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1/2009<br />
Quo Vadis Technik II ?<br />
ATC-Praxis<br />
Seltener Gast<br />
Regionalflughäfen<br />
It's a long way<br />
Umwelt<br />
“Green flights”<br />
Beihefter: Turbulenzen<br />
im europäischen<br />
Luftraum
von Michael<br />
Schäfer,<br />
Gewerkschaftsvorsitzender<br />
der <strong>flugleiter</strong> 2009/01<br />
4<br />
Editorial<br />
Liebe Mitglieder,<br />
liebe Kolleginnen und Kollegen,<br />
geneigte Leser!<br />
In diesem Jahr werden die Weichen für<br />
die Flugsicherungszukunft, in erster<br />
Linie ist hier die Implementierung<br />
des FAB EC zu nennen, gestellt, die<br />
uns alle nachhaltig berühren werden. Politik<br />
und betroffene ANSPs haben sich inzwischen<br />
strukturiert und organisiert aufgestellt<br />
und verschiedene Task Forces haben ihre<br />
Arbeiten begonnen. Die im FAB EC vertretenen<br />
Gewerkschaften werden umgehend ihre<br />
Zusammenarbeit regeln und sich entsprechend<br />
aufstellen; das letzte Treffen fand nach<br />
Redaktionsschluss am 29. und 30. Januar in<br />
Frankfurt statt. Ziel ist es, der Politik und den<br />
ANSPs einen Ansprechpartner, bei dem sich<br />
alle vertretenen Gewerkschaften wiederfinden,<br />
für Beratungen zu benennen. Verhandlungen<br />
über ggf. anstehende Veränderungen<br />
sind aber nach geltendem Recht auf der nationalen<br />
Ebene zu führen. In Deutschland selbstverständlich<br />
mit der GdF und zu bestimmten<br />
Themen mit dem Gesamtbetriebsrat. Sicherlich<br />
keine einfache, aber bei einer produktiven<br />
Kooperation der Arbeitnehmervertreter, eine<br />
durchaus lösbare Situation.<br />
Um aber eine Erfolg versprechende Umsetzung<br />
des FAB EC sicher zu stellen, besteht<br />
weiterhin Regelungsbedarf auf nationaler<br />
Ebene. Die GdF hatte sich schon im Februar<br />
2008 dahingehend positioniert, dass es ihr<br />
oberstes gewerkschaftspolitisches Ziel ist, die<br />
Entwicklung einer starken deutschen Flugsicherung<br />
aus einer Hand im Rahmen des<br />
Single European Sky sicherzustellen. Dazu<br />
gehört u. a. auch, dass schnellstmöglich die<br />
einfachrechtlichen und sofern notwendig<br />
die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen<br />
zu schaffen sind, welche der DFS<br />
europäische Entwicklungsmöglichkeiten<br />
eröffnen und die bisherigen Sicherheits- und<br />
Qualitätsstandards garantieren. Dazu gehört<br />
auch, dass die DFS unverzüglich und rechtssicher<br />
für den gesamten deutschen Luftraum<br />
und die kontrollierten Flugplätze für einen<br />
möglichst langen Zeitraum benannt/beliehen<br />
wird. Diese Anpassungen sind notwendig,<br />
da das deutsche Recht die europäischen Vorgaben,<br />
die sich aus den SES Verordnungen<br />
ergeben, bislang nicht abbildet. Verfassungsrechtliche<br />
Änderungen sind notwendig, um<br />
den gegenwärtigen Zustand im Hinblick auf<br />
Grenzregime, z. B. süddeutscher Luftraum<br />
und die Erbringung von Flugsicherungsdiensten<br />
durch militärische Bündnispartner<br />
zu legalisieren und um die verfassungsrechtlichen<br />
Grundlagen für einen erforderlichen<br />
Staatsvertrag sicherzustellen (z. B. grenzüberschreitende<br />
Tätigkeit von DFS und anderen<br />
FS-Organisationen; Unterbeauftragung
anderer FS-Organisationen durch die DFS).<br />
Diese Voraussetzungen wurden bisher auf<br />
der politischen Ebene noch nicht geregelt.<br />
Bisher liegt lediglich ein, nach unserer Auffassung<br />
unzureichender Entwurf eines Gesetzes<br />
zur Errichtung eines Bundesaufsichtsamtes<br />
für Flugsicherung vor.<br />
Des Weiteren liegen Vorschläge des zuständigen<br />
Ministeriums zu einer Grundgesetzänderung<br />
vor, die sich allerdings noch in der<br />
Abstimmung befinden. Die Neuausrichtung<br />
der Flugsicherung in Europa erfordert eine<br />
Änderung von Artikel 87d des Grundgesetzes.<br />
Außerdem soll die Wahrnehmung<br />
der Flugsicherung durch ausländische FS-<br />
Organisatoren auch im grenznahen Bereich<br />
ermöglicht werden. Diese Änderung des GG<br />
erfolgt nicht zum Zweck der Kapitalprivatisierung.<br />
In Interesse aller Beteiligten sollten<br />
diese Regelungen von den politischen Entscheidungsträgern<br />
noch in dieser Legislaturperiode<br />
verabschiedet werden.<br />
Sicherlich wird auf der Bundesfachbereichskonferenz<br />
Flugsicherungsbetriebsdienste<br />
(FSBD), die dieses Jahr vom 20. bis zum<br />
22. März in Karlsruhe stattfindet, über die<br />
aktuellen Entwicklungen zu dieser Thematik<br />
berichtet. Weiterhin werden neben<br />
den administrativen und organisatorischen<br />
Angelegenheiten fachliche Themen u. a. zum<br />
Sachstand VAFORIT oder der Einführung<br />
PSS beraten. Die Konferenz wird sich auch<br />
mit „Just Culture“ befassen, einer Thematik,<br />
die sowohl national als auch international in<br />
der Diskussion steht. Mit dem Begriff „Just<br />
Culture“ ist eine Vertrauenskultur gemeint,<br />
in der das Melden sicherheitsrelevanter Vorkommnisse<br />
wichtiger ist als die Verfolgung<br />
und Ahndung von Verstößen gegen Vorschriften.<br />
Dem Motto „aus Fehlern lernen,<br />
nicht bestrafen“ soll gefolgt werden. Hierzu<br />
müssen allerdings noch rechtlich schwerwiegende<br />
Bedenken ausgeräumt werden (siehe<br />
„der <strong>flugleiter</strong>“ 6/08).<br />
Last but not least wird auf die im Jahr 2009<br />
anstehenden Tarifthemen eingegangen werden.<br />
Dies sind innerhalb der DFS die Verhandlungen<br />
zur Validierung Belastungsausgleich<br />
und zur betrieblichen Altersversorgung<br />
sowie – außerhalb der DFS – die wachsende<br />
Zahl von „Tarifbaustellen“ in den Bereichen<br />
Vorfeldkontrolle und Regionalflughäfen.<br />
Michael Schäfer<br />
Bundesvorsitzender<br />
5 der <strong>flugleiter</strong> 2009/01
Quo vadis Technik II? (Fortsetzung aus „<strong>flugleiter</strong>“ 6/08)<br />
Der Artikel im letzten „<strong>flugleiter</strong>“ hat es bereits angedeutet, und<br />
das zu Recht – denn, die „(unsägliche) unendliche Geschichte“ der<br />
Flugsicherungstechnik geht weiter.<br />
Was ist inzwischen passiert?<br />
Die DFS Geschäftsführung hat entschieden, dass die<br />
Verantwortung für die Sprachvermittlungssysteme<br />
der Geschäftsbereiche Center und Tower im CSC CNS<br />
liegt und diese vom Arbeitsplatz zentrale Betriebsführung<br />
Sprache (zBFS) im Servicelevel 1 betreut werden.<br />
Darüber hinaus hat die Geschäftsführung ihre Absicht<br />
bekundet, das Servicelevel 2 für die ATS Technik Tower<br />
neu zu organisieren. Um das, was die Geschäftsführung<br />
jetzt entschieden hat wirklich zu verstehen,<br />
hilft wohl am Besten eine Zeichnung.<br />
Für die Mitarbeiter/innen in der Arbeitsgruppe des<br />
Projektes POIS muss diese Entscheidung wie ein<br />
„Schlag ins Gesicht“ wirken, haben sie sich doch mehr<br />
als ein Jahr mit Themen der Optimierung der Prozesse<br />
in der Instandsetzung (SL1 und SL2) beschäftigt und<br />
sind zu keiner Zeit auch nur in die Nähe einer solchen<br />
Lösung gelangt.<br />
Technik<br />
Diesmal begründet die Geschäftsführung<br />
ihre Entscheidung nicht mit wirtschaftlichen<br />
Argumenten. Diese würden<br />
nämlich für die Betreuung der<br />
Tower Inhouse-Systeme durch den Geschäftsbereich<br />
Tower sprechen. Wenn nichts mehr hilft, muss in der<br />
Regel die Strategie herhalten. So auch dieses Mal.<br />
Die These der Geschäftsführung:<br />
Mit einem derart aufgestellten SL2 ist die Technik innerhalb<br />
des FABEC wettbewerbsfähiger. Die in der Fläche<br />
agierenden „Technikbereiche“ werden von zwei<br />
auf einen reduziert. Man investiert in die Ausbildung<br />
der Mitarbeiter/innen dieser zusammengefassten<br />
Struktur und kann den Service für die Inhouse-<br />
✈ SHAPE Für die Systeme des Cooperate Service Center (CSC) CNS soll das Servicelevel 1<br />
(SL1) zukünftig im Rahmen von zentralen Betriebsführungen (zBF), also von einem<br />
zentralen Arbeitsplatz aus realisiert werden.<br />
Außerdem sollen Wartungsstützpunkte des CSC CNS neben den eigenen Systemen<br />
zukünftig auch die Systeme des Geschäftsbereiches (GB) Tower<br />
im Servicelevel 2 (SL2) betreuen.<br />
Ansonsten werden die Systeme des GB Tower aber weiterhin im SL1 und im Servicelevel 3<br />
(SL 3) von Mitarbeitern/innen des eigenen Bereiches betreut.<br />
Systeme Tower und die notwendige CNS Infrastruktur<br />
zukünftig aus einer Hand anbieten. Wie realistisch es<br />
ist, dass innerhalb des FABEC die DFS auf eine Nachfrage<br />
trifft, welche nur in dieser neuen Struktur optimal<br />
bedient werden kann, mag der geneigte Leser<br />
selbst entscheiden. Dem Autor fällt hier nur eines ein:<br />
„Die spinnen die Römer“ ...<br />
von<br />
Dirk<br />
Wendland<br />
11 der <strong>flugleiter</strong> 2009/01
von<br />
Thorsten<br />
Wehe<br />
der <strong>flugleiter</strong> 2009/01<br />
Technik<br />
12<br />
Aviation Summit in Bordeaux<br />
Vom 17. bis 19. November 2008 trafen sich Vertreter aus allen<br />
Bereichen der Luftfahrt in Bordeaux zu einem europäischen Luftfahrtgipfeltreffen.<br />
Die französische Regierung hatte in ihrer Eigenschaft<br />
als Ratspräsident der europäischen Union erstmals zu einer<br />
solchen Veranstaltung geladen. Nachfolgend eine kurze Zusammenfassung<br />
der Veranstaltung, wie sie auch auf der Internetseite<br />
www.ue2008.fr nachzulesen ist:<br />
Dieser der Umwelt gewidmete Gipfel zog insbesondere<br />
die aktuelle Lage, welche von der Finanzkrise und<br />
einem Wirtschaftsabschwung gezeichnet ist, in Erwägung.<br />
Die Veranstaltung, bei der sich so gut wie alle<br />
Akteure aus dem Luftfahrtsektor zwei Tage lang in<br />
Bordeaux traf, bot Gelegenheit, zwei wesentliche europäische<br />
Abkommen zu unterzeichnen:<br />
• die Absichtserklärung zur Gründung des funktionalen<br />
Luftraumblocks (FAB) „Mitteleuropa“,<br />
in welchem die Lufträume Frankreichs, Belgiens,<br />
Luxemburgs, der Niederlande, Deutschlands und<br />
der Schweiz zusammenfasst sind, was zu Vorteilen<br />
in den Bereichen Sicherheit und Umwelt, bei den<br />
Kapazitäten und bei der Kostensenkung führen soll.<br />
• die Verträge zur gemeinsamen technologischen Initiative<br />
„Clean Sky“, dank derer die Forschungs- und<br />
Entwicklungsarbeit zu neuen Technologien finanziert<br />
werden kann. Ziel ist, die Wettbewerbsfähigkeit<br />
der europäischen Luftfahrtindustrie zu erhöhen.<br />
Während Präsident Sarkozy den Gipfelteilnehmern<br />
die volle Unterstützung Frankreichs für die verschiedenen<br />
Forschungs- und Entwicklungsprogramme zusicherte,<br />
erinnerte er auch an die großen Ziele während<br />
der französischen Präsidentschaft des Rates der<br />
Europäischen Union:<br />
• die Weiterführung des SESAR-Programms (Single<br />
European Sky Air Traffic Management Research), ein<br />
Großprojekt zur Modernisierung der Infrastruktur<br />
der Flugsicherungssystemlandschaft in Europa<br />
• die Überarbeitung des ersten Regelpakets zum Einheitlichen<br />
Europäischen Luftraum (SES-Paket II)<br />
• die Ausweitung der Kompetenzen der Europäischen<br />
Agentur für Flugsicherheit (EASA)<br />
Dominique Bussereau ist der Meinung, dass die Weiterführung<br />
dieser Projekte von fundamentaler Bedeutung<br />
für die nachhaltige Entwicklung des Luftverkehrs ist.
