. Die ästhetische Perspektive des schönen Lebens wird zum Massstab über Wert und<br />

Unwert des Lebens schlechthin.<br />

2.2.2 Kritik an <strong>der</strong> Ortspastoral<br />

These: Die Kirche macht mit <strong>der</strong> territorialen Seelsorgestruktur ein Angebot, das dieser vielfältigen<br />

und fragmentierten sozialen Wirklichkeit <strong>der</strong> Menschen heute nicht (mehr) entspricht und daher die<br />

Nähe zum Leben <strong>der</strong> Menschen verfehlt.<br />

Lebensräume<br />

Der Pluralisierung und Individualisierung entspricht, dass die einzelnen Menschen sozusagen örtlich<br />

freigesetzt werden, dass die Einheit von Wohnen, Arbeit, Versorgung und Freizeit sich auch örtlich<br />

aufsplittert und dass ein Raum ortsungebundener sozialer Kontakte entsteht. “Das Lokalitätsprinzip,<br />

die Definition des Handlungsraums durch den einen gemeinsamen Ort, ist nicht mehr das tragende<br />

Bauprinzip <strong>der</strong> Gesellschaft” (Ebertz 2003, 83). Aber auch <strong>der</strong> soziale Nahraum selbst hat sich in<br />

seiner Struktur verän<strong>der</strong>t: “Im sozialen Nahraum leben in vielerlei Hinsicht ‘Fremde’, Menschen, die<br />

kaum etwas miteinan<strong>der</strong> teilen, als benachbarte Territorien zu bewohnen, während sozial<br />

Nahestehende, also Verwandte, Bekannte und Freunde in <strong>der</strong> Ferne wohnen” (ebd. 87).<br />

Überlastung<br />

“Gerade <strong>der</strong> nicht näher befragte Grundsatz, die kirchliche Ortsgemeinde solle möglichst viele an<br />

möglichst vielen Angeboten beteiligen, ist unrealistisch” (ebd. 90). Die große Aufgabenzuteilung an<br />

die Ortsgemeinde führt nach Ebertz zu Überfor<strong>der</strong>ungserscheinungen und Belastung bei den<br />

haupt- und ehrenamtlich Engagierten und kann trotzdem die Bevölkerung in ihrer Vielfalt nicht<br />

erreichen.<br />

Ausschliessung<br />

Das durch<strong>aus</strong> aktive Gemeindeleben unserer Tage kann nach Ebertz gleichwohl auf viele<br />

Aussenstehende wie eine geschlossene Gesellschaft wirken. Der Ort des Wohlfühlens für die einen<br />

schliesst die an<strong>der</strong>en mit an<strong>der</strong>en Vorlieben <strong>aus</strong>. Die Festlegung als Ortsgemeinde auf ein<br />

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