TantePaull7
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Leser_innenbrief<br />
030<br />
Werbung an der Uni –<br />
wenn man sonst keine<br />
Sorgen hat…<br />
Zu: Kreative dieser Welt: Vereinigt euch!<br />
Liebe Kreative dieser Welt, liebe LiSA-Liste, liebe „Tante Paul“-<br />
Redaktion!<br />
Ihr habt sicherlich einen guten Grund wütend zu sein. Denn:<br />
„Die Universität ist schon längst ein Ort für kommerzielle Werbung<br />
geworden!“<br />
Na wieso sollte sie es auch nicht sein? Die Universität ist eine<br />
Institution, die in dieser Gesellschaft ohne Selektion und Leistungsdruck<br />
nicht auskommt, die Spezialisten für diverse, kapitalistisch<br />
nützliche Funktionen ausbildet, wo Leute studieren,<br />
die schon mal durch die Sortierung des dreigliedrigen Schulsystems<br />
gegangen sind – und ausgerechnet bei Verbraucherinformationen<br />
platzt Euch der Kragen. Was wird dadurch schlimmer,<br />
das man beim Verlassen der Uni-Bibliothek erfährt, in welchem<br />
Club gerade welche Party läuft? Es könne nun mal nicht alle ins<br />
„Zucker“ gehen. Ihr wollt auch nicht alle dort wiedertreffen und<br />
außerdem schließt dieser völlig unkommerzieller Freiraum demnächst.<br />
Aber bis dahin wöllt ihr sicherlich auch deren Werbung<br />
bekämpfen, oder? Nein, ich verstehe schon, dass ihr leidet:<br />
„Zuerst die O² Tre pe erklimmen,da n die telefonzellenversperrte<br />
Glashalle betreten, Plastikmüll aus dem Nerd-Automaten fischen, 3<br />
Minuten später: wegwerfen! Ein schweifender Blick über den Boulevard<br />
oder den Sammelplatz für Spaßka se, Campus Viva und all diese<br />
„Lebenslaufaufbe serungsprogramme“,<br />
die im Winde flattern.“<br />
Bloß gehen die meisten Leute studieren, weil sie sich damit<br />
bessere Chancen in dieser Gesellschaft versprechen. Daher sind<br />
„Lebenslaufaufbesserungsprogramme“ ziemlich folgerichtig. So<br />
ein Engagement in SR oder AStA ist auch nicht ganz nutzlos bei<br />
der Bewerbung für die eine oder andere Stiftung. „Lebenslaufaufbesserung“<br />
braucht nicht nur der böse BWLer im blauen Hemd<br />
– auch auf die zottelige Sozialpädagogin wartet der Ernst des<br />
Lebens auf dem kapitalistischen Arbeitsmarkt. Ihr wisst schon:<br />
„irgendwas mit Menschen oder Medien oder beides“ So ganz<br />
geldfrei kann man auch an der Uni nicht auskommen und daher<br />
ist die Sparkasse gegenüber der Mensa einfach mal saupraktisch.<br />
Aber was rede ich da von Ökonomie, kommen wir doch mal zu<br />
Spannenderem – zu Kunst.<br />
Das Unigelände als Nest verschiedener Dienstleister_i nen, Hei, dat<br />
geht doch auch anders, bunter, wunderbarer- selbstorganisiert!<br />
Liebe_r Kritiker_in, Liebe Studis und<br />
alle anderen.<br />
wir von LiSA haben es uns nicht nehmen lassen auf die Kritik an<br />
unserem Aufruf gegen Werbung zu reagieren:<br />
Die Einstellung, die sich in deiner Überschrift niederschlägt<br />
können wir nicht teilen. Die Leier von der Universität als Institution<br />
im kapitalistischen System und den Kunststudierenden,<br />
die später nur selber Kommerz machen, finden wir reichlich<br />
verkürzt.<br />
Ist es eine Perspektive bei zunehmender Ökonomisierung der<br />
Universität einfach klein bei zu geben und alles auf den bösen<br />
Kapitalismus zu schieben? Kommerzielle Werbung ist nicht nur<br />
ein weiterer Mehrwert produzierender Markt im kapitalistischen<br />
System, sondern auch ein allgegenwärtiges Mittel der Reproduktion<br />
von sexistischen, leistungs- und verwertungsorientierten<br />
Normen. Kommerzielle Werbung wird längst als Normalität<br />
wahrgenommen. Doch die jetzige Situation gründet auf politische<br />
Entscheidungen in den 90er Jahren und ging einher mit<br />
einem allgemeinen Plakatierverbot, weswegen unter anderem<br />
große Teile studentischer Kultur verdrängt worden ist. Denn<br />
es ist unbestreitbar eine politische Entscheidung Graffiti und<br />
politische Aussagen an Wänden überstreichen zu lassen, Plakatankündigungen<br />
studentischer Initiativen zu entfernen oder<br />
Farbverläufe an den GW2 Türmen zur Anzeige zu bringen. Die<br />
Studierendenschaft wurde somit bewusst als neue Zielgruppe<br />
der kommerziellen Werbung etabliert und wird täglich an dieser<br />
Bildungsinstitution auf einen Konsumcharakter reduziert.<br />
Ohne Zweifel werden sich selbst die kritischsten und engagiertesten<br />
Studis spätestens nach ihrem Abschluss aller<br />
Wahrscheinlichkeit nach in der Realität der – neoliberalen -<br />
Arbeitswelt wiederfinden. Die nun lohnabhängigen Ex-Studis<br />
werden sich in der Regel von einem befristeten Arbeitsvertrag<br />
zum nächsten hangeln, schlechte Bezahlung, unbezahlte Praktika<br />
und im schlimmsten Fall noch schikanöse Vorgesetzte oder<br />
Bekanntschaft mit dem Jobcenter ertragen. Vor allem die so<br />
genannte „Kreative Klasse“ ist besonders von miesen Arbeits-<br />
und Lebensbedingungen betroffen. Entgegen deiner Meinung<br />
sind es gerade diese Bedingungen, gegen die sich Betroffenen<br />
wehren sollten. Auch wenn jeder einzelne erfolgreiche Arbeitskampf<br />
für sich nicht den Kapitalismus abschafft, so zeigt sich<br />
für die Betroffenen, dass die Welt, die sie umgibt, nicht so sein<br />
muss, wie sie ist und sie ihr nicht als ohnmächtige Individuen<br />
ausgeliefert sind.<br />
Natürlich können wir unseren Einsatz gegen kommerzielle Werbung<br />
nicht komplett mit einer Auseinandersetzung am Arbeitsplatz<br />
gleichsetzen, in dem es im Zweifelsfall, sogar um die<br />
TantePaul