Die ehrgeizigen Ziele bei der Reduzierung der Umweltverschmutzung<br />
können jedoch nur erreicht werden,<br />
indem die Luftfahrt in das Emissionshandelssystem (ETS<br />
– Emissions Trading Scheme) eingebunden wird.<br />
An oberster Stelle steht nunmehr für die französische<br />
Ratspräsidentschaft, alle anderen Mitgliedstaaten der<br />
Internationalen Zivilluftfahrt-Organisation (ICAO) von der<br />
Annahme dieses Mechanismus auf weltweiter Ebene zu<br />
überzeugen, ebenso wie dafür Sorge getragen wer den<br />
muss, dass dieses System das schwache wirtschaftliche<br />
Gleichgewicht des Luftfahrtsektors nicht stört.<br />
Dominique Bussereau zufolge muss der „Luftfahrtsektor<br />
mehreren Herausforderungen begegnen“: wirtschaftlicher<br />
Art, im Energie- sowie im Umweltbereich.<br />
Dank der Fortschritte bei den europäischen Programmen<br />
habe ich jedoch Vertrauen in die Fähigkeit Europas,<br />
diese Herausforderungen zu bewältigen. Durch<br />
die Vereinigung all unserer Kräfte werden wir es unseren<br />
Unternehmen ermöglichen, ihre Wettbewerbsfähigkeit<br />
auf dem Weltmarkt zu erhalten.“<br />
Dieter Kaden und Ralph Riedle vor Ort<br />
Die DFS war mit dem Vorsitzenden der Geschäftsführung<br />
Herrn Dieter Kaden, dem Geschäftsführer Betrieb<br />
Herrn Ralph Riedle und einem hochrangigen Mitarbeiterstab<br />
der DFS verteten. Herr Kaden unterzeichnete<br />
für die DFS die Absichtserklärung (in engl.: Decleration<br />
of Intent, DoI) als Vertreter der beteiligten Flugsicherungsorganisationen<br />
zur Schaffung des Funktionalen<br />
Luftraumblocks Europa Zentral, kurz FABEC.<br />
Ebenfalls eine Absichtserklärung zur Schaffung eines<br />
FABEC unterzeichneten die o.g. beteiligten Staatenvertreter.<br />
Die Bundesrepublik Deutschland wurde<br />
Technik<br />
durch den Abteilungsleiter Luft- und Raumfahrt im<br />
Bundesmimisterium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung<br />
(BMVBS) Ministerialdirektor Thilo Schmidt<br />
vertreten. Herr Schmidt bezeichnete diese Unterschrift<br />
als die wichtigste seiner bisherigen Laufbahn. Einige<br />
Staaten waren zusammen mit Vertretern aus dem zivilen<br />
und militärischen Sektor präsent. Dies sollte nochmals<br />
unterstreichen, dass die Integration der militärischen<br />
und zivilen Luftfahrt entscheidend für einen<br />
Erfolg des FABEC ist. Die deutsche Integration wurde<br />
dabei immer wieder als Vorbild genannt.<br />
Ein paar Worte an dieser Stelle zum allgemeinen<br />
Heul-, Schluchz- und Jammergesang der Repräsentanten<br />
von Fluggesellschaften und ihren Verbänden, wie<br />
er aktuell bei jeder Gelegenheit zu hören ist. Uns allen<br />
ist bewusst, dass die weltwirtschaftliche Situation<br />
auch auf den Luftverkehrsmarkt durchschlagen wird.<br />
Es wird von Verlusten in Millardenhöhe gesprochen.<br />
Nachdem der Ölpreis wieder sinkt, werden diese Verluste<br />
nahezu täglich korrigiert. Erst fünf, dann drei<br />
Millarden Dollar und so weiter. Nur man weiß ja nie,<br />
wovon die Finanzjongleure eigentlich reden. Sind das<br />
nun die geringeren Gewinne als ihre geplanten Gewinne?<br />
Wirkliche Verluste, also weniger Einnahmen<br />
als Ausgaben? Man kann nur hoffen, dass die Airlines<br />
nach dem 9/11 richtig reagiert haben, als wir ihnen<br />
schon damals angeraten haben, auch mal Geld für<br />
schlechtere Zeiten zurückgelegt haben. Ebenso muss<br />
man davon ausgehen, dass sich auch dieser Markt<br />
konsolidiert. Man kann nach meiner Auffassung nicht<br />
davon ausgehen, dass man die nächsten 30 Jahre mit<br />
einer Billigfluglinie für 25 Euro von Kopenhagen nach<br />
Madrid und zurück fliegen kann. Hier wird sich inbesondere<br />
in schwierigen Zeiten der Markt reinigen.<br />
13 der <strong>flugleiter</strong> 2009/01
von<br />
Thorsten<br />
Wehe<br />
der <strong>flugleiter</strong> 2009/01<br />
Technik<br />
14<br />
„International Federation of<br />
Air Traffic Safety Electronics<br />
Associations“ IFATSEA<br />
38 th General Assembly in Ostende<br />
Wahlen<br />
Vom 06. bis 10.10.2008 kamen mehr als 200 Delegierte<br />
aus 30 Nationen zur Generalvollversammlung im<br />
belgischen Ostende zusammen. Neben den umfangreichen<br />
Themen der Agenda standen die Wahlen für<br />
den Vorstand im Vordergrund. Yvan Oulette aus Kanada<br />
wurde als Präsident einstimmig in seinem Amt bestätigt,<br />
Lazar Youssef aus Marokko zu einem der drei<br />
Vizepräsidenten gewählt. Er folgt dem Japaner Shuji<br />
Takahashi, der nicht für eine Wiederwahl kandidierte.<br />
Nach einer Kampfabstimmung hielt der Grieche Thedore<br />
Kiritsis sein Amt als Vizepräsident. Der amerikanische<br />
Kandidat Sam Hawkins konnte sich nicht<br />
durchsetzen. „Yes we can“ klappt also nicht immer.<br />
Vorstandsvorsitzener von Belgocontrol ruft nach einer<br />
Lizenz für Flugsicherungstechniker und -ingenieure<br />
Zum Auftakt der Versammlung hielten eine Reihe<br />
hochrangige Vertreter Begrüßungsansprachen. Besondere<br />
Beachtung fand die Rede von Hr. Tintin, Vorstandsvorsitzender<br />
von Belgocontrol, der in seinen<br />
Grußworten die Einführung eines Lizenzwesens für<br />
die FS-Technik unterstützte und die belgische Aufsichtsbehörde<br />
auffordert, zukünftig diese Anforderung<br />
zu berücksichtigen.<br />
Berichte und Diskussionen<br />
Inhaltlich war die ganze Bandbreite der aktuellen Themen<br />
erfasst. In Berichten und Diskussionen wurden<br />
nachfolgende Punkte erörtert:<br />
• Entwicklung eines einheitlichen Trainingsprogramms<br />
für FS-Technisches Personal auf den Ebenen der<br />
ICAO und Eurocontrol<br />
• Entwicklung eines Kompetenz Assessment für FS-<br />
Technisches Personal<br />
• Weiterentwicklung der sicherheitskririschen Aufgaben<br />
von FS-Technischem Personal<br />
• Sachstand zu den Zukunftsprogrammen NexGen<br />
und SESAR<br />
• Sachstand zur Zertifizierung von FS-Technischen<br />
Einrichtungen<br />
• Detaillierte Zuordnung von FS-Technischen Systemen<br />
und Einrichtungen zu den Bereichen Air Traffic<br />
Services (ATS) und Communication, Navigation, Surveillance<br />
(CNS)<br />
• Weiterentwicklung von Multilateration und Satellitentechnik<br />
• Einheitliche Standards für Überwachung und Steuerung<br />
von FS-Technischen Systemen und Einrichtungen<br />
IFATSEA Regional Eurogroup<br />
Im Rahmen der General Assembly führte die IFATSEA<br />
Eurogroup drei Meetings durch, wobei die Angeordneten<br />
das Thema Single European Sky ATM Research<br />
(SESAR) intensiv diskutierten. Mit SESAR entsteht ein<br />
europäisches Entwicklungsprogramm zur Modernisierung<br />
der Flugsicherungsinfrastruktur. Die IFATSEA war<br />
an den bisherigen Entwicklungsschritten bis zum Abschluss<br />
des Master Plan beteiligt. Die weitergehende<br />
Entwicklung soll bis 2013 abgeschlossen werden. Mit<br />
der Organisation SESAR Joint Undertaking (SJU) sollen<br />
detaillierte Entwicklungsprogramme erarbeitet<br />
werden. Der SJU stehen in den nächsten Jahren 210<br />
Mio Euro für diese Entwicklungsarbeit zur Verfügung.<br />
Dieses Geld wird von der Europäischen Union und den<br />
beteiligten Partnern aus Industrie und Flugsicherungsorganisationen<br />
bereit gestellt.<br />
Die Entwicklungen in den einzelnen Initiativen zur Bildung<br />
von Funktionalen Luftraumblöcken (FAB) in Europa<br />
wurde eingehend diskutiert. In Gruppenarbeit<br />
haben sich Vertreter aus den beteiligten Nationen aus<br />
ihrem FAB zusammengefunden und die weitere Strategie<br />
erörtert.<br />
Auch das zweite Paket der europäischen Verordnungen<br />
zum Single European Sky (SES II) war Gegenstand<br />
der Diskussionen, wobei die weitere Vorgehensweise<br />
anhand der vorliegenden Entwürfe wichtiges<br />
Thema war. Die Kompetenzerweiterung der Europäischen<br />
Agentur für Flugsicherheit (EASA) wurde beleuchtet.<br />
Diese Erweiterung der Kompetenzen der<br />
EASA ist ein wichtiger Bestandteil des Paketes SES II.<br />
Die IFATSEA Eurogroup wird ihre Beratungen in einem<br />
Meeting vom 02. bis 04. April 2009 in Zagreb fortsetzen.
