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Lebensausrichtung sein und der Sinn kann<br />
nicht gegeben, sondern muss gefunden<br />
werden. Nach Frankl ist das Gewissen ein<br />
Sinn-Organ, und er meint damit, die Fähigkeit<br />
den einmaligen und einzigartigen Sinn, der<br />
in jeder Situation verborgen ist, aufzuspüren.<br />
Es gibt also keine Lebenssituation, die<br />
wirklich sinnlos wäre. Selbstverwirklichen<br />
kann sich der Mensch nur in dem Maße, wie<br />
er imstande ist, Sinn zu erfüllen. Wollen wir<br />
jedoch nicht in der Flut, der uns umzingelnden<br />
Reize und in einer totalen Wahllosigkeit<br />
untergehen, dann müssen wir unterscheiden<br />
lernen, was wesentlich ist. Das bedeutet<br />
selektiv und damit auch verantwortlich zu<br />
sein.<br />
Suchen will nur jemand, der etwas braucht<br />
und etwas zu finden hofft. Seit einiger Zeit ist<br />
zu beobachten, dass immer mehr Menschen<br />
ihr Leben in den Dienst einer Sache stellen<br />
(z.B. durch freiwilliges Engagement in den<br />
verschiedensten gesellschaftlichen<br />
Bereichen) oder aber nach einem tieferen<br />
Seinsgrund – Gott – suchen. Den modernen<br />
Menschen reichen immer weniger die<br />
angebotenen gesellschaftlichen<br />
Oberflächlichkeiten und Pseudalitäten. Sie<br />
fragen nach dem Sinn und was wirklich<br />
wichtig ist im Leben. Sie sehnen sich nach<br />
Intensität und nach einem Lebenssinn, der<br />
über das Schneller, Weiter und Mehr<br />
hinauszureichen vermag. Allerdings sucht der<br />
Einzelne Geborgenheit nicht nur mehr beim<br />
christlichen Gott, sondern in der<br />
Multioptionsgesellschaft leisten sich einige<br />
einen Multioptionsglauben. Es ist verblüffend,<br />
wie stark die Bereitschaft, einem himmlischen<br />
$<br />
Wesen zu vertrauen, von den Menschen aller<br />
Kulturen bejaht wird. Die Neuro-Theologie<br />
behauptet jedoch, unser Geist sei<br />
zwangsläufig mystisch, religiöses Erleben<br />
habe neurophysiologische Grundlagen im<br />
Scheitellappen des Gehirns. Die<br />
neurologischen Prozesse machten aus<br />
Mythen gefühlte Erfahrungen – also schafft<br />
sich das Gehirn seinen Gott? Der<br />
Hirnforscher Pöppel hält das für Unsinn. Es<br />
ließe sich höchstens mutmaßen, dass<br />
religiöse Erfahrungen intensive emotionale<br />
Erlebnisse sind. „Und wenn es einen Gott<br />
gibt, macht es dann nicht absolut Sinn, dass<br />
er uns so geschaffen hat, dass wir ihn<br />
erfahren und mit ihm kommunizieren<br />
können?“ (Bischof Elio Sgreccia). Die<br />
Hoffnung bleibt also und damit auch die<br />
Zwiesprache mit Gott, das Sich-anvertrauenkönnen<br />
und die Orientierungshilfe für eine<br />
diesseitige alltägliche Lebensroute, sei es im<br />
Dienste einer Sache oder in der Begegnung<br />
mit Menschen und anderen Kreaturen. „Was<br />
der Mensch ist, ist er durch die Sache, die er<br />
zur seinen macht“, sagt der Philosoph<br />
Jaspers. Wir haben also die Wahl.<br />
Literatur:<br />
Frankl, Viktor E.: Das Leiden am sinnlosen Leben,<br />
Wien 1977<br />
Schüle, Christian: Warum glaubt der Mensch? , in GEO<br />
Nr.1/2006<br />
Zöllner, Ulricke: Die Kunst der langen Weile, Stuttgart<br />
2004<br />
Kraft, Ulrich: Wo Gott wohnt , in Gehirn und Geist 1/<br />
2006<br />
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