EXPEDITIONEN - SATUS - der Sportverband
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<strong>EXPEDITIONEN</strong><br />
feren, mal Wachol<strong>der</strong>bäume, mal Rotbirken vor. An<strong>der</strong>s als damals<br />
am Kili, als alle 1000 m Höhe eine an<strong>der</strong>e Vegetation zu beobachten<br />
war, än<strong>der</strong>t das hier viel öfter und schneller, wie<strong>der</strong>holt sich aber<br />
auch: Einer Waldart, die wir vorgestern sahen, begegnen wir u. U.<br />
heute auch wie<strong>der</strong>. Und dann die Vielfalt <strong>der</strong> religiösen Symbole,<br />
zwar auf den ersten Blick immer gleich und doch an<strong>der</strong>s. Dazu das<br />
schon hier phantastische Panorama <strong>der</strong> sechs 8000er mit Cholatse,<br />
Taboche, Kantega, Thamserku, Kusum Kanguru, Everest, Lhotse<br />
Nupse usw.<br />
In Namche Bazar, dem Ausgangspunkt in alle Richtungen, wohnen<br />
wir für eine Nacht in <strong>der</strong> «Alpine-Lodge». In den Monaten April/<br />
Mai ist diese Lodge voll mit Expeditionsteilnehmern auf den Everest<br />
und seine hohen Nachbarn, was man im Innern irgendwie zu spüren<br />
meint. Man spürt, dass dies nicht «einfach irgendein Haus» ist. Direkt<br />
unter uns ist <strong>der</strong> Tibetermarkt auf einer Fläche von sicher zwei<br />
Fussballfel<strong>der</strong>n. Hier kann man alles kaufen, zum Beispiel «Qualitätsjacken<br />
Marke Mammut, o<strong>der</strong> Padagonia, o<strong>der</strong>...», «garantiert<br />
alles echt»! Wie das geht? Die einen sagen, «man mache bei jedem<br />
Auftrag einfach ein paar mehr und zweige diese dann ab» , an<strong>der</strong>e<br />
reden von «Reimport», wie<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e von «Nachahmer-Produkten».<br />
Vermutlich ist von allem etwas Wahres dran. Sicher ist, dass die Tibeter<br />
hier extrem bescheiden leben, sie hausen während <strong>der</strong> Zeit,<br />
die sie hier sind, in einem Zelt, bestehend aus zwei Stecken, einem<br />
dünnen Seil und darüber ein Tuch, eine Art Leintuch. In diesem Zelt<br />
verstauen sie nachts die vielen Waren, hat es einen primitiven, stinkenden<br />
und rauchenden Ofen und einige Steine zum Sitzen. Hier<br />
schläft zusätzlich die ganze Familie.<br />
Die Waren werden in einem mehrtägigen Marsch von Tibet her an<br />
den chinesischen Grenzsoldaten vorbei über den 5700 m hohen und<br />
nicht ungefährlichen Nangpa La Pass nach Namche Bazar getragen<br />
o<strong>der</strong>, auf Yaks gebunden, transportiert.<br />
Auch in den «normalen» Geschäften von Namche Bazar (Bazar<br />
kommt nicht von ungefähr!) kann man alles kaufen, vom Souvenir-<br />
Buddha bis hin zu den Daunenjacken für minus 45°C. Die Preise sind<br />
wesentlich höher, aber (für unsere Verhältnisse) immer noch extrem<br />
tief. Herkunft <strong>der</strong> Ware? (Das interessiert keinen.)<br />
Der Tibetermarkt in Namche<br />
Bazar Die Unterkunft <strong>der</strong> Marktfahrer Unterricht in <strong>der</strong> freien Natur<br />
Hinter dem Dorf beherrscht <strong>der</strong> Khumbi Yu Lha mit seinen 5765 m<br />
das Bild. Es ist für die Sherpas einer <strong>der</strong> heiligen Berge. Viele ältere<br />
von ihnen steigen, wenn sie merken, dass das Ende naht, in irgendeine<br />
<strong>der</strong> vielen Rüfen und Rillen des Berges, um hier oben zu sterben.<br />
Den genauen Ort kennen jeweils nur die allernächsten Familienangehörigen.<br />