von<br />
Dr. Klaus<br />
Vosteen<br />
der <strong>flugleiter</strong> 2009/01<br />
Recht<br />
18<br />
Vorzeitige Inanspruchnahme der<br />
Altersrente für Schwerbehinderte<br />
rechtswidrig<br />
Am 16.12.2008 hat das Bundesarbeitsgericht unter dem Geschäftszeichen<br />
9 AZR 985/07 die Revision der DFS gegen eine Entscheidung<br />
des Landesarbeitsgerichts Bremen (LAG Bremen v. 22.08.2007<br />
– 2 Sa 239/06 und 2 Sa 249/06) zurückgewiesen und damit bestätigt,<br />
dass schwerbehinderte Vorruhestandsgeldempfänger bei der<br />
DFS nicht verpflichtet sind, vor Vollendung des 63. Lebensjahres<br />
eine vorzeitige Altersrente für Schwerbehinderte in Anspruch zu<br />
nehmen.<br />
Der Kläger war bis zur Vollendung seines 55. Lebensjahres<br />
bei der DFS als Flugsicherungsingenieur tätig.<br />
Während seines Vorruhestands nach dem Vorruhestand-<br />
TV/FST erlitt der Kläger einen Unfall, auf Grund dessen<br />
er zu 100 % schwerbehindert wurde. Die DFS forderte<br />
ihn daraufhin auf, mit Vollendung seines 60. Lebensjahres<br />
auf Grund der Regelungen in § 7 Abs. 1 u. 9 Abs. 1<br />
des Vorruhestand-TV/FST eine Altersrente für Schwerbehinderte<br />
in Anspruch zu nehmen, was zum Erlöschen<br />
des Anspruchs auf Vorruhestandsgeld geführt hat.<br />
Hiergegen setzte sich der Kläger zur Wehr mit der Begründung,<br />
dass die Verpflichtung zur frühestmöglichen<br />
Inanspruchnahme einer Altersrente auf Grund<br />
der Vorschriften der §§ 7 Abs. 1, 9 Abs. 2 des VorruhestandTV/FST<br />
gegen das Diskriminierungsverbot<br />
Schwerbehinderter aus Art. 3 Abs. 3 Satz 2 Grundge-<br />
setz (GG) und § 81 Abs. 2 SGB IX, das<br />
inzwischen im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz<br />
(AGG) geregelt ist,<br />
verstoße. Nach den Gutachten eines<br />
Rentenberatungs- und eines Steuerberatungsbüros<br />
erhielt der Kläger bis<br />
zur Vollendung seines 63. Lebensjahres<br />
ca. € 450,00 weniger Nettoeinkommen<br />
als ein vergleichbarer Kollege,<br />
der bis zur Vollendung seines 63.<br />
Lebensjahres weiter Vorruhestandsgeld nach dem<br />
VorruhestandTV/FST bezogen hätte. Nach Vollendung<br />
des 63. Lebensjahres beliefen sich die Nachteile, die<br />
der Kläger auf Grund der frühzeitigen Inanspruchnahme<br />
der Altersrente auf Dauer hinzunehmen hat, auf<br />
ca. € 400,00 brutto im Monat.<br />
Bereits das Arbeitsgericht Bremen sah diese Benachteiligung<br />
als eine mittelbare Diskriminierung und damit<br />
als einen Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot<br />
aus § 81 Abs. 2 SGB IX (alte Fassung) an und<br />
verurteilte die DFS, dem Kläger die finanziellen Nachteile<br />
auszugleichen, die er durch die Inanspruchnahme<br />
seiner Altersrente vor Vollendung seines 61. Lebensjahres<br />
gegenüber einem vergleichbaren nicht<br />
schwerbehinderten Arbeitnehmer erlitten hat.<br />
Mit seiner Berufung an das Landesarbeitsgericht Bremen<br />
verfolgte der Kläger sein Anliegen weiter und erreichte,<br />
dass festgestellt wurde, dass die DFS verpflichtet<br />
ist, das Vorruhestandsgeld bis zur Vollendung<br />
des 63. Lebensjahres weiterzuzahlen.<br />
Das Landesarbeitsgericht Bremen erklärte die tarifvertraglich<br />
vorgesehene Verpflichtung zur frühestmöglichen<br />
Inanspruchnahme einer Altersrente für<br />
Schwerbehinderte vor Vollendung des 63. Lebensjahres<br />
für unwirksam. Der Kläger werde durch diese<br />
Regelung benachteiligt, ohne dass dies durch sachliche<br />
Gründe gerechtfertigt sei. Zwar seien die tarifvertraglichen<br />
Normen ebenso wie die gesetzlichen<br />
Bestimmungen im Rentenrecht für sich genommen<br />
nicht diskriminierend, in ihrer Gesamtschau wirken<br />
sie sich aber nach der Überzeugung des Landesarbeitsgerichts<br />
Bremen für die Gruppe der Schwerbehinderten<br />
ebenso wie für die Frauen, die ebenfalls vor<br />
Vollendung des 63. Lebensjahres eine vorzeitige Altersrente<br />
in Anspruch nehmen können, benachteiligend<br />
aus, weil auf Grund der tarifvertraglichen Regelung<br />
die gesetzlich eingeräumte Möglichkeit zur<br />
vorzeitigen Inanspruchnahme der Altersrente zur<br />
Pflicht wird. Die Tatsache, dass diese Pflicht aus einem
Tarifvertrag resultiert, sah das Landesarbeitsgericht<br />
Bremen nicht als hinreichenden Rechtfertigungsgrund<br />
für die Benachteiligung des Klägers an. Die Rechtsprechung<br />
des Bundesarbeitsgerichts zu der Verpflichtung<br />
der vorzeitigen Inanspruchnahme einer Altersrente<br />
für bestimmte Beschäftigungsgruppen im Zusammenhang<br />
mit Sozialplanleistungen oder mit Altersteilzeitverträgen<br />
sah das Landesarbeitsgericht Bremen als<br />
nicht übertragbar an, weil mit dem VorruhestandTV/<br />
FST andere Ziele als mit Sozialplanleistungen und Altersteilzeitverträgen<br />
verfolgt würden.<br />
Diese Einschätzung des Landesarbeitsgerichts Bremen<br />
hat das Bundesarbeitsgericht nun am 16.12.2008<br />
im Prinzip bestätigt. Es hat die Revision der DFS gegen<br />
die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Bremen<br />
zurückgewiesen.<br />
Kein Kommentar???<br />
Am 09.12.2008 war sie in fast in allen Tageszeitungen fett gedruckt<br />
zu lesen – die Studie der Technischen Universität Braunschweig.<br />
Die Uni hatte in einer noch nicht einmal abgeschlossenen Studie<br />
Meldungen des Kollisions-Alarmsystems von Flugzeugen (ACAS)<br />
über einen längeren Zeitraum ausgewertet und daraus den fatalen<br />
Schluss gezogen, dass es mehrmals am Tag eine Kollisionsdrohung<br />
am Himmel über Deutschland gebe.<br />
Natürlich folgte in den folgenden Tagen postwendend<br />
harsche Kritik so mancher Experten mit der Warnung<br />
für eine unverantwortliche Panikmache. Ulf Kramer,<br />
Behördenchef der Bundesanstalt für Flugunfalluntersuchungen<br />
(BFU), entgegnete, tatsächliche kritische<br />
Situationen am deutschen Himmel ergäben sich zwei-<br />
bis achtmal im Jahr. Das System reagiere eben sehr<br />
frühzeitig und warne auch in unkritischen Alltagssituationen<br />
vor potentiellen Gefahren. Als Beispiel nannte<br />
der Direktor den Steigflug einer Maschine nach dem<br />
Start. Dabei komme es vor, dass das Flugzeug vor einer<br />
möglichen Kollision mit höher fliegenden Maschinen<br />
gewarnt werde. Das System wisse dabei nicht,<br />
dass der Pilot den Steigflug nach Erreichen der zugewiesenen<br />
Flughöhe beende und dem anderen Verkehr<br />
somit auch nicht zu nahe komme. Daher erfolgten die<br />
meisten Warnmeldungen eben nicht wegen einer<br />
schweren Störung des Flugverkehrs.<br />
Auch die Pilotenvereinigung Cockpit (VC) hat Einschätzungen<br />
widersprochen, dass es über Deutschland<br />
täglich zu etlichen Fast-Zusammenstössen von Flugzeugen<br />
komme. Die Untersuchungen der Technischen<br />
Universität Braunschweig nannte der Berufsverband<br />
einfach „unseriös“. VC-Sprecher Kirschneck wies darauf<br />
hin, dass weder die Pilotenvereinigung noch die<br />
Fluggesellschaften an den Studien beteiligt waren.<br />
Recht / ATC<br />
Ob das Ergebnis des Verfahrens unmittelbar oder mittelbar<br />
auch auf die Übergangsversorgungstarifverträge<br />
für die Fluglotsen und Flugdatenbearbeiter und für<br />
die im operativen Dienst der DFS beschäftigten Frauen<br />
übertragbar ist, ist derzeit noch nicht abschließend zu<br />
sagen. Dies wird im Wesentlichen davon abhängen,<br />
von welchen Erwägungen die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts<br />
getragen ist. Die Urteilsbegründung<br />
liegt allerdings noch nicht vor.<br />
Wir werden Sie auf dem Laufenden halten.<br />
Der Verfasser:<br />
Rechtsanwalt Dr. Klaus Vosteen, Kanzlei Weißmantel<br />
& Vogelsang, Bremen<br />
Sogar die Deutsche Flugsicherung<br />
(DFS) habe sich aus dem Projekt zurückgezogen.<br />
„Auf das Knowhow dieser<br />
Branche wurde einfach verzichtet“.<br />
Darüber hinaus kritisierte die Pilotenvereinigung,<br />
dass bislang kein abschliessender<br />
Projektbericht vorliege.<br />
Die immer wieder veröffentlichten Zwischenstände<br />
des Projekts liessen jedoch starke Zweifel an dessen<br />
Seriosität aufkommen. Zudem diene der Versuch der<br />
Forscher, in diesem Projektstadium Öffentlichkeit zu<br />
generieren, nicht der Verbesserung des hohen Sicherheitsstandards<br />
des deutschen Flugverkehrs.<br />
Gleichzeitig hatten die Deutsche Lufthansa und die<br />
Gewerkschaft der Flugsicherung (GdF) ebenfalls vor<br />
dieser Panikmache gewarnt – der deutsche Luftraum<br />
sei einer der sichersten der Welt.<br />
Alles gut und schön – doch trotz dieser manigfachen<br />
Gegendarstellungen der Experten frage ich mich in<br />
der Tat:<br />
Gab es auch einen Kommentar und/oder eine öffentliche<br />
Kritik der DFS zu dieser Studie und zu dieser Panikmache?<br />
Bisher habe ich keine Zeile darüber gefunden<br />
und gelesen. Wenn man sich schon aus dem<br />
Projekt zurückgezogen hat, wäre es doch leicht, den<br />
Grund hierfür der Öffentlichkeit mitzuteilen und damit<br />
auch zur Beruhigung beizutragen – denn nachgefragt<br />
“Stimmt dies wirklich“? wurde von vielen!<br />
(„der <strong>flugleiter</strong>“ greift in Ausgabe 2/09 das Thema<br />
erneut auf.)<br />
von<br />
Wilfried<br />
Hermes<br />
19 der <strong>flugleiter</strong> 2009/01
von<br />
Ralf<br />
Reinwarth<br />
der <strong>flugleiter</strong> 2009/01<br />
ATC Praxis<br />
22<br />
Seltener Gast<br />
Zu den bei uns im Upper Airspace vorkommenden, relativ seltenen<br />
Phänomenen wie Cosmic Debris (unangemeldet), UFOs (unangemeldet)<br />
oder ebenfalls unangemeldeten Gänsen in FL290 (astreine<br />
Echelon-Formation auf dem Weg FFM-KRH-TRA, man „jabbelt“<br />
angeregt miteinander), gehören auch ordentlich angemeldete IFR<br />
Flights in FL630 (M55 Myasitschew Geophysika, falscher Level für<br />
die Richtung; aber – ok) oder, wie an Silvester 2008 passiert, ein<br />
Ballonaufstieg bis FL320.<br />
Da war das Staunen groß, erstmal über die Registräischn:<br />
D-OTGF. Delta Echos fliegen ja hin und wieder<br />
im Upper, aber Delta Oskars? „Was ist das überhaupt?“<br />
war die wohl meistgestellte Frage. Nun, es<br />
handelte sich um einen Ballon, genauer gesagt um einen<br />
Heißluftballon. Ausgerüstet mit Funk und Transponder<br />
schickte sich dieser Ballon an, in den Upper<br />
Airspace zu steigen. Da kam er dann auch hin, inzwischen<br />
vom ganzen Center bestaunt, denn so etwas<br />
gibt es wirklich nicht alle Tage. Sofort machten Vermutungen<br />
die Runde, da sei eine Kapsel unten dran, der<br />
Deutsche Wetterdienst hat einen speziellen Ballon gebaut<br />
für Höhenforschung, sonst käme der Funk nicht<br />
so klar, der hätte einen Raumanzug an usw.<br />
Zusätzliche Nahrung für die Sensationsgier gab die<br />
unerfreuliche Tatsache, dass dem besagten Ballon in<br />
FL280 der Brenner die Grätsche machte und das Fluggerät<br />
mit ca. 1.800 – 2.000 Fuß pro Minute abstieg.<br />
Das ist für einen Heißluftballon keine gesunde Rate.<br />
Na ja, von einem Unglück war später in der Tagesschau<br />
keine Rede und es hielten sich die tollsten Geschichten<br />
über das was und wie.<br />
Also habe ich mal meine Standard-Investigation gestartet<br />
und lieber mal einen gefragt, der dabei war<br />
und der es wissen muss, den Piloten.<br />
Das war der Herr Thomas Fischer vom Ballonsportclub<br />
Hildburghausen, der sich bei unserem Telefonat als<br />
erstes für die tolle Zusammenarbeit mit der Deutschen<br />
Flugsicherung bedankte, es war ihm ein ausdrückliches<br />
Bedürfnis, dass ich das hier zum Ausdruck<br />
bringe. Keine Ursache, Herr Fischer, wir machen das<br />
gerne.<br />
Die Tatsachen, die ich jetzt zu hören bekam, waren naturgemäß<br />
sehr anders als die im Kontrollraum kursierenden<br />
Gerüchte und sehr interessant. Also erstmal<br />
nix mit Kapsel unten dran und Raumanzug oder ähnlicher<br />
Kokolores; es handelte sich um einen ganz normalen<br />
Heißluftballon für den Fahrgastbetrieb, ein Modell<br />
der Firma Schroeder Fireballoons in Schweich bei<br />
Trier mit 4.250 Kubikmeter Inhalt (Hubraum? Käme<br />
sprachlich und sachlich hin, oder?). Dass er nicht nur<br />
besser climbte (das kann jeder) sondern auch besser<br />
zu verstehen war als jeder Avroliner lag an dem von<br />
Herrn Fischer benutzten Headset, mit dem man sich<br />
auch dann noch mit der Flusi verständigen kann, wenn<br />
der Brenner zündet, dann wird es nämlich derbe laut,<br />
(ist das in der UZ bei CC auch so? pruuust!) und zwar<br />
nur dann, um mal ein paar physikalische basics zu<br />
streuen, ansonsten ist es in einem Ballon ruhig, ganz<br />
ruhig, denn er fährt mit dem Wind, es gibt also keinerlei<br />
Windgeräusche. In Spielfilmen flattern den Ballonfahrern<br />
manchmal die Haare im Fahrtwind, das ist<br />
dummes Zeug!
