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„John Cage und …“ Bildender Künstler ... - Akademie der Künste

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Fluxus-Bewegung in New York <strong>und</strong> Europa hatte. Deshalb – <strong>und</strong> weil die nächste Ausstellung <strong>der</strong> <strong>Akademie</strong> in<br />

diesen Räumen „Fluxus in Europa“ darstellt – haben wir uns auf diesem Feld zurückgenommen; Jon Hendricks<br />

<strong>und</strong> Yvonne Ziegler zeigen im Begleitbuch <strong>Cage</strong>s Bezüge zur Performance-/Fluxus-Bewegung auf, während<br />

Birgit Hein den Zusammenhang von <strong>Cage</strong>, Fluxus <strong>und</strong> Film skizziert, ein bislang kaum beleuchtetes Thema.<br />

Henning Lohner reflektiert die Zusammenarbeit für den einzigen von <strong>Cage</strong> realisierten Film One 11 (1992),<br />

während Detlef Stein die Beziehung von <strong>Cage</strong> <strong>und</strong> Joseph Beuys analysiert.<br />

Zwei Klangräume Essay <strong>und</strong> 33�<br />

In allen Publikationen wird auf die Bedeutung von Zen, des Meisters Daisetz Teirato Suzuki, für das Werk von<br />

<strong>Cage</strong> hingewiesen. <strong>Cage</strong> selbst hat diesen Einfluss immer wie<strong>der</strong> betont. Eine große Ensō-Zeichnung aus dem<br />

Ethnologischen Museum in Berlin steht stellvertretend für diesen Zusammenhang: <strong>Cage</strong> plante 1987, <strong>der</strong>artige<br />

Kreiszeichnungen bei <strong>der</strong> documenta 8 in Kassel als eigenen Beitrag auszustellen, schließlich realisierte er<br />

jedoch die Arbeit Writing through the Essay ‚On the Duty of Civil Disobedience’ (D. H. Thoreau), ein Klangraum<br />

mit 36 r<strong>und</strong>um verteilten kleinen Lautsprechern. Die in <strong>der</strong> Kunsthalle Bremen realisierte Fassung <strong>der</strong><br />

Installation erweiterte <strong>Cage</strong> um 24 Lampen <strong>und</strong> sechs Stühle. In einer „Skizze“ zu nennenden Form wird die<br />

Bremer Arbeit in Berlin in einem kleinen Raum präsentiert: Der Text wird – wie in <strong>der</strong> Karlskirche in Kassel –<br />

aus kleinen Lautsprechern r<strong>und</strong>um zu hören sein. Die Stühle werden nach einem täglich wechselnden<br />

Zufallsplan aufgestellt, aber auch von den Besuchern benutzt <strong>und</strong> damit neu platziert. Während hier die<br />

Klangwelt von <strong>Cage</strong> vorgegeben ist, können die Besucher in einem weiteren Klangraum mit <strong>der</strong> Arbeit 33⅓<br />

(1969/2012) ihre eigenen Klänge gestalten: Aus einer Auswahl von 300 Schallplatten kann je<strong>der</strong> seine eigene<br />

Musik auswählen, anschließend durch einen Plattenspieler zum Klingen bringen <strong>und</strong> jeweils aktuell mixen. In<br />

beiden Arbeiten spielt <strong>der</strong> Zufall eine wichtige Rolle: bei Writing through the Essay ‚On the Duty of Civil<br />

Disobedience’ vor allem in <strong>der</strong> Komposition <strong>der</strong> Textaufnahmen <strong>und</strong> <strong>der</strong> zufälligen täglichen Neuordnung <strong>der</strong><br />

Stühle; bei 33⅓ bezieht sich <strong>der</strong> Zufall vor allem auf die ‚Aufführung’ – die Besucher erschaffen jeweils ein<br />

neues Klangbild, das einmalig <strong>und</strong> nicht wie<strong>der</strong>holbar ist. Barbara Nierhoff-Wielk untersucht dieses wichtige<br />

Arbeitsprinzip „Zufall“ bei <strong>Cage</strong> in ihrem Buchbeitrag mit Hinweis auf das Werk von Hans Arp.<br />

Zeit: 639 Jahre <strong>und</strong> 4’33’’ – Stille: Geräusch/Klang/Musik<br />

Es ist viel über das wohl längste Konzert, Organ²/ASLSP, in St. Burchardi in Halberstadt geschrieben worden,<br />

ein Konzept-Stück, das gerade durch die Aufführungsdauer von 639 Jahren in seiner physischen Realität<br />

fasziniert. Das gleiche gilt für 4’33’’ (Tacet) von 1952, das <strong>Cage</strong> 1986 in Köln selbst öffentlich aufführte, jedoch<br />

mit einer an<strong>der</strong>en Zeitdauer. In diesen Zusammenhang gehört, als vielleicht ebenso radikale Abwandlung, die<br />

Variation VIII von 1978, die <strong>Cage</strong> bewusst zur ersten europäischen Ausstellung im Kölnischen Kunstverein von<br />

Heinz Klaus Metzger <strong>und</strong> Rainer Riehm inszenieren ließ: eine Aufführung von ‚Nichts’ mit <strong>der</strong> Negierung all<br />

dessen, was eigentlich ein Konzert ausmacht.<br />

Im selben Jahr wie <strong>Cage</strong>s 4’33’’ veröffentlichte Samuel Beckett En attendant Godot, entstanden die Black <strong>und</strong><br />

White Paintings von Robert Rauschenberg – 1951 schenkte Rauschenberg <strong>Cage</strong> das Black Painting (No. 1),<br />

aus Privatbesitz ist es in <strong>der</strong> Ausstellung – <strong>und</strong> Guy Debord drehte seinen ‚schwarzen’ Film (Hurlements en<br />

faveur de Sade): All diese Werke eint <strong>der</strong> Versuch, die Stille, das Nichts, den Nullpunkt jeweils in einem<br />

an<strong>der</strong>en Medium zu erfassen <strong>und</strong> darzustellen. So wie <strong>Cage</strong> feststellen musste, dass selbst im<br />

schallgeschützten Raum keine Stille existiert, weil dann die Blutzirkulation <strong>und</strong> das arbeitende Nervensystem<br />

des eigenen Körpers hörbar wird, so ist ein mit Zuhörern gefüllter Konzertsaal ebenfalls niemals still, ohne<br />

Geräusch, ohne Klang! Wie in den 1940er Jahren <strong>Cage</strong> die Instrumente verän<strong>der</strong>t (prepared piano) <strong>und</strong> den<br />

Instrumentalisten die Partitur ausfüllen lässt, wird dann <strong>der</strong> Zuschauer/Zuhörer aktiv Realisator/Vollen<strong>der</strong> des<br />

Werkes. Je<strong>der</strong> Einzelne entscheidet, ob etwas Geräusch o<strong>der</strong> Musik, Alltagsobjekt o<strong>der</strong> Kunst ist. Diesem<br />

komplexen Thema widmet sich im Buch Andreas Kreul.<br />

<strong>„John</strong> <strong>Cage</strong> <strong>und</strong> ...“<br />

<strong>Akademie</strong> <strong>der</strong> <strong>Künste</strong> // Pressedossier // Seite 9

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