Diese Sherpas fühlen sich hier nicht nur ihrem Gott etwas<br />
näher, son<strong>der</strong>n hoffen auch, dass sie es im nächsten Leben deswegen<br />
etwas leichter haben werden.<br />
Montag, 2. November:<br />
Namche Bazar (3450 m)–Thame (3800 m)<br />
Dauer <strong>der</strong> Etappe rund sechs Stunden, Aufstieg 350 m plus unterwegs<br />
je rund 400 m auf und ab.<br />
Namche, Thame – das kommt mir doch bekannt vor! Und tatsäch<br />
lich, es gibt hier ein kleines Kraftwerk, für das ich damals<br />
in Schaffhausen zwei Peltonrä<strong>der</strong> gegossen habe, so klein ist die<br />
Welt!<br />
Von Namche führt <strong>der</strong> Weg zuerst aufwärts, dann dem Hang entlang,<br />
teilweise durch Tannenwald. Man könnte meinen, man ist im<br />
Engadin. Nur die herrliche Aussicht über das Tal des Koshi Nadi hinweg<br />
auf den Kongde, Tangtse, Tamserku, Kantega, Grangteg und<br />
talabwärts den Nupla, Kongde Ri mit den Gipfeln Nup, Tartikha, alle<br />
um die 6000 m hoch, stimmt nicht ganz. In Thamo besuchen wir die<br />
regionale Schule. Für viele Schüler dauert <strong>der</strong> Schulweg Stunden,<br />
auch für die Erstklässler.<br />
Nach einer sehenswerten Stupa (im Unterschied zum Mali ist die Stupa<br />
rund und gemauert, hat zwei o<strong>der</strong> vier aufgemalte Augenpaare<br />
des Buddhas), geht es abwärts zum Fluss, einem mit alten Wandmalereien<br />
verzierten Felsen entlang, dann über die nur wenige Meter<br />
breite, aber entsprechend tiefe Schlucht. Auf <strong>der</strong> Brücke ist die<br />
Temperatur um die +5 °, 300 m vorher beim Felsen knapp 20°. In<br />
<strong>der</strong> Gegensteigung wird es aber schnell wie<strong>der</strong> wärmer. In Thame<br />
ist für den späteren Nachmittag ein Besuch im Kloster, verbunden<br />
mit einem Ritual zum Segnen unserer Glücksbringer, vorgesehen.<br />
Dieser ist fraglich geworden, weil <strong>der</strong> Rinpoche (Chef über mehrere<br />
Klöster) heute Morgen gestorben ist und die Rituale (Puja) zu seiner<br />
Begleitung in den Himmel schon begonnen haben. Dank Ram, dem<br />
Chef unserer Träger-/Führertruppe «und dem guten Geist zu je<strong>der</strong><br />
Zeit», war ein Besuch trotzdem möglich, mehr noch, wir konnten<br />
sogar eine Zeit lang dem Ritual beiwohnen: Aus allen Landesteilen<br />
reisten und reisen die «Meister» an. Deshalb ist im Kloster das ganze<br />
Rund besetzt. In ganzen Wänden sind unzählige Fächer (wie Büchergestelle)<br />
eingelassen und in jedem steckt ein altes Schriftstück. Die<br />
übrigen Wandflächen und die Decke sind durch schöne Malereien<br />
verziert, überall stehen Statuen. Auf einem Sessel, gleich neben dem<br />
Eine Schulstube mit Arbeiten<br />
<strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> an Wäscheleinen<br />
(Holz-)Buddha, sitzt <strong>der</strong> tote Rinpoche, bekleidet mit seinen schönsten<br />
Gewän<strong>der</strong>n. Nach buddhistischem Glauben ist <strong>der</strong> Mann zwar<br />
tot, seine Seele ist aber noch im Körper, und zwar so lange, bis er aus<br />
<strong>der</strong> sitzenden in eine liegende Position kippt. Erst dann kann die Seele<br />
den Körper verlassen, findet er seine Ruhe. Das kann unter Umständen<br />
Tage dauern und während <strong>der</strong> ganzen Zeit muss gebetet,<br />
gesungen, gespielt werden, damit er sicher im Jenseits seine Ruhe<br />
finden kann und im nächsten Leben gute Chancen haben wird. Das<br />
12 Das <strong>SATUS</strong>-Sportmagazin l Nr. 1, 12. Februar 2010