Zum Raumanzug: es handelte sich um einen Overall,<br />
wie ihn auch Gleitschirmflieger benutzen, ein Astronautenhelm<br />
war auch nicht im Spiel, der Pilot hatte<br />
noch nicht einmal eine Mütze auf, in der trockenen,<br />
minus 40 Grad kalten Luft bei direkter Sonneneinstrahlung<br />
greift derselbe Effekt, wie ihn Skifahrer beim<br />
sonnen vor der Ballerbude kennen, es ist schön<br />
warm.<br />
Sauerstoff! Hatte man Sauerstoff dabei? Ja- ab 3.500<br />
Meter wird Sauerstoff geatmet. Fallschirme? Fehlanzeige,<br />
braucht man nicht, die Ballonhülle wirkt ja als<br />
Fallschirm.<br />
Ein paar Fakten zur Fahrt: Ziel war der Aufstieg bis auf<br />
10.000 Meter Höhe. Kein Rekordversuch, keine Ambitionen<br />
fürs Guinness-Buch der Rekorde oder so etwas.<br />
Start war um 07:37 Uhr in EDQH, Herzogenaurach,<br />
Landung um 10:10Uhr in Hofheim in Unterfranken. Pilot<br />
Thomas Fischer mit Copilot Claus Möller. Höchste<br />
erreichte Höhe 8.312 Meter, dann rasanter Abstieg<br />
wegen Brenner-Ausfall, sozusagen: „Engine-Failure“.<br />
Wie muss man sich diesen rasanten Descent vorstellen,<br />
kann da was passieren, Absturzgefahr? Nein. Je<br />
tiefer der Ballon kommt, desto mehr stabilisiert er<br />
sich auch durch die höhere Luftdichte. Beim rasanten<br />
Abstieg wie in unserem Fall dreht sich die Ballonhülle<br />
um die eigene Achse, während die Gondel in einer elliptischen<br />
Bewegung schwingt, das ist wohl eher<br />
nichts für zahlende Gäste, da sind professionelle Nerven<br />
angesagt.<br />
Herr Fischer wird es sicher noch einmal versuchen, im<br />
Moment versucht er, gemeinsam mit dem Hersteller,<br />
herauszufinden, warum der Brenner streikte. Also<br />
Jungs, bis zur nächsten großen Fahrt und herzlich willkommen<br />
im oberen Luftraum!<br />
ATC Praxis<br />
23 der <strong>flugleiter</strong> 2009/01
Gezerre um<br />
Orlando Approach<br />
Geschichte wiederholt sich eigentlich nicht. Zumindest nicht, wenn<br />
man einen Vorgang, der sich in der Vergangenheit abgespielt hat,<br />
auf die Gegenwart zu übertragen versucht. Allerdings glaubt man<br />
hin und wieder, dass unsere Entscheidungsträger in Politik, Verwaltung<br />
und Wirtschaft aus Fehlentscheidungen der Vergangenheit<br />
nichts gelernt haben und sich nun anschicken, frühere Fehlentscheidungen<br />
zu wiederholen. Ein Blick nach Florida scheint dies zu<br />
bestätigen.<br />
Ältere Kollegen mögen sich noch daran erinnern.<br />
Kaum hatte die DFS die Aufgaben der ehemaligen<br />
Flugsicherungsbehörde BFS übernommen, schickte<br />
sie sich an, den alten Laden umzukrempeln und sich<br />
auf den Weg zur besten Flugsicherung der Welt aufzumachen.<br />
Eine damals viel umstrittene Entscheidung<br />
war, die Platzkontrollstellen von ihren Anflugkontrollen<br />
zu trennen und letztere in die Center zu verlegen.<br />
Der damalige Verband Deutscher Flugleiter e.V. (VDF),<br />
der Berufsverband der Controller und Flugdatenbearbeiter<br />
und eine der Vorgängerorganisationen der GdF,<br />
wehrte sich vehement gegen diese Entscheidung. Weil<br />
nach seiner Meinung Tower und Approach zusammengehören,<br />
die gemeinsamen Erfahrungen und Kenntnisse<br />
der dort in beiden Bereichen eingesetzten Controller<br />
für eine optimale Betriebsabwicklung standen<br />
und diese Konstellation auch für die fliegende Kundschaft<br />
die beste Dienstleistung bot. Die meisten Kollegen,<br />
die noch als Tower- und Approachcontroller ihre<br />
Brötchen verdienten und die Vorteile dieses Systems<br />
kennen, werden dem wohl kaum widersprechen.<br />
Bekanntlich kam es anders. Unter anderem, weil die<br />
DFS sich verpflichtet fühlte, der Ökonomie einen höheren<br />
Stellenwert einzuräumen als dies die alte Behörde<br />
für erforderlich hielt. Letztlich schauten ja auch<br />
die Kunden aufs Geld und drängten auf eine Reduzierung<br />
der Flugsicherungsgebühren. Und last, but not<br />
least, sah sich die DFS verpflichtet, sich für den zu erwartenden<br />
Wettbewerb fit zu machen. Dass es bei diesem<br />
Wettbewerb primär um ökonomische und weniger<br />
um betriebliche und sicherheitsrelevante Fragen<br />
gehen würde – nun ja, das war zu erwarten (ein hoher<br />
Sicherheitsstandard wird ganz einfach als gegeben<br />
angenommen). So befanden sich die VDF-Vertreter in<br />
der damals eingerichteten Tower/Approach-Arbeitsgruppe<br />
von vorne herein auf der Verliererstrasse. Tem-<br />
ATC Abroad<br />
pi passati – die Trennung von Tower und Approach ist<br />
längst vollzogen. Don´t cry over spilt milk!<br />
Die Lage in den USA<br />
Bei Diskussionen in der oben erwähnten Tower/Approach-Arbeitsgruppe<br />
wurden die Vertreter des VDF<br />
und des Betriebsrates immer wieder darauf hingewiesen,<br />
dass in den USA, die ohnehin eines der besten<br />
Flugsicherungssysteme der Welt betreiben würden,<br />
diese Trennung schon längst vollzogen wäre und die<br />
TRACONs (Terminal Radar Approach Control) als eigenständige<br />
Einheiten operieren würden. Der Einwand,<br />
dass dies nicht generell den Tatsachen entspräche<br />
und in den USA sehr wohl gemeinsame Tower/<br />
Approach-Einheiten existieren würden, wurde – wenn<br />
überhaupt – nur am Rande zur Kenntnis genommen.<br />
Natürlich gab es in den USA bereits seit langem eigenständige<br />
Anflugkontrollstellen.<br />
Doch diese wurden meist dort eingerichtet, wo sich<br />
mehre kontrollierte Plätze in unmittelbarer Nähe befanden<br />
und es zur Vermeidung aufwendiger Koordinationsverfahren<br />
sinnvoll war, die Anflugkontrolle in<br />
einem TRACON zusammenzufassen. In diesem Sinn<br />
befürwortete auch der VDF, für die (damals) drei Berliner<br />
Flughäfen eine gemeinsame Anflugkontrolle einzurichten.<br />
Dazu soll in diesem Zusammenhang noch<br />
auf einen wichtigen Unterschied zwischen den USA<br />
und Deutschland hingewiesen werden. Denn während<br />
bei uns die Anflugkontrollstellen in die Bezirkskontrollen<br />
integriert (oder soll man besser sagen, dort<br />
räumlich angesiedelt) wurden, ist dies in Amerika anders.<br />
Dort operieren die TRACONs unabhängig von<br />
den jeweiligen ARTCCs (Air Route Traffic Control Center);<br />
sie befinden sich meist auf dem Gelände des jeweiligen<br />
bzw. auf einem der von ihnen bedienten Flughafen.<br />
Das hat aus Redundanzgründen bestimmte<br />
von<br />
Werner<br />
Fischbach<br />
29 der <strong>flugleiter</strong> 2009/01
der <strong>flugleiter</strong> 2009/01<br />
ATC Abroad<br />
30<br />
Vorteile. Denn sollte ein Center ausfallen, so sind die<br />
TRACONs weiterhin noch einsatzfähig und können einen<br />
Teil des Verkehrs autonom abwickeln.<br />
Nun scheint auch die US Luftfahrtbehörde FAA bzw.<br />
die für Flugsicherungsorganisation zuständige Unterabteilung<br />
ATO (Air Traffic Organization) auf die Idee<br />
verfallen zu sein, an einigen Flughäfen die Anflugdienste<br />
von der Platzkontrolle zu trennen. Nicht, um<br />
sie zu einer Bezirkskontrollstelle zu verlegen, sondern<br />
sie als eigenständige Einheit zu betreiben. Wobei anzunehmen<br />
ist, dass die Approachcontroller weiterhin<br />
in den selben Räumlichkeiten arbeiten werden. Dass<br />
✈ Orlando Tower –<br />
zukünftig „stand<br />
alone“?<br />
damit auch die Lotsen ihre gemeinsamen Berechtigungen<br />
verlieren und zukünftig nur noch als Tower-<br />
oder eben als Approachcontroller arbeiten sollen, versteht<br />
sich von selbst.<br />
Was die FAA damit bezweckt, ist nicht so einfach nachzuvollziehen.<br />
Denn sie schafft dadurch einen zusätzlichen<br />
bürokratischen Aufwand – schließlich muss zumindest<br />
für eine der beiden Einheiten, also entweder<br />
für den ATCT (Aerodrome Traffic Control Tower) oder<br />
für das TRACON, ein neues Management eingesetzt<br />
werden. Der Berufsverband der Controller NATCA (National<br />
Air Traffic Controllers Association) nimmt an,<br />
dass die FAA sich allein aus Personalgründen für diese<br />
Trennung entschlossen hat und sie dadurch die (zu<br />
wenigen) Lotsen schneller ausbilden und danach effektiver<br />
einsetzen könne. „This split is not being done<br />
for safety, but rather to address poor staffing and long<br />
training times at the facility“, erklärte Victor Santone,<br />
Vizepräsident der NATCA Southern Region. „This split<br />
creates an artificially well-staffed tower overnight; unfortunately,<br />
it´s being a tower with very little cumulative<br />
experience. The staffing problem will exist even<br />
after the split occurs“.<br />
Die Kandidaten und der Widerstand in Orlando<br />
Bereits am 4. März letzten Jahres verkündete die FAA,<br />
dass sie an vier wichtigen Flugsicherungseinheiten<br />
die Anflugkontrolldienste von der Platzkontrolle trennen<br />
wolle – In Philadelphia, Miami, Memphis und Orlando.<br />
Dass sich die Controller und die NATCA gegen<br />
diese Maßnahme wehrten, war nicht weiter verwunderlich.<br />
Und sie führten in erster Linie fachliche Grün-<br />
Photo: Rich Barth
de für ihren Widerstand an. Die sich, wen mag es verwundern,<br />
kaum von jenen Argumenten unterscheiden,<br />
die damals vom VDF vorgebracht wurden. Das Hauptargument<br />
ist, dass die Schnittstelle zwischen der Anflug-<br />
und Platzkontrolle eine der kompliziertesten bei<br />
der Flugverkehrskontrolle und es deshalb am sinnvollsten<br />
ist, wenn die dort eingesetzten Lotsen über<br />
Erfahrungen beider Bereiche verfügen. Wörtlich führt<br />
die NATCA aus: „Both portions of a facility depend<br />
highly upon one another and air traffic operations are<br />
imporved by controllers with experience in both areas.“<br />
Der NATCA-Vertreter für Florida, Mitch Herrick erläuterte,<br />
dass sich seine Arbeit im Tower auf die Aufgaben<br />
der Anflugkontrolle (und natürlich die der<br />
Anflug- auf die Platzkontrolle) auswirkt und meinte:<br />
„By working both positions, I´m better able to visualize<br />
