Gibt es eine Aufholphase bei Kindern mit Williams-Beuren-Syndrom?
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Ende der achtziger Jahre erschien das „MacArthur Communicative Development Inventory“<br />
(Dale et al. 1989), ein Sammlung von Elternfragebögen, die inzwischen weltweit adaptiert<br />
sind und eing<strong>es</strong>etzt werden. Mit ihnen wird die kommunikative und linguistische Entwicklung<br />
von ein- und zweijährigen <strong>Kindern</strong> erfasst. Dazu dient <strong>eine</strong> Liste von ca. 400 bzw. 700 Wör-<br />
tern und 64 G<strong>es</strong>ten, deren Verstehen und Produktion von den Eltern angegeben werden soll.<br />
Durch di<strong>es</strong>e Fragebögen ist <strong>eine</strong> Datenerhebung frühkindlicher Fähigkeiten möglich gewor-<br />
den. Auch können durch sie Erkenntnisse aus Langzeitstudien <strong>mit</strong> <strong>eine</strong>r geringen Probanden-<br />
zahl an Hand großer Stichproben überprüft werden. Muster der frühen kommunikativen Ent-<br />
wicklungen können so dokumentiert werden.<br />
In weiteren Studien wurde versucht, Zusammenhänge zwischen der Produktion symbolischer<br />
G<strong>es</strong>ten und dem expr<strong>es</strong>siven Wortschatz f<strong>es</strong>tzustellen (Acredolo & Goodwyn, 1988). Der<br />
frühkindliche G<strong>es</strong>tengebrauch scheint da<strong>bei</strong> prädikativ für die weitere Sprachentwicklung zu<br />
sein, denn die Häufigkeit d<strong>es</strong> G<strong>es</strong>tengebrauchs korrelierte nach Acredolo & Goodwyn signifi-<br />
kant <strong>mit</strong> dem späteren expr<strong>es</strong>siven Wortschatz ein<strong>es</strong> Kind<strong>es</strong>. Bat<strong>es</strong> und Dicks (2002) erfanden<br />
für die gleichzeitige Entwicklung von Sprache und G<strong>es</strong>ten den Ausdruck: „All in the family“<br />
(Bat<strong>es</strong> & Dick 2002; 294). Ihrer Meinung nach gibt <strong>es</strong> <strong>eine</strong> starke inhaltliche Übereinstim-<br />
mung zwischen den G<strong>es</strong>ten und den Wörtern. So<strong>mit</strong> können Kinder, die früh G<strong>es</strong>ten verwen-<br />
den, auch früher benennen, also das Sprechen beginnen.<br />
Aber auch Zusammenhänge zwischen der G<strong>es</strong>tenproduktion und dem Wortverständnis konn-<br />
ten aufgezeigt werden (Thal & Tobias 1992). In ihrer Studie „Communicative g<strong>es</strong>tur<strong>es</strong> in<br />
children with delayed onset of oral expr<strong>es</strong>sive vocabulary“ konnten sie nachweisen, dass late<br />
bloomers mehr kommunikative G<strong>es</strong>ten (deiktische und symbolische) verwendeten als Kon-<br />
trollkinder <strong>mit</strong> gleichem Wortschatzvermögen. Laut Thal & Tobias kompensieren late<br />
bloomers <strong>mit</strong> G<strong>es</strong>ten, da das Wortverständnis, trotz verzögerter Wortschatzentwicklung, al-<br />
tersgemäß erscheint.<br />
Andere Studien widmeten sich der Analyse d<strong>es</strong> G<strong>es</strong>tenerwerbsverlaufs von spät sprechenden<br />
<strong>Kindern</strong>, den so genannten late talkers (Landry, S<strong>mit</strong>h, Swank 2002), und von <strong>Kindern</strong> <strong>mit</strong><br />
atypischem Entwicklungsverlauf, wie z. B. <strong>Kindern</strong> <strong>mit</strong> Down-<strong>Syndrom</strong> (Wilken 2002, 2003)<br />
und <strong>Williams</strong>-<strong>Beuren</strong>-<strong>Syndrom</strong> (z.B.: Volterra, Vicari, Brizzolara, Carl<strong>es</strong>imo, Pezzini 1996;<br />
Volterra, Vicari, Caoirci, Sabbadini, Pezzini 1996). Sowohl <strong>bei</strong> den late talkers als auch <strong>bei</strong><br />
den genetischen <strong>Syndrom</strong>en vermuten die Forscher <strong>eine</strong>n atypischen G<strong>es</strong>tenerwerb.<br />
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