Yorcker Nr. 93 (Juli/August/Sept) - Yorck Kino GmbH
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16<br />
Toast<br />
REGIE S.J.Clarkson<br />
FILMOGRAPhIE<br />
<strong>Kino</strong>filmdebüt<br />
<strong><strong>Yorck</strong>er</strong> <strong>93</strong><br />
BuCh Lee Hall<br />
JAhR 2010<br />
LAND GB<br />
1967. Die Konservendose hat ihren Siegeszug<br />
um die Welt angetreten und auch die englische<br />
Küche fest in ihrem Griff.<br />
Der kleine Nigel, der mit seinen Eltern in einem<br />
Reihenhaus in Wolverhampton seine Kindheit fristet,<br />
leistet sanften Widerstand gegen die Küche<br />
seiner Mutter, die die Kunst des Konservenkochens<br />
zu höchster Vollendung gebracht hat. Sein<br />
vorsichtiges Fragen nach Fleischpastete oder gar<br />
echtem Käse begegnet sie mit liebevoller, aber<br />
verständnisloser Ablehnung. Nur seiner Bitte, mit<br />
ihm einen Kuchen zu backen, gibt sie nach. Ein<br />
Desaster.<br />
Wenn selbst das Dosenessen mißglückt, ist Nigel<br />
froh. Dann macht seine Mutter Toast, knuspriges,<br />
warmes Weißbrot, auf dem die Butter in kleinen<br />
Pfützen schmilzt was kann es Schöneres geben?<br />
Und wenn der Vater mißtrauisch nach seinem<br />
Sohn sieht, aus dessen Zimmer beunruhigendes<br />
Stöhnen zu hören ist, versteckt der schnell sein<br />
Kochbuch unter der Decke. In dem sind so wundervolle<br />
Dinge wie Spaghetti Bolognese, Würstchen<br />
im Schlafrock und Creme Caramel abgebildet,<br />
die die Begierde in ihm hochschnellen läßt<br />
und die Gewissheit: Es gibt ein Leben nach der<br />
Dose.<br />
Eine kleinbürgerliche Idylle also: Schule, Ausflüge,<br />
der hübsche Gärtner und das stete Ticken<br />
der Uhren. Doch die Mutter scheint nicht glücklich<br />
zu sein in ihrer Puppenstube, so blaß und<br />
ängstlich wie sie ist, so kurzatmig, als ob ihr die<br />
START: 11.8.11<br />
Diesen Film zeigt die <strong>Yorck</strong>-Gruppe<br />
in OmU<br />
DARSTELLER<br />
Freddie Highmor<br />
Oscar Kennedy<br />
Ken Stott<br />
Helena Bonham Carter<br />
Victoria Hamilton<br />
KAMERA Balazs Bolygo<br />
MuSIK Ruth Barrett<br />
LäNGE 96 min<br />
Behaglichkeit die Atemluft nimmt. Schlimmer, die<br />
Mutter ist krank und Nigel ahnt, daß das nächste<br />
Weihnachten ohne sie stattfinden wird.<br />
Nigel Slater ist in England eine Berühmtheit, als<br />
Koch und als Restaurantkritiker. Seine Autobiographie<br />
ist ein Sammelsurium an Kindheitserinnerungen<br />
und Rezepten. Es ist die Geschichte einer<br />
Berufung und einer Befreiung.<br />
Hier wird das Kochen zur Waffe der Unterdrückung<br />
und gleichzeitig des Widerstands. Denn<br />
als sein Vater, nach dem Tod der Mutter, eine<br />
Beziehung mit der neuen Putzfrau Mrs. Potter<br />
eingeht – einer begnadeten Köchin – beginnt für<br />
Nigel ein Konkurrenzkampf um seine Zuneigung,<br />
in dem Essen die entscheidende Rolle spielt. Hier<br />
kann er dieser Frau Paroli bieten, und die nimmt<br />
die Kampfansage von ganzem Herzen an.<br />
Drehbuchautor Lee Hall, der auch das Buch für<br />
Billy Elliot schrieb, hat Slaters Erinnerungen<br />
recht frei interpretiert, hier etwas weggenommen,<br />
dort etwas zugefügt, einige Zutaten geändert, Slaters<br />
gepflegten Snobismus etwas geschönt und<br />
eine warmherzige, dabei oft genug auch bösartigwahre<br />
Familiengeschichte kreiert. Die liebevolle<br />
Ausstattung, die üppigen, farbstrotzenden Speisen<br />
bilden die Kulisse vor allem für die beiden<br />
Darsteller des kleinen und des etwas größeren Nigels,<br />
die so nonchalant diese teuflische Mischung<br />
aus Freude, Trauer und Entschlossenheit servieren,<br />
daß selbst Mrs. Potter alias Helena Bonham Carter<br />
fast blaß aussieht.<br />
COB GEhA