potential problemes and avoid them!“<br />
In Philadelphia und in Miami waren die Controller bei<br />
ihrem Kampf gegen die FAA erfolgreich. Entsprechende<br />
Pläne sind inzwischen vom Tisch. Wobei nicht<br />
verschwiegen werden darf, dass es der NATCA gelungen<br />
ist, einige Mitglieder des Kongress´ von ihren Argumenten<br />
zu überzeugen und die Politiker für ihre<br />
Sache zu gewinnen. Memphis und Orlando hatten weniger<br />
Glück – sie stehen weiterhin auf der Liste der<br />
FAA. Die Trennung sollte übrigens noch vor dem Präsidentenwechsel<br />
im Januar vollzogen werden, was die<br />
NATCA besonders geärgert hat.<br />
Doch inzwischen engagieren sich auch mit Bill Nelson<br />
ein Mitglied des Senats und 13 Kongressabgeordnete<br />
sowohl der Demokraten als auch Republikaner für<br />
ATC Abroad<br />
eine gemeinsame Tower/Approach-Einheit in Orlando<br />
und haben zusammen ein Schreiben an die FAA bzw.<br />
die ATO gerichtet. Dabei weisen sie darauf hin, dass<br />
eine Trennung der Anflug- von der Platzkontrolle eine<br />
höhere Zahl von Controllern erfordern würde als eine<br />
gemeinsame Kontrollstelle, die FAA ihre Flexibilität<br />
beim Einsatz der Lotsen verlieren würde und dass<br />
durch diese Trennung die Zahl der FAA-Dienststellen<br />
und damit auch die Zahl der Führungs- und Verwaltungsstellen<br />
erhöht würde. Als besonders wichtigen<br />
Punkt stellten sie heraus, dass ein FAA-Manager aus<br />
Atlanta auf Probleme hinwies, die sich nach der Trennung<br />
von Tower und Approach in Atlanta vor ca. zehn<br />
Jahren ergeben haben: „A FAA Manager in Atlanta, a<br />
once-combined facility that was de-combined over a<br />
decade ago, recently acknowledged that he needed<br />
controllers to be certified in both Tower and TRACON<br />
operations, validating the efficiency of maintaining<br />
combined facilities.“<br />
Bleibt zu hoffen, dass der Einsatz der Politiker von Erfolg<br />
gekrönt ist. Nicht auszuschließen ist ferner, dass<br />
durch den Präsidentenwechsel nicht nur ein neuer<br />
Mann im Weißen Haus einzieht, sondern dass der neue<br />
Wind, den Barack Obama versprochen hat, auch im<br />
Verkehrsministerium und in der FAA zu spüren ist. Die<br />
NATCA, die Obama unterstützt hatte, verspricht sich<br />
sicher einiges vom neuen Präsidenten. Patrick Forrey,<br />
Präsident der NATCA hat bereits erklärt, dass er sich so<br />
schnell wie möglich mit Ray LaHood, dem zukünftigen<br />
Verkehrsminister, treffen und mit ihm einige Probleme<br />
besprechen möchte. Vielleicht kommt ja auch das Thema<br />
Orlando (und Memphis) zur Sprache.<br />
31 der <strong>flugleiter</strong> 2009/01
It´s a long way …<br />
Ja, es war tatsächlich ein langer, langer Weg, der da von den Braunschweiger<br />
Fluglotsen zu gehen war, bis endlich ein Tarifvertragsabschluss, der<br />
diese Bezeichnung auch verdient, erreicht wurde. Es war so zu sagen der<br />
„Jakobsweg“ in der Tarifgeschichte der Regionalflughäfen.<br />
1986: Aus den Anfangstagen<br />
Da gab es einen Flugleiter und Beauftragten für Luftaufsicht<br />
des Landes Niedersachsen (BfL), der von seinem<br />
Arbeitgeber, der Flughafengesellschaft Braunschweig<br />
m.b.H. (FGB), zusammen mit zwei weiteren Kollegen zu<br />
einem Qualifikationslehrgang der Bundesanstalt für<br />
Flugsicherung (BFS) in die Regionalkontrollstelle Bremen<br />
geschickt wurde.<br />
Der damalige Geschäftsführer des Verbandes Deutscher<br />
Flugleiter (VDF), Ulli Wind, besuchte die Lehrgangsteilnehmer<br />
und stellte ihnen den VDF vor. Prompt<br />
traten der besagte BfL und seine Kollegen in den VDF<br />
ein.<br />
Nachdem klar war, dass diese BfL künftig als Fluglotsen<br />
auf dem Flughafen Braunschweig arbeiten würden, forderten<br />
sie ihren Arbeitgeber zu Verhandlungen über die<br />
Einführung einer vorgezogenen Altersregelung, den Abschluss<br />
einer Berufsunfähigkeitsversicherung und die<br />
Gewährung von Regenerationskuren auf. Der Arbeitgeber<br />
bekundete damals schriftlich, er habe kein Interesse<br />
an solchen Verhandlungen.<br />
In der Festschrift zum fünfzigjährigen Bestehen des VDF<br />
schreibt dessen langjähriger Geschäftsführer, Hannes<br />
Ziegler, in seinem Beitrag über die achtziger Jahre im<br />
VDF unter anderem: „Weitere Brennpunkte der Mitgliederversammlung<br />
1986 waren die Einbeziehung der Regionalflughäfen<br />
in die BFS sowie die unbefriedigenden<br />
Fortschritte bei der Verwirklichung einer einheitlichen<br />
Regionalflughäfen<br />
europäischen Flugsicherung. So richtig weiter sind wir<br />
ja mit letzten beiden Punkten auch im Jahr 2002 noch<br />
nicht, oder?“<br />
1999: Mitten drin<br />
Nun ja, einen Lichtblick gab es zwischendurch schon. –<br />
Nachdem die Transition der „Bundesanstalt für Flugsicherung“<br />
zur „Deutsche Flugsicherung DFS GmbH“ abgeschlossen,<br />
der DFS-Haustarifvertrag unter Dach und<br />
Fach und die Integration der überörtlichen militärischen<br />
Flugsicherung abgeschlossen war, schienen endlich<br />
auch die Fluglotsen der Regionalflughäfen von dem im<br />
Herbst 1993 unterzeichneten Kooperationsvertrag zwischen<br />
VDF und DAG zu profitieren. Mithilfe der DAG gelang<br />
es, die „Tarifgemeinschaft Deutscher Länder“<br />
(TDL) und den „Verband kommunaler Arbeitgeberverbände“<br />
(VkA) an den Verhandlungstisch zu drängen.<br />
Nach mehreren Verhandlungsrunden kamen die Arbeitgeber<br />
im Sommer 1998 zu dem Ergebnis, dass die Erfüllung<br />
der VDF/DAG-Forderungen (z. B.: Vorruhestandsregelung<br />
auf der Basis des Altersteilzeitgesetzes) nicht<br />
bezahlbar und daher unerfüllbar sei.<br />
Nachdem weitere Sondierungsgespräche des damaligen<br />
DAG-Verhandlungsführers, Klaus Eger, erfolglos<br />
blieben, kam es im Dezember 1998 zu zeitgleichen<br />
Warnstreiks in Augsburg, Braunschweig und Dortmund.<br />
Die Arbeitgeber reagierten auf diese Warnstreiks nicht.<br />
– Die Folge: Im Frühjahr 1999 wurde die Urabstimmung<br />
über Arbeitskampfmaßnahmen durchgeführt. Ergebnis:<br />
99 % der Lotsen stimmten für einen Streik! – Der<br />
ein<br />
Rückblick<br />
von<br />
Wolfgang<br />
Burckhardt<br />
33 der <strong>flugleiter</strong> 2009/01
der <strong>flugleiter</strong> 2009/01<br />
34<br />
Regionalflughäfen<br />
✈ „Im Streikbüro der Braunschweiger Fluglotsen:<br />
(von rechts) Ralf Boison, Streikleiter Markus Siebers,<br />
Udo Bulgen und Manfred Scheuer“<br />
Streik sollte am Dienstag nach Ostern 1999 beginnen.<br />
Doch dazu kam es damals nicht. Am Gründonnerstag<br />
gab es nämlich plötzlich wieder Tarifverhandlungen, bei<br />
denen dann unsere Forderungen aus dem Sommer des<br />
Vorjahres im „Tarifvertrag zur Regelung des Übergangs<br />
in den Ruhestand für Angestellt im Flugverkehrskontrolldienst<br />
durch Altersteilzeit“ festgeschrieben wurden.<br />
Hier einige Eckdaten:<br />
• Eintritt in die aktive Phase der Altersteilzeit nach dem<br />
Blockmodell mit 55 Jahren<br />
• Altersteilzeitgehalt in Höhe von 88% des letzten Gehalts<br />
vor Eintritt in die Altersteilzeit<br />
• eine Gutschrift von 800 Arbeitsstunden auf ein Arbeitszeitkonto<br />
• Mit 57,5 Jahren: Eintritt in die passive Phase der Altersteilzeit<br />
• Eintritt in die Altersrente mit 60 Jahren unter Hinnahme<br />
von 18 % Rentenabschlag für den Rest des Lebens<br />
• Eine Abfindungszahlung bei Renteneintritt in Höhe<br />
von 5 Monatsgehältern sollte der Abmilderung des<br />
Rentenabschlags dienen<br />
Wie viele Lotsen letztendlich von diesem Vertrag profitiert<br />
haben, ist leider nicht dokumentiert. Allerdings<br />
wurde diese Regelung bereits Ende 2003 (ausgerechnet<br />
auf Initiative einer sozialdemokratisch geführten<br />
Bundesregierung) vom Deutschen Bundestag durch<br />
Änderung des Rentenrechts auf ziemlich subtile Weise<br />
kassiert. Einen Vertrauensschutz gab es unter bestimmten<br />
Bedingungen nur für Menschen, die vor dem<br />
01. 01. 1952 geboren worden waren.<br />
2005: Erste neue Schritte<br />
Als Reaktion der GdF auf die veränderte Situation wurde<br />
eine Arbeitsgruppe der GdF-Tarifkommission gebildet,<br />
die einen Entwurf für eine „Branchentarifvertrag<br />
Flugsicherung“ erarbeiten sollte. Diese Kommission leistete<br />
sehr effektive Arbeit und entwarf bereits im Mai<br />
2005 ein entsprechendes Tarifvertragswerk, das auch<br />
den Segen der großen Tarifkommission bekam. Als ersten<br />
Regionalflughafen forderte die GdF den Arbeitgeber<br />
des Flughafens Hahn auf, einen Tarifvertrag auf der<br />
Grundlage des Entwurfs dieses Branchentarifvertrags<br />
für seine Fluglotsen abzuschließen. Diese Aufforderung<br />
fiel zeitlich in die Schlussphase der „Prozessfeuerwerke“,<br />
die ver.di, die DFS und andere Arbeitgeber ge-<br />
gen die erst junge GdF abfeuerten. Nach anfänglichen<br />
(manchmal schon äußerst dubiosen) Rückschlägen auf<br />
den unteren Ebenen deutscher Arbeitsgerichtsbarkeit<br />
ging die GdF aus allen gerichtlichen Rangeleien als<br />
strahlender Sieger hervor, so dass auch der Arbeitgeber<br />
der Fluglotsen des Airport „Frankfurt-Hahn“ an Tarifverhandlungen<br />
mit der GdF nicht mehr vorbei konnte.<br />
2007: Erfolgreiche Verhandlungen auf dem „Hahn“<br />
Nachdem die Arbeitgeber begriffen hatten, dass die<br />
GdF die angekündigte „Tarifpolitik mit Augenmaß“ realisieren<br />
und Rücksicht auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit<br />
des jeweiligen Tarifpartners nehmen würde,<br />
kam es am 27. August 2007 zum Auftakt der Verhandlungen<br />
auf dem Hahn, die am 19. September bei FRA-<br />
PORT fortgesetzt wurden. Während bei den ersten Tarifverhandlungen<br />
der GdF mit der DFS von „Geiselnahme“<br />
die Rede war, sprach nun die Arbeitgeberseite von „Erpressung“.<br />
Doch offenbar führte der Hinweis eines Lotsen,<br />
man solle sich die Vergütung einer Lufthansa-Stewardess<br />
