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Die Presse Schaufenster

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Fotos: Beigestellt<br />

<strong>Die</strong> Einschläge kommen näher. Iggy<br />

Pops Umgebung wird durch Gevatter<br />

Tod ausgedünnt. 2009 starb sein wüster<br />

Gitarrendrescher Ron Asheton an einem<br />

Herzinfarkt. Erfahrener Stoiker, der er ist,<br />

hat Iggy für „Ready To <strong>Die</strong>“ seinen alten<br />

Buddy James Williamson rekrutiert, einen<br />

Mann, der schon auf „Raw Power“ und<br />

„New Values“ die Saiten gezupft hat. 1982<br />

hatte man sich bei den Aufnahmen zu „Soldier“<br />

zerstritten. Darauf legte Williamson<br />

die Gitarre weg und wurde Vizepräsident<br />

von Sony Kalifornien. Nach Ashetons Tod<br />

nahm er das Instrument erstmals nach<br />

27 Jahren wieder in die Hände. Das tat dem<br />

Punkappeal des neuen Iggy-Albums sehr<br />

gut. Erstaunlicherweise hat Williamson,<br />

etwa im brachialen „Gun“, brandneue Killer-Riffs<br />

auf Lager, die wie sein Böllern auf<br />

„Raw Power“ neue Generationen beeinflussen<br />

könnten. So richtig lebendig wird Iggy<br />

Pop, wenn es erotisch wird. In „DDs“ etwa,<br />

wo uns der 66-jährige Urpunk, stilistisch<br />

irgendwo zwischen Philosophiezitat und<br />

Cartoonsprechblase, seine Vorliebe<br />

für Double Ds mitteilt.<br />

Damit sind basketballgroße<br />

Frauenbrüste gemeint. „I’m so<br />

lucky when I look at them, I’m<br />

on my knees for double Ds“,<br />

ächzt er unter Aufbietung des<br />

letzten Testosterons. Was die<br />

Größe anlangt, ist er unerbittlich.<br />

Nur bezüglich der Substanz<br />

ist er großzügig: „It doesn’t<br />

DiscothÈque<br />

Pop Jazz<br />

von Samir H. Köck<br />

Der Punk und der Tod<br />

„Ready To <strong>Die</strong>“: Neues von Iggy Pop und seinen Stooges.<br />

von Samir H. Köck<br />

66 und noch immer<br />

wild nach „Double Ds“:<br />

Iggy Pop.<br />

matter if real or fake, Darwin or Freud,<br />

these are my toys.“ Längst wohlhabender<br />

Elder Statesman des Punk, ist dieser vom<br />

wilden Leben abgewetzte Bub immer noch<br />

ein lohnendes Ziel für Groupies aller Generationen.<br />

Weniger glaubwürdig sind seine<br />

Exkursionen in Nihilismus und Gewalt: Lieder<br />

wie „Burn“ und „Gun“ klingen wie lästig<br />

gewordene Fingerübungen, um sich die<br />

alte Reputation zu bewahren.<br />

Unfreundliche Welt. Heute sind seine<br />

Balladen interessanter, weil vielschichtiger.<br />

Ein Highlight ist „Unfriendly World“, in<br />

dem er mit brummelnder Chansonsprechstimme<br />

über sein nicht immer lustiges<br />

Los als Rockikone reflektiert. „Will I<br />

ever be free?“, fragt er melancholisch und<br />

antwortet selbst: „I can’t get out . . .“ <strong>Die</strong><br />

Nummer „The Departed“, ein großes<br />

Lamento auf die Endlichkeit, ist auch musikalisch<br />

ein Blick zurück: Sie beginnt mit<br />

dem Riff von „I Wanna Be Your Dog“. Allein,<br />

das Klangbild ist anders. Statt rauschender<br />

Verzerrung herrscht eine<br />

mutig wimmernde Slide-<br />

gitarre. In solchen Momenten<br />

der Verletzlichkeit ist die<br />

Musik des heutigen Iggy Pop<br />

am würdigsten. Schade, dass<br />

er nicht mit seinen herrlichen<br />

Chansons nach Wien kommt.<br />

Trotzdem freuen wir uns auf<br />

seine Wiederkehr am<br />

9. August in der Arena.<br />

Norwegische Musiker dürften<br />

immun gegen Amerikanisierung<br />

sein. Auch wenn sich „In The Country“,<br />

dieses gedankenschwere Trio um<br />

den Pianisten Morten Qvenild, für sein<br />

fünftes Album „Sunset Sunrise“ in ein<br />

Studio in Los Angeles verfügt hat, seine<br />

Musik bleibt von europäischem Ernst.<br />

Der 35-jährige Qvenild, der als Tastenmann<br />

auch für Solveig Slettahjell und<br />

Susanna Wallumrod umtriebig ist, entwickelt<br />

dramatische Szenarien, die<br />

trotz mancher klanglicher Aufkräuselung<br />

notorisch mit der Stille flirten.<br />

Feine Schärfe kommt durch dezent<br />

eingesetzte Elektronik ins Spiel. <strong>Die</strong>ses<br />

Album zeigt: Das Talentreservoir Skandinaviens<br />

ist unerschöpflich. (Act)<br />

Klassik<br />

von Wilhelm Sinkovicz<br />

Mögen die Originalklang-Apostel<br />

jahrzehntelang Tempofragen,<br />

Phrasierungsdetails und agogische<br />

Nuancen diskutiert haben – EMI bringt<br />

alte Aufnahmen von Otto Klemperer<br />

auf den Markt, und der Musikfreund<br />

lauscht neugierig. Natürlich passt da<br />

nichts zur neuen musikalischen Korrektheit.<br />

Doch wer sich dem kontrapunktischen<br />

Stimmengeflecht Bachs<br />

oder der Detailverliebtheit der thematischen<br />

Arbeit in Haydn-Symphonien<br />

mit Genuss widmen möchte, wird bestens<br />

bedient. Wo neuzeitliche Richtigund<br />

Wichtigmacher oft ungeniert drüberwischen:<br />

Hier wird jede Regung des<br />

kompositorischen Geflechts belebt.<br />

Richtig? Falsch? Musiziert! (EMI)<br />

<strong>Schaufenster</strong> 57

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