Yorcker Nr. 93 (Juli/August/Sept) - Yorck Kino GmbH
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Arschkalt<br />
REGIE André Erkau<br />
FILMOGRAPhIE<br />
2007 Selbstgespräche<br />
<strong><strong>Yorck</strong>er</strong> <strong>93</strong><br />
BuCh André Erkau<br />
JAhR 2011<br />
LAND Deutschland<br />
8<br />
Das Buddy- und Roadmovie Arschkalt weist<br />
mit Sarkasmus und Ironie karikierend auf Lebenslügen,<br />
Vorurteile und Banalitäten des Alltags<br />
hin.<br />
Rainer Berg und Tobias Moerer fahren einen Tiefkühltransporter<br />
mit der Aufschrift Happy Eskimo.<br />
Von ihrer smarten niederländischen Chefin Lieke<br />
van der Stock zur Zusammenarbeit verdonnert,<br />
gondeln sie gemeinsam durch die karge norddeutsche<br />
Provinz: um Fischstäbchen zu verkaufen.<br />
Die beiden könnten freilich unterschiedlicher<br />
nicht sein, und deshalb kommt es – gelinde ausgedrückt<br />
– zu einigen Problemen. Denn unter der<br />
Oberfläche der beiden ungleichen Protagonisten<br />
lauern kleine Tragödien von mehr oder weniger<br />
einsamen Männern.<br />
Für den zynischen Eigenbrötler und gescheiterten<br />
Unternehmer Berg mit dem traurigen Dackelblick<br />
und den Manieren eines abgerutschten Kleinbürgers,<br />
zählt lediglich eines: Genügend Kohle ranzuschaffen,<br />
damit er seinem altem Vater den Platz<br />
im teuren Altersheim finanzieren kann.<br />
Desillusioniert, seine Frau hat ihn längst verlassen,<br />
möchte der Grantler nur noch seine Ruhe.<br />
„Manchmal wünschte ich mir, ich wäre ein Fischstäbchen“,<br />
verrät der frustriert verstockte Handelsreisende<br />
den Zuschauern seine Gedanken,<br />
während die Leinwand scheinbar vereist und eingefrorene<br />
Fischstäbchen schemenhaft unter Eiskristallen<br />
auftauchen. „Früher oder später würde<br />
START: 21.7.11<br />
DARSTELLER<br />
Herbert Knaup<br />
Johannes Allmayer<br />
Elke Winkens<br />
Peter Franke<br />
Johanna Katharina Geißler<br />
Thorsten Merten<br />
Philipp Hochmair<br />
KAMERA Dirk Morgenstern<br />
MuSIK Dürbeck &<br />
Dohmen<br />
LäNGE 90 min<br />
ich in der Pfanne landen, aber bis dahin hätte ich<br />
wenigstens meine Ruhe“. Mit der Ruhe ist es freilich<br />
vorbei. Sein neuer Beifahrer, der aufgedrehte<br />
Ex-Friseur Tobias Moehrer plappert unentwegt<br />
und nervt ihn mit esoterischen Sprüchen, die er<br />
auf Teebeuteln findet. Aber auch der nach außen<br />
hin optimistische Sunnyboy hat sein Päckchen zu<br />
tragen.<br />
Das ständige Unterwegssein, die Suche nach<br />
Lebenssinn trotz Scheitern und Lebenslügen bestimmt<br />
den Gestus dieses witzigen Roadmovies,<br />
dessen Dramaturgie sich an der langsam entstehenden<br />
ungewöhnlichen Männerfreundschaft<br />
und den daraus resultierenden episodenhaften,<br />
turbulenten Erlebnissen orientiert.<br />
Mit dieser Paarkonstellation seiner Helden gelang<br />
Regisseur André Erkau ein stimmiger Besetzungscoup.<br />
Bereits in seinem preisgekrönten Spielfilmdebüt<br />
Selbstgespräche über die Einsamkeit von<br />
Call-Center-Agenten verfolgte er mit sensibler Ironie<br />
sogenannte gescheiterte Existenzen, die sich<br />
nicht unterkriegen lassen. Auch diesmal enthüllt<br />
der 42jährige bei aller Lakonie und Witz mehr und<br />
mehr auch die Tragik seiner Figuren. Gleichzeitig<br />
plädiert sein Film dafür, trotz aller beruflichen<br />
und privaten Tiefschläge verletzlich zu bleiben<br />
und sich nicht emotional abzuschotten. Und so<br />
zeigt seine Mischung aus Witz und Depression am<br />
Ende folgerichtig eine hoffnungsvolle Perspektive,<br />
für die es sich lohnt, aus der emotionalen Erstarrung<br />
zu erwachen.<br />
GEhA LKO