mit 15 Dienstjahren im Long-Range-Einsatz mal<br />
ansehen, bei der Gegenseite zu einem Umdenkprozess.<br />
So kam es total unkriminell und relativ zügig zu einem<br />
Tarifabschluss. Im Januar 2008 konnte dann der Vertrag<br />
mit einer Laufzeit von 3 Jahren unterzeichnet werden.<br />
Neben Vereinbarungen über Arbeitszeit, Pausen, Regenerationszeiten<br />
etc. gab es einen Einstieg in eine betriebliche<br />
Altersversorgung sowie eine Weiterbeschäftigungsgarantie<br />
über die besondere Altersgrenze für<br />
Fluglotsen von 57 Jahren hinaus, ohne dass die Betroffenen<br />
Lohneinbußen befürchten müssen. Eine regelrechte<br />
„Übergangsversorgung“ einzuführen, bleibt damit<br />
künftigen Tarifverhandlungen vorbehalten Statt -<br />
dessen wurde für die dortigen Kolleginnen und Kollegen<br />
eine „strukturelle“ Anhebung ihrer Vergütungen vereinbart.<br />
Mit dem Abschluss dieses Tarifvertrages war quasi<br />
der Pilotabschluss für die Lotsen der Regionalflughäfen<br />
gelungen und die Messlatte für weitere Verhandlungen<br />
geeicht!<br />
2008: number next in sequence: Braunschweig<br />
Bereits am 10. Juli 2007 wurde die „Flughafen Braunschweig-Wolfsburg<br />
GmbH“ (FBWG) von der GdF schriftlich<br />
zu Tarifverhandlungen aufgefordert. Da die FBWG<br />
Mitglied im „Kommunalen Arbeitgeberverband“ (KAV)<br />
ist, musste auch der KAV-Niedersachsen einbezogen<br />
werden. Letztendlich wurde dem Geschäftsführer der<br />
FBWG ein Fachanwalt für Arbeitsrecht als Verhandlungsführer<br />
der Arbeitgeberseite an die Seite gestellt.<br />
Als virtueller „Dritter im Bunde“ saß bei den Verhandlungen,<br />
die endlich am 22. Mai 2008 in Gang kamen,<br />
der Aufsichtsrat der FBWG mit am Tisch.<br />
Deutlich war zu merken, dass der Aufsichtsrat den beiden<br />
Unterhändlern nicht gerade die sprichwörtlich „lange<br />
Leine“ gelassen hatte. Spürbar war auch der Druck,<br />
den der „ADV-Ausschuss Regionale Verkehrsflughäfen<br />
und Verkehrslandeplätze RVV“ auf den Geschäftsführer<br />
der FBWG ausgeübt hatte. Die Halter anderer deutscher<br />
RVV betrachteten Braunschweig offensichtlich als
letztes Bollwerk gegen die tariflichen Begehrlichkeiten<br />
der GdF und ihrer Mitglieder.<br />
Zum Eklat kam es dann am 23. Juli durch den Bruch des<br />
vereinbarten Stillschweigens über Zwischenstände der<br />
Verhandlungen. Schriftlich informierte der FBWG-Geschäftsführer<br />
die EDVE-Lotsen bruchstückhaft über<br />
Zahlen und Sachverhalte, die weder ausdiskutiert geschweige<br />
denn abschließend verhandelt worden waren.<br />
In völliger Verkennung der Stimmungslage bei den Lotsen,<br />
die immerhin zu 100% in der GdF organisiert waren<br />
und sind, gelang es ihm jedoch nicht, den gewünschten<br />
Keil zwischen die Lotsen und die GdF-Verhandlungskommission<br />
zu treiben. Nachdem bei einem erneuten<br />
Einigungsversuch am 27. August klar geworden war,<br />
dass die vom Aufsichtsrat der FBWG „ferngesteuerten“<br />
Arbeitgebervertreter nicht bereit waren, bei der Vergütung<br />
noch eine „Schippe“ drauf zu legen und bei der<br />
bereits abgehakten Regelung der Regenerationskuren<br />
sogar zurück rudern wollten, wurden die Lotsen in<br />
Braunschweig vom GdF-Bundesvorstand zu Arbeitskampfmaßnahmen<br />
aufgerufen.<br />
Nachdem die FBWG vergeblich versucht hatte, vor dem<br />
Arbeitsgericht Braunschweig eine einstweilige Verfügung<br />
gegen Arbeitskampfmaßnahmen der GdF zu erwirken,<br />
begannen die Streiks zunächst für mehrere<br />
Stunden an verschiedenen Tagen. Das Verhandlungsangebot<br />
der GdF über eine Notdienstvereinbarung nahm<br />
die FBWG nicht an. Trotzdem wurde die FBWG von der<br />
GdF mit einer jeweiligen Vorlaufzeit von mehr als 12<br />
Stunden über bevorstehende Arbeitsniederlegungen<br />
der Lotsen informiert und die dienstplanmäßig eingeteilten<br />
Lotsen hielten sich während der normalen Öffnungszeiten<br />
des Flughafens im Büro der Streikleitung<br />
für eventuelle Notfälle bereit.<br />
Der erste Tag, an dem ganztägig gestreikt wurde, war<br />
Freitag, der 26. September. Die FBWG versuchte, den<br />
Flugbetrieb aufrecht zu erhalten, indem sie die Kontrollzone<br />
abmeldete und Beauftragte für Luftaufsicht (BfL),<br />
die über ein deutsches Funksprechzeugnis verfügen<br />
und üblicherweise im GAT Dienst tun, als Streikbrecher<br />
einsetzte. Folglich war Braunschweig nur für deutschsprachige<br />
Flugzeugbesatzungen anfliegbar und Luftfahrzeuge,<br />
die Braunschweig nach Instrumentenflugregeln<br />
anfliegen wollten, mussten den IFR-Teil ihres<br />
Flugplans bei Bremen-Radar schließen und bei VFR-<br />
Wetterbedingungen nach Sicht landen. Da der Wettergott<br />
an diesem Freitagmorgen mit den Lotsen war und<br />
Braunschweig in Nebel hüllte, fand bis zum frühen<br />
Nachmittag kein Flugbetrieb statt. Dass es im weiteren<br />
Verlauf des Tages zu mindestens einer gefährlichen Begegnung<br />
von Luftfahrzeugen und zu äußerst unschönen<br />
Auseinandersetzungen zwischen Lotsen und Streikbrechern<br />
kam, sei hier nur am Rande erwähnt. Um die entstandenen<br />
Gräben wieder zuzuschütten, wird wohl<br />
noch einige Zeit ins Land gehen müssen. Auch am folgenden<br />
Montag sowie am Dienstag wurde ganztägig<br />
gestreikt und eine Urabstimmung über einen unbefristeten<br />
Arbeitskampf durchgeführt. Wie nicht anders zu<br />
Regionalflughäfen<br />
erwarten war, nahmen alle Braunschweiger Kollegen an<br />
der Urabstimmung teil. Ergebnis: 100 % für unbefristeten<br />
Streik! – Dieses Ergebnis wurde dem Arbeitgeber<br />
umgehend mitgeteilt. Die Streikleitung wollte den Flughafenkunden<br />
das lange Wochenende nach dem „Tag<br />
der Deutschen Einheit“ nicht vermiesen und beschloss<br />
daher, den unbefristeten Arbeitskampf erst am Montag,<br />
dem 6. Oktober, zu beginnen.<br />
Doch die demonstrierte Entschlossenheit der Lotsen<br />
beeindruckte offensichtlich die Entscheider auf Arbeitgeberseite<br />
derart, dass ein „Umdenkprozess“ einsetzte.<br />
Bereits am Donnerstag wurde der GdF signalisiert, dass<br />
man wieder an den Verhandlungstisch kommen wolle.<br />
In der Folge kam es dann am Mittwoch, dem 8. Oktober,<br />
zur entscheidenden Sitzung der Verhandlungskommissionen.<br />
Nachdem die bis dahin ausgehandelten Bedingungen<br />
nochmals ausführlich dargestellt und besprochen<br />
worden waren (unterbrochen durch die übliche<br />
„Geheimdiplomatie“ der Verhandlungsführer), wurde<br />
schließlich ein Kompromiss mit einer Laufzeit von gut<br />
drei Jahren erzielt.<br />
Hier die wesentlichen Ergebnisse:<br />
01. Die Wochenarbeitszeit wird von 39 auf 38,5 Stunden<br />
reduziert.<br />
02. Pro Arbeitstag werden 1,25 Stunden (inklusiv AZG-<br />
Pause) auf die Arbeitszeit angerechnet.<br />
03. Regenerationskuren (Dauer: 21 Kalendertage) auf<br />
Kosten des Arbeitgebers werden den Lotsen ab<br />
einem Lebensalter von 40 Jahren im Intervall von<br />
5 Jahren gewährt (letzte Kur mit 55 Jahren).<br />
04. Der Arbeitgeber schließt für die Lotsen eine Loss-of-<br />
Licence-Versicherung ab.<br />
05. Bei Untauglichkeit wird dem Mitarbeiter eine andere<br />
zumutbare Tätigkeit unter Fortzahlung der Vergütung<br />
zugewiesen.<br />
06. Gleiches gilt für den Mitarbeiter nach Erreichen der<br />
besondern Altersgrenze für Fluglotsen von 57 Jahren<br />
bis zum Eintritt in die Altersrente oder in eine<br />
eventuelle Altersteilzeitregelung.<br />
07. Die betriebliche Altersversorgung bei der Zusatzversorgungskasse<br />
des öffentlichen Dienstes (früher<br />
VBL) bleibt unverändert bestehen.<br />
08. Die Vergütung der Lotsen wird strukturell angehoben<br />
und gemäß Berufserfahrung in 6 Gruppen gestaffelt.<br />
Die bisherigen Zuschläge und Zulagen werden<br />
mit einer monatlichen Pauschale abgegolten.<br />
Es werden pro Jahr 12 Monatsgehälter gezahlt.<br />
09. Der Übergang vom TVÖD in den GdF-Tarifvertrag erfolgt<br />
rückwirkend zum 01. Juli 2008.<br />
10. Jeweils zum 01. Januar 2009, 2010 und 2011 werden<br />
die Vergütungen jeweils um 6% angehoben.<br />
Obwohl in dieser ersten Phase der GdF-Tarifarbeit im<br />
Bereich RVV eine Übergangsversorgung ähnlich der<br />
DFS-Regelung nicht erreichbar war, findet dieser Kompromiss<br />
inzwischen auch Zustimmung bei den größten<br />
Skeptikern unter den Braunschweiger Fluglotsen. An<br />
dieses Ergebnis wird bei nächsten Tarifverhandlungen<br />
nach Ablauf von drei Jahren anzuknüpfen sein.<br />
35 der <strong>flugleiter</strong> 2009/01
AIRPORTS<br />
ein Report von<br />
Stephan Kail,<br />
aatca<br />
der <strong>flugleiter</strong> 2009/01<br />
Airports<br />
48<br />
Der Autor<br />
Im Dezember 1998 habe ich mit der Ausbildung zum Flugverkehrsleiter bei<br />
der Austro Control GmbH in Wien begonnen und diese im Mai 2004 mit dem<br />
Rating (bzw. Endorsement, wie es seit neuestem heißt) zum Radarkontroller<br />
für Approach und Tower in Salzburg abgeschlossen.<br />
Seit Mai dieses Jahres besetze ich im Verband österreichischer Flug<br />
verkehrsleiter (AATCA) den Posten des Vice President Social.<br />
„Provinzflughafen“<br />
Salzburg?<br />
Weit gefehlt<br />
Man kann nicht behaupten, Salzburg wäre ein „kleiner<br />
Provinzflughafen“. Abgesehen von den geographischen<br />
Gegebenheiten, den Spezial-Anflugfahren,<br />
dem Typenmix und den Arbeitsweisen mit opposite<br />
Runway (dazu später noch mehr), liegt die Herausforderung<br />
vor allem im großen saisonalen Unterschied<br />
zwischen Winter- und Sommerverkehr.<br />
Die Austro Control (ACG) beschäftigt an der Außenstelle<br />
Salzburg 23 Fluglotsen, 8 Techniker, 8 Meteorologen<br />
und 4 Personen bei der Luftfahrzeugprüfstelle.<br />
Die offiziellen Öffnungszeiten des Flughafens gehen<br />
von 06 bis 23 Uhr und das natürlich 365 Tage im Jahr,<br />
was aber auch heißt, dass es für Lotsen hier keine<br />
Nachtdienste gibt.<br />
Der Flughafen selbst beschäftigt im Durchschnitt ca.<br />
250 Personen – diese Zahl unterliegt saisonalen<br />
Schwankungen. Im Jahr 2007 wurden insgesamt<br />
✈ Stephan Kail<br />
1.946.422 Passagiere abgefertigt. Dies entspricht<br />
einem Plus von 3,6 % gegenüber 2006.<br />
Für 2008 liegen noch keine konkreten Zahlen vor. Es<br />
steht jedoch jetzt schon fest, dass es erstmals seit<br />
5 Jahren einen Rückgang gegeben hat. Die Top-Länder<br />
nach Passagierzahlen sind Großbritannien, dicht gefolgt<br />
von Deutschland und mit größerem Abstand folgen<br />
dann Spanien und Österreich.<br />
Die Gesamtflugbewegungen im Jahr 2007 einschließlich<br />
aller IFR- und VFR-Flüge ergaben einen Wert von<br />
87.578, davon waren 21.918 aus dem Linien- und<br />
Charterverkehr. Ausschlaggebend für den hohen Verkehrsanstieg<br />
in den letzten Jahren waren vor allem die<br />
Low-Cost-Carrier wie Ryanair, TuiFly oder Fly Niki.<br />
Die Praxis<br />
Nun aber ans Pult! Tower und Approach sind in Salzburg<br />
klar getrennt. Der APP-Raum befindet sich drei<br />
Stockwerke unter der TWR-Cab. Auf Grund der doch<br />
eher kleinen Towerkanzel und unserer Procedures<br />
wird aus Sicherheitsgründen auch in den Früh- und<br />
Abendstunden nicht zusammengelegt, wie es an anderen<br />
Dienststellen manchmal üblich ist. Pro Unit haben<br />
wir täglich vier Schichten, die über den Tag (zwischen<br />
05:45 Uhr bis 23 Uhr) überlappend verteilt sind.<br />
„Opposite Runways“ – ein Procedure, das für uns in<br />
Salzburg ganz normal ist, schockt Kollegen, die uns<br />
von anderen Dienststellen oder aus dem Ausland besuchen,<br />
jedoch immer wieder.<br />
Worum geht’s dabei konkret? Salzburg befindet sich<br />
in einer Art Talkessel umgeben von Bergen. Im Westen<br />
steht der Untersberg, im Süden das Tennengebirge<br />
und im Osten der etwas kleinere Gaisberg. Und weil<br />
die meisten Piloten verständlicherweise die Berge<br />
scheuen, starten ca. 90% aller IFR-Departures auf der<br />
Piste 34 Richtung Norden und ca. 90% aller Arrivals<br />
landen wiederum auf der Piste 16 Richtung Süden.<br />
Dazu kommt, dass es nur für die Piste 16 ein ILS gibt.<br />
Dieser Umstand macht unsere Arbeit zwar schwieriger,<br />
gleichzeitig aber auch interessanter. Einerseits<br />
ist es wichtig, dass der Tower ein gutes Startup-Plan-
ning macht. Wir versuchen daher, so weit wie möglich<br />
keine Verzögerungen am Holdingpoint zu verursachen<br />
(Lärm und Spritverbrauch) und geben, wenn es opposite<br />
inbounds gibt, ein kurzes Startup-Delay.<br />
Andererseits muss der Radarlotse bei einem so genannten<br />
„departure prior next arrival“ den anfliegenden<br />
Verkehr so auf das ILS setzen, dass der opposite<br />
departure noch starten kann, ohne dem inbound<br />
zu Nahe zu kommen. Die Departure-Routes auf der Piste<br />
34 sind so gelegt, dass alle kurz nach dem Abheben<br />
entweder eine Kurve nach links oder rechts machen<br />
und somit die gedachte verlängerte Pisten -<br />
mittellinie mit dem Localizer für den Inbound frei ist.<br />
In der Regel sollte der Outbound RWY 34 jedoch in der<br />
Luft sein, wenn der opposite Inbound noch mindestens<br />
13NM vor der Schwelle 16 ist. Dies variiert natürlich<br />
je nach Flugzeugtypen, die involviert sind.<br />
Circling Procedure<br />
Wenn auf Grund starken Nordwindes keine Landung<br />
auf Piste 16 möglich ist, gibt es ein spezielles „Circling<br />
Procedure“ auf die Piste 34. Bei diesem Verfahren<br />
müssen die Luftfahrzeuge jedoch zuerst auf dem ILS<br />
16 established sein und dann bei einem Locator kurz<br />
vor der Piste in ein Visual Circling right pattern Rwy 34<br />
übergehen und somit einen Sichtanflug über die Stadt<br />
Salzburg fliegen. Dies bedeutet aber auch, dass das<br />
Airports<br />
Wetter für einen Sichtanflug dementsprechend gut<br />
sein muss. Bei schlechtem Wetter und starkem Nordwind<br />
sind daher keine Anflüge möglich – dann sind<br />
Holdings oder Diversions angesagt.<br />
Die „berühmten“ Ski-Wochenenden<br />
Diese zum Teil herausfordernde Arbeit steigt exponentiell<br />
bei Schneefall oder Nebel und im speziellen<br />
an Skicharter-Samstagen. (s.dazu auch den Bericht<br />
von Achim Krüger im „<strong>flugleiter</strong>“) Salzburg gehört neben<br />
Genf und Innsbruck zu den am meisten angeflogenen<br />
Winterdestinationen und wird von Weihnachten<br />
bis Ostern jeden Samstag von Engländern, Skandinaviern,<br />
Holländern und seit kurzem auch von immer<br />
mehr Russen gestürmt.<br />
An manchen dieser Spitzentagen haben wir über 280<br />
Flugbewegungen und das ohne Bodenradar und mit<br />
nur einem Parallelrollweg zur Piste. Bei starkem<br />
Schneefall kommt hinzu, dass der Flughafen für die<br />
gesamte Pistenräumung für ca. 25 Minuten gesperrt<br />
werden muss, bis wieder An- und Abflüge möglich<br />
sind. An den Chartersamstagen haben wir am Tower<br />
noch eine zusätzliche Deliveryposition geöffnet, die<br />
die Freigaben austeilt und für die Start-Planung zuständig<br />
ist. Ohne diese Position wäre eine Abwicklung<br />
des Verkehrs auf einer einzigen Kontrollfrequenz nicht<br />
möglich. An diesen Tagen gibt es in der viel zu kleinen<br />
AIRPORTS<br />
49 der <strong>flugleiter</strong> 2009/01
AIRPORTS<br />
der <strong>flugleiter</strong> 2009/01 50<br />
Airports<br />
Towerkanzel ein massives Platzproblem. Ein neuer<br />
und größerer Turm ist bereits in Planung und soll,<br />
wenn alles glatt läuft, im Jahre 2012 in Betrieb gehen.<br />
Salzburg – Homebase der „Flying Bulls“<br />
Ein weiteres Highlight sind die bei uns beheimateten<br />
„Flying Bulls“. Ihre Homebase, der „Hangar-7“, ist inzwischen<br />
schon weit über die Grenzen Salzburgs hinaus<br />
bekannt und ihre historischen und vor allem<br />
noch flugfähigen Flugzeuge sind ein Insidertipp für<br />
alle Flugzeugfans. Die Palette reicht von einer Corsair<br />
Bj.1945, über eine Douglas DC-6 Bj. 1958 bis hin zu<br />
relativ neuen ausgemusterten Alpha-Jets, die zivil zugelassen<br />
wurden. Insgesamt besteht die Flotte aus ca.<br />
35 Flugzeugen und Helikoptern und ist wohl auf der<br />
Welt einzigartig.<br />
Einzigartig ist es jedoch auch, mit diesem Typenmix zu<br />
arbeiten. Da sie sich meist als VFR-Flüge bewegen ist<br />
das Einbauen dieser Typen in die Sequenz des restlichen<br />
Verkehrs sehr interessant. Es kann vorkommen,<br />
dass man eine PA-18 mit ca. 80 knots zum Anflug hat<br />
und kurz dahinter schießt der Alpha-Jet mit ca. 240<br />
knots in die Kontrollzone und will landen.<br />
Womit ich bei der allgemeinen Luftfahrt angekommen<br />
bin. Am Flughafen sind drei Flugschulen und drei Vereine<br />
stationiert, die bei uns mit vielen Platzrunden-,<br />
Check- und IFR-Trainingsflügen für ständige Arbeit<br />
sorgen. Diese trugen im Jahr 2008 zum Anstieg bei<br />
den Flugbewegungen bei.<br />
Weiters befindet sich ca. eine nautische Meile nordwestlich<br />
der Piste eine große Kaserne des österreichischen<br />
Bundesheeres, welche immer wieder von<br />
Militärhubschraubern angeflogen wird, dazu kommen<br />
ein Rettungs- und zwei Polizeihubschrauber direkt am<br />
Platz, und auch deutsche Bundeswehrhubschrauber,<br />
die über Bad Reichenhall Fallschirmspringer absetzen,<br />
besuchen uns immer wieder zu einem Tankstop. Weiters<br />
ist die General Aviation mit vielen Business Jets<br />
vertreten – besonders zu Großereignissen wie z.B.:<br />
letztes Jahr zur Fußballeuropameisterschaft oder zum<br />
alljährlichen Ereignis der Osterfestspiele und den<br />
„Salzburger Festspielen“ im August.<br />
Wie man sieht, wird uns nie langweilig und wahrscheinlich<br />
würde keiner von uns diesen tollen Arbeitsplatz<br />
gegen einen anderen tauschen wollen.
AIRPORTS<br />
von<br />
Wilfried<br />
Hermes<br />
der <strong>flugleiter</strong> 2009/01<br />
Airports<br />
52<br />
Gefährliche Airports<br />
Nach dem Absturz einer Twin-Otter der Yeti-Air am<br />
09.10.08, bei dem 18 Menschen starben (nur der Pilot<br />
überlebte), hat der Tensing-Hillary-Airport von Lukla<br />
(VNLK) am Fusse des Mount Everest seinen Ruf als einen<br />
der gefährlichsten Flughäfen der Welt gefestigt.<br />
Die ca. 550 Meter lange und 20 Meter breite Piste liegt<br />
im östlichen Nepal auf einer Höhe von knapp 3000<br />
Metern. Während eine Seite der Piste von hohen Gebirgszügen<br />
begrenzt wird, weist die andere Seite ein<br />
Gefälle von 12 % auf. Pilotenfehler sind nicht erlaubt,<br />
gelingt der erste Landeanflug nicht, ist ein Durchstarten<br />
und Fehlanflug so gut wie unmöglich. Trotz der<br />
hohen Gefährlichkeit ist der Flughafen sehr populär.<br />
Bei gutem Wetter landen hier täglich bis zu 40 Maschinen,<br />
denn von hier starten die meisten Trekkingtouren<br />
in das Mount Everest Gebiet.<br />
Zu Beginn des neuen Jahres, knapp drei Monate nach<br />
dem Unfall, haben die Behörden den Piloten der Unglücksmaschine<br />
für den Crash verantwortlich gemacht.<br />
In dem nun vorliegenden Untersuchungsbe-<br />
✈ Lukla<br />
Photos: Wikipedia<br />
✈ Lukla<br />
richt heisst es, der Pilot habe die sich rasch<br />
verschlechternden Wetterbedingungen am Flughafen<br />
Lukla falsch eingeschätzt. Dadurch seien ihm beim<br />
Landeanflug Fehler unterlaufen, die dazu führten,<br />
dass die Maschine vor der Piste gegen einen Felsen<br />
prallte. Zum Zeitpunkt des Unfalls herrschte starker<br />
Nebel, der die Sicht behinderte. Der Sprecher der Untersuchungskommission<br />
kritisierte jedoch auch die<br />
Fluggesellschaften, die die Strecke von Kathmandu<br />
nach Lukla bedienen. Aus Profitgründen würde der<br />
Flughafen auch bei schlechten Wetterbedingungen<br />
angeflogen. Dabei arbeiteten die Piloten unter extrem<br />
hohen Zeitdruck. Die Regierung wurde von der Kommission<br />
aufgefordert, die Sicherheitsrichtlinien für<br />
Flüge nach Lukla zu verschärfen.
Auf 2200 Metern Höhe, gut versteckt zwischen Berghängen,<br />
Wiesen und Bauernhäusern, liegt der einzige<br />
internationale Flughafen von Bhutan, dem buddhistischen<br />
Königreich im Himalaya, Paro (VQPR). Die<br />
Piste ist 1964 Meter lang und 29 Meter breit, gelandet<br />
wird nur bei Tag und guter Sicht! Das liegt daran, dass<br />
der Beton relativ spät in Sicht kommt, da kurz vor dem<br />
„mini“ Endanflug noch einen Berg zu umrunden ist.<br />
Angeblich besitzen nur acht (!) Piloten weltweit die Erlaubnis,<br />
in Paro zu landen (Druk Air mit A 319).<br />
Wer am Flughafen der Stadt GOMA (FZNA) in Zaire<br />
steht, sollte sich gut überlegen, hier in ein Flugzeug zu<br />
steigen. Neben der Piste liegen ausgebrannte Wracks<br />
und wem dies nicht genügt, sollte sich noch die sechs<br />
Meter hohe Lavawand ansehen, die das Rollfeld abgrenzt.<br />
Seit einem Vulkanausbruch im Jahre 2002 wurde<br />
die Piste von 3000 auf 2000 Meter verkürzt. Das<br />
reicht aber immer noch aus, denn hier verkehren fast<br />
nur heillos überladende Antonovs und andere dubiose,<br />
meist russische, Transportmaschinen. Bei den<br />
Piloten, die Goma anfliegen, gibt es zwei Kategorien.<br />
Diejenigen, die mindestens einmal mit ihrem Flugzeug<br />
in die Lavawand gerutscht sind und diejenigen, die<br />
noch immer rechtzeitig zum Stehen kamen. Diese Kategorie<br />
gehört jedoch zur Minderheit.<br />
Kommen wir nach Barneo in der russischen Arktis, ca.<br />
60 Meilen vom Nordpol entfernt. Barneo ist im eigentlichen<br />
Sinne kein Flughafen sondern eine Station im<br />
Polarmeer. Man muss schon Vertrauen haben, wenn<br />
man auf die Eismassen anfliegt. Vertrauen auf starkes,<br />
dickes Packeis, Vertrauen auf den russischen Piloten<br />
und die russischen Konstrukteure dieses Landestreifens.<br />
Denn unter dem knapp zwei Meter dicken Eis ist<br />
kein Land, sondern das Polarmeer. Der Landestrip<br />
Barneo wird jedes Frühjahr am 89. Breitengrad im arktischen<br />
Drifteis errichtet – halb zu touristischen und<br />
halb zu wissenschaftlichen Zwecken. Hierzu fliegt eine<br />
Iljuschin von Russland los und wirft auf einer passend<br />
grossen Eisscholle Fallschirmspringer und Traktoren<br />
ab. Diese Crew ebnet dann eine 1200 Meter lange und<br />
60 Meter breite Landepiste, die für die anschliessenden<br />
Landungen der Antonov An-74 voll ausreicht.<br />
Es kam hier noch nie zu einem Unfall, nur im vergangenen<br />
Jahr riss eine starke Strömung die Piste mittendurch<br />
– zum Glück nicht während laufendem Flugbetrieb.<br />
✈ Barneo<br />
✈ Goma ✈ Princess Juliana Airport<br />
Airports<br />
Zu den spektakulärsten Landeplätzen in der Karibik<br />
zählt der Princess Juliana Airport (TNCN) auf St.<br />
Maarten, der zweitwichtigste Flughafen der östlichen<br />
Karibik. Die Pistenlänge von 2180 Meter erlaubt auch<br />
die Landung von grösseren Jets. Fotos von den Anflügen<br />
dicht über den Köpfen der Badegäste am Maho-<br />
Beach werden immer wieder als Trickaufnahmen angesehen,<br />
aber sie sind echt. Lediglich eine schmale<br />
Strasse trennt die Landebahn, die nur von Westen angeflogen<br />
werden kann, vom Strand. In der Tat, ein toller<br />
Platz für „Planespotter“. Trotz aller Widrigkeiten<br />
während des tiefen Endanfluges wurde hier bisher jedoch<br />
noch kein grösserer Zwischenfall registriert.<br />
Nicht weniger spektakulär ist der Juancho E. Yrausquin<br />
Airport (TNCS) auf Saba, einer Insel der Niederländischen<br />
Antillen. Der Anflug ist auch für erfahrene<br />
Piloten ein atemberaubendes Erlebnis. Obwohl der<br />
Flugplatz als einer der gefährlichsten der Welt gilt,<br />
blieben bisher gravierende Unfälle aus. Die Gefährlichkeit<br />
resultiert aus der physikalischen Lage; die<br />
knapp 400 Meter kurze Piste wird auf einer Seite von<br />
✈ Saba<br />
AIRPORTS<br />
53 der <strong>flugleiter</strong> 2009/01
AIRPORTS<br />
der <strong>flugleiter</strong> 2009/01<br />
Airports<br />
54<br />
hohen Hügeln, auf den anderen drei Seiten von steil<br />
ins Meer abfallenden Klippen flankiert. Eine Punktlandung<br />
sollte schon gelingen, denn „Overshooting the<br />
runway end“ sollte hier auf alle Fälle vermieden werden.<br />
Der Flugplatz Gustav III St. Barth (TFFJ), liegt bei der<br />
Ortschaft St. Jean auf der Insel Saint Barthelemy. Der<br />
Name des Flughafens sowie die Inselhauptstadt Gustavia<br />
wurden nach dem schwedischen König Gustav<br />
III benannt, der die Insel 1785 von den Franzosen<br />
übernommen hatte (sie wurde 1878 wieder an Frankreich<br />
zurück verkauft). Mit 640 Meter Länge ist die Piste<br />
von Saint Barthelemy nur für kleinere Flugzeuge,<br />
hauptsächlich vom Typ Twin Otter, ein geeigneter Landeplatz.<br />
Die kurze Piste endet auf einer Seite direkt<br />
am Strand, der Landeanflug muss in einem steilen<br />
Sinkflug über die umgebenden Hügel durchgeführt<br />
werden. Der Start führt direkt über die Köpfe der Badegäste,<br />
kleine Hinweisschilder weisen die Urlauber<br />
darauf hin, sich nicht direkt am Ende der Piste im Sand<br />
zu sonnen. Die bergige Umgebung des Platzes, verbunden<br />
mit häufig wechselnden Winden, stellt die Piloten<br />
auch hier vor hohe Anforderungen.<br />
✈ St. Barth<br />
Doch riskannte und aussergewöhnliche Flugplätze<br />
gibt es auch in Europa. Der Landeplatz auf der westschottischen<br />
Insel Barra (EGPR), Outer Hebrides, ist<br />
eine Herausforderungen an die Piloten und der einzige<br />
Flugplatz auf der Welt, wo die Flugzeuge auf dem<br />
Strand landen, dem Traigh Mhor. Hier bestimmen<br />
Ebbe und Flut die Grösse des Platzes, denn die kleinen<br />
Maschinen landen auf dem Sandstrand. Daher<br />
gilt: „Keep off the beach when the windsock is flying<br />
and the airport is active“! Eine Asphaltpiste gibt es<br />
ebenso wenig wie eine Befeuerung. Lediglich einige<br />
angeschalteten Autoscheinwerfer auf dem Parkplatz<br />
spenden den Piloten, die am späten Nachmittag hier<br />
ankommen, eine kleine aber hilfreiche Befeuerung.<br />
Buchbar ist ein Flug nach Barra mit British Airways<br />
von Glasgow und Benbecula.<br />
Als nicht gerade beliebt in Pilotenkreisen gilt auch<br />
eine Landung auf dem Santa Catarina Flughafen Funchal<br />
(LPFU), Madeira. Am 19.11.1977 ereignete sich<br />
hier ein tragischer Unfall noch auf der alten, 1400 Meter<br />
langen Piste. Nach zwei vergeblichen Anflügen<br />
setzte TAP 425, eine Boeing B727-200, dann im dritten<br />
Anflug 300 Meter hinter dem vorgesehenen Aufsetzpunkt<br />
zur Landung an, schoss über die Piste<br />
hinaus und krachte in die Klippen – 131 Tote. Daraufhin<br />
wurde die Piste endlich verlängert und im Jahre<br />
2003 mit 2770 Meter Länge fertiggestellt. Die neue<br />
Piste wurde dabei nicht wie üblich durch Landaufschüttung<br />
verlängert, sondern grösstenteils auf 180<br />
Stelzen, jeweils 70 Meter hoch, an einen Steilhang gebaut,<br />
auf drei Seiten von Meer umgeben. Dafür erhielt<br />
Portugal von der „International Association for Bridge<br />
and Structural Engineering“ IABSE, den „Outstanding<br />
Structure Award“, sozusagen einen „Oscar“ für Engineering<br />
Structure. Doch auch heute sorgt eine Landung<br />
hier immer noch für einen gewissen Nervenkitzel.<br />
✈ Funchal<br />
✈ Barra ✈ Isafjordur<br />
Der Reiseführer „Lonely Planet“ bezeichnet den Landeanflug<br />
auf den isländischen Flugplatz von Isafjordur<br />
(BIIS) als haarsträubend. Man ist also in gewissem<br />
Sinne vorgewarnt, wenn man in einer kleinen Propellermaschine<br />
in Richtung Westfjorde anfliegt. Das Flugzeug<br />
sinkt durch eine schmale Schlucht auf eine Kie-
sellandzunge im Fjord ein – zwischen Tragflächen und<br />
Felsen scheint kein Buchdeckel mehr zu passen. Die<br />
Bremsung ist hart, der Herzschlag erhöht. Kaffee wird<br />
auf diesen Flügen natürlich gar nicht erst serviert.<br />
Als ein wahres „Highlight“ auf der Liste der gefährlichen<br />
und aussergewöhnlichen Flughäfen gilt wohl<br />
unumstritten der Flughafen Courchevel (LFLJ), dem<br />
exklusivsten Skiort Frankreichs in den französischen<br />
Alpen. Hier residieren u.a. Fürst Albert von Monaco<br />
und Formel-1-Impressario Flavio Briatore. Europas<br />
höchstgelegene Piste liegt auf einer Höhe von 2000<br />
Metern, ist 535 Meter lang und weist im letzten Drittel<br />
eine „Steigung“ von ca. 18 % auf. Fast in Augenhöhe<br />
führt die Platzrunde vorbei an Skiliften und verschneiten<br />
Hängen. Der letzte Punkt zum Abbruch des<br />
Anfluges liegt bei 800 Meter vor Pistenbeginn, danach<br />
ist es zu spät. Entstanden war der Linienverkehr nur,<br />
weil der damalige Bürgermeister von Courchevel vor<br />
den Olypischen Winterspielen 1992 in Albertville<br />
darauf drängte, unbedingt einen regelmässigen Flugbetrieb<br />
mit Anschlüssen nach Innsbruck und Paris<br />
Aufsichtsrat und Gesellschafterversammlung des<br />
Flughafens von Mönchengladbach (MG-L) beschlossen<br />
rund 25 Millionen Euro zu investieren, um ihren<br />
Airport zu einem Knoten für Geschäftsreiseflugzeuge<br />
auszubauen. Nach einem neuen Gutachten des Deutschen<br />
Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) stehen<br />
die Chancen für die Genehmigung dieses Vorhabens<br />
gut: „Mit dem Airport lässt sich Geld verdienen“, so<br />
die Experten.<br />
Zu den wichtigsten Ausbaumaßnahmen gehört eine<br />
Verlängerung der Start- und Landebahn von bisher<br />
Airports<br />
aufzunehmen. Zweieinhalb Jahre und unzählige Starts<br />
und Landungen hat es gedauert, bis Tyrolean Airways<br />
dafür von den französischen Behörden überhaupt<br />
eine Zulassung bekam. Kein Wunder, dass Courchevel<br />
in der Eröffnungssequenz des James-Bond-Films<br />
„Der Morgen stirbt nie“ mit Pierce Brosnan zu Ehren<br />
kam und seither in Pilotenkreisen als „Kamikaze-Airport“<br />
bekannt ist. Courchevel, in der Tat ein Platz für<br />
Helden.<br />
✈ Courchevel<br />
Mönchengladbach soll zum Airport<br />
der Geschäftsflieger werden<br />
1240 auf 1850 Meter. Wenn alles normal verläuft,<br />
könnte ab 2014 mit dem spezifischen Geschäftsreiseverkehr<br />
begonnen werden. Zudem ist geplant, 80 Prozent<br />
dieses Segments von Düsseldorf (DUS) nach<br />
Mönchengladbach zu verlagern. Offen ist allerdings,<br />
wie viel der Gesamtinvestitionen die Mönchengladbacher<br />
aufbringen müssen. Insider gehen von fünf Millionen<br />
Euro aus. Zu klären ist außerdem, inwieweit Flugraum-Überschneidungen<br />
über DUS und MG-L zu<br />
bereinigen sind. Schließlich ist bei der Bezirksregierung<br />
erneut ein Planfeststellungsverfahren zu beantragen,<br />
dessen Umsetzung allerdings sicher scheint. (wtt)<br />
AIRPORTS<br />
55 der <strong>flugleiter</strong> 2009/01